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ulysses
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Berlin

Bewertungen

Insgesamt 17 Bewertungen
12
Bewertung vom 17.07.2022
P.S. Morgen bist du tot
Kurian, Vera

P.S. Morgen bist du tot


sehr gut

"P.S. Morgen bist du tot" ist das so spannende wie gelungene Debüt von Vera Kurian, das im Original den weitaus passenderen Titel "Never Saw Me Coming" trägt. Der Thriller ist durch seine abwechslungsreiche Erzählweise geprägt. Diese umfasst neben der ungewöhnlichen Sichtweise von Protagonistin und Psychopathin Chloe Sevres auch die Sichtweise des Leiters des Programms der Längsschnittstudie zur Psychopathie - Dr. Wyman, des Erst Semesterstudenten Andre Jensen sowie des aus wohlhabenden Verhältnissen stammenden Charles Portmont, in dessen Umfeld sich Will bewegt und in dessen Gegenwart Chloes sonst kühl kalkulierte Gedankengänge kurze Aussetzer haben. Neben Chloe gehört auch Andre zum Programm von Dr. Wyman. Doch Andre, den die Enttäuschung seiner Eltern, ihm nicht beim Einzug in die John Adams helfen zu dürfen, "innerlich hat tausend Tode sterben lassen", ist von Beginn an deutlich als Nicht-Psychopath charakterisiert, der sich in das Programm von Dr. Wyman hineingemogelt hat, da er diesem eine mehr als großzügige finanzielle Unterstützung für sein Studium verdankt. Und im weiteren Verlauf hat Andre sich für mich zum großen Sympathieträger dieses Thrillers entwickelt.

Der Thriller sticht durch seine besondere Auseinandersetzung mit Psychopathen hervor, die bei seiner ungewöhnlichen Protagonistin beginnt und sich in weiteren Hintergrundinformationen zu Psychopathen fortsetzt, in denen sich das Wissen von Vera Kurian als studierter Psychologin zeigt. Dabei orientiert sich die Autorin nicht an berühmten, doch unrealistischen Psychopathen wie Hannibal Lecter (Das Schweigen der Lämmer), Patrick Bateman (American Psycho) oder Norman Bates (Psycho), sondern charakterisiert die in ihrem Thriller vorkommenden Psychopathen anhand von klinisch belegten Diagnostika zur Psychopathie. Ein dazu passender Hinweis ist Robert Hares Buch "Gewissenlos" - ein Standardwerk zu Psychopathie, das Chloe bei ihrem ersten Besuch in der psychologischen Fakultät der John Adams im Regal entdeckt.
Auch unterscheidet sich der Umgang von Vera Kurian mit Psychopathen dadurch von anderen Thrillern, dass sie keinen männlichen Einzelgänger, sondern eine Frau und Psychopathin in den Mittelpunkt von "P.S. Morgen bist du tot" stellt. Interessant ist auch, welche zentrale Rolle die Interaktion von Psychopathen untereinander im weiteren Verlauf dieses Thrillers spielen wird. Denn die Autorin weiß mit einer ganzen Gruppe klinisch belegter Psychopathen aufzuwarten.

Insgesamt geht Vera Kurian mir jedoch leider zu unkritisch mit ihren Psychopathen um, was u.a. Protagonistin Chloe betrifft. Deren Verhalten wird zwar so detailliert beschrieben, dass deren Charakteristika herausgearbeitet werden, die etwa ihre Furchtlosigkeit und ihr Ekelempfinden betreffen, aber auch ihre Fähigkeit ohne mit der Wimper zu zucken lügen zu können. Zum Schluss hat die Autorin es dennoch geschafft ihre Psychopathen fast durchweg als charismatische, faszinierende Persönlichkeiten darzustellen, mit denen sich fast Sympathie empfinden ließe. Neben der Opferrolle, die ihnen in diesem Thriller zukommt, liegt das wohl primär darin begründet, dass der Thriller größtenteils aus Sicht der Psychopathen geschrieben ist, so dass weitestgehend eine kritische Wahrnehmung von außen fehlt, die deren Handlungen anders beurteilen würde. Chloe empfindet es beispielsweise als ganz und gar unproblematisch, so viele Bücher aus der Bibliothek zu klauen, die sie dann zu Geld macht, um sich einen schicken, teuren BH als Kostüm für die Halloween Party zu kaufen. Das wäre etwa eine gute Szene gewesen, um einmal die andere Seite zu beleuchten, also die Studenten darzustellen, die große Probleme haben, weil die dringend benötigten Bücher, die Chloe aus der Bibliothek hat mitgehen lassen, fehlen. Geeignet wären dafür auch die Sitzungen bei Dr. Wyman gewesen, der sie mit möglichen Konsequenzen ihres Verhaltens und dessen negativen Auswirkungen auf andere konfrontiert hätte. Aber ein solches kritisches Feedback fehlt be

Bewertung vom 03.06.2022
Kalte Blüten / Périgord-Krimi Bd.2
Dubois, Julie

Kalte Blüten / Périgord-Krimi Bd.2


sehr gut

Auf der Baustelle einer Walnussölmühle entdeckt der portugiesische Arbeiter Pedro Martinez bei Baggerarbeiten einen Schädel. Kommissarin Marie Mercier, die ihr Sabbatical vorzeitig beendet hat, um die Leitung des Kommissariats der Region zu übernehmen, ermittelt in ihrem ersten Fall als Leitung. Denn Michel Leblanc - der bisherige Leiter des Kommissariats - ist befördert worden und mittlerweile Maries Freund, so dass die beiden nun eine Wochenendbeziehung führen. Die vier Barthes Schwestern betreiben den Hof, zu dessen Gelände die noch im Rohbau befindliche Walnussölmühle gehört, da ihre Eltern sich seit dem Verschwinden ihres Sohnes Antoine komplett zurückgezogen haben. Doch ist Antoine, der sich schon seit langem nicht einmal mehr mit einer Postkarte gemeldet hat, wirklich nach Australien ausgewandert? Und was verbirgt Antoines Schwester Nathalie, die so strikt dagegen gewesen ist, auf dem Grundstück eine Walnussölmühle bauen zu lassen?

"Kalte Blüten" ist nach "Trüffelgold" der zweite Fall, in dem Protagonistin Marie Mercier ermittelt und Autorin Julie Dubois ins wunderschöne Perigord entführt. Dass zu Beginn des Krimis kurz zusammengefasst wird, was seit dessen Vorgänger passiert ist, hat mir gut gefallen, da seit dessen Ende in etwa ein halbes Jahr vergangen ist.
An "Kalte Blüten" haben mir der flüssige Schreibstil und die abwechslungsreiche Erzählweise von Julie Dubois zugesagt, die die Ereignisse nicht nur aus Sicht von Kommissarin Marie Mercier schildert, sondern etwa auch aus Sicht des portugiesischen Arbeiters Pedro Martinez, der den Schädel bei Baggerarbeiten entdeckt hat, aus Sicht von Maries Großtante Léonie sowie aus Sicht von Inspektor Martin, mit dem Marie sich ein Büro in der Arbeit teilt.

Neben der patenten, sympathischen Protagonistin Marie Mercier haben es mir besonders die kauzigen Typen - allesamt schräge Originale - angetan, die die Welt der Perigord Krimis von Julie Dubois bevölkern und die sie ebenso schräg wie liebenswürdig zu charakterisieren weiß. Neben Georges, der sein Hängebauchschwein Agnes innig liebt, wäre da noch der rundliche Inspektor Martin - Maries häuslicher, nerdiger Kollege - zu nennen. Martin hat einen ausgeprägten Putzfimmel, der von seiner Vorliebe für Desinfektionsmittel ergänzt wird, und schätzt seine Excel To-Do Listen, Zahlen wie Logik. Und die morbide Verzückung von Gerichtsmediziner Fred Blanquer, die von hübschen Schädeln bis hin zu schönen Schrammen reicht, die womöglich sogar die Todesursache gewesen sind, ist gleichermaßen irritierend wie interessant.
Zudem bindet die Autorin gekonnt wunderschöne Beschreibungen des malerischen Perigord in ihren Cozy Crime ein und bringt einem auch die gute Küche des Perigord in vielen köstlichen Gerichten näher - wie etwa den traditionellen Gerichten des Perigord ala Großtante Leonie, deren Rezepte sich Marie in ein Heft notiert. Das beginnt bei einem Omelette á l`oseille mit Gänsefett, Knoblauch, Zwiebeln und Sauerampfer, reicht über Blanquette de veau - ein Kalbsragout in heller Sauce mit Morcheln anstelle von Champignons - bis hin zu Hachis-Parmentier de Canard - einem mehrschichtigen Auflauf aus Kartoffelpüree und Entenfleisch, um nur einige Beispiele zu nennen. Ein separater Teil, der Rezepte zu den genannten Gerichten und vielen weiteren enthalten würde, hätte ich als passende Ergänzung von "Kalte Blüten" empfunden.

Nach einem ruhigeren Erzähltempo zum Einstieg in diesen Cold Case nimmt die Handlung dann im weiteren Verlauf an Fahrt auf, wenn die Taktung der Ereignisse nach dem langsameren Beginn von Julie Dubois erhöht wird. Bis zu seiner Auflösung, die für mich überraschend gewesen ist, da ich diese erst kurz vorher habe kommen sehen, vermochte mich dieser Perigord Krimi gut zu unterhalten. An seinem Ende hat mir besonders die Rolle von Kommissar Martin gefallen, die die Autorin ihm zugedacht hat, und die ich an dieser Stelle natürlich nicht in unnötiger Weise spoilern möchte.
Das einzige, was ich an diesem schönen Cozy

Bewertung vom 04.04.2022
Die Tote im Container / Team Helsinki Bd.1
Ollikainen, A.M.

Die Tote im Container / Team Helsinki Bd.1


ausgezeichnet

Hinter A.M. Ollikainen verbirgt sich das Schriftsteller Ehepaar Aki und Milla Ollikainen, das mit der Toten im Container den ersten Fall für das Team Helsinki abgeliefert hat. Dieses Team besteht aus der außergewöhnlich großen, sportlichen Paula "Gwendoline" Pihjala, dem erfahrenen, geschiedenen Kollegen Hartikainen, Karhu - einem Spezialisten für Wirtschaftsverbrechen, der neu in der Mordkommission ist - sowie Renko, der zum ersten Mal als Paulas Partner eingeteilt ist und der das jüngste Team Mitglied ist.
Trotz der im Team vorherrschenden Gegensätze, da dieses sich aus recht verschiedenen Charakteren mit unterschiedlichen Hintergründen zusammensetzt, die in dieser Konstellation zum ersten Mal zusammenarbeiten, harmoniert dieses Team über weite Strecken erstaunlich gut. Denn die einzelnen Team Mitglieder ergänzen einander gut und die interessante, eher ungewöhnliche Dynamik, die sich aus dieser Team Zusammensetzung ergibt, behindert dessen Arbeit nicht, sondern lässt diese unerwartet reibungslos laufen.

Im weiteren Verlauf der "Toten im Container" werden in kurzen, seltenen Szenen nach und nach Einzelheiten aus dem Privatleben sowie der Vergangenheit von Paula, aber auch Hartikainen und Karhu enthüllt. Allerdings geschieht dies nur am Rande und das Privatleben der einzelnen Ermittler des Teams nimmt in diesem Krimi von A.M. Ollikainen - anders als in diversen anderen skandinavischen Krimis - keinen allzu großen Raum ein.
Auch wenn die Spannungskurve der "Toten im Container" über weite Strecken nicht so hoch sein mag, so hat A.M. Ollikainen mich dennoch mit seiner abwechslungsreichen Erzählweise in kurzen Kapiteln von angenehmer Länge überzeugt. So beginnt dieser Krimi mit recht verschiedenen Handlungssträngen, was etwa einen irritierenden Prolog mit einschließt, in der die Nacht, in der Hannes Lehmusoja - ein erfolgreicher Geschäftsmann - mit hohem Promille Gehalt im Blut erfroren ist. Zudem führt A.M. Ollikainen das ermittelnde Team in ungewöhnlicher Weise ein, in dem er die einzelnen Mitglieder im Rahmen eines Basketballspiels unter Polizisten vorstellt. Der düstere Höhepunkt des starken Auftakts der "Toten im Container" ist jedoch, wie das Ertrinken einer bis dato anonymen, in einem Container gefangenen Frau geschildert wird. Dass A.M. Ollikainen sein Handwerk beherrscht, zeigt sich daran, dass die verschiedenen Handlungsstränge von Beginn an nicht wie Fremdkörper wirken, sondern sich flüssig lesen lassen - auch wenn sich deren Zusammenhänge erst im weiteren Verlauf dieses Krimis nach und nach erschließen werden.

Der Schreibstil von A.M. Ollikainen gefällt mir ausgesprochen gut, da dessen Erzählweise von kurzen, prägnanten Sätzen geprägt ist, die die Handlung stets auf den Punkt gebracht schildern. Ausufernd wird dabei nur selten erzählt, da es längere Monologe höchstens von Aki Renko - dem redseligen, jüngsten Team Mitglied - zu hören gibt. Diese stellen sich dann aber eher als ein Rauschen im Hintergrund dar - so wie diese auch von seinen Team Kollegen wahrgenommen werden, die Renko selten gänzlich in seinen Ausführungen folgen.

Von mir gibt es eine klare Empfehlung für "Die Tote im Container", da diese mich neben dessen intensivem Auftakt wie überraschendem Ende besonders mit dem prägnanten Schreibstil der Autoren überzeugt hat. Trotz des dramatischen, brutalen Beginns sowie des spannungsgeladenen Finales ist dieser Fall des Team Helsinki über weite Strecken mehr Wirtschaftskrimi als Thriller und damit weniger spannend, sondern eher komplex erzählt. Wer auf der Suche nach einem Krimi mit hohem Spannungspotential oder eher leicht bekömmlicher Krimi Kost ist, dem möchte ich von der "Toten im Container" abraten.
Mich jedoch haben die in diesem Krimi aufgegriffenen Themen wie etwa die der Entwicklungshilfe und der finnischen Missionarsarbeit in Namibia interessiert, auch da die Autoren kritisch die finnische Vergangenheit in Afrika und insbesondere Namibia aufgearbeitet haben. Zudem haben mir kleine Einblicke i

Bewertung vom 21.11.2021
Teufelsnetz / Jessica Niemi Bd.2
Seeck, Max

Teufelsnetz / Jessica Niemi Bd.2


sehr gut

Lisa Yamamoto und Jason Nervander, die zu den beliebtesten Social-Media Influencern und Lifestyle-Bloggern Finnlands zählen, sind nach einer Party anlässlich der Veröffentlichung des neuen Albums Spider’s Web des Rappers Kex Mace’s verschwunden. Ist deren Verschwinden noch zunächst als PR-Aktion abgetan worden, wird ein Verbrechen vermutet, nachdem irritierende neue Einträge auf dem Instagram Account von Lisa aufgetaucht sind. Ein Foto des Leuchtturms von Söderskär, indem Lisa von Eis und Schnee bedeckt ein stilles Grab tief drunten im Meer gefunden haben soll, legen ein Verbrechen nahe. Und so nimmt Kommissarin Jessica Niemi mit ihrem Team die Ermittlungen in diesen Vermisstenfällen auf.

Teufelsnetz ist nach Hexenjäger der zweite Fall, in dem Max Seeck Kommissarin Jessica Niemi ermitteln lässt. Jessica ist eine starke, interessante Protagonistin, die eine gewisse Neigung beitzt, aus der Reihe zu tanzen und eher zu Alleingängen neigt statt Anweisungen und Befehlen Folge zu leisten. Jessicas Mutter ist eine berühmte, finnische Schauspielerin gewesen, die es bis nach Hollywood geschafft hatte.
In Hexenjäger - dem vorigen Band dieser Reihe - ist Erne Mikson, der nicht nur Jessicas Vorgesetzter, sondern vor allen Dingen auch ihr guter Freund gewesen ist, an Krebs gestorben. Zu Beginn von Teufelsnetz schildert Max Seeck nun, wie Jessica unter diesem Verlust gelitten hat, den sie erst verarbeiten konnte, als sie das Laufen - so wie bei Forrest Gump - quasi als Therapie für sich entdeckt hat. Auch zählen für mich die Erinnerungen von Jessica an die letzten Monate von Erne, in denen sie ihn bei sich zu Hause gepflegt hat und die Max Seeck im weiteren Verlauf einstreut, zu den starken, emotional berührenden Momenten von Teufelsnetz.
Mit ihrer neuen Vorgesetzten Hauptkommissarin Helena Lappi - genannt Hellu, die nun das Gewaltdezernat leitet, tut sich Jessica hingegen sehr schwer. Denn Hellus von Präzision, Disziplin und Bürokratie geprägte pedantische Arbeitsweise kollidiert mit dem Vorgehen von Jessica.

An Teufelsnetz haben mir neben der Länge der kurzen Kapitel auch der flüssige, gut lesbare Schreibstil von Max Seeck gefallen. Abwechslungsreich wird die Geschichte dieses Thrillers aus wechselnden Perspektiven erzählt, was mir zugesagt hat. So werden die Ereignisse nicht nur aus Sicht der ermittelnden Kommissarin Jessica Niemi, sondern etwa auch aus Sicht von einem der Opfer - der prominenten Bloggerin Lisa Yamamoto - sowie von einem der Täter - dem unheimlichen Akifumi - geschildert.
Mit der Beschreibung der irritierenden Gedankengänge von Akifumi, die gleich eine düstere, unheimliche Stimmung aufkommen lassen, liefert Max Seeck einen starken Auftakt für diesen Thriller. Dabei wirken Akifumis Gedanken zunächst nur befremdlch, wenn er sich etwa extrem an einer dunkleren Stelle einer Silbergabel stört. Diese gipfeln jedoch schließlich darin, dass er sich vorstellt, wie er die junge Asuna nach dem Oralverkehr zu töten gedenkt. Ebenso glaubwürdig schildert Max Seeck jedoch etwa auch das oberflächliche, von einem hohen Drogenkonsum geprägte Leben der prominenten Instagram Influencerin und Halbjapanerin Lisa Yamamoto, als diese zu Beginn von Teufelsnetz die Party anlässlich der Veröffentlichung des neuen Albums Spider’s Web von Rapper Kex Mace’s besucht.
Die wechselnden Perspektiven kommen auch dem Mittelteil dieses Thrillers zugute. Dieser ist insbesondere auch durch die Einblicke, die er in das Privatleben aller Mitglieder des Ermittler Teams um Jessica Niemi liefert, wenn diese ihre Arbeit auch in den Feierabend hineintragen, kurzweilig gestaltet und lässt dabei keine Längen aufkommen.

Teufelsnetz hat mir als spannender, abwechslungsreich erzählter Thriller mit tollen, atmosphärischen Beschreibungen gefallen, der mich besonders mit seinen überraschenden Wendungen überzeugt hat. Das schließt vor allen Dingen die Auflösung, wer denn nun eigentlich der bereits zu Beginn eingeführte Täter Akifumi ist, mit ein, die ich so nich

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Bewertung vom 05.09.2021
Das Mädchen mit der lauternen Stimme
Daré, Abi

Das Mädchen mit der lauternen Stimme


sehr gut

Das Mädchen mit der lauteren Stimme ist geprägt von kurzen Kapiteln, in denen Abi Daré ihre junge Protagonistin Adunni ihre Geschichte in einer ganz eigenen, ungewöhnlichen Sprache erzählen lässt.
Adunni ist ein sympathisches, aufgewecktes und wissbegieriges Mädchen, das schon als kleines Kind davon geträumt hat, später Lehrerin zu werden. Denn Adunni hat einen guten Kopf zum Lernen, wie jedem in ihrem Heimatdorf bekannt ist. Adunnis Hingabe für die Schule und ihre Liebe zu Büchern finde ich ebenso rührend wie inspirierend.
Adunnis Neugierde treibt sie dazu viele Fragen zu stellen. Auch kann Adunni ziemlich vorlaut sein und einem manchmal sogar ein wenig auf die Nerven gehen. Aber gerade diese Ecken und Kanten, die Abi Daré ihrer Protagonistin zugesteht, lassen ihre Charakterisierung glaubwürdig und authentisch werden. Und wenn Adunni einmal wieder eines ihrer selbst ausgedachten Lieder singt, dann ist sie einfach nur das Mädchen, das sie mit ihren erst vierzehn Jahren noch ist.

Besonders stark ist das Mädchen mit der lauteren Stimme meist dann, wenn Adunni einmal die engen vier Wände des Zuhauses, indem sie als Drittfrau bzw. Hausmädchen leben muss, verlassen darf. Leider gibt es viel zu wenig Kapitel wie die, in denen Adunni ihre neue Freundin und Englischlehrerin Ms Tia auf den großen Markt in Lagos begleiten darf, um für sie das Feilschen zu übernehmen, oder Adunni für einen Tag im prächtigen Geschäft von Big Madam in Lagos auszuhelfen darf, das ihr wie ein Palast vorkommt. Nigeria und insbesondere Lagos, in dem Abi Daré selbst aufgewachsen ist, so durch die staunenden Augen eines Kindes entdecken und erleben zu dürfen, hat mir ausgesprochen gut gefallen - und ist ein starker, gelungener Kontrast zu den Qualen und dem Leid, das Adunni sonst zu ertragen hat.

Das Mädchen mit der lauteren Stimme ist ein ziemlich starkes Debüt von Abi Daré, das jedoch leider auch seine Schwächen hat:
Abi Daré schildert die Ereignisse in ihrem Roman ausschließlich aus Sicht von Adunni und Adunni ist mit ihren erst vierzehn Jahren noch recht kindlich und sehr naiv. Das äußert sich nicht nur in der gewöhnungsbedürftigen Sprache, die mit Sicherheit nicht jedermanns Sache sein wird, sondern auch darin, dass Adunni viele Worte nicht kennt bzw. nicht richtig versteht.
Erst mit Adunnis fortschreitender Bildung wird dies ein klein wenig besser. Aber da das Mädchen mit der lauteren Stimme zwar den ein oder anderen kleinen Zeitsprung von wenigen Monaten enthält, wird insgesamt leider nur eine zu kurze Zeitspanne aus Adunnis Leben erzählt, als dass sich wirklich eine größere Entwicklung Adunnis beobachten ließe. Gegen Ende dieses Romans ist Adunni natürlich ein bisschen weniger naiv, stattdessen gebildeter und selbstbewusster - aber auch dann kennt Adunni viele Worte nicht bzw. versteht diese höchstens im Kontext. So hätte es mir weit besser gefallen, eine deutlichere Entwicklung Adunnis in diesem Roman verfolgen zu können, die etwa durch größere Zeitsprünge und somit die Erzählung eines längeren Abschnitts aus Adunnis Leben gegeben wäre.

Von mir gibt es eine klare Empfehlung für das Mädchen mit der lauteren Stimme, da Abi Daré in ihrem beeindruckenden, berührenden Debütroman mit der authentisch geschilderten Geschichte der noch so jungen Protagonistin Adunni, die eine lautere Stimme erlangen möchte, ein eindringliches Plädoyer dafür verfasst hat, wie nur mehr Bildung Mädchen und Frauen in Nigeria in ihren schwierigen, von Unterdrückung geprägten Verhältnissen helfen und diese für sie verbessern kann. Damit zeichnet sich dieser Roman besonders durch seine so wichtige Botschaft aus.

Zuletzt möchte ich eine Warnung aussprechen, dass dieser Roman nichts für ganz Zartbesaitete ist. Denn auch wenn dessen grausame Szenen nicht sonderlich explizit geschildert werden, wirken diese Szenen viel intensiver und brutaler, da Adunni erst vierzehn Jahre alt ist, was einem als Leser aufgrund ihrer kindlichen Sprache und naiven Sichtweise stets präsent

Bewertung vom 15.08.2021
Der dunkle Schwarm Bd.1
Graßhoff, Marie

Der dunkle Schwarm Bd.1


sehr gut

Im Washington des Jahres 2100 ist die junge Atlas tagsüber als anonymer Niemand in der Masse der Programmierer für Hypermind - einen der größten Konzerne - tätig. Atlas verfügt über außergewöhnliche Fähigkeiten, die fast schon ans Hellseherische grenzen und die ihr ermöglichen Gedanken und Erinnerungen anderer zu lesen, wenn sie sich in deren Hives hackt. Und in der Nacht verdient Atlas als Oracle ihr Geld mit diesen besonderen Fähigkeiten, die sie etwa für Industriespionage einsetzt. Dabei findet sich an Atlas Seite stets als treuer Begleiter ihr Bodyguard Julien - ein Androide der Kampfklasse.
Vom ebenso jungen wie reichen Künstler Noah Levy wird Atlas mit der Aufklärung eines aus technischen Gründen quasi unmöglichen Mordes beauftragt, bei dem ein gesamter Hive ausgelöscht wurde. Dabei starben zweihundert Menschen zur gleichen Zeit und unter den Opfern war auch Noahs Schwester Sara Levy.

Marie Graßhoff erzählt ihre Geschichte im dunklen Schwarm in kurzen Kapiteln, die Überschriften wie Die Tage einer müden Seele, Die Heimat eines vergangenen Kampfes oder auch Das Muster einer zufälligen Auslöschung tragen, aus Sicht ihrer interessanten Protagonistin Atlas. Dabei ist das Rätsel um Atlas Vergangenheit und den Ursprung ihrer besonderen Fähigkeiten wohl fast noch größer als die Aufklärung der Ermordung sämtlicher Mitglieder eines Hives.

Ausgesprochen gut gefallen haben mir die atmosphärischen, teilweise düsteren, durchweg gelungenen Beschreibungen von Marie Graßhoff, die ein dystopisches Washington des Jahres 2100 vor meinem inneren Auge haben lebendig werden lassen. Dabei wird das Washington der Zukunft als Moloch von Stadt samt verdreckter Sub-Levels geschildert, das so tief in Smog getaucht ist, dass der Himmel nur alle paar Tage kurz sichtbar wird und so gut wie nie die Sonne scheint. Diese Megastadt Washington, in der oft nur die Werbetafeln und -anzeigen allgegenwärtig sind und wo die Protagonistin Atlas noch nie einen Baum gesehen hat, hat bei mir Assoziationen an Blade Runner geweckt.
Als besonders gelungen habe ich dabei etwa die Schilderung des Aufenthalts von Atlas in Johnson´s Hacker Hotel in den verdreckten Sub-Levels - und im Kontrast dazu die Beschreibung des an einen Garten erinnernden und von Bienensummen erfüllten Anwesens von Bennie Haloren, dem Gründer der Umweltschutzorganisation The Cell - empfunden.

Der dunkle Schwarm ist gut lesbar und flüssig geschrieben. Zudem erzählt Marie Graßhoff ebenso fesselnd wie spannend, woran das oftmals recht hohe Erzähltempo sowie die gelungenen Beschreibungen von Kampf- und Actionszenen ihren Anteil haben. Gut gefallen hat mir etwa der Kampf, den sich Atlas und ihr treuer Kampfandroide Julien zu Beginn des dunklen Schwarms mit dem Industriellen Mr. Soho auf einem Schrottplatz liefern und der sogar einen riesigen Kampfroboter mit einschließt.

Mit Atlas hat Marie Graßhoff eine interessante und komplexe Protagonistin für ihre Geschichte ersonnen, von der ich gerne noch mehr lesen möchte. Neben Atlas hat mir auch ihr Androide Julien gut gefallen, der Atlas nicht nur beschützt, sondern sich auch um sie kümmert, wenn er ihr etwa Frühstück bestehend aus Pancakes und Kaffee macht. Zwischen Atlas und Julien stimmt einfach die Chemie, obwohl Julien "nur" ein Androide ist. Im Vergleich dazu bleiben weitere Nebencharaktere des dunklen Schwarms, was leider auch den jungen Künstler Noah und die toughe Polizistin Lora Hiland betrifft, sowie Atlas Beziehung zu diesen leider ein wenig blass.
Zum Ende des dunklen Schwarms sind leider Fragen für mich offen geblieben. Insofern würde ich hoffen, dass Marie Graßhoff diese in einer bereits angekündigten Fortsetzung des dunklen Schwarms noch behandeln und klären würde. Auch würde ich gerne noch mehr über die dystopische Version der Zukunft, die Marie Graßhoff im dunklen Schwarm entworfen hat, erfahren - wie insbesondere über die Kolonien auf dem Mars, wo ausschließlich Menschen aus den Sub-Levels in Minen Terraforming und Bergbau

Bewertung vom 05.07.2021
SCHULD! SEID! IHR! / Liebisch & Degenhardt Bd.2
Thode, Michael

SCHULD! SEID! IHR! / Liebisch & Degenhardt Bd.2


sehr gut

An "Schuld! Seid! Ihr!" hat mir gut gefallen, dass die Handlung auf zwei Zeitebenen erzählt wird, die zum einen etwa zwanzig Jahre zuvor und zum anderen im hier und jetzt spielen. Darüber hinaus haben mir die Perspektivwechsel zugesagt, die für Abwechslungsreichtum sorgen und die die Ereignisse nicht nur aus Sicht der ermittelnden Kommissare Rolf Degenhardt und Jana Liebisch, sondern zudem aus Sicht des Täters - genannt der Gehängte - sowie seiner Opfer schildern. Interessant fand ich dabei besonders, dass die Geschichte über weite Strecken aus Sicht des Gehängten erzählt wird und ich dabei einen tieferen Einblick in dessen Gedankenwelt erhalten habe.
Zudem sagt mir der ebenso ungewöhnliche wie strukturierte, fast schon analytisch zu nennende Aufbau von "Schuld! Seid! Ihr!" zu, der bis zum Schluss konsequent verfolgt wird. Dieser erinnert in seiner Einteilung in sechs Akte an ein Theaterstück und orientiert sich am systematischen Racheplan des Gehängten. Die einzelnen Akte wiederum sind in Kapitel unterteilt, die aus wechselnden Perspektiven erzählt werden ("Der Gehängte" vs. "Die Anderen"). Gut gefallen haben mir dabei die detaillierten Zeit- und Ortsangaben, mit denen jedes Kapitel eines Akts überschrieben ist.

An "Schuld! Seid! Ihr!" hat mich angesprochen, wie gut recherchiert dieser Krimi ist. So werden die einzelnen Akte mit interessanten Informationen zu Tarotkarten eingeleitet, die etwa die Geschichte der Tarotkarten - insbesondere zu deren Wurzeln und ersten Nachweisen wie den Visconti-Spielen, die die ältesten Tarotkarten der Welt im Besitz der Familie Visconti darstellen - betreffen. Denn der Täter, der in "Schuld! Seid! Ihr!"seine Rache sucht, ist selbst nach der Tarotkarte "der Gehängte" benannt.
Aber auch die intensiven wie gut recherchierten Beschreibungen wie die der Bayreuther Festspiele und des besonderen Orchestergrabens im Bayreuther Festspielhaus aus Sicht der Bratschistin Simone Distler haben mich überzeugt. Gleichermaßen eindringlich wie gelungen finde ich die Schilderung des nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmten Jürgen Großmann - des Vorgängers von Rolf Degenhardt - und wie er aufgrund seiner Lähmung zu kämpfen hat, um an einen Nachttischschrank neben seinem Bett zu gelangen.
Gefallen hat mir auch die Brisanz und Aktualität, die "Schuld! Seid! Ihr!" dadurch gewinnt, dass der Gehängte im Rahmen seines Racheplans geschickt sein Talent als Hacker einsetzt. Und so zeigt er etwa im Hacken medizinischer Geräte, wie angreifbar wir heute in unserer technisierten Welt geworden sind und uns dessen nur allzu oft gar nicht bewusst sind.

In "Schuld! Seid! Ihr!" nehmen die Auseinandersetzung zwischen Rolf Degenhardt und dem unsympathischen Karrieristen Dirk Kaiser, der als neuer Leiter des Zentralen Kriminaldienstes nun leider der Vorgesetzte von Degenhardt ist, sowie das Privatleben von Degenhardt ziemlich viel Raum ein. Geschildert werden Degenhardts privaten Problemen, die die Trennung von seiner Frau Ulrike, aber auch seine Tochter Alexandra, die im weiteren Verlauf von "Schuld! Seid! Ihr!" bei Rolf Degenhardt einzieht, betreffen. Zudem leidet er unter psychischen Problemen, die auch mit den Ereignissen eines früheren Falls, der in "Das stumme Kind" geschildert wird, zusammenhängen. In diesem Zusammenhang wird in "Schuld! Seid! Ihr!" auch auf den ersten Krimi dieser Reihe Bezug genommen. Um der Ermittlung den Gehängten betreffend in diesem zweiten Krimi folgen zu können, ist es jedoch nicht erforderlich "Das stumme Kind" gelesen zu haben, da beide Fälle voneinander unabhängig sind.

"Schuld! Seid! Ihr!" ist ein ebenso interessanter wie ungewöhnlicher, zudem gut recherchierter und komplexer Krimi, den ich sehr gerne gelesen habe. Allerdings muss ich zugeben, dass das Ende zwar konsequent ist, aber doch ein wenig abrupt gekommen ist und dabei dann doch die ein oder andere Frage für mich unbeantwortet geblieben ist.

Bewertung vom 03.06.2021
Dein böses Herz (eBook, ePUB)
Buderath, Paul

Dein böses Herz (eBook, ePUB)


sehr gut

An diesem zweiten Thriller von Paul Bruderath haben mir sein flüssiger, gut lesbarer Schreibstil sowie die vielen wechselnden Perspektiven, aus denen "dein böses Herz" erzählt wird, zugesagt. So wird die Handlung nicht nur aus Sicht von Kommissarin Sandra Rehbein geschildert, sondern ebenfalls aus Sicht des ersten Mordopfers Dirk Lettorf, der jungen Prostituierten Nicki sowie der Täterin Lorena.
Zudem finde ich an "dein böses Herz" sehr gelungen, wie geschickt Paul Buderath sein umfangreiches Figurenarsenal einführt, das aus Kommissarin Sandra Rehbein und ihrem Team inklusive dem Gerichtsmediziner sowie ihrer Familie besteht und zudem die Mordopfer, deren Angehörige, weitere Zeugen, die junge Prostituierte Nicki sowie die Täterin Lorena umfasst. Und trotz dieser vielen verschiedenen Personen habe ich beim Lesen doch stets gut den Überblick behalten können.

An "dein böses Herz" haben mir die atmosphärischen, oft düsteren und bisweilen sogar ein wenig unheimlichen Beschreibungen gut gefallen. So finde ich etwa die Schilderung des verlassenen Parkplatzes in eisiger Nacht, der als unheimlicher Tatort des ersten Mordes an Dirk Lettorf dient, sehr gelungen. Auch denke ich, dass "dein böses Herz" aufgrund des in diesem Thriller vorherrschenden eisigen Wetters die perfekte Lektüre für lange, kalte Herbst- und Winternächte ist.
Darüber hinaus haben mich aber auch die ungewöhnlichen Beschreibungen wie die einer Messe nach traditioneller Liturgie aus Sicht der Mörderin sowie die schönen, malerischen Beschreibungen wie die des verträumten Dortmunder Stadtgartens an einem verschneiten Wintertag überzeugt. In den insgesamt 71 Kapiteln, die so sehr kurz, fast schon knapp geraten sind, bleibt in "dein böses Herz" leider nicht allzu viel Raum für solche Beschreibungen, von denen es für meinen Geschmack gerne mehr hätten sein dürfen.

Die leitende Ermittlerin - Kommissarin Sandra Rehbein - hat mir gut gefallen. Sandra ist eine ebenso fähige wie engagierte Polizistin, von der ich gerne weitere Fälle lesen würde. Zudem werden ihre Probleme als alleinerziehende Mutter des achtjährigen Tim, die zugleich Leiterin der Mordkommission ist, glaubwürdig geschildert.
Von den Nebencharakteren haben mir besonders Sandras Mitarbeiter Werner Dietkarz sowie der Rechtsmediziner Dr. Feliakis gefallen. Da ich Werner so sympathisch finde, hat mir zugesagt, wie er mit seiner gewissenhaften, kompetenten Arbeit die Ermittlungen entscheidend voranbringt, indem er neue, relevante Zeugen findet. Zudem ist Werner ein echter Fels in der Brandung - auch für Sandra und das trotz seiner eigenen, schwerwiegenden, persönlichen Probleme aufgrund der Krebserkrankung seiner Frau Friderike. Dr. Feliakis hatte leider nur wenige, kurze Auftritte in "dein böses Herz", bei denen er mich jedoch so überzeugt hat, dass ich wirklich gerne mehr von ihm gelesen hätte.
Sandras Zusammenarbeit mit Ronny Schäfer - dem stellvertretenden Leiter der Mordkommission - hingegen ist von Konflikten geprägt. Und auch wenn Sandras und Ronnys berufliches Verhältnis im Verlauf von "dein böses Herz" ein bisschen besser wird, hat mir Ronny insgesamt doch leider weniger gut gefallen. Denn primär fällt Ronny durch seine dummen Sprüche auf und Sandra ist froh, wenn er einfach mal seine Arbeit richtig macht, ohne sich quer zu stellen.

Die Kapitel, die in "dein böses Herz" aus Sicht der Täterin Lorena erzählt sind, fand ich sehr interessant. Dabei haben mir auch die Zeitsprünge gefallen, die zumindest in ein, zwei kurzen Kapiteln Ereignisse aus der Vergangenheit von Lorena schildern. Und da in diesem Krimi von Paul Bruderath recht früh klar ist, wer die Mörderin ist und somit das sonst in einem Krimi so übliche miträtseln und mitraten den Täter betreffend entfällt, hätte ich stattdessen gerne noch mehr zum Hintergrund von Lorena und ihrer Vergangenheit, was insbesondere ihre Zeit in einer freikirchlichen Sekte mit einschließt, erfahren.

Bewertung vom 29.05.2021
Himmel oder Hölle? / deVries Bd.7
Vries, Mel Wallis de

Himmel oder Hölle? / deVries Bd.7


gut

An diesem Thriller des ONE-Verlags hat mir der flüssige, gut lesbare Schreibstil von Mel Wallis de Vries sehr zugesagt. Zudem hat mir gut gefallen, dass die Handlung von "Himmel oder Hölle?" in Perspektivwechseln sowie auf zwei Zeitebenen erzählt wird. So schildert das erste Kapitel an TAG 0 aus Sicht des Täters, wie er die sich in seiner Gewalt befindende Danielle mit der Kamera seines Handys aufnimmt, dabei sein Selbstbewusstsein wächst und sich Dunkelheit in ihm regt, wenn er sich vorstellt, was er der gefesselten Danielle antun wird.
Danach setzt die eigentliche Handlung 17 Tage zuvor in Gerlos in Österreich ein, wo die Amsterdamer Freundinnen Loulou, Robin, Madelief und Danielle ihre Ferien verbringen. Von da an erzählt Mel Wallis de Vries ihre Geschichte an diesen vorherigen Tagen im Wechsel mit Tag 0 und bewegt sich dabei auf diesen Tag 0 zu, um in einem Epilog, der 122 Tage später spielt, zu enden. Dieser Aufbau von "Himmel oder Hölle?" hat mir insgesamt zugesagt. Dabei haben mich besonders die düsteren Tag 0 Kapitel überzeugt, die Einblick in die Gedankenwelt des Täters bieten, da sie aus seiner Sicht geschildert sind.

So konfrontiert Mel Wallis de Vries schon zu Beginn von "Himmel oder Hölle" den Leser damit, wie Danielles "Freundin" Loulou auf ihr herumhackt, weil sie ein heruntergekommenes Apartment für den Skiurlaub gebucht hat, als sie sich von geschönten Fotos der Wahrheit hat täuschen lassen. Zudem macht Loulou sich in gehässiger Weise über die noch unerfahrene Skifahrerin Danielle lustig.
Und Danielles Ex-Freund Stan, mit dem sie einst ihre Traurigkeit verbunden hat, weil sie unter der Scheidung ihrer Eltern gelitten hat so wie Stan unter dem Verlust seiner Mutter, die an Krebs gestorben ist, zeigt seit Danielles Trennung von ihm Stalking ähnliche Verhaltensweisen. So ruft Stan Danielle etwa täglich an, schreibt ihr ständig, beobachtet, wann sie online geht, und steht nachts vor ihrem Haus. Zudem zeigt der attraktive Medizinstudent Dante, der aus schwierigen Verhältnissen stammt, da er seit seinem neunten Lebensjahr in einer Pflegefamilie groß geworden ist, ein Danielle gegenüber kontrollsüchtiges und gelinge gesagt ziemlich irritierendes Verhalten.
Für den weiteren Verlauf von "Himmel oder Hölle" hätte ich mir gewünscht, dass Danielle mehr Selbstvertrauen und Durchsetzungsstärke entwickeln würde, dass sie weniger versuchen würde es allen Recht zu machen, sondern stattdessen lernen würde, klare Grenzen zu setzen und sich aus schwierigen Beziehungen zu lösen. Doch leider ist diese Entwicklung nicht erfolgt. Darüber hinaus spricht Mel Wallis de Vries in diesem Thriller zwar eine Vielzahl weiterer gleichermaßen schwieriger wie relevanter Themen an - wie etwa Bodyshaming, Selbstverletzung oder auch psychische Erkrankungen. Aber auch bei diesen Themen ist eine kritischere Auseinandersetzung leider nicht erfolgt, wie ich sie mir insbesondere bei einem Jugendbuch gewünscht hätte.

Obwohl man bedingt durch den Aufbau von "Himmel oder Hölle", da man als Leser durch die eingeschobenen Tag 0 Kapitel nach und nach weitere Informationen zum Täter erhält, die ganze Zeit miträtselt, wer Danielle da an Tag 0 in seiner Gewalt hat, errät wohl keiner die Auflösung, die Mel Wallis de Vries schließlich liefert. Dass die Enthüllung des Täters ebenso überraschend wie unerwartet kommt, hat mir einerseits gefallen. Andererseits geht diese leider ein wenig zu lasten der Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit des Täters, wie ich finde. So hätte ich mir mehr Informationen zum Hintergrund des Entführers von Danielle - wie insbesondere zu seiner wohl schwierigen Vergangenheit - gewünscht. Womöglich hätten auch ein paar weniger falsche Fährten und ein etwas kleinerer Kreis an Verdächtigen diesem Thriller von Mel Wallis de Vries gut getan. Denn so hat "Himmel oder Hölle" bisweilen schon seine Längen und ist gerade in seiner ersten Hälfte über weite Strecken eher weniger spannend für einen Thriller, da dafür dann doch einfach zu we

Bewertung vom 10.05.2021
Laudatio auf eine kaukasische Kuh
Jodl, Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh


sehr gut

An der "Laudatio auf eine kaukasische Kuh" haben mir neben den kurzen Kapiteln, die interessante Überschriften wie "Tabak und weitere Wunder", "Taisias Salon" oder auch "Medeas Ende" tragen, die Perspektivwechsel gut gefallen. So schildert Angelika Jodl die Handlung nicht nur aus Sicht von Olga, sondern auch aus Sicht von Jack.
Glaubwürdig finde ich dabei Olgas Konflikt zwischen den zwei Welten, in denen sie lebt, geschildert. Auf der einen Seite ist Olga die angehende deutsche Ärztin im praktischen Jahr samt Mediziner Freund Felix van Saan, der sein praktisches Jahr in der Onkologie des Klinikum Großhadern in München absolvieren wird. Auf der anderen Seite ist Olga die "Tochter seltsamer Fremdlinge". In ihrer Familie, die ursprünglich aus dem Kaukasus stammt, wird Ponti - ein archaischer griechischer Dialekt - gesprochen. Olgas Vater Achilleas ist nur Gastarbeiter in Deutschland, obwohl er eigentlich Ingenieur ist, und Olgas Mutter Chrysanthi hat ihr Geld mit Putzjobs verdient.
In gelungener Weise schildert Angelika Jodl, wie Olga mit und zwischen diesen beiden Welten lebt und das sowohl in Deutschland als auch auf ihrer Reise nach Georgien, bis schließlich diese beiden Welten, die Olga so gerne getrennt voneinander halten würde, miteinander kollidieren.

An der "Laudatio auf eine kaukasische Kuh" hat mir besonders Angelika Jodls ungewöhnliche Art zu erzählen gefallen, die sich etwa in ihren außergewöhnlichen Beschreibungen - wie denen von Georgien - zeigt. Zudem haben mir die gelungenen, bisweilen ungewöhnlichen Beschreibungen zugesagt, die Angelika Jodl dafür findet, wie Olga sich in ihrem praktischen Jahr im Krankenhaus fühlt. So sieht Olga sich etwa als "am Ende einer Staffel großer, weißer Schreitvögel", da sie ohne begleitenden Arzt keine Untersuchungen durchführen darf bzw. als "weiß gewandeten, beruhigend intensiv desinfizierter Vampir", weil sie ihre ganze Zeit ausschließlich mit Blut abnehmen verbringt.
Viele der skurrilen, ungewöhnlichen Nebencharaktere haben mir gut gefallen - wie etwa Sandro, der erst sechsjährige Sohn von Olgas Tante Taisia, der es schafft Satan, Kämpferseele und einen mit Turnschuhen werfenden Tarzan in sich zu vereinen, oder Hamed, der nicht nur Olgas Kommilitone, sondern zugleich auch ihr überaus sympathischer Mitbewohner ist. Daneben sind jedoch die meisten Deutschen ohne Migrationshintergrund - abgesehen von Jack - leider ein wenig blass geraten oder ihre Charakterentwicklung ist für mich leider nur schwer nachvollziehbar.

Besonders gut gefallen hat mir der Teil der "Laudatio auf eine kaukasische Kuh", der in Georgien spielt. Diesen besonderen Schauplatz stellt Angelika Jodl samt seiner Sitten und Bräuche vor. Damit meine ich nicht nur die Schilderung einer traditionellen, georgischen Hochzeit samt lange Balladen rezitierendem Tamada, kriegerischen Trinksprüchen und dem als Räuberhauptmann verkleideten Bräutigam, sondern insbesondere auch die überschwängliche Gastfreundschaft im Salon sowie die Sitte bei den Toten auf dem Friedhof zu speisen. Dass Angelika Jodl zudem nicht nur georgische Kunst - etwa in Gestalt des Kunstmalers Niko Pirosmani - vorstellt, sondern einem auch den Wein und die Küche dieses Landes näherbringt, hat mir sehr gut gefallen. So lernt man insbesondere die Khinkali und deren besondere Art der Zubereitung kennen. Khinkali sind u.a. mit Fleisch, Dill, Koriander, Knoblauch, Kümmel, rotem Pfeffer und Salz gefüllte Teigtaschen, die eine gezwirbelte Spitze - den Nabel - aufweisen.

Im Kern erzählt die "Laudatio auf eine kaukasische Kuh" eine ziemlich gewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Olga, Felix und Jack mit insofern auch recht vorhersehbarem Ende. Auf dem Weg dorthin bezaubert dieser Roman von Angelika Jodl jedoch mit vielen Nebencharakteren voll skurrilem, eigenwilligem Charme, besonderen Schauplätzen in Georgien und Angelika Jodls ganz eigener Art zu erzählen, die sich etwa in vielen ebenso ungewöhnlichen wie gelungenen Beschreibungen zeigt.

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