Benutzer
Benutzername: 
leseleucht
Wohnort: 
Alfter

Bewertungen

Insgesamt 181 Bewertungen
Bewertung vom 21.06.2025
Andersen, Hans Christian;Westera, Bette

Die Schneekönigin


ausgezeichnet

Wunderbare Wiederauflage eines alten Märchenklassikers
Das Märchen „Die Schneekönigin“ von Hans Christian Andersen begeistert seit jeher mit seiner poetisch schönen und abenteuerlichen Geschichte von der Schneekönigin, die den kleinen Arne mit sich nimmt. Nur seine Freundin Janna kann ihn von dem bösen Zauber erlösen. Und so macht sie sich auf den langen und gefährlichen Weg zum Palast der Schneekönigin in ewigem Eis und Schnee.
Die Neuerzählung von Bette Westerea bettet die Geschichte in eine schöne Rahmenerzählung von zwei Kindern auf einem Bauernhof, die nach dem ersten Schneefall Päckchen öffnen dürfen mit je einem Gegenstand und einer dazu passenden Geschichte, den einzelnen Abschnitten des Märchens. In die Erzählung eingebunden sind einfache Kinderreime, die eine fröhliche Stimmung erzeugen und den Erzähltext auflockern. Insgesamt erzählt sie die Geschichte kindgerecht und zugleich in einem angenehm weichen, leicht poetischen Ton.
Begleitet wird der Text von zauberhaften, zarten Zeichnungen der Illustratorin Aida de Jong, die der Geschichte auch viel Geborgenheit und Schönheit geben. Sie laden zum Verweilen und genauen Betrachten ein mit ihren vielen liebe- und stimmungsvollen Details. Farblich angepasst sind sie zum einen der jeweiligen vom bunten, fröhlichen Frühjahr hin in die eisige Finsternis einer Winternacht. Ansonsten spiegeln sich in ihnen zum Teil die nordischen Farben und Muster, aber auch moderne Gestaltungsprinzipien, sodass sich die Kinder gut mit den Figuren identifizieren können.
Insgesamt ein kostbarer Bücherschatz für jedes Bücherregal!

Bewertung vom 20.06.2025
Schumacher, Jens

Bloß keine Bücher! / Lesen nervt! Bd.2


sehr gut

Nerviges Lesen macht doch auch irgendwie Spaß

Im zweiten Band der Reihe „Lesen närvt“ hat die von Büchern und Lesern genärvte Spinne Karoline Kneberwecht schon deutlich bessere Laune als im ersten und sich ein Haustier zugelegt, den Bücherskorpion Zwicko. Der ist ihr allerdings ausgebüxt und frisst sich nun munter durch die Bücher. Was die Bücherhasserin Kneberwecht ja eigentlich freuen müsste. Aber sie hat Angst um die Gesundheit von Zwicko und bittet den Leser um aktive Hilfe bei der Suche nach dem Ausreißer. Dazu führt sie ihn durch verschiedene Leserätsel mit vertauschen Buchstaben, Satzgliedersalat und durcheinander geratenen Geschichtenbausteinen, sodass sie ihre Leser ganz schön auf Trab hält.
Insgesamt ist auch der zweite Band ein lustig illustrierter Lesespaß mit Knobeleffekt, der jungen Leser vor einige – wenn auch gut lösbare – Herausforderungen stellt. Der erste Band hat mir aufgrund der noch bissigeren, vom Lesen genervten Spinne und der Art der Leseaufgaben etwas besser gefallen, aber auch der zweite Band kann alle Lesegenärvten sicherlich Lust aufs Lesen machen.

Bewertung vom 16.06.2025
Deya, Claire

Eine Welt nur für uns


sehr gut

Sprengkraft
Der Roman „Eine Welt nur für uns“ beschäftigt den Leser mit einem bisher wenig berücksichtigten Thema der Kriegs- bzw. Nachkriegszeit.
Frankreich. Frühjahr 1945. Die Deutschen haben noch nicht kapituliert, sind aber bereits aus weiten Teilen Frankreichs zurückgedrängt worden. Allerdings haben sie ein grausiges Erbe dagelassen: die unterschiedlichsten Arten an Minen, die nicht nur Frankreichs Strände, sondern auch die Äcker der Bauern zu einer Todesfalle machen. Frankreichs Wiederaufbau nach der Unterdrückung und Zerstörungswut der Deutschen kann nur beginnen, wenn aber Tausende dieser stummen Feinde beseitigt sind.
Neben einer Handvoll unfreiwillig Freiwilliger, zum Teil ehemalige Verbrecher, die so auf Haftverschonung spekulieren, rekrutiert die französische Armee deutsche Kriegsgefangene für das Aufspüren der Minen. Unter diese zusammengewürfelte, spannungsreiche Truppe mischt sich der Franzose Vincent, der auf der Suche nach seiner Geliebten ist. Während seiner Kriegsgefangenschaft in Deutschland hat er jegliches Lebenszeichen von ihr verloren. Die ihm bei der Suche nach seiner großen Liebe helfen können, sind ausgerechnet die deutschen Kriegsgefangenen, die er hasst und auf deren Hilfe er nun angewiesen ist.
Claire Deya schildert in ihrem Debütroman sehr eindrücklich die Spannungen zwischen den Franzosen und ihren vormaligen Besatzern. Dabei changieren die Figuren gekonnt zwischen Gut und Böse. Keiner ist nur gut oder böse, jeder sieht sich mit einer Extremsituation konfrontiert, sei es ihm Krieg, sei es nun im Umgang mit den Folgen wie den Minen, auf die er versucht zu reagieren, sei es zu seinem Vorteil oder zum Wohle eines anderen. Sie zeigt, wie schwer ein Urteil ist und wie sehr alle geprägt sind von dem Wunsch nach Frieden und nach Leben, vor allem nach dem unwiderbringich verlorenen Leben vor dem Krieg. So stellt sich bisweilen auch die Frage, ob die Anstrengung, die man auf das Überleben aufgewendet hat, sich überhaupt gelohnt hat im Anblick des Verlusts, den fast jede dieser Figuren durchlebt hat.
Der Leser erfährt nicht nur viel über die individuellen Stimmungslagen und die Mentalitäten der Sieger und Besiegten, die letztlich alle Verlierer sind, sondern auch sehr interessante Details über ein spannendes Stück Zeitgeschichte: das zweigeteilte Frankreich am Ende des Krieges auf dem Weg in eine neue Zeit, sowie Militärgeschichte: das Leid der Landminen, das bis heute noch in vielen Ländern für großes Leid sorgt und zur perfidesten Art der Kriegführung gehört, da dieser Krieg über Kapitulation und Friedensschluss hinaus andauert. Mit großer Kenntnis zahlreicher unbekannter Details schafft die Autorin so das Panorama für ihre Handlung.
Das unendliche Leid der Figur entsteht darin gut greifbar für den Leser, der eine Ahnung bekommt vom Mut und Verzweiflung und dem, was den Menschen um- und antreibt.
Dabei stört einzig der zuweilen etwas zu pathetische Unterton und die stellenweise ein wenig hölzerne Übersetzung.

Bewertung vom 15.06.2025
Berg, Mathias

Die Kriminalistinnen. Acht Schüsse im Schnee (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Packend auch ohne brutales Blutvergießen, Psychopathen und Thrill

Die Beweislage ist klar: Mathias Berg zeigt auch im 2. Band der „Kriminalistinnen“, dass man für einen spannenden Krimi nicht unbedingt viel Blutvergießen oder perfide Täterprofile braucht. Auch der zweite Fall, bei dem es um die Frage geht, wer den Millionär Theo Ellerbeck mit sechs Schüssen vor seiner Haustür ermordet hat, zieht den Leser gleich in seinen Bann. Liegt das Motiv im Privaten, in der fragwürdigen Beziehungen zu seiner Ehefrau? Hat seine Stieftochter etwas damit zu tun? Oder ist Ellerbeck politisches Opfer des Kampfes gegen das kapitalistische Establishment geworden?
Was bei den „Kriminalistinnen“ im Vordergrund steht, sind die Figuren und ihr Beziehungsgeflecht sowie die zeitgeschichtlichen Hintergründe. Im Mittelpunkt steht wieder Lucia Specht, die neben ihrer Ausbildung bei der Polizei – diesmal im Sittendezernat – auch privat im Mordfall ihrer Mutter ermittelt. Mit ihren Mitstreiterinnen, die alle eins gemeinsam haben, den Wunsch Polizistin zu werden und sich in einer Männerwelt zu behaupten, und doch alle sehr unterschiedlich sind, schmiedet sie eine feste Allianz gegen die Vorurteile, die Ablehnung und die teilweise demütigende Behandlung durch Ehemänner, Kollegen und auch Vorgesetzte. Sehr gut spürbar ist der Zeitgeist der 70er Jahre: die angestaubte bigotte Moral der Männer, die ihre Frauen gerne als Heimchen am Herd sehen, aber sich zugleich nach der „Hure im Bett“ sehen, die zur Schau gestellte Gesellschaftsfähigkeit der besseren Gesellschaft, hinter deren schönem Schein sich Abgründe auftun. Und auf der anderen Seite die lockere Moral der Student:innen, die mit allem experimentieren, der Liebe, den Drogen, den Rollenvorstellungen, und zugleich gegen alles sind, sowie die Welt der Prostitution und des einfachen Malochers, wie Lucias Vater und Bruder, deren Leben außerhalb der Arbeit sich in der Kneipe nebenan abspielt.
Dabei gerät der Fall aber nie aus den Augen: in diesem Fall müssen alle Dezernate zusammenarbeiten, um den Tätern auf die Spur zukommen. Und von Spuren gibt es einige, vor allem falsche. Da ist neben Spurensicherung und kluger Verhörtaktik bisweilen auch weibliche Intuition gefragt.
Wer an Krimis mehr als die Faszination des Grauens schätzt und gerne in andere Zeiten und Lebensweisen abtaucht sowie spannende Figurenkonstellationen mag, kommt hier voll auf seine Kosten, von der Freunde am Miträtseln und Hypothesen Bilden einmal ganz abgesehen.

Bewertung vom 13.06.2025
Beaumont, Sophie

Zweite Chancen à la carte (eBook, ePUB)


gut

3 Frauen in Paris
In Paris treffen sich die Wege der Künstlerin Gabi in der Schaffenskrise und der verlassenen Ehefrau Kate in der Lebenskrise, beide aus Australien, in der Kochschule von Sylvie, in der Unternehmenskrise. Sylvies Unternehmen erhält anonym schlechte Bewertungen auf google und tripadvisor, bekommt Lieferungen, die nicht bestellt, aber bezahlt werden wollen. Und die Gerüchteküche streut in den Medien Hinweise auf mangelnde Hygiene und pekuniäre Schwierigkeiten. Wer will ihrem Lebenswerk auf so perfide Weise schaden?
Alle drei Frauen kämpfen mit ihren inneren oder äußeren Dämonen und sind auf der Suche nach sich selbst. Gut, dass sie schnell willige Tröster finden, aber auch in ihren Mitstreitern in der Kochschule haben sie eine willkommene Ablenkung. Und natürlich hilft auch gutes Essen über vieles hinweg.
Was mir an dem Roman gut gefallen hat, war die unvergleichliche Stimmung von Paris, die dem Leser hier sehr lebendig vor Augen geführt wird. Auch die Vielzahl an unterschiedlichen Charakteren macht das Buch unterhaltsam. Einige der Handlungsstränge sind sehr fein und behutsam angelegt, aber andere auch sehr klischeehaft und überdramatisiert. Da wird es dann doch bisweilen ein wenig zu zuckersüß, wie das Cover schon suggriert.

Bewertung vom 13.06.2025
George, Nina

Die geheime Sehnsucht der Bücher


sehr gut

Die wilden Büchermädchen von Paris
Die literarische Buchapotheke von Monsieur Perdu geht in die zweite Generation. In diesem dritten Band zieht er eher aus dem Hintergrund die Fäden und überlässt die Bühne – im Wortsinne – zwei jungen Mädchen mit einer nicht so einfachen Familiengeschichte: Marie ist bereits als Vorleserin für Kinder auf dem Bücherschiff etabliert. Sie begegnet einem anderen Mädchen, das mit ihr nicht nur die Liebe zu Büchern und zum Lesen teilt: Françoise, deren ‚Mutter‘ völlig weltfremd zurückgezogen in einem Pariser Appartement wohnt und es Françoise überlässt, sich nicht nur um ihr eigenes Leben zu kümmern. Die hat es schwer und vor allem die Sorge, dass man ihr drauf kommen könnte, dass ihre ‚Mutter‘ eigentlich nicht in der Lage ist, eine Tochter aufzuziehen. Da hört sie von Monsieur Perdu, der mit Büchern Menschen heilt.
Darüber hinaus ist es auch die zweite Buchhändler:innengeneration, die hier das Ruder – auch im Wortsinne – in die Hände nimmt: Pauline Lahbibi, die vor allem auf ihren Büchertouren mit der Vespa das Leben anderer Menschen auf die richtige Spur bringt. Sie kann allen helfen, nur nicht sich selbst. Sie, die nach einer enttäuschten Liebe und geplagt von den Gefühlen der Ausgrenzung aufgrund ihrer afrikanischen Abstammung, sich in die Welt der Bücher zurückgezogen hat, wie vor ihr einst Perdu und dann auch Marie und Françoise, kann sich nur ganz langsam ihrem Freund und Hafenpolizisten Emile öffnen. Und dann bekommt er ein famoses Jobangebot, aber nicht in Paris. Und dann ist da noch der Adoptivenkel einer ihrer Kundinnen, der ihr allein schon durch seine Herkunft verbunden zu sein scheint und auf einmal muss sie Entscheidungen treffen, obwohl sie doch nur will, dass alles so bleibt, wie sie es für sich eingerichtet hat, ohne dass es besonders weh tun könnte.
Das Buch ist eine fulminante Liebeserklärung an das Lesen und die Bücher. Doch sind es eigentlich nicht die Bücher, die heilen, sondern es sind die Menschen, die sich über die Bücher verbunden fühlen. Aber die Bücher geben den Anstoß, sich zu öffnen, sich Menschen anzuvertrauen oder sich mit Menschen anzulegen, wie die beiden wilden Büchermädchen von Paris, die den Erwachsenen zeigen, wie sehr sie ihre unschuldige Welt mit ihren Problemen und Sorgen und Nöten belasten können und wie sehr sie sie damit alleine lassen. Gut, dass es da die Bücherheldinnen und die Heldinnen in den Büchern gibt, die sich gegenseitig Mut und Unterstützung geben können.
Die Figuren sind äußerst liebenswert, alle auf ihre exzeptionelle Weise. Und das macht es auch so interessant, dieses Buch um den Bücherkosmos des Monsieur Perdu. Es strahlt sehr viel französisches Flair aus und erinnert bisweilen an „Die wunderbare Welt der Amelié“. Es ist berührend, sehr traurig und erschütternd, dann aber auch wieder voller Wärme und Lebensfreude. Es feiert das Anderssein, zeigt aber auch seine Schattenseiten. Bisweilen wird es etwas viel in all dem Gefühl und den Extremen, den Rückblicken auf Perdus eigenes Lebensschicksal, der Zerrissenheit Paulines und dem Hin und Her und Auf und Ab der Gefühlswelt seiner Figuren.
Genauso überbordend kann das Sprachspiel werden. Auf der einen Seite finden sich wunderschöne Metaphern wie die „Wälder der Zeit“ oder die Menschen als Büchern, denen allen eine Rolle in der Lebensbibliothek zugedacht ist. Auf der anderen Seite wirkt der Stil bisweilen sehr exzentrisch oder exsaltiert. Da ist manchmal doch weniger mehr.

Bewertung vom 13.06.2025
DiCamillo, Kate

Der Sommer der unmöglichen Dinge


sehr gut

Mehr als ein Auftrag für Ferris

Ferris hat alle Hände voll zu tun. Und dabei haben die Sommerferien doch gerade erst begonnen. Ferris heißt eigentlich Emma Phineas Wilkey und kommt bald in die 5. Klasse. Ihre Familie ist ein wenig gewöhnungsbedürftig und hält Ferris ganz schön auf Trab. Da ist ihre kleine Schwester, die einmal Bankräuberin werden will und auch sonst alles Mögliche anstellt, um mit ihren sechs Jahren nicht gerade als brav zu gelten. Ihr Vater vermutet eine Waschbären-Invasion im Haus. Onkel und Tante haben gerade eine Ehekrise, sodass der Onkel in den Keller von Ferris Elternhaus gezogen ist und Ferris nun zu Vermittlungszwecken herangezogen wird. Ferris Oma geht es in letzter Zeit nicht besonders gut und sieht Geister, unheilvolle Vorboten, die Ferris Angst und Bange machen. Dieser Geist wartet, so Ferris’ Oma, auf die Wiederkehr ihres Mannes. Dafür muss Ferris den alten Familienkronleuchter wieder zum Brennen bringen. Und auch Ferris alte Lehrerin ist einsam und ein wenig verloren nach dem Tod ihres Mannes. Zum Glück ist Ferris nicht allein mit all diesen Problemen, sondern hat Billy Jackson, ihren besten Freund, an ihrer Seite, für den alles im Leben Musik ist.
Kate DiCamillo hat eine sehr skurrile Familien- und Figurenkonstellation geschaffen, die schon ein wenig gewöhnungsbedürftig ist zu Anfang. Man kann sich schon ein wenig überfordert fühlen mit den schrägen Figuren, zwischen denen Ferris doch recht verlassen wirkt. Insbesondere Ferris’ kleine Schwester ist eigentlich keine Figur, die man in einem Jugendbuch erwartet, sondern vielleicht eher in einem Horrorroman. Doch es lohnt sich, den sehr mit sich selbst beschäftigten Figuren eine Chance zu geben. Und Ferris Oma sowie ihre Freundschaft mit Billy stimmen dann auch wieder versöhnlich. So wird am Ende aus den schrägen Typen doch noch eine Gemeinschaft, die einander hilft und die einzelnen aus ihrer Einsamkeit befreit. So hat das Licht des Kronleuchters nicht nur wegweisende Funktion für den verschollenen Mann des Geistes, der im Haus sein Unwesen treibt. Und am Ende bleibt eine berührende Geschichte über Freundschaft und Verlust, über den Umgang mit den Macken der anderen und den Wert der Gemeinschaft.

Bewertung vom 01.06.2025
Eng, Tan Twan

Das Haus der Türen


sehr gut

Gut erzählt
Beim Lesen von „Das Haus der Türen“ hat man immer einen Kinofilm, am ehesten aus der Schwarz-Weiß-Ära, vor Augen. Die Erzählweise ist sehr plastisch und atmosphärisch. Es geht um das Leben der in Malaysia aufgewachsenen Engländerin Lesley. Im Rückblick erzählt sie von ihrer Begegnung mit dem Autor Willie Somerset Maugham, einem Freund ihres Mannes, der sie auf einer Asienreise dort besucht. Diesem erzählt sie – wiederum im Rückblick – von ihrem Leben in Malaysia und vor allem von ihrer Begegnung mit dem chinesischen Revolutionär Sun Wen. Diese bringt ein wenig Abwechslung in die langweilige Beziehung zu ihrem Ehemann Robert. Genauso wie die gefährliche Affäre ihrer besten Freundin, die diese fast an den Galgen gebracht hätte. Aber auch Lesleys Leben ist voller geheimnisvoller Beziehungen, wie das ihres Mannes. Doch beide müssen den Schein ihrer Ehe wahren in den 20er Jahren britischer Kolonialzeit. Ein gefundenes Fressen für den Autor Maugham, der aufgrund finanzieller Nöte, hungrig nach neuem Erzählstoff ist. Und der heimliche Beziehungen nur zu gut kennt, ist er doch mit seinem Sekretär Gerard liiert, eine gefährliche Liason, die im damaligen England mit Zuchthaus bestraft wurde.
Die Geschichte wechselt zwischen ruhigeren, gefühlvollen Abschnitten, untermalt mit beschaulichen Beschreibungen der Landschaft und der malayischen Gesellschaft sowie dem fast krimihaften Geschehen um Lesleys Freundin, die sich, weil sie auf ihren Geliebten geschossen haben soll, vor Gericht verantworten muss.
Über weite Teile habe ich das gut lesbare Buch mit Interesse gelesen, aber auch mit Distanz. Die Figuren, das Geschehen habe ich als Beobachterin wahrgenommen, aber ohne eine persönlichen Bezug. Die Story hat mich, abgesehen von der Krimihandlung, wenig gepackt. Das Verhalten der Figuren ist mir zwar plausibel, hat mich aber, ohne dass ich sagen könnte, warum, nicht wirklich tangiert. Auch die zeitgeschichtlichen und biografischen Hintergründe fand ich interessant, aber gleichzeitig habe ich mich immer nach einem Erzählziel gefragt. Lediglich das Ende hat bei mir einen traurigen und melancholischen Nachhall erzeugt. Die Hauptfigur, Lesley, hat sich eingerichtet in ihrem Leben und bestimmt kein bedauernswertes Leben geführt, aber zugleich doch vieles vermissen bzw. aufgeben müssen, das sich nicht wieder- oder nachholen ließe. Sie jammert nie, was sie bewunderungswürdig macht, aber das Gefühl, dass etwas fehlt, bleibt.

Bewertung vom 10.05.2025
Hofmann, Madeleine

Trost


weniger gut

Falsche Wahl
Ich hatte etwas anderes erwartet, als ich das Buch „Trost“ von Madeleine Hofman las, nicht in erster Linie ihre Geschichte als Krebspatientin, die sie veranlasste Trost an den unterschiedlichsten Stellen im Hier und Jetzt zu suchen. Ich hatte mir eher auch eine Auseinandersetzung mit der langen Geschichte der Trostliteratur in Religion und Philosophie erhofft, die neu belebt wird für die Gegenwart. Doch stattdessen sind die Quellen für Trost hier für mich häufig zweifelhaft: Sitcoms, Biografien von krisengeplagten Stars, aber auch Künstler:Innen oder Wissenschaflter:Innen, die Lifestyle-Trends nachspüren oder -forschen: Achtsamkeit, Selbstfürsorge, Waldbaden und die immer gleich gehörten Modewörter.
Die Erkenntnis ist dementsprechend schlicht: Trost ist individuell, ist überall und nirgends zu finden, in Worten, in der Musik, in der Gesellschaft, in der Einsamkeit, in der Fiktion, in der Realität. Er ist nicht konstant – wie sollte er auch, da Leben nicht konstant verlaufen – sondern muss immer neu gesucht werden.
So sei es, aber fast ärgerlich finde ich, dass unter den meisten dieser life-stylischen Trostansätze, die in dem Buch bunt durcheinandergewürfelt und redundant angeführt werden, da das Buch keine Systematik des Trostes bietet, sondern durch die „Systematik der Krankheit“ der Autorin strukturiert ist, die wirklich erschütternden Ereignisse wie Tod als Resultat einer Krankheit, Kinderlosigkeit als Konsequenz einer medizinischen Behandlung, Verlust von Beruf, Zukunftsperspektive, Angehörigen, Heimat usw.usf. irgendwie verschütt gehen. Und dass die Trostansätze sehr häufig auf einer privilegierten Lebensweise beruhen, die es ermöglicht, Tage auf dem Sofa vor den 10 Staffeln „Friends“ zu verbringen, nach Italien zu reisen, auf Sizilien Kochkurse zu besuchen, zweimal im Jahr ans Meer zu verreisen, eine Ausbildung via online-Tutorial zu Waldbademeisterin zu machen. Die Autorin hat Schlimmes erlebt und durchlitten und mir selbst ist mein Empfinden beim Lesen dieses Buches unangenehm. Das beschriebene Leid im Buch hat meine volle Sympathie, aber die Trostlösungen, die hier angeboten werden, finde ich ob der vielen Leidgeschichten in der Welt bisweilen etwas seicht und selbstbezogen. Für mich verdeutlicht dies besonders folgende Passage aus dem Buch: Die Autorin zitiert aus dem Buch der Reporterin Ronja Wurmb-Seibel, die auch aus Afghanistan berichtete. Über das Schicksal des Landes durch die Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 empfindet sie große Trauer und „bedankt sich für die Unterstützung, die sie in dieser Zeit aus ihrem Umfeld erfahren hat“ (Anmerkung: Sie befand sich zu dieser Zeit nicht mehr vor Ort.): „zuhören, im Arm halten, zusammen weinen, ans Meer wandern, […] Tee bringen, Essen kochen, Tränen trocknen, Musik aufdrehen.“ Ist die Frage zynisch, ob dies insbesondere den Frauen in Afghanistan auch als Trost gereicht hätte?
Hat sich der Mensch heute so sehr von seinem Menschsein entfremdet, dass er eine wissenschaftliche Theorie des „Waldbadens“ braucht, um die wohltuende Wirkung eines einfachen Spaziergangs zwischen Bäumen zu begreifen, einen Studiengang, der ihm in medizinischen und seelsorgerlichen Berufen beibringt, wie Zuhören geht, dass ich bei einem Gespräch mit einem Krebskranken, der mir sein Leid klagt, nicht an meine unbeantworteten Emails oder den Einkaufszettel fürs Abendbrot denke? Wenn dem so ist, dann brauchen wir folglich das vorliegende Buch und können getrost die Lektüre von Seneca, Boethius und Co. für Fortgeschrittene in den verstaubten Bücherschränken lassen.

Bewertung vom 05.05.2025
Bonacina, Anna

Erdbeersommer mit Aussicht


sehr gut

Wie ein süßes Stück Erdbeerkuchen im Sommer
Der Roman macht gute Laune und viel Vergnügen. Er liest sich leicht und beschwingt. Er ist eher witzig als romantisch, wenn er zu romantisch wird, ist eher dann doch eher etwas kitschig. Aber der Humor siegt.
Priscilla ist eine von der Liebe enttäuschte Liebesromanautorin, die versucht, mit dem Aufenthalt in dem idyllischen Dörfchen Tigliobianco ihrer Schreibblockade zu entkommen. Cesare Burello ist erfolgreicher, gutaussehender und charmanter Arzt, der versucht, mit dem Besuch in seinem Heimatort Tigliobianco den liebestollen Venezianerinnen zu entkommen. Beide finden dort nicht gerade die Ruhe und Abgeschiedenheit, die sie suchen, sondern etwas für sie völlig Unerwartetes. Und das alte Rezept einer legendären Erdbeertorte.
Mit viel Witz, Charme und einer Prise liebevoller Ironie kreiert die Autorin ihre Figurenwelt von Tigliobianco, die dem Dörfchen seinen wundervollen Reiz verleihen und für viel Furore in dem Örtchen sorgen. Man schließt die meisten von ihnen sofort in sein Herz und empfindet allein beim Lesen den Zauber des italienischen Lebens auf dem Land. Die Lektüre versetzt einen direkt in Urlaubsstimmung und lässt den Leser für ein paar Stunden in gute Laune. Damit ist es ein wirksames Mittel gegen Alltagsstress und -sorgen, gegen Liebes- und Kummer aller Art, auch wenn man dafür in Kauf nehmen muss, dass der Autorin doch hie und da die Gefühle ein bisschen durchgegangen sind. Ein Roman über die Liebe geht eben doch nicht ganz ohne Herz-Schmerz.