Autor: bücher.de
Datum: 01.04.2023
Tags: Empfehlung, Krimi des Monats


Ein spannungsgeladener und atmosphärischer Thriller über menschliche Abgründe, ein abgelegenes Bergdorf und eine Gemeinschaft, aus der es kein Entkommen gibt.
Die sechzehnjährige Rebekka verschwindet spurlos. Und sie ist nicht die Einzige. In der Bergregion werden immer wieder Frauen vermisst. Die Journalistin Smilla erkennt sofort Parallelen zum Fall ihrer Freundin Juli, die vor Jahren in …
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17,00 €


Krimi des Monats

Krimitipp des Monats April: Vera Buck, Wolfskinder

Sie sind 16 Jahre und beste Freundinnen: Smilla und Juli. Ein geheimer Ausflug, Smillas Idee, Kakao mit Amaretto im Rucksack. Teenagerübermut. Das Ziel: Übernachten im Faunfelsen. Es gibt das Gerücht, durch das Loch im Felsen würde morgens das Sonnen-licht die Form eines Teufels auf den Boden zeichnen. Zwei Mädchen, doch nur eines kehrt zurück: Smilla. Juli bleibt verschwunden. Niemand weiß, was passiert ist, auch zehn Jahre später nicht. Smilla hat Schuldgefühle, entwickelt den Wunsch, Polizistin zu werden. Doch sie ist mit ihren 1,58 Meter dafür einen Tick zu klein. So landet sie als Volontärin bei einem mittelmäßigen Lokalfernsehsender.

Nie hat Smilla ihre Freundin Juli vergessen. Immer noch will sie herausfinden, was damals geschah. Sie ist sich sicher, dass Juli nicht die Einzige war. Sie recherchiert seit Jahren und hat festgestellt: Die Zahl vermisster Menschen in der Region ist überdurchschnittlich hoch. Nein, nicht Menschen, nur Frauen und Mädchen. Über 30 sind es, und ihre Fotos hängen an einer Schnur in Smillas Zimmer. Sie kennt alle Fälle in- und auswendig. Smilla ist klar: Sie sucht einen Serienmörder. Doch die Polizei wiegelt ab. Die Region mit ihren Wäldern und Bergen lebt vom Tourismus, und vielleicht sind ja einige beim Wandern in Fels- oder Gletscherspalten gestürzt.

Dann verschwindet Rebekka. Die junge Frau kommt aus einer Siedlung, von der die we-nigsten wissen. Und diejenigen, die sie kennen, wollen mit den Siedlern nichts zu tun ha-ben. Rebekka kommt aus Jakobsleiter – da oben auf dem Berg lebt die letzte Kommune von Alttäufern, die es in Europa noch gibt. Jesse ist einer davon und Rebekkas bester Freund. Er kennt die Geschichte der Alttäufer. Sie wurden verfolgt, deportiert, ausgeraubt oder zwangskonvertiert – ihre ist eine Geschichte der Gewalt. Wenn Jesse die 750 Hö-henmeter hinunter zur Schule steigt, dann weiß er, dass er der Underdog ist. Die anderen Schüler verhöhnen ihn, wenn es gut läuft. An schlechten Tagen prügeln sie auf ihn ein.

Rebekka wollte weg aus Jakobsleiter. Von dort, wo es kaum noch Frauen gibt und die Männer von einem fanatischen Priester angeführt werden. Isaiah heißt er und wütet gegen Funkantennen und alles, was die Welt da draußen so verdorben hat. Der Wald rund um Jakobsleiter heißt Wolfstann. Ja, hier gibt es noch Wölfe. Einen davon hat Jesse heimlich aus einem Wurf behalten. Er hat ihn Freigeist genannt. Die anderen wurden umgebracht. Ist Rebekka nun abgehauen, direkt von der Schule? Oder erging es ihr wie damals Juli? Obwohl natürlich niemand wirklich weiß, wie es Juli erging ...

Jesse ist verzweifelt. Wo soll er suchen, an wen sich wenden? Der Polizei vertraut in Ja-kobsleiter niemand. Doch es gibt einen Kommissar, der anders zu sein scheint, ihn nicht verachtet, sogar seinen Namen kennt. Kann er sich an ihn wenden? Oder an die neue Leh-rerin? Laura Bender scheint offen und freundlich, ganz anders als ihre Vorgängerin.

Während ihrer Nachforschungen entdeckt Smilla die Siedlung Jakobsleiter. Doch was ihr der Bürgermeister des Ortes erzählt, kann sie kaum glauben. Als ihr auf dem Weg zu den Alttäufern auch noch ein Mädchen vors Auto läuft, scheint ihre Welt völlig aus den Fugen zu geraten. Das Mädchen, vielleicht neun, zehn Jahre, sieht so aus wie ihre verschwunde-ne Freundin im selben Alter. Ist die kleine Edith Julis Tochter? Sie muss es sein! Lebt Juli vielleicht doch noch?

Als auch Jesse eine unglaubliche Entdeckung macht, wird Smilla klar: „Es braucht gar kein Benzin und keine Feuerzeuge, um meine Heimat in Schutt und Asche zu legen. Es braucht nur die Wahrheit.“

Intelligent, fesselnd, mit wunderbar lebendig gezeichneten Figuren und einem Plot, der bei allen Wendungen stimmig bleibt – bis zum furchterregenden Finale. Was für ein Thriller-Debüt von Vera Buck!

Autoreninterview

Krimitipp des Monats April 2023: „Wolfskinder“ von Vera Buck

Interview mit Vera Buck

Sie haben „Wolfskinder“ Ihrem Vater gewidmet: „Für Papa, den pensionierten Kommissar“, schreiben Sie. Verraten Sie uns mehr über die Bedeutung Ihres Vaters für Ihr Buch?


Mein Vater ist tatsächlich mein erster Ansprechpartner für kriminalistische Fragen. Und er ist auch mein kritischster Leser. Als ich ihm als Kind meine ersten selbst geschriebenen „Bücher“ vorgelegt habe, kamen diese mit Rotstift korrigiert zurück. Das finde ich heute eigentlich ziemlich lustig. Wer weiß, vielleicht habe ich ja meine kriminalistische Ader von ihm – und meine Liebe zum Rätsellösen.

„Wolfskinder“ ist Ihr erster klassischer Thriller. Wie entstand die Idee, einen Thriller schreiben zu wollen?

Ich hatte gar nicht die Idee, einen Thriller zu schreiben. Ich hatte die Idee für eine Geschichte, die erzählt werden wollte, und dies war die beste Form, sie zu erzählen. Die Genrelabels vergeben die Verlage. Sie helfen damit den Lesern und Buchhändlern, nicht mir als Autorin. Wer meine Bücher kennt, der weiß, dass es am Ende immer ein „Vera-Buck-Text“ ist.

In „Wolfskinder“ dreht sich der Plot um den abgelegenen Ort Jakobsleiter. Es soll die letzte überlebende Kommune von Alttäufern sein, die es in Europa noch gibt. Wie kamen Sie auf dieses Thema?

Die Alttäufer sind ein ebenso spannendes wie trauriges Thema. Sie haben sich Jahre vor Verfolgung in Höhlen und Tunneln in den unzugänglichsten Bergen versteckt – und das, zumindest für ein paar Jahre, ziemlich erfolgreich. Es gab richtige „Täuferfänger“, die nach ihnen suchten, und für ihre „Erfolge“ zu traurigen Berühmtheiten wurden. Wenn ich einmal auf so ein Thema stoße, dann lässt es mich nicht mehr los. Aber – ohne zu viel verraten zu wollen – die Alttäufer sind ja in diesem Fall nur ein Deckmantel für die, die in diesem abgeschiedenen Ort wirklich leben.

Eine wichtige Figur in „Wolfskinder“ ist Jesse. Als Junge aus Jakobsleiter wird er von seinen Mitschülern übel gemobbt. Sehen Sie Ihren Thriller auch als eine Studie, wie Menschen mit Außenseitern umgehen?

Für mich ist es vor allem das, ja. Die Frage, wie Menschen mit Außenseitern umgehen, zieht sich wie ein Faden durch alle meine Bücher. Bei „Runa“ waren es die mundtot gemachten Frauen in der Psychiatrie. Bei den „Vergessenen Artisten“ die „Andersartigen“ und „Behinderten“, die auf Jahrmärkten ausgestellt wurden und irgendwann nicht mehr ins Konzept der Nazis passten. Und beim „Algorithmus der Menschlichkeit“ sind im Grunde alle Protagonisten Außenseiter. Ich gebe mit meinem Schreiben gerne Gruppen eine Stimme, die andernfalls nicht gehört werden würden.

Wir wollen natürlich nicht zu viel vom Plot verraten, aber: Es gibt einige Wendungen in der Geschichte, die alles Vorherige noch einmal in neuem Licht erscheinen lassen. Entstanden die Ideen dazu schon in der Konzeption des Buches, oder kamen sie erst während des Schreibprozesses?

Ganz grundsätzlich vertraue ich dem Schreibprozess und meinen Figuren schon sehr. Da entsteht viel Schönes und Unerwartetes, wenn man sich als Autor*in darauf einlässt. Aber das gilt eher auf kleiner Ebene, auf der Ebene der Sprache zum Beispiel, oder auf der Ebene der Entdeckungen, die meine Figuren in der Welt machen, die ich für sie erschaffe. Die großen Wendungen und Rätsel, die falschen Fährten und Verirrungen dagegen sind für mich von Anfang an klar.

Thriller und Krimis stehen hoch im Kurs. Was, glauben Sie, fasziniert die Menschen so an diesem Genre?

Ich kann nur für mich sprechen: Ich liebe das Rätseln. Ich glaube, wir wollen Geschichten, die uns in Atem halten, die uns süchtig nach der nächsten Seite machen. Ich möchte Bücher schreiben, die sich nicht aus der Hand legen lassen.

Sie kommen aus dem Journalismus. In Ihrem Lebenslauf steht auch, dass Sie Scriptwriting in Hawaii studiert haben. Wie kam es dazu?

Ich hatte ein Stipendium, mit dem ich im Grunde gehen konnte, wohin ich wollte. Und ich habe einen unkonventionellen Kopf. Meinen Studienplatz in Hawaii habe ich mit der gleichen Frage ausgewählt, die ich mir auch beim Schreiben gerne stelle: Wo bist du noch nie gewesen? Was ist nicht naheliegend? Was fasziniert dich?
Im Schreibprozess hilft es manchmal, bei neuen Wendungen eine Liste von Möglichkeiten zu machen und dann die ersten davon zu streichen, weil es die sind, auf die alle kommen. Hawaii war definitiv eine der ungewöhnlichen Möglichkeiten. Und ich liebte es.

Ihr Romandebüt „Runa“ (2015) wurde für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert und erhielt mehrere Preise. Was machte diese Anerkennung mit Ihnen?

Jedes Buch ist ein bisschen wie ein Kind, das man in die Welt rausschickt. Wenn es dann mit Preisen und Lob zurückkommt, macht mich das natürlich stolz. Besonders der Friedrich-Glauser-Preis war eine wirklich tolle Sache.

Gibt es schon Ideen für ein neues Buch? Und wenn ja, was können Sie uns schon darüber erzählen?

Ich bin fast fertig mit dem nächsten Buch. Geplant ist, dass ich es im Frühjahr 2024 veröffentliche. Ich kann schon mal verraten, dass es sich im gleichen Spannungsgenre bewegt – und mit Sicherheit wieder ein typisches „Vera-Buck-Buch“ wird.

Interview: Literaturtest 2023

Autorenporträt


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