Crew um den kleinen Jim Knopf und seinen großen Freund Lukas nicht nur über die Weltmeere um Lummerland herum, sondern auch durch die deutsche Medienlandschaft. Ein bißchen Zlatko, wozu die Kinder juchzen, ein wenig BSE, die Rentendiskussion aber auch. Und als dem König Alfons eines Tages seine Untertanen davonrennen wollen, da ruft er ihnen hinterher: "Aber ich bin die lummerländische Leitkultur!"
Lustiger sind andere Passagen des neuen Musicals. So wenn Halbdrache Nepomuk (Henriette Grawwert) schmollt, König Alfons gütig und schrullig zugleich ist und Izabela Los als Pirat ihren Gummi-Zwilling bauchreden läßt. So wenn Berg ins Publikum greift und einen Vater als Komparsen bestimmt. Das Haus schloß Dieter rasch ins Herz. Manchmal machte Berg den Clown und Stand-up-comedian. Da dröhnte er dann: "Ja, habt ihr denn keine Angst vor mir?", und die Kinder kriegten sich vor lauter Gequietsche und Begeisterung kaum ein. Dem einst beim Zirkus und an der Schauspielschule ausgebildeten Christian Berg lag der Saal auf der Stelle zu Füßen.
Es war Konstantin Wecker, der Berg vor zwei Jahren mit dem Musical "Oh - wie schön ist Panama" sah. Wecker entschied sich damals umgehend, die Musik für "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" zu komponieren. Die erste gemeinsame Produktion wurde ein voller Erfolg, im vergangenen Sommer hatte dann "Jim Knopf und die Wilde 13" in Cuxhaven Premiere. König Alfons, Frau Waas, Herrn Ärmel und Prinzessin Li Si gibt es auch in dieser Folge der Geschichte noch. Jim Knopf (Thandiwe Braun) ist ebenso hemdsärmelig-tatkräftig geblieben wie sein Freund Lukas (Ralph Aschhoff) zuverlässig, Frau Mahlzahn aber ist in einen goldenen Drachen verwandelt. Nun machen Jim und Lukas sich auf, um das Rätsel von Jims Herkunft zu ergründen. Das geht natürlich nicht ohne Hindernisse ab und viele kleine Geschichten in der einen oder eher in den beiden großen.
Auf der ersten Fahrt kontemplieren Jim und Lukas zur Musik der Seejungfrau Sursulapitschi, hören dem Sodbrennen ihres flossenbewehrten Vaters zu, steigen auf den Meeresgrund und reisen schon wieder weiter. Dieter trägt tapfer die fliegende Lokomotive. In Lummerland freut man sich über den importierten neuen Leuchtturm, doch bald schon werden Jim und Lukas auf ihre zweite Mission geschickt. Prinzessin Li Si will auch mit, darf aber nicht. Da hilft es wenig, daß sie auf den Boden stampft und "Mädchen sind nicht blöder" singt. Schon gar nicht hilft es dem neuerworbenen Selbstbewußtsein, daß sie sich dann mit in die Lokomotive schleicht, nur um im Augenblick der Gefahr dann doch vor Angst einzugehen. Die drei treffen den Goldenen Drachen der Weisheit, der Jim ein Orakel zuraunt, und schlagen endlich sogar die Piraten. Jim Knopf erfährt, woher er kommt, alles wird gut. Alldieweil reist Weckers Musik mit. Hurtig geht es über die Felder der Musikgeschichte, ein bißchen Zauberflöte, ein wenig Rap, Pop und russischer Kasatschok. Leider fast immer zu laut. Zum Schlußlied "Diese Welt gehört uns" tönte dann auf einmal die Moral von der Geschicht': Unversehens tauchte Maestro Wecker selbst auf und sang mit.
Irgendwie ist es nicht nur eine familienfreundliche, sondern auch eine PR-bewußte Produktion, und zwischen Fiktion und Wirklichkeit, Spielende und Zugabe stand dann plötzlich Katja Riemann auf der Bühne. Als Mutter und Schauspielerin. Sie sang auch, und zwar im Duett mit Wecker, von einer wundersamen Reise, auf der einen gar nichts mehr wundert. Das alles war so wunderbar, daß das Foyer hinterher von hellen Kinderstimmen widertönte. Sie sangen, stiegen die Treppen hinab und sangen immer noch. Fernsehkameras blendeten Vierjährige, die sich ängstlich zur Seite drehten, und allen hatte es gefallen. Auf dem Platz vor dem Theater wartete die silberfarbene VIP-Kolonne des familienfreundlichen Automobil-Sponsors.
CHRISTIANE TEWINKEL
Weitere Vorstellungen vom 18. 1. bis 4. 2. im Stella-Musical-Theater.
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