über soziale Netzwerke, Liebe, Pornographie, über Schule, Pubertät und Killerspiele? Wovon träumen sie? Wovor haben sie Angst?
Um es gleich vorneweg zu sagen: Dieses Buch ist in erster Linie ein Buch über Paul Bühre. Da Bühre, der in Berlin lebt, Teenager ist, verrät es freilich auch etwas über die Lebenswirklichkeit heutiger Jugendlicher zumindest der Mittelschicht.
Wir erfahren, dass Paul Bühre in die 10. Klasse geht und in die Kategorie cooler Typ fällt, weil er - übrigens zu seiner eigenen Überraschung - Mitglied der sogenannten Gruppe A ist. Das ist die "oberhammer-geilste-krasseste Gangster-Antischul-Gruppe, in die alle reinwollen". Spätpubertierende, Weicheier und Nerds bevölkern die Gruppe B und sämtliche Mädchen die Gruppe X47MKKD89SY, deren komplizierter Name die Kompliziertheit ihrer Mitglieder widerspiegelt. Bühre erzählt uns, dass sich Mädchen gerne die Haare kämmen, schminken und für Zac Efron schwärmen, während Jungs Computerspiele mögen. Darauf wäre man auch selbst gekommen. Natürlich darf es auch mal ein Killerspiel sein, und es bereitet durchaus Spaß, Oger, Kobolde oder Aliens abzuknallen, was, da hat Bühre ja recht, niemanden zum Amokläufer macht.
Er selbst hat eine Weile gern "Farmville" gespielt und sich bei Facebook um einen virtuellen Bauernhof gekümmert. Interessant wird seine Auseinandersetzung mit der virtuellen Welt, als er die Einsamkeitsthematik ins Visier nimmt. Computerspiele produzieren in den Köpfen besorgter Eltern Bilder nerdiger Jungs, die bei runtergelassenen Rollos und in messiehafter Umgebung auf den Bildschirm starren. Das ist Unsinn. Computerspiele sind nicht von vornherein Einsamkeitsverstärker. Im Gegenteil. Bühre schreibt: "Spiele können sozial sein. Sozialer als Bücher lesen auf jeden Fall. Beinahe alle Computerspiele verfügen über einen Multiplayer-Modus, in dem man mit Freunden in einen Raum oder übers Internet spielen kann. Spielen gehört in unserer Generation einfach dazu." Spiele sind außerdem ein beliebter Gegenstand von Pausenhofgesprächen zwischen Jungs. In diesem Sinne verbinden sie Jugendliche, anstatt sie zu trennen. Die reflexhafte Verteufelung von Computerspielen nach Amokläufen führt jedenfalls in die Irre und verstärkt Elternängste.
Kommen wir zum Kapitel Liebe, Sex und Pornographie. Auch hier räumt Bühre mit Vorurteilen auf. Generation Porno? Blödsinn! Natürlich hat auch er schon Pornos gesehen, was schlicht normal ist. "Ab der Siebten und spätestens bis zur Neunten haben alle Jungs einen Porno gesehen!" Die Auswahl im Netz ist schließlich gigantisch - "von den Milfs (Mothers I'd like to fuck) bis zu den BBWs (Big Black Women)" - wer könnte da freiwillig die Augen verschließen? Daraus zu folgern, die Jugend sei verdorben und betrachte Körper als reines Befriedigungsmaterial, wäre trotzdem falsch. "Zu der Problemfrage, wie sehr einen Pornos jetzt versauen, würde ich gerne mal eine Diskussion in Ethik führen. Das mag sich zwar lebensmüde anhören, aber man hätte als Junge wenigstens mal die Chance, sich zu rechtfertigen." Keine schlechte Idee. Es sei, so Bühre, noch genügend Platz für Händchenhalten und Nebeneinander- und nicht Aufeinanderliegen. Bühre zumindest scheint eine romantische Ader zu besitzen, wovon der schöne Satz zeugt: "Ich wäre schon glücklich, wenn ich mit meinem Traummädchen bloß Tee trinken, reden und lachen könnte oder einfach nur existieren."
Zweifellos: Paul Bühre hat ein unterhaltsames Buch geschrieben. Nur bedeutet ihn kennenzulernen nicht, dass man gleichzeitig auch die heutige Jugend wirklich kennenlernt. Ein brisantes Thema wie Mobbing, insbesondere Cybermobbing zum Beispiel, handelt der Fünfzehnjährige in wenigen banalen Sätzen ab. Sein Ratschlag: Das Beste sei, "Leuten, die sich über andere erheben müssen, aus dem Weg zu gehen und so wenig wie möglich auf sie zu reagieren". Wäre es nur so simpel! Eine total vernetzte Welt bietet enorme Angriffsflächen. Mobbingpausen existieren bei einem auf Hochtouren laufenden Internet nicht. Tätern physisch aus dem Weg zu gehen hilft leider wenig.
Streckenweise haben Bühres lockere Erzählungen etwas von einem Bewerbungsschreiben. Hier präsentiert sich ein vernünftiger, sympathischer Junge, der Alkohol nur in Maßen konsumiert, kein "Konsumsuchti" ist, dem Freunde und Familie sehr wichtig sind und der Facebook Instagram vorzieht. Die Illustrationen des Buchs stammen aus seiner Feder, später möchte er Comiczeichner werden. Paul Bühre ist ein Bilderbuchjugendlicher ohne Rebellionspotential. Sorgen muss man sich um ihn keine machen.
MELANIE MÜHL
Paul David Bühre: "Teenie-Leaks". Wir können nichts dafür, dass ihr uns nicht versteht.
Ullstein Verlag, Berlin 2015. 192 S., geb., 16,99 [Euro]
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