Douglas Fairbanks. Smoke Shops (für Wasserpfeifen) und Läden für Tätowierungen machen heute einen Großteil der umliegenden Geschäfte aus, dazwischen ein paar Bars, vor denen Mädchen in sehr kurzen Röcken auf sehr hohen Schuhen herumstehen. Ein Trompeter, der auch in der Nacht seine Augen hinter einer Sonnenbrille verbirgt, spielt Miles-Davis-Variationen, unbeachtet von den paar Touristen, die sich für die im Boden eingelassenen Sterne und Fußabdrücke einstiger Stars interessieren.
Im Egyptian Theatre hat die Film Noir Foundation einen Tisch aufgestellt, hier läuft gerade das Noir Festival, eine regelmäßige Veranstaltungsreihe, der die American Cinèmatheque das alte Kino leiht. "Bums and Babes Behind Bars" heißt die Programmsektion, die an diesem Abend dran ist. Knapp fünfzig Zuschauer haben sich versammelt, Männer zumeist in nicht mehr ganz jungen Jahren. Ein Double Feature mit John Cromwells "Caged" aus dem Jahr 1950 sowie von 1955 "Big House U.S.A." von Howard W. Koch ist für diesen Abend versprochen.
Erst einmal aber werden Freikarten für die in Kürze folgende Robert-Bresson-Retrospektive verlost, das dauert kaum zwei Minuten. Dann tritt ein Moderator vors Publikum, singt ein kurzes Loblied auf Warner Brothers, das Noir-Studio par excellence, das einwandfreie Kopien zur Verfügung gestellt hat. Er hat zwei Boxen mit nicht mehr ganz neuen DVD-Editionen mitgebracht, die er verschenken will. Die Filme darin sind "Born to Kill", "Clash by Night", "Crossfire", "Dillinger" und "The Narrow Margin". In rasantem Tempo rattert er die Titel herunter und fragt: "Welcher Regisseur eines dieser Filme gehörte zu den (auf McCarthys schwarzer Liste stehenden) Hollywood Ten?" Er hat den Satz noch nicht ganz ausgesprochen, als schon die Hände in die Luft fliegen und der erste ruft: "Edward Dmytryk". Das ist der Regisseur von "Crossfire", die Box geht an den Herrn links hinten. Für die zweite muss man wissen, welcher der Filme keine Musik hat, und auch da ruft ohne Zögern nicht nur einer: "The Narrow Margin!"
Die Boxen sind also verteilt, der Moderator will noch sichergehen, dass der folgende Film "Caged" keinesfalls, was der Serientitel nahe legen könnte, in die Rubrik Camp gehöre, und dann geht es endlich los, unter dem Beifall der Zuschauer, die schon im Vorspann jedem Namen applaudieren. So wie in den späten Siebzigern bei der "Rocky Horror Picture Show".
Tatsächlich geht es zwar um "Babes behind bars" (Mädels hinter Gittern), aber Cromwells Film ist ohne jede Anzüglichkeit, unsentimental, fast dokumentarisch in seiner Schilderung von Korruption, Sadismus und dem Scheitern aller Reformbemühungen in dem Frauengefängnis, in dem er spielt. Eleanor Parker wurde für die Hauptrolle der neunzehnjährig eingesperrten Naiven, die als rundum Kriminelle entlassen werden wird, für einen Oscar nominiert, ebenso wie Hope Emerson, die mit Wucht die bestechliche und grausame Aufseherin gibt. Es wird ein Kind geboren, das zur Adoption freigegeben werden muss, und ein Kätzchen gerettet, das die Frauen versehentlich dann in einem Aufruhr zerquetschen, Anlässe wie gemacht für gefühlvolle Einlagen - nichts dergleichen hier. Es fließen keine Tränen, nicht auf der Leinwand, nicht im Saal, aber die Wut wächst, hier wie dort.
Die Leute, die an diesem Abend gekommen sind, müssen den Film viele Male gesehen haben. Sie kennen jede Wendung, jede Dialogzeile, aber sie japsen immer noch vor Schreck, wenn Eleanor Parker von Hope Emerson der Kopf geschoren und sie in Einzelhaft gesteckt wird. Doch mit der Hauptdarstellerin wird auch das Publikum härter. "Thanks for the haircut", flüstern fünfzig Stimmen, als Eleanor Parker sich mit diesem Satz aus dem Gefängnis verabschiedet, und man würde sich nicht wundern, stiegen diese fünfzig nach der Vorstellung wie die einst Naive zu ein paar Kleinkriminellen ins Auto, um auf Diebestour zu gehen.
Doch alle bleiben für "Big House U.S.A." sitzen. Der Moderator hatte ihn als den "brutalsten Film der Fünfziger" angepriesen. "Stellen Sie sich vor, mit Broderick Crawford, Charles Bronson, Ralph Meeker, Lon Chaney Jr. und William Talman eine Zelle zu teilen", hatte er begeistert ins Publikum gerufen und damit einigen Applaus geerntet. Der Freund aber, mit dem ich unterwegs war, kann im Kino kein Blut sehen, und so waren wir die Einzigen, die ohne diese Erfahrung nach Hause gingen.
VERENA LUEKEN
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