Mit der Veröffentlichung des ersten Avraham-Krimis "Vermisst" von Dror Mishani scheint nun endlich der Nachfolger für die leider viel zu früh verstorbene Batya Gur gefunden zu sein. Der Autor Mishani ist Literaturprofessor, sein Spezialgebiet die Geschichte der Kriminalliteratur, wobei aber sein
erster Roman nicht intellektuell "verkopft" sondern flüssig zu lesen ist, wenngleich Mishani in seinem…mehrMit der Veröffentlichung des ersten Avraham-Krimis "Vermisst" von Dror Mishani scheint nun endlich der Nachfolger für die leider viel zu früh verstorbene Batya Gur gefunden zu sein. Der Autor Mishani ist Literaturprofessor, sein Spezialgebiet die Geschichte der Kriminalliteratur, wobei aber sein erster Roman nicht intellektuell "verkopft" sondern flüssig zu lesen ist, wenngleich Mishani in seinem Erstling aber durchaus mit Versatzstücken des Genres spielt.
Herausgekommen ist dabei ein spannender und intelligent komponierter Roman, den ich aber nicht unbedingt als Krimi bezeichnen würde. Natürlich passt die Ausgangssituation der Geschichte in das entsprechende Schema: Teenager verschwindet spurlos, Mutter bittet die Polizei um Hilfe, Nachforschungen werden angestellt, bleiben aber ohne Ergebnis, dann treffen Briefe des vermeintlichen Opfers ein. Soweit, so bekannt.
Die erste Abweichung tritt aber bereits ganz zu Anfang auf, wenn Inspektor Avraham der Mutter erklärt, dass sie sich unnötigerweise sorgt, weil dieser mit Sicherheit nicht Opfer eines Verbrechens werden kann, weil es so etwas weder in Cholon, noch in Tel Aviv, noch in Israel gibt. Und deshalb ist der Inspektor auch an dem Fall eigentlich nicht interessiert.
Daran, dass die Protagonisten ihre persönlichen Macken haben, sind Krimileser ja mittlerweile gewöhnt, wobei Avraham nicht dem Klischee der typischen Ermittlers entspricht. Dicklicher Kettenraucher würde ja gerade noch ins Schema passen, aber ein naiver Inspektor, unzufrieden mit seinem Leben, dessen einziges Freizeitvergnügen es ist, Krimis zu lesen und alte Law & Order Folgen zu schauen und seinen literarischen Kollegen Fehler in der Ermittlungsarbeit nachzuweisen, ist eher ungewöhnlich.
Und auch die zweite Hauptfigur, Avni Seev, Lehrer und Möchtegern-Schriftsteller, ist ein kauziger Typ, dessen Besuch des Creative Writing Seminars dem Autor die Möglichkeit bietet, seitenweise über das Schreiben zu referieren. Auch nicht unbedingt typisch für einen Kriminalroman, oder?
Die Auflösung des Falls um den verschwundenen Jungen ist schlüssig, aber schlägt noch einmal sehr gekonnt einen Haken, der das Dilemma offenbart, in dem sich Inspektor Avraham befindet: Ihm reicht es nicht zu wissen, wer das Verbrechen begangen hat, sondern er möchte den Ursachen auf den Grund gehen und verstehen können. Aber wem soll er glauben? Und wem sollen wir glauben?