Einst war Svetlana Dyalovich eine in Europa und Amerika gefeierte Pianistin. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Eines Tages findet man die alte Frau mit zwei Löchern in der Brust auf dem nackten Fußboden ihrer Wohnung liegend. Die Detektive Carella und Hawes gehen von Raubmord aus. Doch dann entdecken sie einige Ungereimtheiten - und noch eine Leiche...
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.04.2000 Ed McBain, der beständige Chronist amerikanischer Gegenwart, hat dem Polizeiroman den gebührenden Platz gegeben
Tag für Tag, immer dunkler
Mit „Long Dark Night” liegt die 48. Geschichte vom 87. Revier auf Deutsch vor – und es wird nicht die letzte sein
Haben Sie mal den Film „Die Vögel” gesehen, fragt der skeptische, immer misstrauische Luis, einer der zahlreichen Aficionados des (in den USA verbotenen) Hahnenkampfes – und einer der vielen mehr oder weniger müden Menschen, die in einer langen kalten Januarnacht den Detectives Carella und Hawes helfen sollen, den Weg einer Pistole zu verfolgen, die für einen Doppelmord verwendet wurde. Die „Vögel” also: „Da gibt es eine Stelle, wo das Mädchen sagt, Vögel würden richtig zerknirscht aussehen, wenn sie in der Mauser sind. Das ist wirklich komisch, denn wie können Vögel zerknirscht aussehen?”
Eine wirklich weltbewegende Frage ist das natürlich nicht, diese Zerknirschung der Vögel, eher ein Moment von Koketterie, das sich Ed McBain gestattet – denn unter dem Pseudonym Evan Hunter hatte er 1962 das Drehbuch für Hitchcocks Thriller geschrieben. „Die Vögel” gehört inzwischen zu den großen Mythen des Jahrhunderts, und jeder kennt heute die kleine Gemeinde von Bodega Bay, die sich einer wilden, unerklärlichen Attacke bis dahin harmloser Vögel ausgesetzt sieht. Eine kleine geschlossene Gemeinschaft an der Westküste, eine kleine Insel gewissermaßen im Archipel der USA.
Isola heißt auch die Stadt, von der Ed McBain eine Menge zu erzählen hat, es ist der Schauplatz seiner Geschichten vom 87. Polizeirevier. Die Serie ist in den letzten Jahren ein wenig in den Hintergrund gedrängt worden durch die spektakulären Auftritte der Newcomer Ellroy, Cornwell, Grisham – aber dessen ungeachtet hat McBain sie Jahr für Jahr weitergeschrieben: der fünfzigste Band, „The Last Dance”, ist 1999 in Amerika erschienen, Nr. 48 kam eben auf Deutsch heraus – die zwei hier noch ausstehenden sollen in Kürze folgen („Long Dark Night”, so der etwas eigenartige Titel für die deutsche Fassung, aus dem Amerikanischen von Uwe Anton, Europa Verlag, 352 Seiten, 32,50 Mark).
Isola – die Stadt gibt es nicht, wird uns im Vorspruch erklärt, und nicht die Menschen, von denen erzählt wird, aber die geschilderte Polizeiarbeit ist authentisch. Natürlich denkt man an New York bei dieser Stadt, bei diesem Viertel und seinen Menschen, schon deshalb, weil es die Stadt ist, in der Ed McBain lange Zeit gelebt hat. In East Harlem ist er 1926 geboren, als Salvatore Albert Lombino, später ist die Familie in die Bronx gezogen. Heute hat McBain die Stadt verlassen, lebt in Connecticut.
In der Navy hat er das Schreiben begonnen, kurze Geschichten, die er verschiedenen Magazinen anbot. Nach dem Krieg studierte er am Hunter College und musste sich mit verschiedenen Jobs durchschlagen, unter anderem auch als Aushilfslehrer, und aus den Erfahrungen dabei ist „Blackboard Jungle (Die Saat der Gewalt)” entstanden, der als Roman und in der Verfilmung von Richard Brooks den ersten gewaltigen Erfolg brachte – allerdings hat er dafür den Namen in Evan Hunter ändern müssen: Einem Lombino hätte auch der viel beschworene melting pot New York keinen rechten Erfolg garantiert, und Hunter, „das klang wie einer, der es zu etwas bringen wollte in dieser Stadt”.
Diese Stadt . . . „Zuerst sieht man nur die Skyline”, setzt der allererste „Precinct 87”-Roman ein, „Cop Hater”, 1956, „wenn man von Norden kommt, vom Fluss her; es verschlägt einem den Atem; ein seltsames Gefühl von Ehrfurcht bei diesem Anblick von majestätischem Glanz überkommt einen . . . Aber alle diese Gebäude sind nur Dekoration. Mehr nicht. Sie schauen über den Fluss, aber sie sind keine Märchengebilde; sie sind von Menschenhand erbaut . . . Vor den Häusern, hinter den Häusern und zwischen den Häusern gibt es Straßen. und es gibt viel Abfall in diesen Straßen. ”
Ed McBain wollte über Cops schreiben, den legendären Amateurdetektiven misstraut er, und es sollte ein Team sein, ein kollektiver, kein individueller Held. Eine heikle Geschichte, damals wie heute, mit Sympathie über Cops zu schreiben – einem der am meisten verachteten Jobs, neben Anwälten und Zahnärzten: „Immer, wenn ein Cop Scheiße baut, wie Mark Fuhrman oder das LAPD, denke ich mir: Ihr macht mir meine Aufgabe auch nicht gerade einfach. Was müsst ihr euch eigentlich so aufführen?”
Mit dem Riesenerfolg von „ Hill Street Blues” kam ein weiterer „Rückschlag” – die TV-Serie baute ungeniert auf der Romanserie auf. „Das war keine Hommage”, erklärt McBain bitter, „das war ein rip-off. ” Er hatte an eine Klage gedacht beim Start, aber es dann doch sein lassen – es hätte eine halbe Million Dollars Anwaltkosten bedeutet. Als später Michael Douglas das Original-„Precinct 87” nochmals den TV-Produzenten verkaufen wollte, winkten die Youngsters vorsichtig ab: Das sähe doch alles aus wie „Hill Street Blues”.
Man spürt den Schuss
Das „Nocturne” im 48. Roman beginnt an einem eisigen 20. Januar, einen Herzschlag vor dem 21. , und es wird eine lange Nacht werden, die sich über den folgenden Tag und in die kommende Nacht erstrecken wird. „Nocturne” ist brutaler, illusionsloser als frühere Romane – man muss heute spüren, erklärt McBain, dass es schmerzt, wenn man einen Schuss abkriegt. Geblieben ist die faszinierende Art des Blickwechsels, der von den großen Ereignissen schweift zu den „belanglosen” Details. Und so einen Zusammenhang herstellt, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das viele verschiedene Schicksale verschmelzen lässt. Eine Technik des Erzählens, die auch Hitchcocks „Vögel” zum Klassiker gemacht hat. „Die Szene, die wirklich meine ist in diesem Film”, erzählt McBain, „das ist nach dem ersten großen Ansturm der Vögel, in dem Café, mit der Ornithologin: An der Bar steht ein betrunkener – Das ist das Ende der Welt! - und ein Fischer beschwert sich, dass die Vögel die Boote terrorisieren. Das ist wie ein kleiner Einakter, ich schrieb das, nachdem ich schon wieder aus Kalifornien zurück war und schickte es Hitch. Und er drehte es, ohne einen Augenblick zu zögern. ”
Die Geschichten vom 87. Revier sind Teamgeschichten, Familiengeschichten besser gesagt, das hat die Serie bis heute am Leben erhalten. Vielleicht wird mal jemand ein Personenlexikon erstellen – zum fünfzigsten Geburtstag der Serie oder wenn die Neuverfilmung von „King’s Ransom” in die Kinos kommt, für den sich Martin Scorsese und John Woo interessieren. Das Lexikon wird natürlich die Männer vom Revier enthalten – Steve Carella und Cotton Hawes, Bert Kling und Meyer Meyer –, und auch den Cop Mike Reardon, das erste Opfer im ersten Roman „Cop Hater”, auch die Gegenspieler natürlich – den „Deaf Man”! – und Svetlana Dyalovich und ihre Katze, die beiden Toten, mit denen nun „Nocturne” beginnt. Aber auch Luis, der den Cops und uns die lebendige Geschichte des Hahnenkampfes vermittelt. Danach macht er sich auf den Heimweg: „An der nächsten Ecke wurde er überfallen. Sein Angreifer, der keinen Hut trug, stahl ihm die Uhr, die Brieftasche und den Umschlag mit den dreihundert Dollar, die ihm die Detectives für seine Zeit und seine Informationen gezahlt hatten. ”
So ist das in den Romanen von Ed McBain, er folgt seinen Menschen um die Ecke, bleibt bei ihnen im Moment, da sie abtreten vom Schauplatz. Wo ihr Leben zu schillern beginnt zwischen Tragik und Absurdität. Vielleicht ist es diese Sympathie für den Menschen nebenan, der einen Kinoerfolg bislang verhinderte – trotz einiger Filmversuche mit Stars wie Burt Reynolds, prominenten Regisseure wie Kurosawa oder Chabrol.
24/24 ist das Prinzip des Erzählers McBain. Die 24 Stunden vor und die 24 Stunden nach einem Verbrechen. „Nocturne” enthält einen der traurigsten Morde der neuen Krimiliteratur, aber auch eine der zärtlichsten Liebesgeschichten. Zeit war nicht von Bedeutung im 87. Revier, heißt es zu Beginn, und immer wieder hat Ed McBain mit der Zeit gespielt. Wichtiger als der Abschluss der Ermittlung ist ihm deshalb der Moment, da Carella heimkommt zu seinen Kindern und zu seiner taubstummen Frau Teddy – in den Sechzigern wäre das eine schöne Rolle für Suzanne Pleshette gewesen. „Er beobachtete sie schweigend in ihrer stillen Welt, wie sie den Mantel auszog und in den Schrank hängte, und dachte, dass hier in dieser gewalttätigen Stadt, in der er seinem Broterwerb nachging . . . Dass hier in einem Universum, das Tag für Tag immer dunkler zu werden schien, bis es irgendwann zu ewiger Nacht zu werden drohte . . . Dass hier Teddy war und nach Hause kam. Fast hätte er ihren Namen laut gerufen. ”
FRITZ GÖTTLER
Ed McBain, der Vater des 87. Polizeireviers.
Foto: Verlag
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Tag für Tag, immer dunkler
Mit „Long Dark Night” liegt die 48. Geschichte vom 87. Revier auf Deutsch vor – und es wird nicht die letzte sein
Haben Sie mal den Film „Die Vögel” gesehen, fragt der skeptische, immer misstrauische Luis, einer der zahlreichen Aficionados des (in den USA verbotenen) Hahnenkampfes – und einer der vielen mehr oder weniger müden Menschen, die in einer langen kalten Januarnacht den Detectives Carella und Hawes helfen sollen, den Weg einer Pistole zu verfolgen, die für einen Doppelmord verwendet wurde. Die „Vögel” also: „Da gibt es eine Stelle, wo das Mädchen sagt, Vögel würden richtig zerknirscht aussehen, wenn sie in der Mauser sind. Das ist wirklich komisch, denn wie können Vögel zerknirscht aussehen?”
Eine wirklich weltbewegende Frage ist das natürlich nicht, diese Zerknirschung der Vögel, eher ein Moment von Koketterie, das sich Ed McBain gestattet – denn unter dem Pseudonym Evan Hunter hatte er 1962 das Drehbuch für Hitchcocks Thriller geschrieben. „Die Vögel” gehört inzwischen zu den großen Mythen des Jahrhunderts, und jeder kennt heute die kleine Gemeinde von Bodega Bay, die sich einer wilden, unerklärlichen Attacke bis dahin harmloser Vögel ausgesetzt sieht. Eine kleine geschlossene Gemeinschaft an der Westküste, eine kleine Insel gewissermaßen im Archipel der USA.
Isola heißt auch die Stadt, von der Ed McBain eine Menge zu erzählen hat, es ist der Schauplatz seiner Geschichten vom 87. Polizeirevier. Die Serie ist in den letzten Jahren ein wenig in den Hintergrund gedrängt worden durch die spektakulären Auftritte der Newcomer Ellroy, Cornwell, Grisham – aber dessen ungeachtet hat McBain sie Jahr für Jahr weitergeschrieben: der fünfzigste Band, „The Last Dance”, ist 1999 in Amerika erschienen, Nr. 48 kam eben auf Deutsch heraus – die zwei hier noch ausstehenden sollen in Kürze folgen („Long Dark Night”, so der etwas eigenartige Titel für die deutsche Fassung, aus dem Amerikanischen von Uwe Anton, Europa Verlag, 352 Seiten, 32,50 Mark).
Isola – die Stadt gibt es nicht, wird uns im Vorspruch erklärt, und nicht die Menschen, von denen erzählt wird, aber die geschilderte Polizeiarbeit ist authentisch. Natürlich denkt man an New York bei dieser Stadt, bei diesem Viertel und seinen Menschen, schon deshalb, weil es die Stadt ist, in der Ed McBain lange Zeit gelebt hat. In East Harlem ist er 1926 geboren, als Salvatore Albert Lombino, später ist die Familie in die Bronx gezogen. Heute hat McBain die Stadt verlassen, lebt in Connecticut.
In der Navy hat er das Schreiben begonnen, kurze Geschichten, die er verschiedenen Magazinen anbot. Nach dem Krieg studierte er am Hunter College und musste sich mit verschiedenen Jobs durchschlagen, unter anderem auch als Aushilfslehrer, und aus den Erfahrungen dabei ist „Blackboard Jungle (Die Saat der Gewalt)” entstanden, der als Roman und in der Verfilmung von Richard Brooks den ersten gewaltigen Erfolg brachte – allerdings hat er dafür den Namen in Evan Hunter ändern müssen: Einem Lombino hätte auch der viel beschworene melting pot New York keinen rechten Erfolg garantiert, und Hunter, „das klang wie einer, der es zu etwas bringen wollte in dieser Stadt”.
Diese Stadt . . . „Zuerst sieht man nur die Skyline”, setzt der allererste „Precinct 87”-Roman ein, „Cop Hater”, 1956, „wenn man von Norden kommt, vom Fluss her; es verschlägt einem den Atem; ein seltsames Gefühl von Ehrfurcht bei diesem Anblick von majestätischem Glanz überkommt einen . . . Aber alle diese Gebäude sind nur Dekoration. Mehr nicht. Sie schauen über den Fluss, aber sie sind keine Märchengebilde; sie sind von Menschenhand erbaut . . . Vor den Häusern, hinter den Häusern und zwischen den Häusern gibt es Straßen. und es gibt viel Abfall in diesen Straßen. ”
Ed McBain wollte über Cops schreiben, den legendären Amateurdetektiven misstraut er, und es sollte ein Team sein, ein kollektiver, kein individueller Held. Eine heikle Geschichte, damals wie heute, mit Sympathie über Cops zu schreiben – einem der am meisten verachteten Jobs, neben Anwälten und Zahnärzten: „Immer, wenn ein Cop Scheiße baut, wie Mark Fuhrman oder das LAPD, denke ich mir: Ihr macht mir meine Aufgabe auch nicht gerade einfach. Was müsst ihr euch eigentlich so aufführen?”
Mit dem Riesenerfolg von „ Hill Street Blues” kam ein weiterer „Rückschlag” – die TV-Serie baute ungeniert auf der Romanserie auf. „Das war keine Hommage”, erklärt McBain bitter, „das war ein rip-off. ” Er hatte an eine Klage gedacht beim Start, aber es dann doch sein lassen – es hätte eine halbe Million Dollars Anwaltkosten bedeutet. Als später Michael Douglas das Original-„Precinct 87” nochmals den TV-Produzenten verkaufen wollte, winkten die Youngsters vorsichtig ab: Das sähe doch alles aus wie „Hill Street Blues”.
Man spürt den Schuss
Das „Nocturne” im 48. Roman beginnt an einem eisigen 20. Januar, einen Herzschlag vor dem 21. , und es wird eine lange Nacht werden, die sich über den folgenden Tag und in die kommende Nacht erstrecken wird. „Nocturne” ist brutaler, illusionsloser als frühere Romane – man muss heute spüren, erklärt McBain, dass es schmerzt, wenn man einen Schuss abkriegt. Geblieben ist die faszinierende Art des Blickwechsels, der von den großen Ereignissen schweift zu den „belanglosen” Details. Und so einen Zusammenhang herstellt, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das viele verschiedene Schicksale verschmelzen lässt. Eine Technik des Erzählens, die auch Hitchcocks „Vögel” zum Klassiker gemacht hat. „Die Szene, die wirklich meine ist in diesem Film”, erzählt McBain, „das ist nach dem ersten großen Ansturm der Vögel, in dem Café, mit der Ornithologin: An der Bar steht ein betrunkener – Das ist das Ende der Welt! - und ein Fischer beschwert sich, dass die Vögel die Boote terrorisieren. Das ist wie ein kleiner Einakter, ich schrieb das, nachdem ich schon wieder aus Kalifornien zurück war und schickte es Hitch. Und er drehte es, ohne einen Augenblick zu zögern. ”
Die Geschichten vom 87. Revier sind Teamgeschichten, Familiengeschichten besser gesagt, das hat die Serie bis heute am Leben erhalten. Vielleicht wird mal jemand ein Personenlexikon erstellen – zum fünfzigsten Geburtstag der Serie oder wenn die Neuverfilmung von „King’s Ransom” in die Kinos kommt, für den sich Martin Scorsese und John Woo interessieren. Das Lexikon wird natürlich die Männer vom Revier enthalten – Steve Carella und Cotton Hawes, Bert Kling und Meyer Meyer –, und auch den Cop Mike Reardon, das erste Opfer im ersten Roman „Cop Hater”, auch die Gegenspieler natürlich – den „Deaf Man”! – und Svetlana Dyalovich und ihre Katze, die beiden Toten, mit denen nun „Nocturne” beginnt. Aber auch Luis, der den Cops und uns die lebendige Geschichte des Hahnenkampfes vermittelt. Danach macht er sich auf den Heimweg: „An der nächsten Ecke wurde er überfallen. Sein Angreifer, der keinen Hut trug, stahl ihm die Uhr, die Brieftasche und den Umschlag mit den dreihundert Dollar, die ihm die Detectives für seine Zeit und seine Informationen gezahlt hatten. ”
So ist das in den Romanen von Ed McBain, er folgt seinen Menschen um die Ecke, bleibt bei ihnen im Moment, da sie abtreten vom Schauplatz. Wo ihr Leben zu schillern beginnt zwischen Tragik und Absurdität. Vielleicht ist es diese Sympathie für den Menschen nebenan, der einen Kinoerfolg bislang verhinderte – trotz einiger Filmversuche mit Stars wie Burt Reynolds, prominenten Regisseure wie Kurosawa oder Chabrol.
24/24 ist das Prinzip des Erzählers McBain. Die 24 Stunden vor und die 24 Stunden nach einem Verbrechen. „Nocturne” enthält einen der traurigsten Morde der neuen Krimiliteratur, aber auch eine der zärtlichsten Liebesgeschichten. Zeit war nicht von Bedeutung im 87. Revier, heißt es zu Beginn, und immer wieder hat Ed McBain mit der Zeit gespielt. Wichtiger als der Abschluss der Ermittlung ist ihm deshalb der Moment, da Carella heimkommt zu seinen Kindern und zu seiner taubstummen Frau Teddy – in den Sechzigern wäre das eine schöne Rolle für Suzanne Pleshette gewesen. „Er beobachtete sie schweigend in ihrer stillen Welt, wie sie den Mantel auszog und in den Schrank hängte, und dachte, dass hier in dieser gewalttätigen Stadt, in der er seinem Broterwerb nachging . . . Dass hier in einem Universum, das Tag für Tag immer dunkler zu werden schien, bis es irgendwann zu ewiger Nacht zu werden drohte . . . Dass hier Teddy war und nach Hause kam. Fast hätte er ihren Namen laut gerufen. ”
FRITZ GÖTTLER
Ed McBain, der Vater des 87. Polizeireviers.
Foto: Verlag
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Robert Brack führt kurz und kenntnisreich in die Geschichte des Polizeiromans ein, der in den 50er Jahren den populären Detektivroman der 30er und 40er Jahre ablöste. Ed McBain habe diese Gattung mit seinen Geschichten aus dem 87. Polizeirevier revolutioniert. Inzwischen sind bereits 50 Romane erschienen. Der "New Yorker" soll die Reihe sogar kürzlich mit Balzacs "Comédie humaine" verglichen haben. Zu "Long Dark Night", dem 48. Band, teilt Brack dem Leser nicht viel mit, doch das scheint auch nicht nötig zu sein: McBains "erzählerisches Geheimnis" offenbart sich erst, wenn man viel von ihm liest, meint Brack. Erst dann würden sich die Polizisten langsam als Charaktere erschließen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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