renommierten Autoren des Buches, in seinem Beitrag über die bahnbrechende WM 1970 nicht nur vom berühmten "Jahrhundertspiel" zwischen Deutschland und Italien oder vom begeisternden Weltmeister Brasilien mit dem großen Pelé. Er erzählt auch von der großen Unfreiheit im damaligen Einparteienstaat Mexiko und von der unbegrenzten Freiheit zweier Geldvermehrer namens Canedo und Ramirez. Diese beiden Mexikaner, politisch bestens vernetzte Sportfunktionäre und Geschäftsleute zugleich, schoben einander die Aufträge und Einnahmen zu. Sie waren für Schulze "die Begründer einer beispiellosen Selbstbedienungsmentalität, die mit den Jahren vielen Sportverbänden, vor allem aber der Fifa, ein hässliches Gesicht verlieh" - und sich mit der skandalösen Vergabe der WM 2022 nach Qatar nahtlos fortsetzt.
Wer in dieser schwergewichtigen WM-Chronik blättert, wird natürlich auch die handelsüblichen Nacherzählungen packender Spiele und doppelseitigen Foto-Tableaus großer WM-Momente finden, ebenso den Mix aus lustigen Anekdoten und traurigen Geschichten, der das Lebensspiel Fußball dem richtigen Leben so ähnlich macht. Aber eben auch viel Fundiertes über die dunklen Seiten dieses Weltereignisses, etwa die Turniere in totalitären politischen Systemen wie Italien 1934 und Argentinien 1978. Und über die verschlungenen Wege jener taktischen Systeme, die als Frühform der Globalisierung aus Wien und Budapest den Weg über den Atlantik fanden und aus dem ewig scheiternden Brasilien eine Weltmeister-Nation machten; oder, aus Amsterdam kommend, schon vor vierzig Jahren den modernen Fußball einleiteten. Das Spiel, wie es Barça oder Bayern heute zelebrieren, hat eine Vorgeschichte, auch sie findet sich hinter der goldenen Verpackung.
CHRISTIAN EICHLER
"Fußball-Weltmeisterschaft", herausgegeben von Bernd-M. Beyer und Dietrich Schulze-Marmeling. Verlag Die Werkstatt, 414 Seiten, 49,90 Euro.
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