böhmisch-mährischen Grenzlandes" hat sich mit einer Handvoll tschechischer "Republikaner" zum Protest gegen die "Germanisierung" der Heimat zusammengetan. Auch im nordböhmischen Osek sind antideutsche Ressentiments laut geworden. Derselbe chauvinistische "Klub" steckt hinter zwei Überfällen auf den deutschen Abt des dortigen Zisterzienserklosters. In Nové Hute (Kaltenbach) im Böhmerwald antwortet ein Busfahrer auf die Frage, wie das Verhältnis der tschechischen Bevölkerung zu den alten Kaltenbachern sei, die jetzt häufig auf Besuch kommen und sogar die Dorfkirche renovieren wollen: "Kompliziert . . . Wenn die deutschen Kaltenbacher zurückkommen sollten, wäre das für mich ein Grund, aus Nové Hute zu verschwinden." Die gute Nachricht: In Lesná (Schönwald) scheint die Integration des sudetendeutschen Heimkehrers Helmut Pastorek in die Dorfgemeinschaft geglückt zu sein. Jedoch lädt, wie Filip zeigt, dieser Einzelfall nicht unbedingt zur Nachahmung ein.
Ota Filips Vater, auch davon ist in diesem Buch die Rede, starb 1952 an den Folgen einer dreijährigen Lagerhaft in den Uranbergwerken von Jáchymov (Joachimsthal). Filip selbst hat wegen "Unterwühlung der sozialistischen Gesellschaft" vierzehn Monate in tschechischen Gefängnissen gesessen, ehe er 1974 ausgebürgert und Oberbayern ihm zur zweiten Heimat wurde. Das erklärt vielleicht, weshalb er mit den Tschechen so streng ins Gericht geht und den Deutschen gegenüber Milde walten läßt. Den Deutschen hilft es beim Abbau von schlechtem Gewissen gegenüber den Tschechen. Den Tschechen hingegen soll es zur Warnung gereichen. "Die Wiedergeburt eines sozusagen volkstümlichen Mißtrauens, ja Hasses gegen Deutsche", so ist bereits auf dem Umschlag zu lesen, "betrachte ich als eine Gefahr, die uns den gemeinsamen Weg in die Zukunft . . . nicht mehr verbauen darf und die den Tschechen ihre Bemühungen um eine Rückkehr nach Europa ziemlich erschweren kann."
Da verwundert es wenig, wenn Filips böhmische Geschichten die tschechische Gegenwartskultur vernachlässigen. Die Märchen mögen ja deutsch sprechen. Aber das Buch gibt zuwenig Auskunft über ganz normale Menschen, die tschechisch sprechen und nicht vom volkstümlichen Deutschenhaß befallen sind. Fast möchte man Filip um Gerechtigkeit für die Tschechen bitten - und für die (neureichen) russischen Badegäste in Karlsbad gleich dazu. Auch sie kommen nicht gut weg.
Zum Glück ist Filip kein Ideologe, sondern ein "schreibender Beobachter", der stets von Geschichten ausgeht und meistens auch zu ihnen zurückfindet. Einige seiner eindrücklichsten Berichte handeln von Denkmälern; etwa vom merkwürdigen Los eines Goethe-Monuments im westböhmischen As (Asch). Andere Texte sind Denkmäler; für Jirí Havlícek zum Beispiel, einen alten, weithin unbekannten Prager Schriftsteller. "Die komplette Auflage von 1200 Exemplaren seines philosophischen Buchs ,Der Mensch, seine Taten und Werke - Versuch einer Systematik der Betätigungsarten und eine aus ihnen resultierende Typologie des Menschen'", erfahren wir bei Filip, "lagert in seinem Wohnzimmer hinter dem Koksofen". Der Tscheche Havlícek hat sein Hauptwerk auf deutsch geschrieben. CHRISTOPH BARTMANN
Ota Filip: ". . . doch die Märchen sprechen deutsch". Geschichten aus Böhmen. Langen Müller Verlag, München 1996. 214 S., Abb., geb., 29,90 DM.
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