erzählt die Geschichte des Jungen Giorgio, der Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Tessiner Bergdorf Sonogno als Kaminfegerbub nach Mailand geschickt wird. Seine Eltern, Bergbauern im Verzascatal, sind bettelarm. Als die Mutter sich bei der Landarbeit den Fuß bricht, fehlt das Geld, um einen Arzt zu bezahlen. Lange hatten Giorgios Eltern sich geweigert, den Sohn zum Arbeiten fortzuschicken, doch nun geben sie nach - und den Jungen in die Hand des bösen, zwielichtigen Antonio Luini. Für Giorgio beginnt eine Odyssee, ein schwerer Weg aus dem Tessin in die fremde Stadt und in ein hartes, gefährliches Leben als Kaminfegerkind. Doch Giorgio findet dort auch Halt, in der Gemeinschaft der "Schwarzen Brüder", einem geheimen Bund der zum Arbeiten in die Ferne geschickten Jungs.
Wie Tetzner von diesen Kindern erzählt, ist faszinierend und fesselnd. Wie sie die Landschaften und die Stadt beschreibt, die Sorgen, aber auch die Begeisterung für das Neue, das Abenteuer, lässt einen nicht los. Zum Vorlesen eignet sich das Buch hervorragend. Gebannte Kinder, die darum betteln, bitte doch noch ein weiteres Kapitel zu lesen, sind einem garantiert. Und auch ihnen fällt schnell auf, für wen das Herz der Schriftstellerin schlägt: für die Jungen, die das Schicksal hart getroffen hat, die sich aber zu helfen wissen, sich nicht unterkriegen lassen und Mut beweisen.
Politisch stand Lisa Tetzner immer links, genau wie ihr Ehemann Kurt Kläber, der Arbeiterführer war, bevor er sich unter dem Pseudonym Kurt Held ebenfalls der Kinder- und Jugendliteratur widmete. Gemeinsam haben die beiden, die vor den Nazis in die Schweiz geflohen waren, an den "Schwarzen Brüdern" gearbeitet. Wenig später unterstützte Tetzner ihren Mann beim Schreiben des Buchs, das sein größter Erfolg werden sollte und in dem eine andere Kinderclique sich gegen das Unrecht stemmt: "Die rote Zora und ihre Bande". Noch ein Klassiker, den man kennen sollte.
ALEXANDER JÜRGS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main