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"Jahrelang bin ich vor meiner Geschichte davongelaufen. Dann erfand ich sie neu."Für den Roman seiner Familie hat der Schauspieler Christian Berkel seinen Wurzeln nachgespürt. Er hat Archive besucht, Briefwechsel gelesen und Reisen unternommen. Entstanden ist ein großer Familienroman vor dem Hintergrund eines ganzen Jahrhunderts deutscher Geschichte, die Erzählung einer ungewöhnlichen Liebe.Berlin 1932: Sala und Otto sind dreizehn und siebzehn Jahre alt, als sie sich ineinander verlieben. Er stammt aus der Arbeiterklasse, sie aus einer intellektuellen jüdischen Familie. 1938 muss Sala ih...
"Jahrelang bin ich vor meiner Geschichte davongelaufen. Dann erfand ich sie neu."
Für den Roman seiner Familie hat der Schauspieler Christian Berkel seinen Wurzeln nachgespürt. Er hat Archive besucht, Briefwechsel gelesen und Reisen unternommen. Entstanden ist ein großer Familienroman vor dem Hintergrund eines ganzen Jahrhunderts deutscher Geschichte, die Erzählung einer ungewöhnlichen Liebe.
Berlin 1932: Sala und Otto sind dreizehn und siebzehn Jahre alt, als sie sich ineinander verlieben. Er stammt aus der Arbeiterklasse, sie aus einer intellektuellen jüdischen Familie. 1938 muss Sala ihre deutsche Heimat verlassen, kommt bei ihrer jüdischen Tante in Paris unter, bis die Deutschen in Frankreich einmarschieren. Während Otto als Sanitätsarzt mit der Wehrmacht in den Krieg zieht, wird Sala bei einem Fluchtversuch verraten und in einem Lager in den Pyrenäen interniert. Dort stirbt man schnell an Hunger oder Seuchen, wer bis 1943 überlebt, wird nach Auschwitz deportiert. Sala hat Glück, sie wird in einen Zug nach Leipzig gesetzt und taucht unter.
Kurz vor Kriegsende gerät Otto in russische Gefangenschaft, aus der er 1950 in das zerstörte Berlin zurückkehrt. Auch für Sala beginnt mit dem Frieden eine Odyssee, die sie bis nach Buenos Aires führt. Dort versucht sie, sich ein neues Leben aufzubauen, scheitert und kehrt
zurück. Zehn Jahre lang haben sie einander nicht gesehen. Aber als Sala Ottos Namen im Telefonbuch sieht, weiß sie, dass sie ihn nie vergessen hat.
Mit großer Eleganz erzählt Christian Berkel den spannungsreichen Roman seiner Familie. Er führt über drei Generationen von Ascona, Berlin, Paris, Gurs und Moskau bis nach Buenos Aires. Am Ende steht die Geschichte zweier Liebender, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch ihr Leben lang nicht voneinander lassen.
Für den Roman seiner Familie hat der Schauspieler Christian Berkel seinen Wurzeln nachgespürt. Er hat Archive besucht, Briefwechsel gelesen und Reisen unternommen. Entstanden ist ein großer Familienroman vor dem Hintergrund eines ganzen Jahrhunderts deutscher Geschichte, die Erzählung einer ungewöhnlichen Liebe.
Berlin 1932: Sala und Otto sind dreizehn und siebzehn Jahre alt, als sie sich ineinander verlieben. Er stammt aus der Arbeiterklasse, sie aus einer intellektuellen jüdischen Familie. 1938 muss Sala ihre deutsche Heimat verlassen, kommt bei ihrer jüdischen Tante in Paris unter, bis die Deutschen in Frankreich einmarschieren. Während Otto als Sanitätsarzt mit der Wehrmacht in den Krieg zieht, wird Sala bei einem Fluchtversuch verraten und in einem Lager in den Pyrenäen interniert. Dort stirbt man schnell an Hunger oder Seuchen, wer bis 1943 überlebt, wird nach Auschwitz deportiert. Sala hat Glück, sie wird in einen Zug nach Leipzig gesetzt und taucht unter.
Kurz vor Kriegsende gerät Otto in russische Gefangenschaft, aus der er 1950 in das zerstörte Berlin zurückkehrt. Auch für Sala beginnt mit dem Frieden eine Odyssee, die sie bis nach Buenos Aires führt. Dort versucht sie, sich ein neues Leben aufzubauen, scheitert und kehrt
zurück. Zehn Jahre lang haben sie einander nicht gesehen. Aber als Sala Ottos Namen im Telefonbuch sieht, weiß sie, dass sie ihn nie vergessen hat.
Mit großer Eleganz erzählt Christian Berkel den spannungsreichen Roman seiner Familie. Er führt über drei Generationen von Ascona, Berlin, Paris, Gurs und Moskau bis nach Buenos Aires. Am Ende steht die Geschichte zweier Liebender, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch ihr Leben lang nicht voneinander lassen.
Berkel, Christian
Christian Berkel, 1957 in West-Berlin geboren, ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler. Er war an zahlreichen europäischen Filmproduktionen sowie an Hollywood-Blockbustern beteiligt und wurde u.a. mit dem Bambi, der Goldenen Kamera und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Viele Jahre stand er in der ZDF-Serie »Der Kriminalist« vor der Kamera. Er lebt mit seiner Frau Andrea Sawatzki und den beiden Söhnen in Berlin. Sein Debütroman »Der Apfelbaum« wurde ein Bestseller.
Christian Berkel, 1957 in West-Berlin geboren, ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler. Er war an zahlreichen europäischen Filmproduktionen sowie an Hollywood-Blockbustern beteiligt und wurde u.a. mit dem Bambi, der Goldenen Kamera und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Viele Jahre stand er in der ZDF-Serie »Der Kriminalist« vor der Kamera. Er lebt mit seiner Frau Andrea Sawatzki und den beiden Söhnen in Berlin. Sein Debütroman »Der Apfelbaum« wurde ein Bestseller.
Produktbeschreibung
- Verlag: Ullstein HC
- Seitenzahl: 416
- Erscheinungstermin: 8. Oktober 2018
- Deutsch
- Abmessung: 209mm x 135mm x 37mm
- Gewicht: 518g
- ISBN-13: 9783550081965
- ISBN-10: 3550081960
- Artikelnr.: 53282370
Herstellerkennzeichnung
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Was hält einen Menschen am Leben?
Der Schauspieler Christian Berkel hat für sein Romandebüt die Familiengeschichte durchforstet: Er erzählt eine dramatische Liebesgeschichte.
Von Melanie Mühl
Damit in der Buchhandlung beim Griff nach diesem Roman kein Missverständnis entsteht, damit also sofort klarwird, dass hier nicht lediglich ein bekannter Schauspieler - Christian Berkel - das Fach gewechselt und mal eben in die Tasten gegriffen hat, sondern wir es mit einem literarisch bedeutenden Wurf zu tun haben, springt Daniel Kehlmann in die Bresche: "Wenn wieder einmal jemand fragt, wo es denn bleibt, das lebensgesättigte, große Epos über deutsche Geschichte, dann ist von jetzt an die Antwort: Hier ist es,
Der Schauspieler Christian Berkel hat für sein Romandebüt die Familiengeschichte durchforstet: Er erzählt eine dramatische Liebesgeschichte.
Von Melanie Mühl
Damit in der Buchhandlung beim Griff nach diesem Roman kein Missverständnis entsteht, damit also sofort klarwird, dass hier nicht lediglich ein bekannter Schauspieler - Christian Berkel - das Fach gewechselt und mal eben in die Tasten gegriffen hat, sondern wir es mit einem literarisch bedeutenden Wurf zu tun haben, springt Daniel Kehlmann in die Bresche: "Wenn wieder einmal jemand fragt, wo es denn bleibt, das lebensgesättigte, große Epos über deutsche Geschichte, dann ist von jetzt an die Antwort: Hier ist es,
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Christian Berkel hat es geschrieben", steht auf dem Cover des vierhundert Seiten dicken autobiographischen Romans "Der Apfelbaum". Berkel plus Kehlmann, das ist eine vielversprechende Vermarktungsstrategie, um sich im umkämpften Buchgeschäft zu behaupten.
Berkel, der in seinem Debüt den Familienbogen dramaturgisch gekonnt und geradezu leichthändig über drei Generationen spannt, hat seine Familiengeschichte jahrelang recherchiert und die entscheidenden Orte der Vergangenheit besucht. Er ist nach Ascona gereist, nach Lodz, Madrid und Paris. Er hat Archive durchforstet und Menschen befragt, vor allem seine 2011 verstorbene Mutter Sala Nohl, der die Demenz zusehends den klaren Blick in die Vergangenheit verschleierte. Wahrscheinlich hat Berkel die letzte Chance ergriffen, der eigenen Herkunft tiefer auf den Grund zu gehen. Als sechsjähriger Junge nämlich, die Familie saß gerade im Garten unter einem Apfelbaum beisammen, erfuhr er von seinen jüdischen Wurzeln. Und er erfuhr außerdem, dass er "nicht ganz" jüdisch war. Ein Schock für Berkel, der in einem Interview sagte, für ein Kind sei das, was nicht ganz ist, kaputt. Dieser frühe Identitätsbruch nagte an ihm und trieb ihn gleichzeitig an, mehr zu erfahren: über seine Urgroßeltern und Großeltern, über seine Eltern und über sich selbst.
Erzählerisch nähert sich Berkel der Familiengeschichte als nicht müde werdender fragender Sohn. Die Besuche bei seiner Mutter in Spandau sowie die Recherchereisen bilden den Rahmen des Romans. Der Autor selbst spricht, zum Beispiel, als er herausfindet, dass sein Urgroßvater nicht wie gedacht der jüdische Stoffhändler Abraham Prussak gewesen ist. Und plötzlich zweifelt Berkel an allem, was er bisher für wirklich gehalten hatte. Was, wenn die Geister, die er rief, Furchtbares zutage fördern würden? "Was, wenn meine Vorfahren stramme Nationalsozialisten waren, die sich mit einer erfundenen Geschichte reinwaschen wollten?" Berkels größte Angst stellte sich als unbegründet heraus.
Sala Nohl, seine Mutter, geboren 1919 und als Halbjüdin in ihrer Berliner Heimat von den Nationalsozialisten verfolgt, war lange eine Flüchtende und zeitlebens eine Suchende und Liebende, die 1938 in Paris bei ihrer wohlhabenden jüdischen Tante Unterschlupf fand. Dort erhoffte sie sich eine Zukunft. Ein bisschen Freiheit, ein klein wenig Glück. "Das war keine Stadt, es war eine Welt. Alle bewegten sich anders, als sie es aus Deutschland kannte, Menschen küssten sich auf der Straße, lachten, sie wirkten auf natürliche Weise elegant." Sala studierte an der Sorbonne Französisch und Spanisch, doch das Weltgeschehen in seinen immer monströseren Ausmaßen vernichtete auf kurz oder lang alle hochfliegenden Pläne und jeden still geträumten Traum. Berkels Mutter wurde ins Internierungslager Gurs abtransportiert, in einen Vorort der Hölle. Der Tod war immer nur einen Wimpernschlag entfernt. Die Angst wurde zur ersten Natur. Beinahe zwei Jahre kämpfte Sala als Gefangene ums Überleben.
Was hält einen Menschen am Leben? Die Hoffnung ganz bestimmt. Der Glaube. Die Liebe vielleicht sowie die Sehnsucht nach dem anderen, wenn man denn eine Liebe hat. Sala hat eine: Sie liebt Otto Berkel, den sie seit Kindertagen kennt. Ein Deutscher, den der Lauf der Geschichte sowie die eigene Bereitschaft in die Wehrmachtsuniform zwängten. Er stammt aus dem Arbeitermilieu. In der Schule war er der Kleinste und Schwächste und musste viel zu früh lernen, wie man sich seinen Platz in einem Leben erkämpft, in dem es galt, Prügel zu beziehen oder Prügel auszuteilen. Dabei war sich Otto "nicht einmal sicher, ob er austeilen wollte, aber er wusste, dass er nicht mehr einstecken durfte". Dazu gehörte wohl auch ein Abrutschen in die Kriminalität. Ottos Überlebenskampf jedenfalls hätte sich nicht drastischer von Salas Welt unterscheiden können. Deren bisexueller Vater, ein Anarchist, hatte einige Zeit auf dem Monte Verità bei Ascona gelebt. Später, während der Berliner Jahre in einem herrschaftlichem Haus, gingen Berühmtheiten ein und aus: Thomas Mann, Hermann Hesse, Ernst Bloch. Und Salas Mutter? Hat Mann und Tochter verlassen und in Madrid gelebt.
Berkels Roman bezieht seine Stärke besonders aus jenen fiktiven Passagen, die einen zum mitfühlenden Begleiter von Sala und Otto machen. Ihr Sehnen und Hoffen, ihr Bangen und Verzweifeln scheinen die einzigen Konstanten zu sein. Als Otto aber als Sanitätsarzt der Wehrmacht in Russland in Kriegsgefangenschaft gerät, wird ein anderer aus ihm. Die Kälte bemächtigt sich seines Herzens. Nicht der Gedanke an Sala und die gemeinsame Tochter lässt ihn die Grausamkeit des Kriegs ertragen, sondern die Erkenntnis, dass nur der Tod Erlösung bringt. Die emotionale Abkühlung ändert indes nichts daran, dass Otto und Sala schicksalshaft aneinander gekettet bleiben.
Sobald Berkel aber als Berkel auftaucht und sich dozierend und reflektierend vor seine Protagonisten schiebt, wächst die Distanz. Einmal heißt es: "Irgendwann muss doch mal Schluss sein. In wie vielen Gesichtern steht stumm dieser Satz? ,Die Unfähigkeit zu trauern', der eindrückliche Titel des Buches von Alexander und Margarete Mitscherlich, das von der nachfolgenden Generation aufgesogen wurde, beklagt nicht nur die fehlende Trauerarbeit der Tätergeneration, es versteht sich als Aufforderung an nachfolgende Generationen, also auch an uns, Erinnerung zu wagen, um dem unbewussten Wiederholungszwang vorzubeugen." Mag sein, dass der Roman weniger gut funktionieren würde, verließe sein berühmter Autor als fragende Stimme die literarische Bühne komplett. Trotzdem klingen diese Einschübe bisweilen, als wollte "Der Apfelbaum" noch etwas anderes sein, als er in erster Linie ist: eine dramatische Liebes- und Familiengeschichte, hervorragend erzählt.
Christian Berkel: "Der Apfelbaum". Roman.
Ullstein Verlag, Berlin 2018. 416 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Berkel, der in seinem Debüt den Familienbogen dramaturgisch gekonnt und geradezu leichthändig über drei Generationen spannt, hat seine Familiengeschichte jahrelang recherchiert und die entscheidenden Orte der Vergangenheit besucht. Er ist nach Ascona gereist, nach Lodz, Madrid und Paris. Er hat Archive durchforstet und Menschen befragt, vor allem seine 2011 verstorbene Mutter Sala Nohl, der die Demenz zusehends den klaren Blick in die Vergangenheit verschleierte. Wahrscheinlich hat Berkel die letzte Chance ergriffen, der eigenen Herkunft tiefer auf den Grund zu gehen. Als sechsjähriger Junge nämlich, die Familie saß gerade im Garten unter einem Apfelbaum beisammen, erfuhr er von seinen jüdischen Wurzeln. Und er erfuhr außerdem, dass er "nicht ganz" jüdisch war. Ein Schock für Berkel, der in einem Interview sagte, für ein Kind sei das, was nicht ganz ist, kaputt. Dieser frühe Identitätsbruch nagte an ihm und trieb ihn gleichzeitig an, mehr zu erfahren: über seine Urgroßeltern und Großeltern, über seine Eltern und über sich selbst.
Erzählerisch nähert sich Berkel der Familiengeschichte als nicht müde werdender fragender Sohn. Die Besuche bei seiner Mutter in Spandau sowie die Recherchereisen bilden den Rahmen des Romans. Der Autor selbst spricht, zum Beispiel, als er herausfindet, dass sein Urgroßvater nicht wie gedacht der jüdische Stoffhändler Abraham Prussak gewesen ist. Und plötzlich zweifelt Berkel an allem, was er bisher für wirklich gehalten hatte. Was, wenn die Geister, die er rief, Furchtbares zutage fördern würden? "Was, wenn meine Vorfahren stramme Nationalsozialisten waren, die sich mit einer erfundenen Geschichte reinwaschen wollten?" Berkels größte Angst stellte sich als unbegründet heraus.
Sala Nohl, seine Mutter, geboren 1919 und als Halbjüdin in ihrer Berliner Heimat von den Nationalsozialisten verfolgt, war lange eine Flüchtende und zeitlebens eine Suchende und Liebende, die 1938 in Paris bei ihrer wohlhabenden jüdischen Tante Unterschlupf fand. Dort erhoffte sie sich eine Zukunft. Ein bisschen Freiheit, ein klein wenig Glück. "Das war keine Stadt, es war eine Welt. Alle bewegten sich anders, als sie es aus Deutschland kannte, Menschen küssten sich auf der Straße, lachten, sie wirkten auf natürliche Weise elegant." Sala studierte an der Sorbonne Französisch und Spanisch, doch das Weltgeschehen in seinen immer monströseren Ausmaßen vernichtete auf kurz oder lang alle hochfliegenden Pläne und jeden still geträumten Traum. Berkels Mutter wurde ins Internierungslager Gurs abtransportiert, in einen Vorort der Hölle. Der Tod war immer nur einen Wimpernschlag entfernt. Die Angst wurde zur ersten Natur. Beinahe zwei Jahre kämpfte Sala als Gefangene ums Überleben.
Was hält einen Menschen am Leben? Die Hoffnung ganz bestimmt. Der Glaube. Die Liebe vielleicht sowie die Sehnsucht nach dem anderen, wenn man denn eine Liebe hat. Sala hat eine: Sie liebt Otto Berkel, den sie seit Kindertagen kennt. Ein Deutscher, den der Lauf der Geschichte sowie die eigene Bereitschaft in die Wehrmachtsuniform zwängten. Er stammt aus dem Arbeitermilieu. In der Schule war er der Kleinste und Schwächste und musste viel zu früh lernen, wie man sich seinen Platz in einem Leben erkämpft, in dem es galt, Prügel zu beziehen oder Prügel auszuteilen. Dabei war sich Otto "nicht einmal sicher, ob er austeilen wollte, aber er wusste, dass er nicht mehr einstecken durfte". Dazu gehörte wohl auch ein Abrutschen in die Kriminalität. Ottos Überlebenskampf jedenfalls hätte sich nicht drastischer von Salas Welt unterscheiden können. Deren bisexueller Vater, ein Anarchist, hatte einige Zeit auf dem Monte Verità bei Ascona gelebt. Später, während der Berliner Jahre in einem herrschaftlichem Haus, gingen Berühmtheiten ein und aus: Thomas Mann, Hermann Hesse, Ernst Bloch. Und Salas Mutter? Hat Mann und Tochter verlassen und in Madrid gelebt.
Berkels Roman bezieht seine Stärke besonders aus jenen fiktiven Passagen, die einen zum mitfühlenden Begleiter von Sala und Otto machen. Ihr Sehnen und Hoffen, ihr Bangen und Verzweifeln scheinen die einzigen Konstanten zu sein. Als Otto aber als Sanitätsarzt der Wehrmacht in Russland in Kriegsgefangenschaft gerät, wird ein anderer aus ihm. Die Kälte bemächtigt sich seines Herzens. Nicht der Gedanke an Sala und die gemeinsame Tochter lässt ihn die Grausamkeit des Kriegs ertragen, sondern die Erkenntnis, dass nur der Tod Erlösung bringt. Die emotionale Abkühlung ändert indes nichts daran, dass Otto und Sala schicksalshaft aneinander gekettet bleiben.
Sobald Berkel aber als Berkel auftaucht und sich dozierend und reflektierend vor seine Protagonisten schiebt, wächst die Distanz. Einmal heißt es: "Irgendwann muss doch mal Schluss sein. In wie vielen Gesichtern steht stumm dieser Satz? ,Die Unfähigkeit zu trauern', der eindrückliche Titel des Buches von Alexander und Margarete Mitscherlich, das von der nachfolgenden Generation aufgesogen wurde, beklagt nicht nur die fehlende Trauerarbeit der Tätergeneration, es versteht sich als Aufforderung an nachfolgende Generationen, also auch an uns, Erinnerung zu wagen, um dem unbewussten Wiederholungszwang vorzubeugen." Mag sein, dass der Roman weniger gut funktionieren würde, verließe sein berühmter Autor als fragende Stimme die literarische Bühne komplett. Trotzdem klingen diese Einschübe bisweilen, als wollte "Der Apfelbaum" noch etwas anderes sein, als er in erster Linie ist: eine dramatische Liebes- und Familiengeschichte, hervorragend erzählt.
Christian Berkel: "Der Apfelbaum". Roman.
Ullstein Verlag, Berlin 2018. 416 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"... eine dramatische Liebes- und Familiengeschichte, hervorragend erzählt." Melanie Mühl Frankfurter Allgemeine Zeitung 20181124
Als der 17-jährige Einbrecher Otto von der 13-jährigen Halbjüdin Sala in die Bibliothek ihres Vaters beim Stehlen ertappt wird, ist es Liebe auf den ersten Blick zwischen den beiden. Sala hilft ihm, sich zu verstecken, während seine Freunde beim Klauen erwischt werden. Otto …
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Als der 17-jährige Einbrecher Otto von der 13-jährigen Halbjüdin Sala in die Bibliothek ihres Vaters beim Stehlen ertappt wird, ist es Liebe auf den ersten Blick zwischen den beiden. Sala hilft ihm, sich zu verstecken, während seine Freunde beim Klauen erwischt werden. Otto stammt aus einem ärmlichen Berliner Haushalt, während Sala aus wohlbehüteten Verhältnissen stammt. Eigentlich wollen Sala und Otto für immer zusammen bleiben, doch dann bricht der Krieg aus. Als Halbjüdin muss die schwangere Sala aus Berlin fliehen und erlebt eine wahre Odyssee über Spanien und Frankreich bis nach Argentinien, während Otto eingezogen wird und nach Kriegsende 5 Jahre in russischer Gefangenschaft verbringen muss. So werden die beiden für lange Zeit getrennt. Als Sala 1955 nach Berlin zurückkehrt, trifft sie dort nach vielen Jahren wieder auf Otto und kann nun endlich ein gemeinsames Leben mit ihnen beginnen.
Der Schauspieler Christian Berkel hat mit seinem Buch „Der Apfelbaum“ einen intensiven und berührenden Roman vorgelegt, der auf wahren Begebenheiten beruht, lässt er den Leser doch an seiner ureigenen und sehr persönlichen Familiengeschichte teilhaben. Der Schreibstil ist flüssig und bildgewaltig, voller Emotionen und schwierigen Nachforschungen nach der eigenen Identität. Der Leser springt mit den ersten Zeilen mitten in die Handlung hinein und erlebt eine gefühlvolle Geschichte, die von Verfolgung, Entbehrungen, Flucht und Trennung geprägt ist. Der authentische Berliner Dialekt macht das Ganze noch realer und greifbarer. Berkels Erzählung reicht über drei Generationen hinweg und lässt den Leser über mehrere Ebenen am Leben seiner Eltern, seiner Großeltern sowie seiner Geschwister und sich selbst teilhaben, wobei er einige interessante Nebeninformationen einstreut, die den Leser durchaus zum Staunen bringen. So verzweigt wie die Äste eines Apfelbaums stellt sich die Geschichte von Christian Berkels Familiengeschichte dar mit vielen Umwegen, Trennungen und der Suche nach Menschen und ihrem Schicksal.
Die realen Charaktere wurden sehr individuell und lebendig dargestellt, so dass der Leser sich gut mit ihnen identifizieren kann und mit ihnen das gesamte Gefühlsbarometer erleben darf, während man gleichzeitig immer im Blick hat, dass man den Autor als Schauspieler und öffentliche Person „kennt“ und schätzt. Auf diese Weise kommen einem die Protagonisten noch viel näher. Sowohl mit Sala als auch mit Otto hat der Leser gleich zwei sehr charismatische Charaktere, die Unmenschliches überstanden haben nur aufgrund ihrer inneren Stärke. Aber auch ihre schwachen Momente erlebt der Leser während der Flucht oder in Gefangenschaft, wo sie sich einsam unter Fremden durchschlagen mussten. Dass sich die beiden nach so vielen Jahren der Trennung doch noch einmal wiedersehen werden und dann auch zusammenbleiben, grenzt an ein Wunder, wenn man bedenkt, welche Wendungen ihr Leben genommen hat und wie sehr sich die beiden auch über die Jahre verändert haben.
„Der Apfelbaum“ ist nicht nur ein sehr fesselnder und gefühlvoller Roman über ein Stück Zeitgeschichte, sondern vor allem eine sehr persönliche Familiengeschichte, die ans Herz geht. Absolute Leseempfehlung!
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Antworten 7 von 7 finden diese Rezension hilfreich
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Eine Reise in die Vergangenheit. Christian Berkel auf dem Weg, seine Familiengeschichte kennenzulernen.
Otto und Sala kennen sich von Kindesbeinen an. Otto ist sicher: er heiratet Sala. Doch der Krieg hat anderes mit ihnen vor. Sala, Halbjüdin, wird in ein Lager interniert und flieht …
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Eine Reise in die Vergangenheit. Christian Berkel auf dem Weg, seine Familiengeschichte kennenzulernen.
Otto und Sala kennen sich von Kindesbeinen an. Otto ist sicher: er heiratet Sala. Doch der Krieg hat anderes mit ihnen vor. Sala, Halbjüdin, wird in ein Lager interniert und flieht später nach Argentinien. Otto gerät als Kriegsarzt in russische Gefangenschaft. Auf die Entfernung verlieren sie sich aus den Augen, doch als Sala mit ihrer Tochter Ada wieder nach Deutschland zurückkehrt, trifft sie sich erneut mit Otto.
Eine Lektüre, die mich sehr gefordert hat. Teilweise autobiographische Szenen, teilweise im Romanstil gehalten, ist das Buch nicht einfach zu lesen, weil man zu Beginn eines Kapitels erst ein paar Sätze braucht, um zu wissen, wer hier nun erzählt. Auch die vielen Namen (teilweise doppelt) erschweren es ein wenig, der Handlung zu folgen. Die jedoch hatte mich schnell gepackt. Sala im Lager, Otto in Gefangenschaft. Das entbehrungsreiche Leben, die Verfolgung der Juden. Im Grunde nichts Neues, aber Berkel packt die Geschehnisse in Persönliches, was das Ganze noch anschaulicher wirken lässt.
Ein wenig schwer tat ich mich mit dem Berlinerischen und dem Französischen, aber gerade so wird die Handlung, die über mehrere Länder führt, noch authentischer. Was mir am Ende gefehlt hat, war, was aus Ada wurde.
Fazit: Ein Personenstammbaum wäre hilfreich, damit man sich beim Lesen besser zurechtfindet. Ansonsten solide Romankunst, die aber teilweise etwas verwirrend ist.
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Zum Inhalt:
Christian Berkel erzählt in diesem Roman die erlebsreiche Geschichte seiner famikue über drei Generationen. Es erzählt die Geschichte zwei Personen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch nicht voneinander los kommen.
Meine Meinung:
Ich habe mich …
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Zum Inhalt:
Christian Berkel erzählt in diesem Roman die erlebsreiche Geschichte seiner famikue über drei Generationen. Es erzählt die Geschichte zwei Personen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch nicht voneinander los kommen.
Meine Meinung:
Ich habe mich ungeheuer schwer geran in die Geschichte reinzukommen. Gerade auch das ganz starke Berlinern am Anfang fand ich schwer lesbar und teilweise auch richtig schwer verständlich. Nachdem ich aber den Anfang irgendwie überstanden hatte, wurde das Buch immer besser. Man leidet mit den Personen mit, ist wirklich frih, dass man diese Zeiten nicht mitmachen musste. Dabei kommt das Buch dennoch nicht gefühlsduselig rüber, teilweise fast schon ein wenig abgeklärt, aber das passt meiner Meinung nach gut. Der Schreibstil hat mir am Ende trotz der Anfangsschwierigkeiten gut gefallen.
Fazit:
Berührende Familiengeschichte.
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Die Geschichte der Eltern im Spiegel der Zeit
Christian Berkel besucht seine Mutter. Ihm wird bewusst, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, um die Geschichte seiner Eltern zu erfahren, denn den Erinnerungen seiner Mutter ist immer weniger zu trauen. Also stückelt er die Geschichte zusammen …
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Die Geschichte der Eltern im Spiegel der Zeit
Christian Berkel besucht seine Mutter. Ihm wird bewusst, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, um die Geschichte seiner Eltern zu erfahren, denn den Erinnerungen seiner Mutter ist immer weniger zu trauen. Also stückelt er die Geschichte zusammen und lässt von seiner Mutter die Lücken auffüllen, so gut es geht. Es ist eine Geschichte mit vielen Höhen und Tiefen, die durch den historischen Kontext nicht einfacher wird. Sala ist 13, Otto 17 als sie sich kennenlernen und ineinander verlieben. Sala, Halbjüdin mütterlicherseits, stammt aus einer intellektuellen Familie, während sich Otto, das Arbeiterkind, mühsam sein Medizinstudium erarbeitet. Ab 1938 führt Sala ein unstetes Leben, reist von Deutschland nach Spanien zur entfremdeten Mutter, von dort nach Paris zu einer modeschöpfenden Tante und landet schließlich in Argentinien. Währenddessen wird Otto zur Wehrmacht eingezogen und landet schließlich in Kriegsgefangenschaft.
"Der Apfelbaum" ist eigentlich eine sehr tragische Familiengeschichte, die zeigt, was Verfolgung und Krieg Menschen und ihren Beziehungen antun kann. Sala hat seit Jahren keinen Kontakt zu ihrer Mutter, identifiziert sich nicht mit deren Religion und versteht daher nicht, warum sie verfolgt wird. Durch ihre Flucht verliert sie ihre Wurzeln. Otto ist physisch und psychisch von der Kriegsgefangenschaft gezeichnet. Für beide ist es schwer, wenn nicht gar unmöglich, nach dem Erlebten wieder zusammenzufinden. Das ist schon eine sehr anrührende und, durch die Tatsache, dass es sie auf wahren Begebenheiten beruht, hoch interessante Geschichte. Sie gibt viele Denkanstöße, nicht nur aus historischer Betrachtung, sondern auch unter aktuellen Gesichtspunkten.
Dennoch haben mich einige Dinge beim Lesen auch gestört. Regelmäßig ist beispielsweise Dialekt eingestreut. Das ist bei Otto noch glaubhaft, weil es seine Herkunft deutlich macht und auch das Bemühen, sich unter bestimmten Bedingungen gewählter auszudrücken. Leider konnte ich mit Salas regelmäßigem "zum Piiiepen" wenig anfangen. Für mich wollte das einfach nicht zu einer Frau aus intellektuellen Kreisen passen und auch nicht an den Stellen, an denen es vorkam. Was mich aber eigentlich noch mehr gestört hat war, dass manche Szenen irgendwie zu verschwimmen schienen. In einigen Situationen wurde die Bedeutung plötzlich doppeldeutig und schwer greifbar, während der Rest geradlinig und direkt erzählt wurde. Durch den Stil und die Beschreibungen sind viele Szenen durchaus kunstvoll, aber mit manchen von ihnen wusste ich überhaupt nichts anzufangen und konnte sie überhaupt nicht einordnen. Bei mir kam das Gefühl auf, dass der Autor sich möglicherweise an gewisse Erinnerungen nicht herangetraut hat oder dass ihm bei diesen Szenen Informationen fehlten, die er nicht fiktiv auffüllen wollte.
Insgesamt ist "Der Apfelbaum" ein ehrgeiziges "Projekt", die Geschichte der eigenen Eltern zu verstehen, die im Spiegel ihrer Zeit sehr spannend war, aber tiefe Spuren bei den Betroffenen hinterlassen hat. Statt eines großen unterhaltsamen "Abenteuers", wie bei so vielen fiktiven Geschichten, zeigt "Der Apfelbaum" die ganze Tragik eines Lebens in der damaligen Zeit auf zutiefst menschliche Weise auf. Und somit ist das Buch inhaltlich auf jeden Fall etwas Besonderes. Stilistisch hatte es für mich leider ein paar Schwächen.
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Antworten 3 von 4 finden diese Rezension hilfreich
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Ich mag Christian Berkel als Schauspieler, bin aber an das Buch ein wenig skeptisch herangegangen, da ich dachte „schon wieder ein Prominenter, der sich als Schriftsteller versuchen will“. Doch das Buch hat mich überzeugt.
Die Halbjüdin Sala ist 13 Jahre alt, als sie den …
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Ich mag Christian Berkel als Schauspieler, bin aber an das Buch ein wenig skeptisch herangegangen, da ich dachte „schon wieder ein Prominenter, der sich als Schriftsteller versuchen will“. Doch das Buch hat mich überzeugt.
Die Halbjüdin Sala ist 13 Jahre alt, als sie den 17-jährigen Einbrecher Otto in der Bibliothek ihres Vaters überrascht. Sie lieben sich von Anfang an. Aber das Leben wird für die beiden nicht einfach. Dass sie aus sehr unterschiedlichen Klassen hindert sie nicht, aber dann sorgen die politischen Verhältnisse dafür, dass sie getrennt werden. Sala muss Deutschland verlassen und kommt in Paris bei einer Tante unter. Doch dann marschieren die Deutschen in Paris ein. Sie wird interniert nachdem sie verraten wurde. Später kann sie untertauchen. Otto dagegen muss als Sanitätsarzt in den Krieg und gerät in russische Gefangenschaft. Auch wenn sie viele Jahre getrennt sind, vergessen können sie nicht.
Man muss schon konzentriert lesen, um der Geschichte zu folgen, denn die Handlungs- und Zeitebenen wechseln sehr häufig. Doch wenn man sich darauf einlassen kann, wird man durch eine spannende Familiengeschichte über drei Generationen gefesselt. Der Berliner Dialekt macht es Lesern, die nicht aus Berlin stammen, anfangs etwas schwer, doch mit der Zeit gewöhnt man sich daran, aber er sorgt auf jeden Fall für Authentizität.
Neben der Geschichte dieser Familie wird ein erschreckendes Stück Zeitgeschichte beschrieben.
Die Charaktere waren interessant und authentisch dargestellt. Jeder hatte seine eigene Persönlichkeit.
Es ist eine interessante und berührende Familiengeschichte, die mir sehr gut gefallen hat. Ich kann das Buch nur empfehlen!
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Christian Berkel hat sich als Schauspieler einen Namen gemacht, weil ihn seine Familiengeschichte jedoch nicht losgelassen hat, versuchte er, sich ihr schreibend zu nähern. Wie er das Leben seiner teilweise jüdischen Vorfahren über drei Generationen in Zeiten des Nationalsozialismus …
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Christian Berkel hat sich als Schauspieler einen Namen gemacht, weil ihn seine Familiengeschichte jedoch nicht losgelassen hat, versuchte er, sich ihr schreibend zu nähern. Wie er das Leben seiner teilweise jüdischen Vorfahren über drei Generationen in Zeiten des Nationalsozialismus schildert und mit Inhalten ausschmückt, ist nicht nur berührend zu lesen, es zeigt auch ein authentisches Bild dieser schicksalsträchtigen Zeit.
Mit großem Einfühlungsvermögen, sprachgewandt und mit einigem Berliner Dialekt versehen, erzählt Christian Berkel seine interessante Geschichte. Seine Großeltern stellt er darin in den Mittelpunkt und zeigt damit, wie zwei Liebende unter den Widrigkeiten ihrer Epoche zu kämpfen haben. Ihr Leben wurde wie das von so vielen Menschen zum Spielball der Zeit.
Die Handlungsorte sind weitreichend und führen von Berlin über Stationen in Madrid, Paris, einem Lager in den französischen Pyrenäen, Argentinien bis in die russische Kriegsgefangenschaft Ottos. Das macht deutlich, wie sehr das Leben der Personen dem Einfluss der Judenverfolgung und des Kriegsgeschehens unterworfen war. Flucht, Verfolgung und Gefangenschaft spielte in diesen Leben eine große Rolle.
In diesem Familienepos werden die Figuren genau gezeichnet, sie wirken vor allem durch ihre Sprache authentisch und berühren mit ihren Gefühlen, Ängsten und Sehnsüchten, die im Kriegsgeschehen und auch danach von so vielen äußeren Einflüssen beeinflusst wurden. Es gibt einige Familienangehörige, die mit ihrer Besonderheit auffallen und im Roman auch für unterhaltsame Szenen sorgen. Berkels Großvater war homosexuell und lebte in einer Nudistenkolonie, die Großmutter agierte als Anarchistin in Spanien und die Großtante arbeitete in der Pariser Modeszene mit den Größen ihrer Zeit.
Mich haben die Schicksale von Otto und Sala tief berührt und die geschilderten Kriegsszenen mit Hunger, Gewalt und menschlicher Grausamkeit haben mich mit großer Betroffenheit erfüllt. So etwas darf sich nicht wiederholen und deshalb finde ich Bücher mit dieser Thematik so unglaublich wichtig.
Dieser Roman hat mich berührt und bis zum Ende gefesselt. Hier wird nichts schön geredet, sondern offen gezeigt, wie sich Menschen einer Familie auf verschiedene politische Seiten gestellt haben.
Etwas problematisch sehe ich die häufig wechselnde Zeit- und Ortsperspektive, wenn man das Buch allerdings in einem Rutsch durchliest, verknüpfen sich die Handlungsstränge zu einem kompletten und verständlichen Bild.
Dieser autobiografisch angehauchte Roman zeigt eine bewegend erzählte, schicksalsträchtige Familiengeschichte, die bis zum Ende fesselt. Sie erklärt nachkommenden Generationen diese Zeit und macht den Unsinn von Kriegen an Beispielen fest. Ein Mahnmal gegen den Krieg.
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Bewegende und bewegte Familiengeschichte
Er fühlte sich als Kind wohl als nichts Ganzes und nichts Halbes, so kommt es einem vor, wenn man in die Lebens- und Familiengeschichte des Schauspielers Christian Berkel einsteigt. Und er nimmt den Leser mit auf eine Reise in seine Vergangenheit, die …
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Bewegende und bewegte Familiengeschichte
Er fühlte sich als Kind wohl als nichts Ganzes und nichts Halbes, so kommt es einem vor, wenn man in die Lebens- und Familiengeschichte des Schauspielers Christian Berkel einsteigt. Und er nimmt den Leser mit auf eine Reise in seine Vergangenheit, die Vergangenheit seiner Eltern, auf die Suche nach seinen Wurzeln und seiner Identität.
Akribisch und analytisch, neutral und nie wertend springt der Autor durch die Jahre vor seiner Geburt, dokumentiert die Erinnerungen seiner Mutter, der einzigen, die sich daran noch erinnern kann. Aber dabei ist es auch ein Wettlauf gegen die Zeit. Seine Mutter ist zu dem Zeitpunkt, als er anfängt zu schreiben schon hochbetagt und zunehmend dement.
Aber mit ihrer Hilfe (und der Recherche in Archiven und Schriftwechseln) schafft Christian Berkel ein großes Werk. Keine Biographie und keine Autobiographie. Sondern ein Familien-Epos, zusammengestrickt wie ein Flickenteppich aus bruchstückhaften Erinnerungen der Mutter (die sich an vieles gar nicht mehr erinnern will, an vieles aber nicht erinnern kann) zu einem stimmigen Ganzen und dann auch noch in einer äußerst ansprechende Form formuliert.
Natürlich kennt der Leser den Schluss. Denn es ist die Geschichte des Autoren, Jahrgang 1957 - also müssen die beiden Hauptfiguren Sala und Otto irgendwann irgendwie zusammenkommen. Aber der Weg ist ein bewegter und bewegender.
Seine Mutter Sala lernt 1932 mit 13 Jahren, den vier Jahre älteren Otto kennen, als dieser in ihr Elternhaus einbricht. Später kreuzen sich ihre Wege, als ihr Vater den mittellosen Otto unter seine Fittiche nimmt und ihm eine Welt aus Büchern und Bildung eröffnet, die der wissbegierige junge Mann nur zu gerne betritt. Schließlich bringt Otto, der Junge aus dem Berliner Hinterhaus, es sogar zum Arzt.
Danach trennten sich ihre Wege. Die Halbjüdin Sala verlässt 1938 Deutschland, Otto zieht als Arzt in den Krieg und endet in russischer Kriegsgefangenschaft. Sala ist jahrelang auf der Flucht. Über Spanien und Frankreich endet sie im Internierungslager Camp de Gurs. Aber in der ganzen Zeit können Sala und Otto einander nicht vergessen. Fast unglaublich, dass sie sich nach vielen Jahren wiederfinden (Sala, inzwischen Mutter der gemeinsamen Tochter, lebte nach dem Krieg einige Zeit in Argentinien, Otto kehrte nach der Gefangenschaft nach Berlin zurück) und ihren Lebensweg danach bis zu Ottos Tod gemeinsam gehen.
Interessant fand ich auch, welchen illustren Umgang die Familie über die Jahrzehnte so pflegte. Eine Tante Salas war Modedesignerin in Paris und Ausstatterin der Duchess of Windsor, ihr Vater gehörte zum Dunstkreis von Erich Mühsam, Sigmund Freud und Hermann Hesse.
Das Buch ist keine leichte Kost. Inhaltlich nicht und sprachlich ganz sicher auch nicht. Berkel wechelt die verschiedenen Zeitebenen flüssig und schon allein dadurch ist das Buch nichts für „nebenher“, sondern bedarf Konzentration und man muss sich auf die Geschichte einlassen. Aber wenn einem das gelingt, dann lebt man das im Buch geschilderte Leben der Personen ein Stück weit mit, die Charaktere werden so authentisch, lebensnah, liebenswert und dreidimensional geschildert. Und die Geschichte ist auch heute, in Zeiten, in denen die Gesellschaft sich wieder nach rechts bewegt, erschreckend aktuell. Es ist eine Geschichte über wahre und unendliche Liebe gegen alle Widrigkeiten, Standes- und Landesgrenzen hinweg, über Glück und Zufälle, erzählt mit einem Augenzwinkern und oft einer Träne im Knopfloch.
Sollte Christian Berkel, ebenso wie seine Ehefrau Andrea Sawatzki, Gefallen an der Schriftstellerei gefunden haben, hat er sich selbst die Messlatte mit diesem Buch extrem hochgelegt. An dieses Werk heranzukommen wird schwierig.
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Jahrhundertschau.
Ich muss zugeben, dass ich zunächst skeptisch war: ein Schauspieler versucht sich als Literat! Aber ich muss Daniel Kehlmann in seinem Kommentar der auf dem Umschlag des Buches abgedruckt ist, Recht geben: Es ist das werk eines schriftstellers. Ein Jahrhundert …
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Jahrhundertschau.
Ich muss zugeben, dass ich zunächst skeptisch war: ein Schauspieler versucht sich als Literat! Aber ich muss Daniel Kehlmann in seinem Kommentar der auf dem Umschlag des Buches abgedruckt ist, Recht geben: Es ist das werk eines schriftstellers. Ein Jahrhundert Familiengeschichte mit vielem was dazugehört; die Weltkriege, das Dritte Reich, die Judenverfolgung, Vernichtung, Flucht und Kriegsgefangenschaft, alternative Lebensversuche in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, Heimat finden in einer Welt die zerbrochen ist; und schließlich dann die Liebe in dieser unmöglichen Zeit. "Sie hatten das Leben gegen den Krieg getauscht, ihr Fühlen, Denken und Handeln seinen Gesetzen unterworfen. Sie hatten nicht geahnt, wie viele Schattierungen die Farbe Schwarz unter dem Hakenkreuz bereithielt." Dass die Liebenden sich nach jahrelangen Wirren am Ende dann doch wieder finden - und dies in genau jenem Augenblick, als aus einem Radio der Jubel über das Siegtor der deutsche Fussballnationalmanschaft zur Weltmeisterschaft tönt - das erinnert dann doch ein wenig an einen Freitagabendfilm in der ARD.
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Wer Christian Berkel bisher nur als Schauspieler kannte, sollte sich ganz schnell merken: Er ist auch Schriftsteller... und was für einer !!
Inhalt und meine Meinung :
Christian Berkel erzählt in seinem Debütroman die Geschichte seiner Familie und diese beginnt in dem sich zu …
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Wer Christian Berkel bisher nur als Schauspieler kannte, sollte sich ganz schnell merken: Er ist auch Schriftsteller... und was für einer !!
Inhalt und meine Meinung :
Christian Berkel erzählt in seinem Debütroman die Geschichte seiner Familie und diese beginnt in dem sich zu dieser Zeit im Umbruch befindenden Berlin 1932.
Die unsagbar poetische und literarisch fasziniert versierte erzählte Geschichte handelt von Salat und Otto, die sich in jungen Jahren begegnen und ineinander verlieben, doch ihre Liebe und ihr Leben sind geprägt von Gegensätzen.
Er stammt aus einer deutschen Arbeiterklasse und sie aus einer jüdisch intellektuellen Familie, doch als Salla 1938 ihre Heimat verlassen muss beginnt eine Geschichte, die tragisch ist und von nach wie vor von großer Aktualität, Wichtigkeit und Präsens ist.
Wenn ein bekannter Schauspieler, wie Christian Berkel das Veröffentlichen eines Romans bekannt gibt, ist man vielleicht im ersten Moment skeptisch, doch spätestens nach einer Seite dieses Romans, wird man entzückt denken: Bitte mehr davon.
Denn dieser Schreibstil, den er hier an den Tag legt ist so faszinierend klar, von großer und stark angelegter Poesie und genau dadurch emotional ohne je einen zu weinerlich oder kitschigen Ton anzuschlagen. Stets realitätsnah und durch seine bezaubernden Figuren unterstützt, ist man von der ersten Seite an fasziniert von einem deutschen Familienepos, welches ich so noch nie lesen durfte.
Fazit :
Ein herausragend geschriebener Roman, dessen lebensnah geschilderten Emotionen und deren wahre Figuren und Geschichten einfach nur berühren und den Leser, vielleicht sogar ein bisschen klüger, aber auf jeden Fall bereichernd zurücklassen.
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Erst hieß es: Ein Schauspieler der ein Buch schreibt….geht doch gar nicht, bitte nicht!
Dann hieß es: Wow, ein Schauspieler der wirklich schreiben kann – bitte mehr davon!
Und nun? Habe ich mir mein eigenes Bild gemacht und kann mir nun erklären wo der Jubel nach der …
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Erst hieß es: Ein Schauspieler der ein Buch schreibt….geht doch gar nicht, bitte nicht!
Dann hieß es: Wow, ein Schauspieler der wirklich schreiben kann – bitte mehr davon!
Und nun? Habe ich mir mein eigenes Bild gemacht und kann mir nun erklären wo der Jubel nach der Lektüre herkommt.
Der Apfelbaum ist ein sehr persönliches Buch des Schauspielers Christian Berkel über das Leben seiner Mutter.
Wunderbar wie Christian Berkel den Leser abholt und sich erklärt wie er dazu kam die Geschichte seiner Mutter aufzuschreiben.
Ein respektvoller Einstieg in die eigentliche Geschichte, die immer wieder gebrochen wird durch Einschübe aus der Gegenwart aus seiner heutigen Sicht, wenn er mit seiner Mutter die Vergangenheit ergründet.
Christian Berkel taucht in seine Kindheit ein, er ist als erwachsener Mann nun bereit zu ergründen warum seine Mutter sich so verhielt wie sie es hat. Dass vor seiner Zeit viel erlebt wurde, nicht immer Positives. Ganz im Gegenteil.
Behutsam und bedacht erkundet er das Leben und die Erlebnisse seiner Mutter – versucht zu rekonstruierte was passierte.
Fazit: Da möchte man ein Aufnahmegerät in die Hand nehmen und die Geschichte der eigenen Eltern aufschreiben um zu verstehen was sie zu dem gemacht hat, was sie sind. Nachspüren wo die eigenen Wurzeln sind.
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