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Philipp Heyde
Gebundenes Buch
Das Ende der Reparationen
Deutschland, Frankreich und der Youngplan 1929-1932. Diss.
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Juni und Juli 1932, Konferenz von Lausanne: Die deutschen Reparationen werden faktisch gestrichen - ein enormer Erfolg für Deutschland unter Franz von Papen, eine schwere Niederlage für Frankreich, das doch damals als die stärkste Macht des Kontinents galt.
Wie es zu dem erstaunlichen Ergebnis kam, daß ein Kernpunkt des Versailler Vertrags beinahe ersatzlos gestrichen wurde, zeigt dieses Buch, das sich auf deutsche, britische, amerikanische, italienische und nicht zuletzt auf bislang unbekannte französische Quellen stützt.
Wie es zu dem erstaunlichen Ergebnis kam, daß ein Kernpunkt des Versailler Vertrags beinahe ersatzlos gestrichen wurde, zeigt dieses Buch, das sich auf deutsche, britische, amerikanische, italienische und nicht zuletzt auf bislang unbekannte französische Quellen stützt.
Produktdetails
- Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart
- Verlag: Brill Schöningh
- 1998.
- Seitenzahl: 506
- Deutsch
- Abmessung: 240mm
- Gewicht: 984g
- ISBN-13: 9783506775078
- ISBN-10: 3506775073
- Artikelnr.: 27614342
Herstellerkennzeichnung
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Der Start konnte kaum ungünstiger sein
Die Reparationen und die Reparationsdebatte nach dem Ersten Weltkrieg
Philipp Heyde: Das Ende der Reparationen. Deutschland, Frankreich und der Young-Plan 1929-1932. Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1998. 506 Seiten, 128 Mark.
Ob wirklich oder eingebildet - die Wahrnehmung, Beurteilung und politische Ausnutzung der Reparationen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war während ihrer ganzen Geschichte mindestens ebenso wichtig wie die Sache selbst. Die Reparationen erwiesen sich als eine der großen die Öffentlichkeit mobilisierenden Grunderfahrungen, als eine ihrer wichtigsten Streitfragen, als Kristallisationspunkt
Die Reparationen und die Reparationsdebatte nach dem Ersten Weltkrieg
Philipp Heyde: Das Ende der Reparationen. Deutschland, Frankreich und der Young-Plan 1929-1932. Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1998. 506 Seiten, 128 Mark.
Ob wirklich oder eingebildet - die Wahrnehmung, Beurteilung und politische Ausnutzung der Reparationen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war während ihrer ganzen Geschichte mindestens ebenso wichtig wie die Sache selbst. Die Reparationen erwiesen sich als eine der großen die Öffentlichkeit mobilisierenden Grunderfahrungen, als eine ihrer wichtigsten Streitfragen, als Kristallisationspunkt
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vieler Ängste und Erwartungen, Ansprüche, Proteste und Feindbilder, als ein Inbegriff der Pariser Friedensordnung für deren Anhänger wie deren Gegner. Für die einen wurden sie zum Unterpfand gerechter Verteilung der Lasten, der Bestrafung und Kontrolle der Besiegten, für die anderen waren sie ein Ungeheuer, dessen Saugorgane auch den letzten Spargroschen erfassen wollten.
Die Reparationen waren an sich etwas Neues. Statt wie bisher dem Besiegten kraft Siegerrechts eine Kriegsentschädigung aufzuerlegen, sollten am Ende des Ersten Weltkriegs nach den Vorstellungen des amerikanischen Präsidenten Wilson nur noch begrenzte Zahlungen auf einer neuen rechtlichen - und moralischen - Grundlage erhoben werden: Wiedergutmachungsleistungen für Schäden, die der Zivilbevölkerung der Alliierten während des Krieges von den Deutschen zugefügt worden waren. In dieser Form, beschränkt auf festgelegte Schadenskategorien, wurden die Reparationen in dem Notenwechsel verbindlich, der als Voraussetzung des Waffenstillstandsvertrages vom 11. November 1918 eine Vereinbarung über die Basis des Friedensvertrages enthielt, nämlich die Akzeptierung des einzelnen Änderungen unterworfenen Friedensprogramms von Wilson. Diese Vereinbarungen bemühten sich Frankreich und Großbritannien erfolgreich aus ihren Verhandlungen verschwinden zu lassen. In britischen Regierungskreisen etwa wurde konsequent nur von deutscher Kapitulation und Kriegskosten gesprochen, und im Versailler Vertrag erschien im Artikel 231 die deutsche Verantwortung für den Krieg als neue Basis für die Erstattung aller Kosten des Krieges, die dann in den folgenden Artikeln wegen der offenkundigen Überforderung der deutschen Zahlungsfähigkeit auf die - allerdings weit über die Vorvereinbarungen hinaus ausgedehnten - Zivilschäden begrenzt wurde. Damit waren Reparations- und Kriegsschuldfrage miteinander verknüpft, was die Auflehnung gegen den Friedensvertrag in Deutschland beträchtlich verstärkte.
Der Start konnte kaum ungünstiger sein. Die Reparationen begannen mit dem Bruch verbindlicher Abmachungen. Darin zeigte sich zugleich, in welchem Maße ihre innen- und außenpolitische Manipulierbarkeit, die öffentliche Meinung und vor allem der innenpolitische Druck zu wesentlichen Einflußfaktoren der Reparationspolitik wurden angesichts des Ringens um die Verteilung der enormen Lasten dieses ruinösen Krieges, dessen Zerstörungen sich bis in die Grundstruktur der europäischen Wirtschaft auswirkten. Die Deutschen selber demonstrierten das mit ihren Anstrengungen, die Reparationen deutlich zu verringern, während umgekehrt die französische Regierung die Reparationsregelungen als Instrument einer intensiven und dauerhaften Kontrolle und Schwächung des potentiell überlegenen Nachbarn einsetzten. Diese politischen Möglichkeiten der Reparation beruhten vor allem darauf, daß die europäischen Kriegsgegner wirtschaftlich erschöpft, von starker innerer und äußerer Verschuldung, insbesondere gegenüber der neuen Weltmacht der Vereinigten Staaten, geplagt und überhaupt nicht in der Lage waren, die Kriegsfolgelasten in kurzer Frist etwa mit Hilfe umfangreicher Kreditoperationen abzulösen. Man mußte sich dafür auf beunruhigend lange, immer wieder Streit erzeugende Zeiträume einrichten, verschärft durch jede Konjunkturschwäche oder Zahlungsschwierigkeit. Das erst macht die Brisanz und die großen Spannungen der Endphase der Reparationen erklärlich, und anschaulich wird es in dem umfangreichen, vornehmlich aus vielfältigen Archivbeständen der Hauptkontrahenten Deutschland und Frankreich sowie aus reichhaltigen weiteren Quellen und einer eindrucksvollen Literaturbasis sorgfältig erarbeiteten Buch von Philipp Heyde.
Da es sich also um einen gravierenden und sehr verzweigten internationalen Problemkomplex handelte, hing die Möglichkeit, mit den Reparationen auszukommen, von der Struktur des europäischen Staatensystems ab und von seiner Fähigkeit, bestimmte Verhaltens- und Verständigungsregeln verbindlich zu machen. Das in der Ära der Verständigungs- und Locarno-Politik von 1924 bis ins Frühjahr 1930. An ihrem Anfang stand der Dawes-Plan, die vorläufige und am ehesten geschäftsmäßige Reparationslösung, obwohl auch sie nicht auf dem vorgesehenen Weg ihren Zweck erreichte. Und an ihrem Schluß stand der Young-Plan über eine endgültige Reparationsregelung, in der das Politische überwog, ohne die wirtschaftlichen Erfordernisse zu sehr zurückzudrängen, auch wenn sie der Weltwirtschaftskrise nicht standhielt, und in der Frankreich seinem prinzipellen Anspruch sowohl auf Erstattung der Schulden gegenüber den Vereinigten Staaten als auch auf weitere Wiedergutmachung von Schäden Geltung verschaffte - in einer, wie sich bald zeigte und Heyde in seinem ersten Hauptteil begründet, dogmatischen und zunehmend unbeweglichen Haltung, die es auch nicht erlaubte, in variantenreicher Weise Frankreichs großen Goldüberschuß gegenüber dem kapitalbedürftigen Reich indirekt politisch wirkungsvoll und zügelnd einzusetzen. Staatliche Kreditangebote mit politischen Auflagen bewirkten dann in der Weltwirtschaftskrise eher das Gegenteil.
Angesichts der unübersichtlichen Materie und der vielfältigen, gelegentlich überraschenden Zusammenhänge bietet nicht nur dieser Teil, sondern das ganze Buch eine bemerkenswerte Übersichtlichkeit und Dichte unter Gesichtspunkten, die eine neue Grundlage für die Forschung schaffen. Die insgesamt abgewogene Darstellung berücksichtigt im Falle der Young-Plan-Initiative zu wenig den wirtschaftlichen und reparationspolitischen Ausgangspunkt der deutschen außenpolitischen Führung - trotz des zweifellos wesentlichen Impulses, die Räumung des Rheinlandes zu erreichen - und betont zu stark die auf Grund der Haushaltsschwierigkeiten erzwungene Hinnahme der Bedingungen des Young-Plans, der jedoch auch ohne dies in ziemlich ähnlicher Form angenommen worden wäre. Denn - und das wird immer übersehen - dies war der letzte bedeutende Erfolg der Locarno-Politik, eine einvernehmliche, nach sehr harten Verhandlungen gemeinsam abgestimmte Regelung, die auf einer umfassenden und auch unter einigen Opfern zu bewahrenden Konzeption deutscher Außenpolitik beruhte. Der Zahlungsumfang war nicht so überraschend für die Reichsregierung, wie häufig angenommen wird. Es war die für einen weitgehenden Interessenausgleich angemessene Regelung. Alle anderen Lösungen hätten nicht mehr im Einvernehmen aller Beteiligten erreicht werden können. Dieser grundlegende Unterschied zu dem einseitigen Vorgehen, den Pressionen und der neuen, zunehmenden Rücksichtslosigkeit einer immer mehr nur auf sich selbst bezogenen deutschen Außenpolitik in den Jahren 1930 bis 1932 wird hier nicht hinreichend verdeutlicht. Der grundlegende Wechsel in der Methode und Auffassung von internationaler Politik war entscheidend für den im übrigen von Heyde treffend analysierten Destabilisierungsprozeß in Europa.
Das Ende der Reparationen auf der Konferenz von Lausanne erscheint daher als Konsequenz einer fast ausweglosen Blockierung anderer Lösungen vor allem für Deutschland. Hinzu kam die latente Drohung der Reichsregierung als einer der wichtigsten internationalen Akteure, daß die Lage nach weiteren deutschen Eskapaden nur noch schlimmer würde. Heyde sieht Reichskanzler Brünings Anteil an der Entwicklung eher in dessen innenpolitischer, national-konservativer Bindung, Schwerpunktsetzung und Instrumentalisierung der Außenpolitik und nicht in dem Bestreben, alles, einschließlich der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik, dem Ziel der Reparationsbeseitigung unterzuordnen. Es ist ein besonderes Verdienst Heydes, daß er die Reparationspolitik, die Brüning zur Ablenkung von ganz anderen Zielsetzungen häufig instrumentalisierte, einordnet in den Gesamtzusammenhang der deutschen Revisionspolitik, die sich laufend verschärfte und zum Selbstzweck wurde, vor allem in der Abrüstungsfrage. Er verknüpft diese Entwicklung mit der allgemein schwieriger werdenden innenpolitischen Lage und dem Zerfall der internationalen Politik, für den nicht zuletzt auch der zunehmende Isolationismus der Vereinigten Staaten und deren Weigerung, den Anstoß zur Streichung der interalliierten Schulden aus der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit zu geben, verantwortlich gemacht wird. Brünings Instrumentalisierung der Reparationen spricht allerdings nicht gegen ein kontinuierliches, vorrangiges Interesse an der Beseitigung der Reparationen. Wie auch immer, die Reichsregierung traf doch die größte Verantwortung an dem ruinösen Zersetzungsprozeß der internationalen Politik und Finanzbeziehungen. Der Verfassungswandel im Präsidialsystem hin zu autoritären Lösungen spielte ein maßgebliche Rolle für den Wandel der Außenpolitik. Durch rhetorisches und tatsächliches Entgegenkommen und generelle Rücksichtnahme auf den wachsenden Radikalismus der Rechten in einer weit darüber hinausreichenden Strömung des Nationalismus entstand eine Konstellation, in der bald kaum noch wesentliche Zugeständnisse möglich waren. Statt dessen wurde in manchmal geradezu chaotischer Weise jede Chance für den eigenen Vorteil genutzt, das internationale Vertrauen untergraben - obwohl dafür nicht allein das Reich verantwortlich war - und eine Kettenreaktion neuer, selbstgeschaffener Zwangslagen ausgelöst, deren wirksamste die Devise war, durchzuhalten und nicht zurückzuweichen. Sie belasteten die Wirtschaft, Währung und Auslandskredit unerträglich und bis zur Zahlungsunfähigkeit.
Heydes Vorgehensweise ist eine an den wesentlichen Etappen orientierte, genaue Rekonstruktion der jeweiligen innen- und außenpolitischen Rahmenbedingungen und der Entscheidungsprozesse samt allen ihren Einflußfaktoren, um auf diesem Wege sowohl den Anteil der Reparationspolitik als auch zugleich deren Einbettung in weitere Zusammenhänge herauszuarbeiten. Die Resultate sind bemerkenswert und verleihen dem Buch über die Reparationsgeschichte hinaus besonderen Wert.
PETER KRÜGER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Reparationen waren an sich etwas Neues. Statt wie bisher dem Besiegten kraft Siegerrechts eine Kriegsentschädigung aufzuerlegen, sollten am Ende des Ersten Weltkriegs nach den Vorstellungen des amerikanischen Präsidenten Wilson nur noch begrenzte Zahlungen auf einer neuen rechtlichen - und moralischen - Grundlage erhoben werden: Wiedergutmachungsleistungen für Schäden, die der Zivilbevölkerung der Alliierten während des Krieges von den Deutschen zugefügt worden waren. In dieser Form, beschränkt auf festgelegte Schadenskategorien, wurden die Reparationen in dem Notenwechsel verbindlich, der als Voraussetzung des Waffenstillstandsvertrages vom 11. November 1918 eine Vereinbarung über die Basis des Friedensvertrages enthielt, nämlich die Akzeptierung des einzelnen Änderungen unterworfenen Friedensprogramms von Wilson. Diese Vereinbarungen bemühten sich Frankreich und Großbritannien erfolgreich aus ihren Verhandlungen verschwinden zu lassen. In britischen Regierungskreisen etwa wurde konsequent nur von deutscher Kapitulation und Kriegskosten gesprochen, und im Versailler Vertrag erschien im Artikel 231 die deutsche Verantwortung für den Krieg als neue Basis für die Erstattung aller Kosten des Krieges, die dann in den folgenden Artikeln wegen der offenkundigen Überforderung der deutschen Zahlungsfähigkeit auf die - allerdings weit über die Vorvereinbarungen hinaus ausgedehnten - Zivilschäden begrenzt wurde. Damit waren Reparations- und Kriegsschuldfrage miteinander verknüpft, was die Auflehnung gegen den Friedensvertrag in Deutschland beträchtlich verstärkte.
Der Start konnte kaum ungünstiger sein. Die Reparationen begannen mit dem Bruch verbindlicher Abmachungen. Darin zeigte sich zugleich, in welchem Maße ihre innen- und außenpolitische Manipulierbarkeit, die öffentliche Meinung und vor allem der innenpolitische Druck zu wesentlichen Einflußfaktoren der Reparationspolitik wurden angesichts des Ringens um die Verteilung der enormen Lasten dieses ruinösen Krieges, dessen Zerstörungen sich bis in die Grundstruktur der europäischen Wirtschaft auswirkten. Die Deutschen selber demonstrierten das mit ihren Anstrengungen, die Reparationen deutlich zu verringern, während umgekehrt die französische Regierung die Reparationsregelungen als Instrument einer intensiven und dauerhaften Kontrolle und Schwächung des potentiell überlegenen Nachbarn einsetzten. Diese politischen Möglichkeiten der Reparation beruhten vor allem darauf, daß die europäischen Kriegsgegner wirtschaftlich erschöpft, von starker innerer und äußerer Verschuldung, insbesondere gegenüber der neuen Weltmacht der Vereinigten Staaten, geplagt und überhaupt nicht in der Lage waren, die Kriegsfolgelasten in kurzer Frist etwa mit Hilfe umfangreicher Kreditoperationen abzulösen. Man mußte sich dafür auf beunruhigend lange, immer wieder Streit erzeugende Zeiträume einrichten, verschärft durch jede Konjunkturschwäche oder Zahlungsschwierigkeit. Das erst macht die Brisanz und die großen Spannungen der Endphase der Reparationen erklärlich, und anschaulich wird es in dem umfangreichen, vornehmlich aus vielfältigen Archivbeständen der Hauptkontrahenten Deutschland und Frankreich sowie aus reichhaltigen weiteren Quellen und einer eindrucksvollen Literaturbasis sorgfältig erarbeiteten Buch von Philipp Heyde.
Da es sich also um einen gravierenden und sehr verzweigten internationalen Problemkomplex handelte, hing die Möglichkeit, mit den Reparationen auszukommen, von der Struktur des europäischen Staatensystems ab und von seiner Fähigkeit, bestimmte Verhaltens- und Verständigungsregeln verbindlich zu machen. Das in der Ära der Verständigungs- und Locarno-Politik von 1924 bis ins Frühjahr 1930. An ihrem Anfang stand der Dawes-Plan, die vorläufige und am ehesten geschäftsmäßige Reparationslösung, obwohl auch sie nicht auf dem vorgesehenen Weg ihren Zweck erreichte. Und an ihrem Schluß stand der Young-Plan über eine endgültige Reparationsregelung, in der das Politische überwog, ohne die wirtschaftlichen Erfordernisse zu sehr zurückzudrängen, auch wenn sie der Weltwirtschaftskrise nicht standhielt, und in der Frankreich seinem prinzipellen Anspruch sowohl auf Erstattung der Schulden gegenüber den Vereinigten Staaten als auch auf weitere Wiedergutmachung von Schäden Geltung verschaffte - in einer, wie sich bald zeigte und Heyde in seinem ersten Hauptteil begründet, dogmatischen und zunehmend unbeweglichen Haltung, die es auch nicht erlaubte, in variantenreicher Weise Frankreichs großen Goldüberschuß gegenüber dem kapitalbedürftigen Reich indirekt politisch wirkungsvoll und zügelnd einzusetzen. Staatliche Kreditangebote mit politischen Auflagen bewirkten dann in der Weltwirtschaftskrise eher das Gegenteil.
Angesichts der unübersichtlichen Materie und der vielfältigen, gelegentlich überraschenden Zusammenhänge bietet nicht nur dieser Teil, sondern das ganze Buch eine bemerkenswerte Übersichtlichkeit und Dichte unter Gesichtspunkten, die eine neue Grundlage für die Forschung schaffen. Die insgesamt abgewogene Darstellung berücksichtigt im Falle der Young-Plan-Initiative zu wenig den wirtschaftlichen und reparationspolitischen Ausgangspunkt der deutschen außenpolitischen Führung - trotz des zweifellos wesentlichen Impulses, die Räumung des Rheinlandes zu erreichen - und betont zu stark die auf Grund der Haushaltsschwierigkeiten erzwungene Hinnahme der Bedingungen des Young-Plans, der jedoch auch ohne dies in ziemlich ähnlicher Form angenommen worden wäre. Denn - und das wird immer übersehen - dies war der letzte bedeutende Erfolg der Locarno-Politik, eine einvernehmliche, nach sehr harten Verhandlungen gemeinsam abgestimmte Regelung, die auf einer umfassenden und auch unter einigen Opfern zu bewahrenden Konzeption deutscher Außenpolitik beruhte. Der Zahlungsumfang war nicht so überraschend für die Reichsregierung, wie häufig angenommen wird. Es war die für einen weitgehenden Interessenausgleich angemessene Regelung. Alle anderen Lösungen hätten nicht mehr im Einvernehmen aller Beteiligten erreicht werden können. Dieser grundlegende Unterschied zu dem einseitigen Vorgehen, den Pressionen und der neuen, zunehmenden Rücksichtslosigkeit einer immer mehr nur auf sich selbst bezogenen deutschen Außenpolitik in den Jahren 1930 bis 1932 wird hier nicht hinreichend verdeutlicht. Der grundlegende Wechsel in der Methode und Auffassung von internationaler Politik war entscheidend für den im übrigen von Heyde treffend analysierten Destabilisierungsprozeß in Europa.
Das Ende der Reparationen auf der Konferenz von Lausanne erscheint daher als Konsequenz einer fast ausweglosen Blockierung anderer Lösungen vor allem für Deutschland. Hinzu kam die latente Drohung der Reichsregierung als einer der wichtigsten internationalen Akteure, daß die Lage nach weiteren deutschen Eskapaden nur noch schlimmer würde. Heyde sieht Reichskanzler Brünings Anteil an der Entwicklung eher in dessen innenpolitischer, national-konservativer Bindung, Schwerpunktsetzung und Instrumentalisierung der Außenpolitik und nicht in dem Bestreben, alles, einschließlich der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik, dem Ziel der Reparationsbeseitigung unterzuordnen. Es ist ein besonderes Verdienst Heydes, daß er die Reparationspolitik, die Brüning zur Ablenkung von ganz anderen Zielsetzungen häufig instrumentalisierte, einordnet in den Gesamtzusammenhang der deutschen Revisionspolitik, die sich laufend verschärfte und zum Selbstzweck wurde, vor allem in der Abrüstungsfrage. Er verknüpft diese Entwicklung mit der allgemein schwieriger werdenden innenpolitischen Lage und dem Zerfall der internationalen Politik, für den nicht zuletzt auch der zunehmende Isolationismus der Vereinigten Staaten und deren Weigerung, den Anstoß zur Streichung der interalliierten Schulden aus der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit zu geben, verantwortlich gemacht wird. Brünings Instrumentalisierung der Reparationen spricht allerdings nicht gegen ein kontinuierliches, vorrangiges Interesse an der Beseitigung der Reparationen. Wie auch immer, die Reichsregierung traf doch die größte Verantwortung an dem ruinösen Zersetzungsprozeß der internationalen Politik und Finanzbeziehungen. Der Verfassungswandel im Präsidialsystem hin zu autoritären Lösungen spielte ein maßgebliche Rolle für den Wandel der Außenpolitik. Durch rhetorisches und tatsächliches Entgegenkommen und generelle Rücksichtnahme auf den wachsenden Radikalismus der Rechten in einer weit darüber hinausreichenden Strömung des Nationalismus entstand eine Konstellation, in der bald kaum noch wesentliche Zugeständnisse möglich waren. Statt dessen wurde in manchmal geradezu chaotischer Weise jede Chance für den eigenen Vorteil genutzt, das internationale Vertrauen untergraben - obwohl dafür nicht allein das Reich verantwortlich war - und eine Kettenreaktion neuer, selbstgeschaffener Zwangslagen ausgelöst, deren wirksamste die Devise war, durchzuhalten und nicht zurückzuweichen. Sie belasteten die Wirtschaft, Währung und Auslandskredit unerträglich und bis zur Zahlungsunfähigkeit.
Heydes Vorgehensweise ist eine an den wesentlichen Etappen orientierte, genaue Rekonstruktion der jeweiligen innen- und außenpolitischen Rahmenbedingungen und der Entscheidungsprozesse samt allen ihren Einflußfaktoren, um auf diesem Wege sowohl den Anteil der Reparationspolitik als auch zugleich deren Einbettung in weitere Zusammenhänge herauszuarbeiten. Die Resultate sind bemerkenswert und verleihen dem Buch über die Reparationsgeschichte hinaus besonderen Wert.
PETER KRÜGER
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