Gebundenes Buch

Arbeit & Migration

Geschichten von hier

Herausgegeben: Technoseum

Beschreibung

Migrationserfahrungen: Erinnerungsstücke und Geschichten von Einwanderern

'Gastarbeiter', Schwabenkinder, Erntehelfer:innen - welche Lebensgeschichten stehen hinter diesen Begriffen? Warum haben diese Menschen ihre Heimat verlassen? Wie haben sie die Arbeitswelt erlebt und wie gelang ihnen der Spracherwerb? In der Großen Landesausstellung im TECHNOSEUM in Mannheim geht es um Menschen mit Migrationsbiografie in Deutschland. Wie in einem Kaleidoskop machen über 300 persönliche Objekte, zeitgenössische Fotos und viele Geschichten von Einwanderern die Facetten ihres Lebens sichtbar:
Arbeit & Migration: Katalog zur Ausstellung im TECHNOSEUM MannheimMigrationsgründe: Die Geschichte der Einwanderung in den deutschen SüdwestenMigration und Bildung: Der Lebensalltag der KinderGründungspotenzial: Der ökonomische Beitrag von MigrantenunternehmenWann verliert man seinen Migrationshintergrund? Willkommenskultur und Wahrnehmung von 'Fremdheit'
Wie wirkt sich Migration auf unsere Gesellschaft aus? Essays und Analysen

Der Ausstellungskatalog nimmt die Geschichte der Einwanderung auch allgemein in den Blick. Die vertiefenden Essays wenden sich aktuellen Fragestellungen zu: Gab es eine 'Mediterranisierung' der Innenstädte durch migrantische Gastronomie? Wie nehmen wir 'Fremdheit' wahr? Welche Macht hat die Sprache? Der Katalogteil zeigt analog zum Rundgang durch die Ausstellung Inszenierungen, wie Stockbetten einer Sammelunterkunft für Gastarbeiter, einen Klassenraum oder die Inneneinrichtung einer italienischen Eisdiele von der Schwäbischen Alb. So werden die vielen Facetten erlebter Migrationsgeschichte auf unmittelbare Weise anschaulich!

Produktdetails

• Verlag: WBG Theiss
• Seitenzahl: 256
• Erscheinungstermin: 17. November 2021
• Deutsch
• Abmessung: 244mm x 215mm x 24mm
• Gewicht: 1200g
• ISBN-13: 9783806243437
• ISBN-10: 3806243433
• Artikelnr.: 61422165

Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Ulla Fölsing wird ganz melancholisch angesichts des vom Technoseum Mannheim herausgegebenen Begleitbands zur Ausstellung "Arbeit und Migration". Zu erkennen ist für sie anhand der Essays die Problematik der Fluchtbiografien, die Bedeutung von Willkommenskultur und sozialer und ökonomischer Integration durch Spracherwerb, aber auch die Rolle von "Gastarbeitern" in der deutschen Unternehmenskultur. Ein Beitrag von René Leicht etwa erinnert an das "enorme Gründungspotenzial", erklärt Fölsing. Die Bilder vom Eiscafé Venezia und vom türkischen Lebensmittelhändler vor seinem Laden aus der vergangenen Schau hat Fölsing noch in Erinnerung. Dass der Band in diesem Kontext auch die Geschichte des Gründerpaares von Biontech erzählt, freut die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.08.2022

Die Geschichte der Gastarbeiter
Erzählt über Erinnerungsstücke von Einwanderern

Arbeitsmigranten sind in Deutschland nichts Neues, seit die Bundesrepublik zu Wirtschaftswunder-Zeiten vor allem mit Italien, Spanien, Griechenland und der Türkei Anwerbeabkommen unterzeichnete. Bis zum Ende dieser Initiativen zwischen 1955 und 1973 kamen 14 Millionen "Gastarbeiter" in der Hoffnung auf temporär attraktivere Arbeitsbedingungen aus ihrer Heimat nach Deutschland. Elf Millionen gingen wieder. Sechs Jahrzehnte nach dem vierten deutschen Anwerbeabkommen für türkische Arbeitskräfte eröffnete im vergangenen November das Mannheimer Technoseum seine Ausstellung "Arbeit und Migration". Die Schau nahm Lebensgeschichten und

Erinnerungsstücke von Einwanderern empathisch in den Blick. Biographien aus drei Generationen, flankiert von persönlichen Gegenständen, Fotos und Inszenierungen aller Art, machten Migrationsgeschichte und damit verbundene menschliche Hoffnungen und Nöte, aber auch Integrationserfolge anschaulich sichtbar. Wer die im Juni ausgelaufene Schau verpasst hat, dem sei der großformatige Begleitband mit lesenswerten Essays empfohlen. Es geht dort nicht nur um das konkrete Geschehen mit der Zuwanderung im deutschen Südwesten. Angesprochen werden auch generelle Probleme nach der Flucht aus wirtschaftlicher Hoffnungslosigkeit des Herkunftslands in eine andere Lebens- und Arbeitsumgebung. Und ebenso um die Frage, wie sich Migration auf die aufnehmende Gesellschaft auswirkt und was Willkommenskultur und Wahrnehmung von Fremdheit mit dem Aufnahmeland machen.

Selbst für Migranten, die wie in Baden-Württemberg ausdrücklich als erwünschte Arbeitskräfte jahrzehntelang ins Land geholt wurden und nicht etwa als Opfer von Flucht und Vertreibung kamen, war der Neubeginn oft schwierig. Das zeigen die Berichte, wie Ankommende die neue Arbeitswelt erlebt und mit Spracherwerb und Alltag gekämpft haben. Immer wieder wird dabei deutlich, dass Arbeitsmöglichkeiten für Zuwanderer Hand in Hand gehen müssen mit Hilfen zum Spracherwerb. Kenntnisse der Sprache des Aufnahmelandes sind der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche soziale und ökonomische Integration. Viel Zeit braucht es für Einwanderer offenbar auch bis zu arbeitspolitischer Teilhabe in Form von gewerkschaftlichem Engagement und migrantisch geprägten Arbeitskämpfen, Protesten und Streiks. Und im Bildungssektor dauerte es in den drei in Baden-Württemberg betrachteten Generationen zunächst lange, bis Kinder von Einwanderern Zugang zu höherer Schulbildung und Studium fanden.

Trotz eines Integrationsgesetzes seit 2015 in diesem Bundesland, in dem fast ein Drittel der Bevölkerung eine eigene oder familiäre Migrationsgeschichte hat, gibt es auch dort für Zuwanderer in der Arbeitswelt noch immer Defizite. Sie äußern sich in schlechter Bezahlung, Scheinselbständigkeit und längerer Arbeitslosigkeit, Rassismus im Alltag sowie Integrationsmängeln wegen mangelnder Sprachkenntnisse. Die "Nichtintegration" der hier geborenen zweiten Generation speziell türkischer Migranten, über die der Istanbuler Fotograf Ergun Çagatay 1990 in seiner Fotoreportage "Wir sind von hier" klagte, ist allerdings kein Thema mehr. Im Gegensatz zu heute habe es früher bei der Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland weder Zeit noch Geld oder eine Strategie gegeben, den Spracherwerb zu fördern. Lieber sei damals mit muttersprachlichem Unterricht eine Rückkehr von Migranten forciert worden.

Als beachtliche Erfolgsgeschichte wird im Buch der ökonomische Beitrag der von "Gastarbeiter"-Kindern und Einwanderern gegründeten Unternehmen gewertet. 701 000 von insgesamt 3,95 Millionen Selbständigen in Deutschland hatten im Jahr 2019 demzufolge Migrationserfahrung. Damit besaß jeder fünfte unternehmerisch Tätige in Deutschland ausländische Wurzeln. Von "enormem Gründungspotenzial" spricht der Mittelstandsforscher René Leicht in seinem Kapitel über den ökonomischen Beitrag von Migrantenunternehmen. Die Ausstellung setzte dazu pittoreske Kleinunternehmen wie das italienische Eiscafé Venezia, einen türkischen Lebensmittelhändler, eine Änderungsschneiderei und ein Brautmodengeschäft zusammen mit ihren Gründern ins Bild. Dieses Aufgebot klang sehr nach einer Sozialgeschichte von unten. Doch wissenschaftsbasierte Gründungen spielen auch im migrantisch geprägten Milieu offenbar eine immer größere Rolle. Bester Beweis scheint das Mainzer Forscherpaar Özlem Türeci und Ugur Sahin mit seiner dank Corona prosperierenden Firma Biontech, die natürlich hier gebührend gefeiert wird.

Liebenswert klingt im übrigen die These von der "Mediterranisierung" der Innenstädte durch migrantische Gastronomie, die Deutschland zu seinem Vorteil verändert habe. Tatsächlich stellten italienische Eiscafés seinerzeit als Erste ihre Tische vors Geschäft auf die Straße. Die Öffnung zum Verzehr im öffentlichen Raum habe viel für das Miteinander getan, das immer selbstverständlicher wird. Auch in der Arbeitswelt: Laut einer Emnid-Befragung sehen inzwischen 55 Prozent der Bevölkerung in der Beschäftigung von Migranten einen Ausgleich für hiesigen Fachkräftemangel und 48 Prozent Mehreinnahmen für die Rentenversicherung. Angesichts der Forderung nach raschem Arbeitsmarktzugang für die Vielzahl ukrainischer Kriegsflüchtlinge wird das Thema Arbeit und Migration hoffentlich nicht neue Konfliktschärfe gewinnen. ULLA FÖLSING

Technoseum Mannheim (Hrsg.): Arbeit und Migration. Geschichten von hier. Katalog zur Landesausstellung 2021 Baden-Württemberg, wbg Theiss, Darmstadt 2021, 256 Seiten, 29 Euro.

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