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Stimmungsvolle Alltagsskizzen aus dem Wien der Jahrhundertwende
Peter Altenberg hat die Wiener studiert - in Kaffeehäusern und Ateliers, in Dienstbotenstuben und Salons, in Vergnügungsetablissements und Parkanlagen -, und er hat ihnen dabei ins Herz geschaut. "Wie ich es sehe" ist eine Sammlung launiger Prosagedichte, poetischer Psychogramme aus dem Fin de siècle.
Wenige Zeilen, ein kurzer Dialog - mit leichter Hand und scheinbar beiläufig fängt Altenberg einen charakteristischen Ton, eine typische Stimmung ein. Komponierte Szenenfolgen wechseln mit Momentaufnahmen, deren
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Produktbeschreibung
Stimmungsvolle Alltagsskizzen aus dem Wien der Jahrhundertwende

Peter Altenberg hat die Wiener studiert - in Kaffeehäusern und Ateliers, in Dienstbotenstuben und Salons, in Vergnügungsetablissements und Parkanlagen -, und er hat ihnen dabei ins Herz geschaut. "Wie ich es sehe" ist eine Sammlung launiger Prosagedichte, poetischer Psychogramme aus dem Fin de siècle.

Wenige Zeilen, ein kurzer Dialog - mit leichter Hand und scheinbar beiläufig fängt Altenberg einen charakteristischen Ton, eine typische Stimmung ein. Komponierte Szenenfolgen wechseln mit Momentaufnahmen, deren Zusammenstellung so zufällig scheint wie das Leben selbst: Menschen sehnen sich an unterschiedlichen Orten der Stadt nach Liebe, werden enttäuscht, unternehmen Ausflüge aufs Land, suchen im Volksgarten nach Amüsement. Insbesondere weibliche Seelenwelten wußte der erklärte Frauenverehrer in kammerspielartigen Episoden präzise auszuleuchten. Sein zärtlicher Blick fiel auf ihre Träume und Hoffnungen, auf Neid undVerfehlungen. Doch Altenberg konstatiert nur, moralischer Wertungen enthält er sich.
"Wirklich wienerisch" nannte Hugo von Hofmannsthal sein Werk, "Liebe auf den ersten Laut" empfand Thomas Mann, Franz Kafka sah in ihm "ein Genie der Nichtigkeiten, einen seltsamen Idealisten, der die Schönheiten der Welt wie Zigarettenstummel in den Aschenbechern der Kaffeehäuser findet". Von den Lesern ebenso hochgeschätzt wie von den Kollegen, erfuhr Altenbergs Erstling zu seinen Lebzeiten elf Auflagen. Der vorliegende Band entspricht der Ausgabe letzter Hand von 1904, die hier nach Jahrzehnten erstmals wieder in ihrer ursprünglichen Komposition aufgelegt wird.
Autorenporträt
Altenberg, Peter
Peter Altenberg, 1859 als Richard Engländer in Wien geboren, entstammte einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie. Gesundheitlich labil, führte er das Leben eines Bohemiens am Rande der Gesellschaft, verbrachte seine Tage in Kaffeehäusern und blieb zeit seines Lebens von den Spenden seiner Freunde abhängig. Mit «Wie ich es sehe», seinem ersten Buch, das 1896 auf Betreiben von Arthur Schnitzler und Karl Kraus bei S. Fischer erschien, hatte Altenberg seine unverwechselbare literarische Form gefunden: die aphoristische Prosaskizze mit Augenblickseindrücken aus dem Alltagsleben und Stimmungsbildern aus der modernen Großstadt. Altenberg starb 1919 in Wien.

Spinnen, Burkhard
Burkhard Spinnen, geboren 1956, war nach seiner Promotion am Germanistischen Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster tätig. Gastdozenturen und Seminare u.a. am Deutschen Litearturinstitut Leipzig. Von 2008 bis 2014 Vorsitzender der jury des Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Preises. Lebt seit 1996 als freier, vielfach ausgezeichneter Autor in Münster, verheiratet, zwei Söhne.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.12.2007

Alle sagten „bravo”
Peter Altenbergs Erstlingswerk „Wie ich es sehe”
„Die Nachtstunden mit jeunesse von Gmunden sind Schakespearisch. Ich bin der einzige Jude hier, der einzigste. Und wie ich mich benehme. Wie der Luchs schleiche ich an dem Antisemitismus vorbei, trinke enorm viel, kämme die Sechser u. bin von einer scheusslichen Bescheidenheit.” Das ist der Briefschreiber Richard Engländer im Herbst 1895, als er dabei ist, Veränderungen am Manuskript seines Erstlingswerkes „Wie ich es sehe” vorzunehmen und sich für immer in den Dichter Peter Altenberg zu verwandeln. Im Buch, das im Frühling 1896 bei S. Fischer in Berlin erscheint, sucht man solche Töne vergeblich. Das „Ich” in „Wie ich es sehe” schleicht nicht, bescheidet und betrinkt sich nicht, sondern beobachtet, kritisiert und rebelliert. Er ist nicht der „einzigste” Jude, sondern ein integriertes, wenn auch unzufriedenes Mitglied einer guten Gesellschaft, die zwar nicht als eindeutig jüdisch identifiziert, aber im Großen und Ganzen mit dem gehobenen assimilierten Wiener Bürgertum gleichgesetzt wird.
Schon in dieser ersten Buchpublikation tritt die Schriftstellerpersona Peter Altenberg auf, die nur einmal direkt chiffriert als „P.A.” erscheint, aber in vielen anderen Skizzen als das quasi anagrammierte Alter Ego „Albert” oder „Albert Königsberg” auftritt. Sie ist aber vor allem in dem mit Königsberg identischen „Revolutionär” präsent, dem die längste der vier Skizzenreihen der Erstausgabe gewidmet ist. Im Laufe der sich über Monate hinstreckenden Überarbeitung des Manuskriptes entscheidet Altenberg sich, den Text „Im Garten”, der den Untertitel „Der Revolutionär docirt Religions-Philosophie” erhält, in die entsprechende Reihe aufzunehmen. In einem Brief an seine Freundin Ännie Holitscher erklärt er, dass diese Skizze seine „religiösen Lieblings-Ideen” enthalte; er hoffe damit, „alle Juden tödtlich zu treffen”.
Von solchen Hintergründen und Untertönen unbehelligt, kann man in dieser im schönen Druck der bekannten Manesse-Reihe erschienenen Ausgabe zunächst ein Meisterwerk impressionistischer Prosa wieder entdecken. Altenberg selbst hat sich später mit einem „Momentphotographen” verglichen, was nicht auf die Schnelle des technischen Verfahrens, sondern auf die instinktiv getroffene Genauigkeit des Ausschnitts rekurrierte. Seine elliptische Schreibweise, deren auffälligstes äußeres Merkmal die charakteristischen Gedankenstriche bilden, geht weniger auf das Prosagedicht französischer Zeitgenossen als auf den japanischen Holzschnitt und die Radierkunst von Whistler und Klinger zurück. Von dessen berühmtem Graphikzyklus „Der Handschuh” führt eine direkte Linie zu den von Altenberg immer wieder evozierten Frauenhänden, die ebenfalls ein seltsames Eigenleben zu führen scheinen.
Auf und zu
Burkhard Spinnen, der begnadete Erzähler und ausgewiesene Kenner der Wiener Literatur um 1900, hat die Ausgabe mit Anmerkungen und einem informativen Nachwort versehen. Mit der Entscheidung, die Edition auf der vierten, um mehr als 70 Seiten erweiterten Auflage von 1904 zu basieren, gibt er jedoch nicht das Buch, das Gerhart Hauptmann entzückt und den jungen Hofmannsthal verunsichert hat, neu heraus, sondern ein Sammelsurium von Texten. Die Ausgabe von 1904 vereinigte neben einer bereits in der zweiten Auflage vergrößerten Fassung des Erstdrucks, nämlich Essays und andere kurze Prosa aus der im Jahre 1903 von Altenberg redigierten, kurzlebigen Zeitschrift „Kunst” sowie das Herzstück von „Ashantee”, seinem zweiten, 1897 erschienenen Buch. Trotz der leicht geschwächten Wirkung dieser bunten Textmischung gibt es exquisite Prosastücke genug, aus denen klar wird, warum der umtriebige Hermann Bahr und auch Karl Kraus den ehemaligen Zigarettenverkäufer und stadtbekannten Nichtstuer protegierten.
In „Quartett-Soirée” benimmt sich eine junge Frau wie in einem Krankheitsbericht von Freud: „Die junge Frau zieht an ihrem Opernguckersäckchen aus Seide, zu, auf, zu, auf, zu - - -.” Gerade in solchen Szenen offenbart sich eine fast Mannsche Ironie. Am Ende der Vorstellung berichtet der Erzähler: „Alle sagten ,bravo’. Wie wenn man sagt: ,bravo, ein Kind ist gestorben’.”
In der Skizze „Gesellschaft” gibt es eine surrealistische Metaphorisierung der Langeweile, die zwar an den Hyperrealismus von Klingers Graphik erinnern mag, der aber erst die Visionen eines Alfred Kubin gerecht zu werden vermochten: „Die gelblich-weisse fette aufgedunsene Langweile kroch umher auf dem dunkelrothen weichen Teppich des Salons - - -. Dann kroch sie auf den Schooss des jungen wunderschönen Haustöchterchens und küsste sie breit auf den Mund - - -.” Solche Schockbilder setzt Altenberg spärlich ein. Sie machen auch für die Dissonanzen in den leisen Texten hellhörig.
Der junge Martin Buber, der bereits 1897 die epochale Bedeutung von „Wie ich es sehe” in seinen in polnischer Sprache veröffentlichten Artikeln zur Wiener Literatur herausstellte, spürte hinter Altenbergs manchmal poetisch verbrämter „Liebe” zu den verschiedensten Erscheinungen der menschlichen und der Naturwelt „orkanartige Wut” und „wüstenstürmische Leidenschaft”. Das sind keine schlechten Signale auch für heutige Leser. LEO A. LENSING
PETER ALTENBERG: Wie ich es sehe. Hrsg. von Burkhard Spinnen. Manesse Verlag, Zürich 2007. 459 Seiten, 22,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ah, Peter Altenberg! Leo A. Lensing ist entzückt dem flanierenden, beobachtenden und leidenschaftlich kritisierenden Autor in einer, wie er erklärt, schön gedruckten und von Burkhard Spinnen mit brauchbaren Informationen gespickten Ausgabe zu begegnen. Altenbergs immer wieder "exquisite" Prosa mit ihrer Elliptik erinnert Lensing an Klingersche Radierungen. Zwar hat er etwas Mühe, sich in der um Essays und andere Kurzprosa erweiterten Neuausgabe (basierend auf derjenigen von 1904) zu orientieren, für die "Dissonanzen in den leisen Texten" Altenbergs und dessen "fast Mannsche Ironie" hat er dennoch ein Ohr.

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"In dieser Form wird Altenberg als der erkennbar, der er natürlich schon immer war: einer der ganz Großen der Literatur des 20. Jahrhunderts." Falter