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An klaren Tagen kann man in der Ferne das Meer sehen, und auf den verwunschenen Wegen rings um das alte walisische Farmhaus ist lange niemand mehr gewandert. Es ist ein schöner Flecken Erde, den Agnes sich als Versteck ausgesucht hat. Die Gedanken an das, was sie von Amsterdam vertrieben hat - ihr ahnungsloser Mann, der junge Student, vor allem aber die verstörende Angst vor dem Kommenden -, lassen sich so leichter im Zaum halten. Nur manchmal wird ihr alles zuviel: daß der Fuchs sich eine Gans nach der andern holt oder daß der grobe Nachbarsfarmer schon morgens um neun in Socken vor ihr…mehr

Produktbeschreibung
An klaren Tagen kann man in der Ferne das Meer sehen, und auf den verwunschenen Wegen rings um das alte walisische Farmhaus ist lange niemand mehr gewandert. Es ist ein schöner Flecken Erde, den Agnes sich als Versteck ausgesucht hat. Die Gedanken an das, was sie von Amsterdam vertrieben hat - ihr ahnungsloser Mann, der junge Student, vor allem aber die verstörende Angst vor dem Kommenden -, lassen sich so leichter im Zaum halten. Nur manchmal wird ihr alles zuviel: daß der Fuchs sich eine Gans nach der andern holt oder daß der grobe Nachbarsfarmer schon morgens um neun in Socken vor ihr sitzt.

Da nistet sich eines Tages der junge Bradwen bei ihr ein. Ähnlich wie Agnes gibt er kaum etwas über seine Vergangenheit preis. Und Agnes, die nicht mit dem Rauchen aufhört, weil sie sich dafür zu krank fühlt, stellt fest: Vorsicht und Zurückhaltung sind nur etwas für die Gesunden.

Der neue Roman von Gerbrand Bakker, dem "Meister der Andeutungen" (KulturSPIEGEL), bringt uns eine Frau nahe, die in auswegloser Situation Stärke zeigt und beschlossen hat, auf Umwege zu verzichten. Sacht und selbstverständlich geht er unter die Haut, und die Töne, die er anschlägt, hallen lange nach.
Autorenporträt
Bakker, Gerbrand
Gerbrand Bakker, 1962 in Wieringerwaard geboren, ist Autor und Gärtner, hin und wieder auch Eisschnelllauftrainer. Für seine Romane, die in bisher mehr als 20 Sprachen übersetzt wurden, hat er zahlreiche Preise erhalten. Bakker lebt in Amsterdam und der Eifel.

Ecke, Andreas
Andreas Ecke hat Autoren wie Gerbrand Bakker, Saskia Goldschmidt und Ernest van der Kwast ins Deutsche übertragen. Er wurde mit dem Else-Otten-Übersetzerpreis und dem Europäischen Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sehr lobend bespricht Rezensent Ernst Osterkamp Gerbrand Bakkers neuen Roman "Der Umweg". Der niederländische Blogger und Autor erzähle vordergründig die Geschichte um die Anglistik-Dozentin Agnes, die ohne das Wissen ihres Ehemannes Amsterdam verlässt und sich auf einen einsamen Bauernhof in Wales zurückzieht, um dort nicht nur über Emily Dickinsons misslungene Gedichte zu promovieren, sondern auch eine zarte Affäre mit einem jüngeren Mann zu beginnen. Dahinter, so Osterkamp, verberge sich jedoch eine herausragend erzählte Geschichte über das Sterben, die Bakker sowohl im Rückgriff auf die Poesie Emily Dickinsons, als auch mittels "atmosphärischer" und geradezu spürbarer Natur- und Landschaftsbeschreibungen kunstvoll andeute. Daneben erscheint dem Kritiker die Parallelhandlung um Agnes' Ehemann, der sich auf die Suche nach seiner Frau begibt und dabei mit einem schwulen Polizisten anbändelt, "verstörend flach". Als Erzähler des bäuerlichen Milieus, der Landschaft und der Tiere bleibe Bakker jedoch auch in diesem von Andreas Ecke brillant übersetzten Roman unschlagbar, meint der eingenommene Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.10.2013

Ample make this bed –
Gerbrand Bakkers „Der Umweg“
Nicht gut, sagt die Frau leise, gar nicht gut. Sie meint Emily Dickinson, deren Gedichte zum Teil doch sehr überschätzt werden, sie hat deshalb eine Dissertation angefangen, aus Wut, um das mal zurechtzurücken. Nicht gut, das meint aber auch ihre Stimmung, diesen Frust über die eigentlich verehrte Dichterin, ihre eigene Impulsivität.
  Eine Holländerin, sie ist Hals über Kopf weggefahren von zu Hause, von ihrem Mann, von der Universität, sie hatte eine Affäre mit einem Studenten gehabt. Nun ist sie in Wales, hat ein Haus auf dem Land gemietet, sich eingerichtet mit den mitgebrachten Sachen, eine schmale Matratze, Lampen, Bücher, sie macht Spaziergänge, die Weidezäune (kissing gates) entlang, fährt zum Einkaufen in die Nachbarorte, Bangor oder Caernarfon, oder zum Bäcker in Waunfawr. Liegt auf einem großen Stein in der Sonne, die immer noch kraftvoll ist und warm, es ist November, und wird von einem Dachs in die Ferse gebissen.
  Eine Frau probt das Verschwinden. Ein Thriller, der kein Thriller ist, hat Gerbrand Bakker seinen Roman genannt, er teilt die Vorliebe des Genres für minimale Action, für pointierte Beschreibung von Objekten und Zuständen, die der Lyrik näher steht als dem emphatischen Erzählen, seiner Psychologiesüchtigkeit. Plötzlich springt ein Junge über den Zaun, teilt das Leben für ein paar Tage mit der Frau. Man könnte den Roman auch wie eine Gedichtinterpretation lesen, „Ample make this bed./Make this bed with awe;/In it wait till judgement break/Excellent and fair . . .“
  Emily, „diese Frau, die Zuwendung erzwang, auch wenn sie sich in ihrem Haus, ihrem Garten versteckte . . .“ Keine Flucht, es geht um die Fähigkeit, ein Nebenherleben auszuhalten, Einsamkeit. „Auch ohne dass wir in Berührung kamen, saugte sie all meine Energie auf“, sagt ein Mann von Dickinson, „ich bin froh, dass ich nicht in ihrer Nähe wohne.“ Die Frau im Haus in Wales schnappt sich die Dickinson-Biografie und steckt sie in den Abfalleimer, schiebt eine leere Anchovisdose drüber. Nicht gut. Gar nicht gut. FRITZ GÖTTLER
Gerbrand Bakker: Der Umweg. Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013.
231 Seiten, 9,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2012

Vorerst gehöre ich zu denen, die hoffen, dass danebengeschossen wird

Von Tieren, Tod und den erstaunlichen Tröstungen des Landlebens: Der holländische Erzähler, Kolumnist und Blogger Gerbrand Bakker ist gleich doppelt zu entdecken.

Es sind die einfachen Geschichten, die am schwersten zu erzählen sind. Der niederländische Romancier Gerbrand Bakker, vielgerühmt für seinen im bäuerlichen Milieu spielenden Desillusionierungsroman "Oben ist es still" (2006), erzählt in seinem neuen Buch "Der Umweg" eine Geschichte vom Sterben, und er erzählt sie gut. Denn es gelingt ihm, den Leser erst sehr spät merken zu lassen, dass er in den Sog einer Geschichte vom Sterben geraten ist, aus dem er sich nicht mehr wird befreien können. Der Tod nähert sich in diesem Text zunächst langsam und kaum merklich, am Ende aber ist er da: so ungeheuerlich und so selbstverständlich wie in jedem Leben.

Eine Frau, noch in den Dreißigern, verlässt ohne jede Ankündigung ihren Mann und fährt unter Tilgung aller Spuren von Amsterdam nach Wales, wo sie ein einsam gelegenes Farmhaus mietet; wenige Tage zuvor hat sie ihrem Mann mitgeteilt, dass sie nach eine Affäre mit einem Studenten von ihrer Universität als Dozentin für Anglistik entlassen worden ist. In der walisischen Einsamkeit will sie an ihrer lange aufgeschobenen Dissertation über die große amerikanische Lyrikerin Emily Dickinson - und zwar über deren misslungene Gedichte! - arbeiten und nennt sich deshalb, in Form einer ironischen Identifikation, selbst Emily, obwohl ihr wahrer Name Agnes lautet.

Das könnte anmuten wie eine nach der Schablone konstruierte Geschichte weiblicher Selbstfindung und Selbstverwirklichung, zumal die Frau es liebt, nackt in Teiche zu steigen oder sich auf großen Steinen der Sonne auszusetzen, so dass sie sich schon bald gegen die Avancen eines benachbarten Schafzüchters zur Wehr setzen muss. Dann holt sie sich einen plötzlich auf ihrem Grundstück erscheinenden jungen Mann als Mitbewohner ins Haus, dessen Alter dem des Studenten entspricht, der das Ende ihrer Universitätslaufbahn herbeigeführt hat. Und, ja, irgendwann teilen die beiden auch das Bett.

Während der Leser aber die Geschichte einer behutsamen erotischen Annäherung und vielleicht sogar Befreiung zu lesen meint, liest er in Wahrheit eine Geschichte über den Tod. Bakkers Erzählstrategie entspricht damit derjenigen der Patienten des walisischen Arztes, den die Frau zu Beginn des Romans aufsucht, weil sie von einem Dachs gebissen worden ist: "Wenn hier jemand zum Beispiel wegen eines Holzsplitters im Auge zum Arzt geht, dann ist das nicht der eigentliche Grund. Nur ein Vorwand, und dann kommt man ganz beiläufig auf die hartnäckigeren Wehwehchen zu sprechen." Mit derselben Beiläufigkeit streut der Erzähler Signale für die Präsenz des Todes in der ländlichen Beschaulichkeit - dass die Gänse auf dem Gelände der Frau Zug um Zug vom Fuchs geholt werden, ist noch das aufdringlichste darunter -, bis der Leser ahnt und schließlich weiß, dass die Frau sich nicht zur Bewältigung einer ehelichen Krise, sondern zum Sterben in die Einsamkeit zurückgezogen hat: zu einer Selbstfindung in der Unausweichlichkeit des Todes. Als sie von ihrer tödlichen Erkrankung erfuhr, war sie "einfach nur fortgegangen. Wie eine alte Katze, die in Ruhe gelassen werden will." Dies war es, was ihr Onkel über die Katzen erzählt hatte: "Wenn sie weg sind, sind sie tot."

Das ist die ganze Geschichte. Gerbrand Bakker erzählt sie mit einer beeindruckenden Kunst der Andeutungen und der atmosphärischen Verdichtung; der Leser kann das Haus riechen, in das sich die Frau eingemietet hat, er kann die Sonne, den Wind und den Regen spüren, die über die karge walisische Landschaft hinweggehen. Was sich zwischen der sterbenden Frau und dem jungen Bradwen ereignet, wird mit so inniger Verhaltenheit erzählt, dass man zögert, von einer Liebesgeschichte zu sprechen, zumal dies aufgrund der vielfältigen Asymmetrien zu plakativ wäre und jeder dem anderen bis zum Schluss ohnehin ein Rätsel bleibt. Was auch immer zwischen den beiden geschieht: Es ist stark genug, um den Tod der Frau nicht trostlos erscheinen zu lassen. All dies findet in der Poesie Emily Dickinsons, die schlüssig in das Motivgeflecht des Romans eingearbeitet wird, ein zusätzliches Reflexionsmedium.

Verstörend flach fällt hingegen die Parallelhandlung aus, in der Bakker von der Suche ihres Mannes nach Agnes/Emily erzählt. Der Charakter dieser Figur bleibt erstaunlich blass, und dass Bakker versucht, ihr dadurch Interesse zu verleihen, dass er eine Beziehung zwischen dem Mann und dem schwulen Polizisten, der ihn bei seiner Suche begleitet, sich anbahnen lässt, verdeutlicht das Problem zusätzlich, weil dies Thema aufgesetzt wirkt. Diese Parallelhandlung spielt eben weitgehend in der Anonymität der Großstadt; Bakker ist aber ein Erzähler des Lebens auf dem Lande, des dörflichen und bäuerlichen Milieus, der Landschaft, des Wetters und der Tiere. Vor allem der Tiere.

Tiere spielen eine große Rolle in Bakkers von Andreas Ecke einfühlsam übersetztem Roman, und es ist bewundernswert, mit welcher Sensibilität und Detailgenauigkeit er ihre Verhaltensformen, Charakteristika und Reaktionsweisen auf den Menschen zum tragenden Element seiner Erzählung macht, indem er tierisches und menschliches Verhalten dicht aufeinander bezieht.

Gerbrand Bakker liebt Tiere, tut dies aber, weil er auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, auf gänzlich unsentimentale Weise. Man kann sich davon anhand seines eben auf Deutsch erschienenen "Tiertagebuchs" überzeugen, das kleine Texte, zumal Kolumnen und Blogs, aus den Jahren 2004 bis 2011 versammelt. Der Rezensent, der sich eigentlich erst dann für Tiere zu interessieren beginnt, wenn sie Texte geworden sind, möchte dies lesenswerte kleine Buch mit Nachdruck empfehlen: nicht nur aufgrund der Präzision seiner Beobachtungen zum Verhalten der Tiere in einer rasch sich wandelnden Umwelt und vor allem zum Verhalten der Menschen gegenüber Tieren, sondern auch, weil der Autor, wenn er über Tiere schreibt, dabei immer zugleich an seinem Selbstporträt arbeitet.

Es ist das Bildnis eines genauen Beobachters, der mit großem Mitgefühl und dennoch entspannt vom Schicksal der Tiere in einer technisierten Umwelt erzählt, die Folgen von Klimawandel und Gentechnologie präzise einschätzt und sich dennoch jede Hysterie verbietet ("Ein bisschen DNS-Gemansche raubt mir nicht den Schlaf"), der alles dafür tun würde, dass es den Tieren gutgeht, und dennoch nicht auf Kotelett und Brathähnchen verzichten möchte, kurz, eines Menschen, der es gelernt hat, mit den Widersprüchen seiner Existenz zu leben, und vor jeder Form von Fundamentalismus auch in seinem Verhältnis zu den Tieren geschützt ist: "Ich weiß nicht, wo ich stehe. Ich weiß es einfach nicht. Ich kenne die Gesetze des Landlebens, das Schicksal der eine Woche alten Kätzchen, der Lockelstern in Elsterfallen, die Strecken mit den erlegten Enten, Hasen und Fasanen, die jungen Füchse mit eingeschlagenen Schädeln, die ertrunkenen Schafe. Vorläufig bin ich jemand, der hofft, dass danebengeschossen wird." Warum die deutsche Ausgabe dieses so heiteren wie melancholischen Buches, das bevorzugt von Schafen handelt und dessen niederländischer Titel in korrekter Übersetzung "Esel, Schaf und Rotschenkel" lautet, den albernen Titel "Komische Vögel" erhalten hat und warum dessen Umschlag auf ebenso alberne Weise ein Esel vor rosa Blümchentapete ziert, das weiß vermutlich nur der Geier.

ERNST OSTERKAMP.

Gerbrand Bakker: "Komische Vögel". Tiertagebuch.

Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke. Insel Verlag, Berlin 2012. 157 S., geb., 8,99 [Euro].

Gerbrand Bakker: "Der Umweg". Roman.

Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 231 S., geb., 19,95 [Euro].

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"Die Lust am Morbiden. Gerbrand Bakker kennt die Abgründe des Landlebens."
Alexander Pleschka, Zeit Literatur 2012
»Ein geradezu diabolisch guter Erzähler.«