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40 Jahre Einsamkeit - die Geschichte zweier Schwestern, die darum kämpfen, der Vergangenheit zu entkommen. Richard Yates ist ein Meister der klaren Worte. Er erzählt nüchtern, geradezu lakonisch und zeichnet seine Figuren mit tiefer Sympathie.
Die Schwestern Sarah und Emily Grimes wachsen als Kinder geschiedener Eltern in den USA der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts auf. Beide haben unter den Launen ihrer rastlosen Mutter zu leiden, die nach jeder beruflichen oder privaten Enttäuschung mit den Mädchen in eine andere Stadt zieht. Über die Jahre hätten sich die Schwestern nicht…mehr

Produktbeschreibung
40 Jahre Einsamkeit - die Geschichte zweier Schwestern, die darum kämpfen, der Vergangenheit zu entkommen. Richard Yates ist ein Meister der klaren Worte. Er erzählt nüchtern, geradezu lakonisch und zeichnet seine Figuren mit tiefer Sympathie.
Die Schwestern Sarah und Emily Grimes wachsen als Kinder geschiedener Eltern in den USA der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts auf. Beide haben unter den Launen ihrer rastlosen Mutter zu leiden, die nach jeder beruflichen oder privaten Enttäuschung mit den Mädchen in eine andere Stadt zieht. Über die Jahre hätten sich die Schwestern nicht unterschiedlicher entwickeln können: Sarah heiratet früh, bekommt drei Söhne und lebt auf Long Island. Emily macht Karriere in New York und stürzt sich von einer Affäre in die nächste. Endlich scheinen beide das Leben leben zu können, das sie sich immer gewünscht haben. Doch Sarahs Ehe ist nicht so glücklich wie alle glauben. Und erst als sie ihre Stelle verliert, wird Emily bewusst, wie einsam sie in Wirklichkeit ist.

"Nur wenige Männer seit Flaubert haben Frauen, deren Leben die Hölle ist, ein solches Mitgefühl entgegengebracht." Kurt Vonnegut

"Yates schreibt packend und fühlt sich mühelos in das Leben seiner Charaktere ein. Eine aufrüttelnde Geschichte." The New York Times

"Ein Meisterwerk. Ein entschlossener Roman von seltener Kraft." Mordecai Richlertiefer Sympathie.
Autorenporträt
Yates, Richard
Richard Yates wurde 1926 in Yonkers, New York, geboren und lebte bis zu seinem Tod 1992 in Alabama. Obwohl seine Werke zu Lebzeiten kaum Beachtung fanden, gehören sie heute zum Wichtigsten, was die amerikanische Literatur des 20. Jahrhunderts zu bieten hat. Wie Ernest Hemingway prägte Richard Yates eine Generation von Schriftstellern. Die DVA publiziert Yates' Gesamtwerk auf Deutsch, zuletzt erschien der Roman "Eine strahlende Zukunft". Das Debüt "Zeiten des Aufruhrs" wurde 2009 mit Leonardo DiCaprio und Kate Winslet in den Hauptrollen von Regisseur Sam Mendes verfilmt. "Cold Spring Harbor", zuerst veröffentlicht 1986, ist Yates' letzter vollendeter Roman.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.05.2007

Zwei Schwestern im Kellerlabyrinth
Kunst der Trostlosigkeit: Richard Yates‘ Roman „Easter Parade”
Fünfzehn Jahre nach seinem Tod ist der 1926 geborene amerikanische Erzähler Richard Yates endlich zu einem Klassiker des 20. Jahrhunderts geworden. Die in den Vereinigten Staaten von Stewart O‘Nan und Richard Ford betriebene Wiederentdeckung beschert nun auch den deutschen Lesern das dritte Buch in drei Jahren. „Easter Parade”, der vierte von sieben Romanen, 1976 erschienen, glüht so düster wie „Zeiten des Aufruhrs” und die Story-Sammlung „Elf Arten Einsamkeit” (vgl. SZ vom 21.4. 2006). Die Geschichte der beiden Schwestern Sarah und Emily Grimes, die er von den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts bis in die siebziger verfolgt, ist so profund trostlos wie alles, was Yates erzählt.
Je mehr man von ihm liest, umso rätselhafter und zugleich magnetischer wird diese Trostlosigkeit. Sie vermittelt dem Leser etwas vom Gefühl eines Abgrunds, der ihn ansaugt und in die Tiefe stürzen lässt. Man vermag nicht aufzuhören mit dem Lesen, gleichzeitig aber steigt eine Empfindung des Entsetzens bei der Lektüre, die sie fast zu einer Probe der Unlust werden lässt. Sarah und Emily sind Töchter eine geschiedenen Frau, einer selbstsüchtigen dummen Gans, die, getrieben vom Streben nach sozialem Aufstieg, unentwegt ihre Wohnorte wechselt und dabei doch nur von einer Schäbigkeit in die nächste gerät. Die hektische Mobilität des Kapitalismus erweist sich an der Basis als Rennen in einer Art Kellerlabyrinth, das von einer hässlichen Wohnung in die nächste führt.
Armut und Enttäuschung sind der reale Boden des Unglücks bei Yates. Die Mädchen Sarah und Emily können ihn nicht verlassen. Die eine, Sarah, heiratet einen gewalttätigen Mechaniker, von dem sie drei Kinder hat, und der sie am Ende zu Tode prügelt. Da ist sie längst eine verbrauchte Alkoholikerin geworden, deren zahnloser Mund mehr Abscheu als Mitleid erregt. Die andere, Emily, ist so begabt, dass ihr ein College-Stipendium zufällt, und ihr gelingt eine kleine Karriere als Werbetexterin. Sie bindet sich nicht, sondern hat eine lange Reihe von Affären mit bizarr selbstsüchtigen Männern, bis sie, gealtert und verfallen, in Arbeitslosigkeit und Depression versinkt.
So eine Inhaltsangabe klingt nach Sozialroman und Naturalismus. Doch die rätselvolle Kunst von Yates bewirkt, dass das Unglück bei ihm weder eine rein realistische noch eine metaphysische Größe ist. Armut, Beziehungslosigkeit, Alkoholismus sind gewiss furchtbar – das Wort „Drink” und das Klappern von Eiswürfeln in Whiskey-Gläsern lernt man fürchten in diesem Roman –, ebenso ist es die kreatürliche Sinnlosigkeit des physischen Verfalls, den die Mutter vorlebt und den dann die Töchter wiederholen müssen. Ja, die Bilder des Alterns und der sozialen Abstürze lassen diesen Roman wie geschaffen erscheinen für unsere Tage, in denen man sich vor demographischen Katastrophen und der Pauperisierung des Mittelstandes ängstigt.
Ein Horror ohne Monster
Aber es ist eben doch nicht der realistische Boden allein, der die Yates‘sche Trostlosigkeit ausmacht, und auch nicht ein negativ theologisches Motiv. Was sie so bedrückend macht, ist zum Beispiel dieses: Arme, unglückliche, verwahrloste Menschen sind nicht liebenswürdig. Wenn die von ihrem Mann geprügelte Sarah bei ihrer zu diesem Zeitpunkt sich noch ganz gut stehenden Schwester Emily anruft und sie bittet, bei ihr wohnen zu dürfen – dann teilt sich auch dem Leser die abstoßende Lästigkeit einer solchen Zumutung mit. Yates schafft es, diesen Leser ebenso bei seiner pikierten Kaltherzigkeit zu packen wie seine Figuren.
Yates‘ Geschichten sind nur Beispiele für Unglück. Daher kann man auch nicht sagen, hier ginge es um die Unterdrückung der Frauen oder die Vergeblichkeit der Emanzipation, obwohl der Roman historische Veränderungen in solchen Fragen diskret aufscheinen lässt. Aber man spürt sofort, dass Yates, der gewiss eine besondere Gabe der Empathie für weibliche Lebensläufe hat, auch vom Unheil in ganz anderen Konstellationen ebenso suggestiv erzählen könnte.
Eine Grundfigur des Unglücks bei ihm ist: Die Träume der Menschen sind erbärmlich, aber nicht einmal sie lassen sich erfüllen. Der Vater der beiden Mädchen wollte Journalist werden, geschafft hat er es zum Korrektor von Überschriften; er ist ein fröhlicher, liebenswürdiger Mann, aber auch ein Versager und also peinlich. Enttäuschung ist die saure Luft der Existenz in Yates‘ Romanen, doch der Kern der Erbärmlichkeit besteht auch darin, dass all diese kleinen Lebensträume einer Enttäuschung eigentlich gar nicht wert sind. Und wenn es nur die allgemeine Lieblosigkeit wäre, die diese Welt so leichentrist machte! Aber auch hier ist der Befund noch anders: Yates‘ Figuren sind gar nicht durchgehend lieblos, die Liebe reicht nur nicht, und das ist viel schlimmer.
Der Roman hat ein kleines, insistent wiederkehrendes, fast giftiges Motiv, das den Existenzekel, den er entwickelt, geradezu haptisch fühlbar macht: Menschen hinterlassen Flecken, Lippenstift auf Gläsern oder beim Umblättern von Zeitschriften, Blutflecken auf Bettlaken, Exkremente beim Kranksein im Alter. Viel furchtbarer ist dieses Motiv als jede konventionelle Gestalt des Horrors es sein könnte mit Monstern und Gebeinen. GUSTAV SEIBT
RICHARD YATES: Easter Parade. Roman. Aus dem Amerikanischen von Anette Grube. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007. 297 Seiten, 19,95 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2007

Mit Flair in den Abgrund
Klassiker auf dem Vormarsch: Richard Yates fasst mit "Easter Parade" endlich Fuß in Deutschland / Von Heinrich Wefing

Als der Schriftsteller Richard Yates 1992 in einem winzigen Apartment in Birmingham, Alabama, starb, von einer Lungenkrankheit gezeichnet, vom Alkohol ruiniert, da war sein Werk selbst in Amerika weithin vergessen. Vermutlich wäre es für immer in den Archiven der Literaturgeschichte vermodert, hätten sich nicht einige jüngere Autoren nachdrücklich für ihn eingesetzt. Zumal Stewart O'Nan warb 1999 in einem langen Essay in der "Boston Review" dafür, in Bibliotheken und Antiquariaten nach den vergriffenen Büchern von Yates zu stöbern und sie von Hand zu Hand zu reichen wie einen Schatz, bis endlich ein Verlag begreifen möge, dass hier ein amerikanischer Klassiker des zwanzigsten Jahrhunderts wiederzuentdecken sei.

In Deutschland hatte das Werben Erfolg. Vor fünf Jahren veröffentlichte die DVA "Zeiten des Aufruhrs", den 1961 unter dem Titel "Revolutionary Road" herausgekommenen Erstling von Yates. 2006 folgte ein grandioser Band mit Kurzgeschichten, "Elf Arten der Einsamkeit" (F.A.Z. vom 15. März 2006), und nun erscheint, dreißig Jahre nach der Erstpublikation, zum ersten Mal in deutscher Übersetzung der Roman "Easter Parade". Es ist, man darf es ruhig so pathetisch formulieren, ein Ereignis. Nichts hat das Buch von seiner Frische, von seiner bewegenden Kraft verloren. Man liest es mit stockendem Atem und wundem Herzen.

Yates ist der melancholische Chronist der amerikanischen Mittelklasse in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Mit geradezu selbstquälerischer Genauigkeit hat er die Leute in den Vorstädten und Büroetagen beobachtet, ihre Sorgen notiert, ihre bescheidenen Träume verzeichnet und voller Anteilnahme beschrieben, wie das ohnehin triste Leben mit den Jahren immer enger wird, wie selbst die kleinen Hoffnungen nach und nach zerbröseln, bis nichts mehr an ihrer Stelle bleibt als eine schmerzende, pochende Leere, die schwerer zu ertragen ist als der Verlust der Träume selbst.

Sarah und Emily wachsen in den dreißiger und vierziger Jahren, gegen Ende der Großen Depression, unweit von New York bei ihrer unsteten, egozentrischen Mutter auf, deren einziger Ehrgeiz darin besteht, "die schwer fassbare Eigenschaft, die sie ,Flair' nannte, zu erlangen und beizubehalten. Sie brütete über Modezeitschriften, kleidete sich geschmackvoll und versuchte ihr Haar auf verschiedene Weise zu frisieren, aber ihre Augen blickten immer verwirrt, und sie lernte nie, den Lippenstift innerhalb der Grenzen ihres Mundes aufzutragen." Unablässig ziehen Mutter und Töchter von Vorort zu Vorort, immer in die feineren Viertel, die sie sich nicht leisten können, und schließlich nach Manhattan, in eine schäbige, einstmals herrschaftliche Wohnung am Washington Square.

Sarah, ohne Ehrgeiz, naiv wie ihre Mutter, gesegnet nur mit einer guten Figur, heiratet früh einen jungen Mann aus der Nachbarschaft, dessen größte Vorzüge ein elitär klingender Akzent und ein Grundstück auf Long Island sind, das Sarah und ihre Mutter hartnäckig ein "Anwesen" nennen, obwohl darauf nur ein altes, düsteres, schwer zu heizendes Haus steht. In drei Jahren bringt Sarah dort drei Jungen zur Welt, versinkt im Strudel der Mutterschaft und unter den Schlägen ihres Mannes, dessen Upper class-Manieren sich rasch als furchtbarer Irrtum erweisen.

Emily scheint es anfangs besser zu treffen. Sie erhält ein Stipendium für ein angesehenes College, macht Karriere, legt sich eine beeindruckende Reihe von Liebhabern zu, erlebt wohl auch manche Augenblicke, die sich wie Glück anfühlen, im Beruf, auf Reisen, im Bett; aber keiner dieser Momente ist von Dauer. Während in fein hingetupften Details das amerikanische Jahrhundert vorbeizieht - der Zweite Weltkrieg, Kennedy, Vietnam, die Zersiedelung von Long Island -, die Yates immer wieder in Nebensätzen schildert, entfernt sich Emily zusehends von ihrer Mutter und ihrer Schwester, irritiert zuerst, dann angewidert von deren Naivität und ihren vulgären kleinen Vergnügungen. Doch hinter der Fassade des working girl bleibt stets eine bohrende Furcht vor dem Alleinsein, die Emily in die Arme immer neuer Männer treibt, bis schließlich ihre Jugend verblüht ist, ihr Bett leer bleibt und nur der Alkohol trügerischen Trost spendet.

Richard Yates erzählt in kraftvollen, bezwingend schlichten Sätzen, in denen es kein Wort zuviel gibt, keine prätentiöse Spielerei, und es ist ein schönes Glück, dass Anette Grube diese durchsichtige Sprache so zwanglos ins Deutsche übertragen hat. Nüchtern, fast wie ein Arzt protokolliert Yates die Lebensläufe der beiden Schwestern und schildert mit tiefer Sympathie zwei überforderte, existentiell verwirrte Menschen, zwei Menschen in der modernen Masse, denen ein Leben entgleitet.

Unverkennbar sind autobiographische Züge. Die frühe Scheidung der Eltern, ständige Umzüge mit der überforderten Mutter, die Qualen des Angestelltendaseins in der Werbeindustrie, die zermürbende Eifersucht auf den Erfolg der Kollegen, Alkoholexzesse, zerbrechende Lieben - all das hat Richard Yates selbst erlebt. In der Figur von Sarahs und Emilys Vater Walter, einem sensiblen, lungenkranken, mäßig talentierten Journalisten bei einer lausigen Zeitung, den die Mädchen gleichwohl zärtlich lieben, bewundern und ein Leben lang vermissen, hat Yates ein berührendes Selbstporträt eines scheiternden Mannes gezeichnet, eines Mannes, der sich jeden Moment schmerzhaft bewusst ist, dass er ein Verlierer ist, und den doch jede Niederlage neuerlich verletzt.

Die Angst abzustürzen, das Wenige zu verlieren, wofür man sich so lange gequält hat - den Job, das Häuschen in der Vorstadt, den Respekt der Nachbarn, den Respekt vor sich selbst -, diese Angst grundiert alle Geschichten von Yates. Es ist eine Angst, die in Amerika präsenter ist als in Deutschland mit seinen sozialen Netzen und Sicherungen, die aber auch hierzulande an der Mittelschicht zu nagen beginnt. Insofern ist "Easter Parade" ein geradezu unheimlich aktuelles Buch - und ein berückend schönes, tief trauriges dazu, das nun endlich, endlich die Leser finden sollte, die es verdient.

Richard Yates: "Easter Parade." Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anette Grube. DVA, München 2007. 304 S., geb., 19,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Ursula März stellt den jetzt auf Deutsch erschienenen zweiten Roman des bereits verstorbenen amerikanischen Autors Richard Yates vor und lässt wissen, dass der amerikanische Autor erst vor wenigen Jahren wieder als "Klassiker" entdeckt wurde. Im autobiografisch gefärbten Roman um die zwei Schwestern Emily und Sarah, deren Versuche, sich von der alkoholkranken Mutter abzusetzen, beide auf ihre Art scheitern, wird exzessiv getrunken, was Emily einen frühen Tod mit 47 beschert, teilt die Rezensentin mit. Hoffnungslosigkeit und Resignation durchziehe als charakteristisches Merkmal das Buch, das von fortwährendem "Selbstbetrug" und Selbstzerstörung mittels Alkohol erzähle. Wenn der Roman nach März auch nicht an "Zeiten des Aufruhrs" heranreicht, den erste Roman Yates, der Furore machte, so scheint die Rezensentin dennoch von dem Buch recht beeindruckt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein geradezu unheimlich aktuelles Buch - und ein berückend schönes, tief trauriges dazu, das nun endlich, endlich die Leser finden sollte, die es verdient." Frankfurter Allgemeine Zeitung