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"Was zum Teufel machst du hier?", schnauzt Frogman Raff Cody an, als der Junge gutgläubig das Grundstück des angeblichen Mörders betritt. Gerade einmal fünfzehn Jahre alt, möchte Raff zusammen mit seinem Cousin Junior nur eines: einen Blick auf Frogmans sagenhaften Alligator werfen, von dem es heißt, er sei mit seinen über vier Metern der größte der Welt. So beginnt die Geschichte des "Ameisenromans", der die aufregenden Abenteuer eines Huckleberry Finn unserer Tage erzählt. Raffs Forscherdrang macht ihn zum Zeugen der Entstehung und Zerstörung von vier Ameisenvölkern, deren Geschichten "Epen…mehr

Produktbeschreibung
"Was zum Teufel machst du hier?", schnauzt Frogman Raff Cody an, als der Junge gutgläubig das Grundstück des angeblichen Mörders betritt. Gerade einmal fünfzehn Jahre alt, möchte Raff zusammen mit seinem Cousin Junior nur eines: einen Blick auf Frogmans sagenhaften Alligator werfen, von dem es heißt, er sei mit seinen über vier Metern der größte der Welt.
So beginnt die Geschichte des "Ameisenromans", der die aufregenden Abenteuer eines Huckleberry Finn unserer Tage erzählt. Raffs Forscherdrang macht ihn zum Zeugen der Entstehung und Zerstörung von vier Ameisenvölkern, deren Geschichten "Epen auf einem Picknickplatz" gleichen. In der "Ameisenchronik", Raffs Abschlussarbeit am College und zugleich das literarische Herzstück des Romans, wird von ihnen berichtet.
Trotz seiner vielversprechenden Anfänge als Naturforscher entscheidet sich Raff für ein Jurastudium in Harvard. Und bald wartet eine große Herausforderung auf ihn: Ein Immobilienunternehmen will sich die Nokobee-Wildnis seiner Jugend unter den Nagel reißen. In einem atemberaubenden Ende, das kein Leser so leicht vergisst, bekommt er es mit den wütenden und korrupten Geistern eines alten Südens zu tun, den er längst untergegangen glaubte.

"Ameisenroman" ist eine raffinierte Mischung aus Thriller, Familiensaga und Parabel. Er fasziniert nicht nur durch die verblüffenden Wendungen und bestürzenden Enthüllungen seiner Geschichte, sondern vermittelt seinen Lesern auch neue Einsichten in den Sinn des Lebens und Überlebens in unserer sich rasch verändernden Welt.
Autorenporträt
Edward Osborne Wilson oder kurz E. O. Wilson, geboren 1929, ist der berühmteste Biologe unserer Zeit. Als (inzwischen emeritierter) Professor forscht und lehrt er über Umwelt, Tierverhalten, Evolution und Biodiversität. Sein Spezialgebiet ist die Erforschung des Zusammenlebens der Ameisen; international bekannt wurde er auch als Begründer der Soziobiologie. Unter seinen vielen wissenschaftlichen Auszeichnungen finden sich die amerikanische "National Medal of Science" und der "Crafoord-Preis" der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften - der weltweit renommierteste Preis für Ökologie. Für seine Veröffentlichungen erhielt er zweimal den "Pulitzer-Preis" in der Kategorie Sachbuch.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Angetan zeigt sich Renate Wiggershaus von diesem Werk des großen Biologen und Ameisenforscher E. O. Wilson, der mit 81 Jahren seinen ersten Roman vorgelegt hat. Sie liest Wilsons "Ameisenroman" als einen abenteuerlichen, autobiografisch gefärbten Entwicklungsroman, der die Geschichte eines leidenschaftlichen Insektenforschers erzählt. Das Herzstück des Werks bildet dabei die "Ameisenchronik", die Abschlussarbeit des Helden Raff Cody in Biologie, die für Wiggershaus in komplexer Weise das Leben eines Ameisenstaates in Beziehung zur Entwicklung der menschlichen Gesellschaft setzt. Dabei werden für sie eine ganze Reihe von wichtigen Fragen aufgeworfen. Der gekonnte Blickwechsel zwischen Menschen- und Ameisenwelt sorgt in ihren Augen zudem für "ironisch getönte Nachdenklichkeit".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2012

Eine Expedition ins Graswurzelland

Der Amerikaner Edward Osborne Wilson hat einen "Ameisenroman" geschrieben - ein kurioses, soziobiologisches Lehrstück, das vor allem von Überbevölkerung in Ameisenkolonien handelt.

Erziehung zu Umweltbewusstsein hat verschiedene Gesichter. Als in den Siebzigern die grüne Welle über Deutschland schwappte, warb man noch mit Aufklebern und moralisierenden Reimen. Luis Murschetz erfand 1972 den Maulwurf Grabowsky, der heute Kinderbuchklassiker ist. Das Bilderbuch über die Vertreibung des Maulwurfs durch Immobilienhaie ist so schlicht wie ergreifend, und das dank einer kleinen optischen Weichenstellung: durch die Augen des Tieres betrachtet, sieht eben alles anders aus.

Ganz so einfach macht es sich Edward Osborne Wilson mit seinem "Ameisenroman" nicht. Bislang schrieb der Biologe und Ökologe vor allem Sachbücher, zwei Mal wurde er mit dem begehrten Pulitzer-Preis ausgezeichnet, den er auch für seine 1990 veröffentlichte Studie über Ameisen erhielt. Die winzigen Tiere sind nun Dreh- und Angelpunkt seines ersten Romans, der unter anderem erklärt, wie Ameisenstämme das Problem der Überbevölkerung regeln. Um die Leser für die Gesellschaft der Ameisen und ihr kompliziertes Zeichensystem zu interessieren, holt Wilson weit aus. Selbst aufgewachsen in Alabama und Florida, macht er uns bekannt mit Raff Cody, dem die schützenswerte Gegend rund um den Fluss Nokobee im Süden Alabamas mit ihren Wäldern und Sümpfen am Herzen liegt. Schon als Kind treibt es ihn täglich in die Wildnis nahe Clayvilles. Wichtigster Lehrer ist ihm die Natur. Als er später auf dem College den Auftrag erhält, Ameisenhügel zu beobachten wie ein echter Gelehrter, blüht er auf. Seine "Ameisenchronik" als Abschlussarbeit am College präsentiert uns Wilson nun als eigenständigen Text. Sie ist das Kernstück des Romans, eine wuselige Welt aus Ritualen und Gesetzen, der menschlichen Gesellschaft nicht unähnlich.

Hineingeschaut in diese Welt wird aus Ameisenhöhe. Dennoch besteht keine Gefahr, dass eine Ameise plötzlich zu sprechen beginnt. Höchstens unterstellt Raff ihr durch die Wortwahl artenferne, menschentypische Absichten. Aber wie sollte man sonst die Brücke zwischen den Arten schlagen? Es handelt sich schließlich nicht um ein Biologiebuch, weshalb die "Ameisenchronik" auch wie ein absurdes Drama beginnt: mit dem Tod der Königin, den zunächst niemand bemerkt. Denn Ameisen, so erfährt man, verwesen wie alle Insekten langsamer als Menschen, weil sie in einem Außenskelett stecken: Während innen alles zusammenschrumpft, bleibt außen alles noch lange erhalten, "eine voll intakte Ritterrüstung, wenn der Ritter selbst schon lange fort ist".

So kommt es, dass die Königin erst nach einigen Tagen ehrwürdig von allen Töchtern "geleckt" wird, bis ihr Körper in Teile zerfällt, die man an den Rand der Kolonie zu einer Art Abfallhalde trägt. Kein Grund zur Trauer. Denn für Raff Cody springt mit dem Tod ein Fenster in die Vergangenheit auf, und er rollt die Geschichte der sogenannten Trailhead-Kolonie auf. Die Abenteuer im Graswurzeldschungelland wirken dabei wie eine große und gut erzählte Saga. Es gibt Tode und neues Wachstum, Risiko und Gewinnchancen, Abtrünnige und Kriege. Auf die menschliche Gesellschaft lässt sich die ameisengemeine Problemlösung der Überbevölkerung allerdings nicht übertragen - obwohl manche Handlung gewiss Charme hat, etwa jene Szene, die beschreibt, wie eine emigrierte Ameisenkolonie mit umsiedlungsunwilligen Faulenzern umgeht: "Das rekrutierte Tier stellte sich der Ameise gegenüber und zog vorsichtig an ihren Kiefern. Durch die Berührung beruhigte sich die Ameise, wurde passiv und ließ sich fester am Kiefer oder an anderen Teilen ihres Körpers packen. Sie wurde zur trägen Masse, die sich leicht an den neuen Nistplatz tragen ließ." So hat man vom Drama der Emigration noch nicht gelesen.

Weniger erfüllend sind die rahmenden Romanteile, in denen Raffs Entwicklung aus der Sicht eines Onkels beschrieben wird. Durch die perspektivische Brechung verliert der Dschungelstoff leider immer etwas an Kraft. Da hilft es nur wenig, wenn Wilson seinen Roman in guter, amerikanischer Tradition an "Huckleberry Finn" orientiert, etwa, indem er Raff und einen risikofreudigen Cousin in die Arme eines unheimlichen Aussteigers jagt, der ziemlich schnell mit dem Gewehr auf die beiden Jungs zielt. Zu viele leere Dialoge und langwierige Abschweifungen in Familiengeschichte dimmen oft die Aufmerksamkeit.

Dabei hatte Wilson vermutlich sogar eine Parallelführung beider Textsorten im Sinn. Der Ameisenhaufen taugt allerdings als Sensibilisierungsinstrument zur Erziehung eines groben, geldhungrigen Menschengeschlechts nur bedingt und geht nicht recht auf in der Gesamtkomposition. Zurück in der Welt der Menschen, wird Raff mit finanzieller Unterstützung durch ein Jura-Studium gelotst. Lockvogel ist, wann immer er des Studiums müde zu werden droht, die Aussicht auf eine künftige Rolle als ein Naturschützer. Tatsächlich gelingt es Raff, dem Harvard-Absolventen, mit viel Geschick, ein wichtiges paradiesisches Gebiet vor Immobilienhaien zu retten. Sein Hauptargument, die Natur als Anlagegut zu nutzen, überzeugt die Entscheidungsgremien. Die Abholzung der Sumpfkiefer ist im Nokobee vorerst gestoppt, die Artenvielfalt gewahrt. Das Städtewachstum ist zwar nicht aufzuhalten, wohl aber zu lenken, lautet die Botschaft, ausgewiesen als amerikanisches Erfolgsrezept schlechthin.

Wilson ist kein Rousseau mit einem schlichten Zurück-zur-Natur-Slogan. Er hat zu Themen wie Umwelt, Tierverhalten, Kommunikation geforscht und den Austausch unter den verschiedenen Wissenschaften gefordert. Der "Einheit des Wissens", so einer seiner prominenten Titel, galt Ende der neunziger Jahre sein Interesse. Und auch sein "Ameisenroman" ist in gewisser Weise ein soziobiologisches Lehrstück, das außerdem als Bildungs- und Entwicklungsroman daherkommt, die Rolle der Kirche kritisch reflektiert und Selbstjustiz verurteilt. Die Positionen sind klar, als erzählerische Elemente aber nicht immer tragend oder notwendig.

So wird der Nokobee, die unberührte Natur, bisweilen esoterisch zum Heiligtum erhöht, damit der Roman mit Raff als Ritter gänzlich Heldenepos wird: "Der Nokobee war ein Lebensraum unerschöpflichen Wissens und voller Geheimnis, er überstieg den armseligen menschlichen Verstand, genau wie die Lebensräume seiner Urahnen. Der Nokobee hatte ihm dieses kostbare Geschenk gemacht und würde nun für seine Genesung sorgen. Im Gegenzug hatte er ihm seine Unsterblichkeit gesichert, die ewige Jugend, und eine fortdauernde Zukunft für seine uralte Geschichte." Vielleicht gehören Umwelterziehung und Erzählung doch getrennt. Oder passen eben nur in ein Bilderbuch. Wilsons Umsetzung ist zu respektieren, aber nicht durchgehend zu genießen.

ANJA HIRSCH

Edward O.Wilson: "Ameisenroman". Raff Codys Abenteuer.

Aus dem Englischen von Elisabeth Ranke. C.H. Beck Verlag, München 2011. 432 S., geb. 19,95 [Euro].

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