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Das Selbstporträt eines türkischen Mannes ohne Eigenschaften: Hayri Irdal ist bereits als Kind von Uhren fasziniert. Durch die Begegnung mit dem Lebenskünstler Halit wird er plötzlich zu einem einflussreichen Menschen. Gemeinsam gründen sie das Uhrenstellinstitut, einen gigantischen und doch ganz und gar überflüssigen Verwaltungsapparat, der für die korrekte Einstellung sämtlicher Uhren im Land zu sorgen hat. "Das Uhrenstellinstitut" steht gleichrangig neben klassischen Werken der Weltliteratur. Es ist möglicherweise der bedeutendste Roman der Türkei im 20. Jahrhundert - mit Sicherheit ist es der komischste.…mehr

Produktbeschreibung
Das Selbstporträt eines türkischen Mannes ohne Eigenschaften: Hayri Irdal ist bereits als Kind von Uhren fasziniert. Durch die Begegnung mit dem Lebenskünstler Halit wird er plötzlich zu einem einflussreichen Menschen. Gemeinsam gründen sie das Uhrenstellinstitut, einen gigantischen und doch ganz und gar überflüssigen Verwaltungsapparat, der für die korrekte Einstellung sämtlicher Uhren im Land zu sorgen hat. "Das Uhrenstellinstitut" steht gleichrangig neben klassischen Werken der Weltliteratur. Es ist möglicherweise der bedeutendste Roman der Türkei im 20. Jahrhundert - mit Sicherheit ist es der komischste.
Autorenporträt
Ahmet Hamdi Tanpinar, geboren 1901, veröffentlichte schon 1921 seine ersten Gedichte. Nach einem Studium der Literaturwissenschaft arbeitete er zunächst als Gymnasiallehrer. Schließlich kehrte er nach Istanbul zurück und unterrichtete u.a. türkische Literatur am American College. 1939 wurde er Professor für türkische Sprache und Literatur und hatte bis zu seinem Tod 1962 den Lehrstuhl für moderne Literatur am Turkologischen Institut inne.
Tanpinar war einer der angesehensten Literaturwissenschaftler der Türkei; ein sensibler, westlich gebildeter Autor, der die kulturellen Werte der osmanischen Tradition nicht aufgeben wollte. Seit man in der Türkei die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte unverkrampfter betreibt, haben seine Romane, Kultstatus gewonnen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2008

So kann nur ein Europäer lächeln
Ahmet Hamdi Tanpinar ist der innigste Beschreiber Istanbuls. Jetzt liegen seine Romane „Das Uhrenstellinstitut” und „Seelenfrieden” auf Deutsch vor Von Thomas Steinfeld
Ein Märchen ist dieses Buch, und nicht aus diesen Tagen. Und man muss es wie ein Märchen lesen: Mit der Aufmerksamkeit und Geduld, die verlangt ist, wenn von haschischrauchenden Predigern, einem Leben im Kaffeehaus und den offenbar noch intakten Stadtmauern von Istanbul die Rede sein soll. Zugleich aber braucht es einen historisch und politisch gesinnten Kopf, um das Allegorische in diesem Märchen zu erkennen. Und wenn dieser einmal arbeitet, stößt er auf Großes: Denn das „Uhrenstellinstitut”, dessen Entstehen, Blüte und Vergehen Ahmet Hamdi Tanpinar in diesem, in der Türkei zuerst im Jahre 1962 erschienenen, aber erst jetzt ins Deutsche übersetzten Roman, beschreibt, erzählt die Geschichte von der plötzlichen Modernisierung dieser Nation in den zwanziger und dreißiger Jahren. Es erzählt sie auf eine Weise, die auf erstaunliche, ja bestürzende Weise deutlich werden lässt, wie tief und groß der Wandel war, der damals – und fast noch in unseren Tagen – an der türkischen Gesellschaft vollzogen wurde.
Selbstverständlich ist das „Uhrenstellinstitut” ein satirischer Einfall: die Idee von einer staatlichen Einrichtung, deren einzige Aufgabe es ist, dass alle Uhren im Land die eine, richtige Zeit ansagen. In diesem Apparat findet Haryi Irdal, ein Herr von mittleren Gaben, der die Geschichte des Uhrenstellinstituts als seine Autobiographie erzählt, ein mehr als einträgliches Auskommen: Schnell wächst das Institut zu einem gigantischen Unternehmen heran, beansprucht einen ganzen Stadtteil für sich selbst, beschäftigt siebzig Sekretärinnen, die in vollendeter Rhythmik auf die Tasten einhämmern, wird zum Zentrum internationaler Aufmerksamkeit – bis ein Delegationsleiter in amerikanischer Unbefangenheit zum Telefon greift, die Auskunft anruft und nach der Uhrzeit fragt: „Wozu dann dieses Institut?” Fast augenblicklich bricht danach das künstliche Gebilde zusammen, doch nur, um Platz zu machen für ein Unternehmen zur Auflösung des Instituts, in dem der innere Kreis der Angestellten bis zur Pensionierung weiter beschäftigt wird. Die Idee ist schlicht: so schlicht wie die verkehrten Welten von Jonathan Swift, und als allegorische Satire mit ihnen eng verwandt: Sie alle sind Erzählungen aus einer frühen Moderne.
Nach Istanbul und in die Türkei kam diese frühe Moderne mit einer Verspätung – aber was heißt hier Verspätung? – von mehreren hundert Jahren: Als das Osmanische Reich untergegangen war und Kemal Atatürk die Republik Türkei schuf, also in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, wurde in diesem Staat die Zeit umgestellt, von der islamischen Rechnung auf den gregorianischen Kalender. Das metrische System sollte nun überall gelten, auch außerhalb staatlicher Einrichtungen. Und als im Jahr 1928 die Säkularisierung ausgerufen wurde, musste auch die arabische Schrift der lateinischen weichen. Gewiss, all diese Eingriffe werden in einer Gesellschaft mit einem hohen Anteil von Analphabeten nicht die Rolle gespielt haben, die sie in einer modernen Gesellschaft hätten. Und doch müssen die Geschulten und Gebildeten bis ins Mark ihrer kulturellen Identität erschüttert worden sein – die Menschen, aus deren Mitte heraus Ahmet Hamdi Tanpinar, im Jahr 1902 geboren und 1962 gestorben, Gymnasiallehrer und Literaturwissenschaftler, seine Romane schrieb. Ein „Uhrenstellinstitut” muss in einer Umgebung, in der schon ein leise überlegenes Lächeln, ein Händeschütteln, ein forscher Blick ins Gesicht eines anderen als „europäisch” wahrgenommen wird, nur als mäßige Übertreibung erschienen sein.
Denn es bedeutet, genauso wie die anderen neuen Institutionen jener Zeit: weg von der orientalischen Welt und ihrer Geistlichkeit, hinaus aus dem Arabischen und aus noch mittelalterlichen Traditionen, hinein in eine frühe Neuzeit, in der Kemal Atatürk, der erste Präsident der Türkei, die religiösen und feudalen Instanzen wegfegte, um selber wie ein Sonnenkönig zu herrschen, als höchster Repräsentant eines übermächtigen Staates, der allem und jedem gegenüber gleichen Abstand hielt. Und auch die Schwäche eines solchen Unternehmens ist im „Uhrenstellinstitut” mitgedacht: Denn Atatürk, der einzigartige Mensch, tritt ja nur deshalb in einer so starken Rolle auf, der Staat inszeniert sich nur deshalb in solcher Grandiosität, weil beide gegen das Naheliegende und Herkömmliche antreten müssen, weil sie schwächer – wenn man will: in viel höherem Maß Fiktion – sind, als sie in irgendeinem Augenblick selbst zugeben würden. Stets droht ihnen der Augenblick des Kaisers ohne Kleider, eben der Auftritt jenes amerikanischen Pragmatikers, und nach ihm wäre es mit Macht und Glanz und Ruhm vorbei. Im Unterschied zum wirklichen Leben bleibt dieser Untergang im Roman ohne gravierende Folgen.
Das „Uhrenstellinstitut” ist eine satirische Allegorie, aber sie ist nicht auf dem Stand der Dichtkunst von Jonathan Swift geblieben, sondern durch die Schule des Romans gegangen. Die Groteske ist in dieses Buch eingegangen, der realistische Familienroman des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts und eine abenteuerliche, an der populären Kultur, am Film, am Serienhelden ausgebildete Liebe zu Amerika. Anders gesagt: das große Projekt der Modernisierung ist auch durch dieses Buch gegangen und hat Mischgestalten sonder Zahl hervorgebracht, immer wieder halb glückliche, halb verunglückte Zentauren eines west-östlichen Lebens: den Apotheker und Goldmacher Aristidi Efendi, den Psychoanalytiker Doktor Ramiz und den charismatischen Halit Ayarci selbst, Gründer und Regisseur des Uhrenstellinstituts, einen „orientalischen Faust”. Und viel eher, als dass Ahmet Hamdi Tanpinar sie satirisch, das heißt: als Typen behandeln würde, lässt er sie leben, spürt ihnen hinterher, gibt ihnen menschliche Eigenart und Größe, obwohl oder gerade auch weil sie in einer eigenen Welt zwischen Wirklichkeit und Traum eher schwebend als stehend zuhause sind.
Wie sehr die Mischwesen ihre Entstehung einer „europäischen” Tradition verdanken, offenbart deutlicher noch ein 1946 entstandener Roman Ahmet Hamdi Tanpinars: In „Seelenfrieden”, einem Buch der Besinnung wie der Entwicklung, erzählt er die Geschichte eines Waisen, der nach Istanbul zu einem Cousin gebracht wird, viel älter als er selbst und Historiker. Bei ihm wird er ausgebildet – als Bewohner des Zwischenreichs. Denn da ist auf der einen Seite die moderne Türkei nach dem Tod Kemal Atatürks und kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, auf der anderen das Osmanische Reich, das unterging, als die Eltern starben, und die französische Literatur: Baudelaire, der mit der rothaarigen Mademoiselle Romantique bis zum Morgengrauen von Café zu Café zog, Stendhal, Flaubert, Mallarmé. In einem Augenblick des Verharrens vor der nächsten Katastrophe zieht es den melancholischen jungen Herrn Mümtaz, den Helden des Romans, hinein in die Stadt und hinab in eine Geschichte, die es eigentlich gar nicht mehr gibt.
Wer ein Vorbild suchte für Orhan Pamuks „Museum der Unschuld”, würde hier fündig: „Der Innere Zeltnermarkt war wie immer eine Überraschung. Vor dem Gitter eines sonst oft geschlossenen Ladens lagen auf der Straße ein Samowar-Rohr russischer Bauart, ein Türklopfer, die auseinandergebrochenen Teile eines Fächers aus Perlmutt, wie sie vor dreißig Jahren in Mode gewesen waren, einige Gerätschaften, bei denen schwer zu sagen war, ob sie zu einer großen Uhr oder einem Grammofon gehört hatten, und weitere Gegenstände, die aus welchen Gründen auch immer hierhergekommen waren, ohne auseinandergefallen zu sein. Sie alle warteten, worauf, wusste niemand.” In diesen Dingen, die Mümtaz auf dem Basar, beim Antiquitätenhändler, in allen Ecken der Stadt betrachtet, anfasst, in die er versinkt, als handele es sich bei ihnen um große Kunst, scheint sich die Vergangenheit, die alte Welt des Osmanischen Reiches, als reine Energie zu bündeln und zu erhalten. Diese Vergangenheit tritt für eine Weile hinter Nuran zurück, die Frau, die reine, weil der Geschichte abgerungene Liebe, die Kraft, die alle Dinge lebendig machen könnte – doch alles, was dann kommt, ist der Krieg.
Auch in dieser Geschichte könnte man sich, wenn man wollte, auf die Spuren der Allegorie begeben. Aber sie führten in „Seelenfrieden” weniger weit als im „Uhrenstellinstitut”. Denn wo dort Jonathan Swift herrscht, regiert hier Marcel Proust und die Frage nach der verlorenen Zeit. An ihrem Ende steht keine Antwort, sondern immer wieder nur ein Unfall. Niemand, sagt Orhan Pamuk, habe Istanbul so innig beschrieben wie Ahmet Hamdi Tanpinar. Gewiss, denn auch, wenn es um das Ende geht, sind sich alle Melancholiker einig. Wie schön, dass es immer wieder solche traurigen Menschen gibt.
Ahmet Hamdi Tanpinar
Seelenfrieden
Roman. Aus dem Türkischen von Christoph K. Neumann. Unionsverlag, Zürich 2008. 572 Seiten, 22,90 Euro.
Das Uhrenstellinstitut
Roman. Aus dem Türkischen von Gerhard Meier. Carl Hanser Verlag, München 2008. 432 Seiten, 24, 90 Euro.
Als Atatürk die Republik Türkei schuf, wurde die Zeit umgestellt
Diese Satire ist durch die Schule des Romans gegangen
Ahmet Hamdi Tanpinar erzählt die Geschichte von der plötzlichen Modernisierung der Türkei auf eine bestürzende Weise, die deutlich werden lässt, wie tief und groß der Wandel war. – Winter im Stadtteil Sirkeci in Istanbul. Foto: © Ara Guler / Magnum Photos / Agentur Focus
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Als eine der "abgefahrensten Grotesken der Weltliteratur" feiert Rezensent Stefan Weidner diesen Roman, der für ihn in den fünfzig Jahren, seit er geschrieben wurde, geradezu nachgereift ist. Im Autor dieses "türkischen 'Mann ohne Eigenschaften'" zeigt er außerdem einen zu entdeckenden Klassiker der türkischen Moderne an. Das Buch zeichnet sich für ihn durch einen fast "gnadenlos zynischen Blick" auf die Gesellschaft der Türkei nach dem Ersten Weltkrieg und nach dem Verfall all ihrer Werte aus. Das titelgebende Uhrenstellinstitut symbolisiert für den Rezensenten in dieser "Großparabel" von Roman eine aus dem Nichts geborene Idee ohne Sinn, sozusagen ein "Substrat moderner Ideologien" und blindem Modernismuswahn. Auch der Protagonist Halit Ayarci, ständig fassungsloser und überforderter Leiter und Erfinder des Instituts, hat es dem Rezensenten angetan.

© Perlentaucher Medien GmbH
Es "ist aber nicht zuletzt auch eine intelligente, abgefeimte, unterhaltsame Satire auf die Modernisierung der Türkei vom ruckhaften Übergang des zusammenbrechenden morschen Osmanischen Reiches hin zu einer gelenkten, erklärtermaßen modernen Republik." Alexander Kluy, Berliner Literaturkritik, September/Oktober 2008

"Die Lektüre (macht) sofort klar, daß Tanpinar wohl völlig zu Recht als der wichtigste türkische Romancier des 20. Jahrhunderts gilt. ... Da vermengt sich ein farbiger orientalischer Erzählreigen mit herrlich hinrissigen Welterklärungen, die im Ton wissenschaftlicher Theorien vorgetragen werden, und dann wieder fließt mystischer Tiefsinn mal ernst, mal augenzwinkernd in diese "uhrige" Suada über Sein und Zeit. ... (Es) ist ein wunderbares Wortgeraschel, verhuscht, verrutscht, dahingenuschelt (als wäre es fast für den Vorleser Elias Canetti geschrieben) - ein sekundengenau getackteter Tonfall teils angemaßter, teils echter Kleinbürger-Würde, wie er genau zum Vizedirektor eines Uhrenstellinstituts paßt. ... Auf jeden Fall ist Ahmet Hamdi Tanpinars Uhr-komischer Roman aber ein Stück Weltliteratur, das zum Glück nicht ganz richtig tickt und bei dessen Lektüre man konsequenterweise die Zeit vergisst." Alexander Altmann, Lesart 03/08

"Das Resultat ist eine der abgefahrensten Grotesken der Weltliteratur, ein Werk, das in dem halben Jahrhundert seit seinem Entstehen zu seiner ganzen Bedeutungsfülle regelrecht nachgereift ist. ... (Er) hat mit dem "Uhrenstellinstitut" eine große Parabel geschaffen, die einen Schlüssel zur Deutung nicht nur der modernen Türkei, sondern der ganzen, dem schönen Schein und der fixen Idee verfallen Welt liefert." Stefan Weidner, Die Zeit, 16.10.08

"...eine feinsinnige-ironische Farce über Bürokratie und einen harmlosen, sympathischen, begriffstutzigen Narren namens Hayri Irdal." Rheinischer Merkur, 08.01.09
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