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Obgleich die abendländische Philosophie seit jeher den Menschen als sowohl sprechendes wie sterbliches Wesen bestimmt, ist nach Heidegger »das Wesensverhältnis zwischen Tod und Sprache noch ungedacht«. In diesem frühen philosophischen Werk dokumentiert Giorgio Agamben den Lektüreverlauf eines Seminars, das eben dieses Wesensverhältnis zu denken versuchte: acht Tage (und sieben Exkurse) intensiver Auseinandersetzung mit Hegel und Heidegger, Benveniste und Jakobson, Aimeric de Peguilhan und Leopardi, Leonardo und Aristoteles, die immer wieder auf jene andere Stimme stößt, in der die…mehr

Produktbeschreibung
Obgleich die abendländische Philosophie seit jeher den Menschen als sowohl sprechendes wie sterbliches Wesen bestimmt, ist nach Heidegger »das Wesensverhältnis zwischen Tod und Sprache noch ungedacht«. In diesem frühen philosophischen Werk dokumentiert Giorgio Agamben den Lektüreverlauf eines Seminars, das eben dieses Wesensverhältnis zu denken versuchte: acht Tage (und sieben Exkurse) intensiver Auseinandersetzung mit Hegel und Heidegger, Benveniste und Jakobson, Aimeric de Peguilhan und Leopardi, Leonardo und Aristoteles, die immer wieder auf jene andere Stimme stößt, in der die bedeutungslosen, tierischen Stimmen »aufgehoben« sind. Sie erweist sich als die ursprüngliche ethische Dimension, in der der Mensch der Sprache sein Jawort, ihrem Stattfinden seine Zustimmung gibt. Sollte also, der notorischen Behauptung ihres Phonozentrismus zum Trotz, die Metaphysik schon immer Grammatologie betrieben haben? Und wird man den metaphysischen Horizont, in dem Logik und Ethik, Spracheund Tod ununterscheidbar werden, nur überschreiten können, wenn man einen infantilen Gebrauch von der Sprache zu machen versteht?
Autorenporträt
Giorgio Agamben wurde 1942 in Rom geboren. Er studierte Jura, nebenbei auch Literatur und Philosophie. Der entscheidende Impuls für die Philosophie kam allerdings erst nach Abschluß des Jura-Studiums über zwei Seminare mit Martin Heidegger im Sommer 1966 und 1968. Neben Heidegger waren seitdem Michel Foucault, Hannah Arendt und Walter Benjamin wichtige Bezugspersonen in Agambens Denken. Als Herausgeber der italienischen Ausgabe der Schriften Walter Benjamins fand Agamben eine Reihe von dessen verloren geglaubten Manuskripten wieder auf. Seit Ende der achtziger Jahre beschäftigt sich Agamben vor allem mit politischer Philosophie. Er lehrt zur Zeit Ästhetik und Philosophie an den Universitäten Venedig und Marcerata und hatte Gastprofessuren u.a. in Paris, Berkeley, Los Angeles, Irvine.   Andreas Hiepko, geboren 1963 in Berlin, studierte Germanistik und Romanistik in Berlin und Barcelona. Heute ist er als Publizist und freier Übersetzer tätig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.05.2008

Groß schreiben reicht nicht

Manchen Büchern steht die Form der Seminartranskription gut, wenn der Argumentationsverlauf im Hauch der Improvisationen und Exkurse locker sich bläht. Nicht so bei diesem Buch (Giorgio Agamben: "Die Sprache und der Tod". Ein Seminar über den Ort der Negativität. Aus dem Italienischen von Andreas Hiepko. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 179 S., br., 10,- [Euro]). Wie acht Gedankenpflöcke sind die acht Tage und sieben Zwischenexkurse dieses 1979 und 1980 gehaltenen und zwei Jahre später im Original publizierten Seminars in den philosophischen Boden gerammt.

Die Grundfrage heißt: Wie kam die Negativität zum Menschen oder dieser zu ihr? Eigentlich Thema eines Monumentalwerks. Hier wird es uns in einem schmalen Bändchen überzeugend gestellt und dann nicht mehr ganz so überzeugend durchgespielt.

Wenn laut Überlieferung der abendländischen Philosophie das Sprechenkönnen und das Bewusstsein vom Tod zwei Wesenszüge des Menschen sind, ist laut einer Anmerkung Heideggers das Wesensverhältnis zwischen Tod und Sprache noch ungedacht. Agamben benützt diesen Hinweis geschickt als Einstieg ins Problem. Heideggers "Dasein" - laut wiederholten Erklärungen des Philosophen nicht als "Das-da-Sein", sondern als "das-Da-Sein" zu verstehen - und Hegels bloß meinendes "Dieses" am Anfang der "Phänomenologie des Geistes" sind für Agamben zwei Beispiele, wo ein Sprachakt und dessen Aussage deckungsgleich sind und in ihrem "deiktischen", hinweisenden Gestus zugleich auseinanderfallen. Die Negativität sitzt damit schon in der Situation wie der Wurm in der Frucht.

Erst die moderne Linguistik hat diesen Riss zwischen Bezeichnen und Zeigen systematisch erforscht, bei Roman Jakobson etwa mit dem Begriff der "shifters". Vom Gesichtspunkt der "shifters" betrachtet, sind Heideggers "Dasein" und Hegels "das Diese nehmen" nur im Verweis auf die Instanz der Rede verständlich. Man sagt es und zeigt es. Der Ort aber, wo Äußerung und Rede zusammenfallen, ist für Agamben kein anderer als die Stimme, in der laut einer Notiz Paul Valérys das Ich zum Wort sich bindet.

An dieser Stelle beginnt der italienische Philosoph das Wort "voce" plötzlich groß zu schreiben und gelangt mit diesem neu ausgelegten Begriff "Voce" zum Höhepunkt seiner Studie. In der Stimme, führt er aus, sei beim Sprechen eine doppelte Negativität am Werk, wie schon Augustinus in "De Trinitate" erkannte. Sie ist nicht mehr bloß Klang und nie ganz Bedeutung. Als "Nicht-Mehr" des spontanen Lauts und "Noch-Nicht" der Bedeutung entspringt, so Agamben, Sprache als "reine Negativität": Nur durch Aufhebung des animalischen Stimmlauts findet in der Erfahrung der Stimme Sprache statt. Zwischen dem "Iah" des Esels und dem "Ja" eines Zarathustra ist Verständigung bekanntlich unmöglich.

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Abgrenzung, die sich aus einem Exkurs Agambens ergibt. In seinem Frühwerk "Die Stimme und das Phänomen" hatte der Philosoph Jacques Derrida die Stimme in ihrer phonetischen Unmittelbarkeit als metaphysisches Relikt der abendländischen Philosophie abgetan und gegen dieses angebliche Primat der Stimmpräsenz in der Sprache das "gramma" seiner Grammatologie geltend gemacht. Das sei ein Missverständnis des metaphysischen Denkens, wendet Agamben dagegen ein: Auch in der Metaphysik sei die Negativität schon enthalten - "Metaphysik ist immer schon Grammatologie". So nah ist der Italiener dem Franzosen in der Kritik selten gekommen.

Nach einer etwas forcierten Analyse der Dialektik von Stimme und Sprache bei Hegel und der "Stimmung" in der Daseinsphilosophie Heideggers - da der Begriff Stimme selbst bei Heidegger nicht vorkommt - kann Agamben aber der sich aufdrängenden Frage nicht länger ausweichen. Hält die abendländische Kultur keine andere als diese philosophische Erfahrung der Sprache auf der negativen Grundlage der Unsagbarkeit bereit? Bietet etwa die Dichtung nicht eine positive Erfahrung? Der Autor antwortet mit der Untersuchung zweier einschlägiger Texte - der eine stammt vom mittelalterlichen Troubadour Aimeric de Peguilhan, der andere vom Dichter Giacomo Leopardi - und kommt zu dem Schluss: Nein, auch die poetische Erfahrung bestätige die philosophische Einsicht, dass das ausgesprochene Wort sich selbst als Ereignis unfassbar bleibt.

"Denken können wir nur, wenn die Sprache nicht unsere Stimme ist", schreibt Agamben in einem plötzlich sehr bildhaft werdenden Epilog zu diesem Buch. Wir schreiten dort durch einen imaginären Wald: Flügelschlagen, Rascheln, Knistern im Gras. Der Gedanke, heißt es weiter, sei "nicht die Begegnung mit unsichtbaren Tieren, sondern deren Flucht". Agamben führte uns kundig in diesen Wald und gerät dort selbst in die Flucht vor seiner Theorie. Wir bleiben stehen. Rufen nützt ja nichts.

JOSEPH HANIMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Einen etwas zwiespältigen Eindruck hat Giorgio Agambens aus einem Seminar hervorgegangener Band "Die Sprache und der Tod" bei Rezensent Joseph Hanimann hinterlassen. Das Thema des Buchs, die Frage, wie die Negativität zum Menschen beziehungsweise dieser zu ihr gekommen ist, scheint ihm eigentlich Thema für ein Riesenwerk. Er bescheinigt dem italienischen Philosophen, es "überzeugend" zu exponieren, bedauert aber dann, dass die Abhandlung selbst "nicht mehr ganz so überzeugend" ausgefallen ist. Im Zentrum des Buchs stehen für ihn die Frage nach dem Verhältnis von Tod und Sprache, die Analyse der Dialektik von Stimme und Sprache bei Hegel sowie die der "Stimmung" bei Heidegger. Er sucht die wichtigsten Gedanken Agambens nachzuzeichnen. Allerdings fällt es nicht eben leicht, der Besprechung zu folgen, sofern man nicht selbst Hegel, Heidegger, Derrida und Agamben studiert hat. Kritisch merkt Hanimann noch an, die "Form der Seminartransskription" sei dem Buch nicht gut bekommen. Zudem hat er den Eindruck, Agamben entferne sich im Epilog des Bands von seiner eigenen Theorie.

© Perlentaucher Medien GmbH