21,95 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

»... heiter, beschwingt, bereit, in die Höhe zu fliegen, feinstofflich, farblos, vollkommen, versank ich in der Betrachtung der Eigenschaften des einsamen Vogels...« »Reise zum Vogel Simurgh« ist Goytisolos Schlüsselwerk - der Roman, in dem der große Einzelne seine Lebensthemen Sexus, Politik und Mystik auf radikal literarische Weise zusammenführt. Geschlechtlichkeit ist für den bekennenden Außenseiter eine Art Subversion per se: Bestandteil einer Entgrenzungserfahrung, in der sich Eros und Heiliges durchdringen. Die politische Sphäre hat der Emigrant und unermüdliche Kritiker geschlossener…mehr

Produktbeschreibung
»... heiter, beschwingt, bereit, in die Höhe zu fliegen, feinstofflich, farblos, vollkommen, versank ich in der Betrachtung der Eigenschaften des einsamen Vogels...« »Reise zum Vogel Simurgh« ist Goytisolos Schlüsselwerk - der Roman, in dem der große Einzelne seine Lebensthemen Sexus, Politik und Mystik auf radikal literarische Weise zusammenführt. Geschlechtlichkeit ist für den bekennenden Außenseiter eine Art Subversion per se: Bestandteil einer Entgrenzungserfahrung, in der sich Eros und Heiliges durchdringen. Die politische Sphäre hat der Emigrant und unermüdliche Kritiker geschlossener Systeme von jeher auf die in ihr angelegten Ausgrenzungen befragt. Sufidichtung und spanische Mystik schließlich, in der prägnanten Ausformung des Juan de la Cruz, waren es, die ihn in seiner tiefsten existentiellen Krise aus Angst und Enge geführt haben. Raffend, in träumerischer Plötzlichkeit des Wechsels, nimmt uns der Roman zu Räumen der Inquisition und der Repression ebenso mit wie zu Bordellszenen, ideologischen Familienfeiern, dem heimlich-peinlichen Wirken des Zensors - in immer neuen Bildern gräbt Goytisolo sich in jenes Dunkelgebiet von gesellschaftlicher Unterdrückung und radikalindividuellem Ausbruch. Indem der vielgestaltige Erzähler des Romans sich dem geistigen Abenteuer des Sufismus und der Mystik hingibt, gelangt er - jenseits der »dunklen Nacht der Seele« - vom verlorenen Paradies bis hin zum wiedergefundenen Garten Eden. Juan Goytisolo hat nie ein indifferentes Buch geschrieben. Am wenigsten ist es dieses.
Autorenporträt
Goytisolo, JuanJuan Goytisolo wurde am 5. Januar 1931 in Barcelona geboren. Er besuchte eine Jesuitenschule, begann danach ein Jurastudium und schrieb einen ersten - nie veröffentlichten - Roman.1953 brach er das Studium ab und unternahm mehrere Reisen nach Paris. 1954 veröffentlichte er den Roman Juegos de manos, auf den zahlreiche weitere Romane folgten, die in viele Sprachen übersetzt wurden und den Autor zu einem der wichtigsten spanischen Autoren der Gegenwart machten. 1957 zog er nach Paris und nahm eine Lektoratstätigkeit bei Gallimard auf, wo er sich für die Verbreitung der spanischen Literatur in Frankreich einsetzte. Seine Bücher waren von 1963 bis zum Tod Francos in Spanien verboten. Von 1961 bis 1964 unternahm er mehrere Reisen nach Kuba, Nordafrika und in den Nahen Osten. 1964 gab er die Verlagstätigkeit auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Seit 1969 übernahm er Gastprofessuren u.a. an den Universitäten La Jolla/Kalifornien, Boston und New York.Juan Goytisolo hat sich mit Romanen wie La reivindicación del conde don Julián (1970, dt. Die Rückforderung des Conde Don Julián, 1976) und El sitio de los sitios (1995, dt. Das Manuskript von Sarajewo, 1999) nicht nur als Literat einen Namen gemacht, sondern als kritischer, engagierter Geist auch vielfach zu politischen Themen in Form von Essays und Reportagen Stellung bezogen und sich dabei vor allem mit dem Islam auseinandergesetzt. In den neunziger Jahren besuchte er das vom Konflikt zwischen Islam und westlicher Welt gespaltene Algerien; während dieser Reisen entstand Ein algerisches Tagebuch. 1993 hielt er sich als Kriegsbeobachter in Sarajewo auf, wo er die Artikel Notizen aus Sarajewo verfasste, die zuerst in der Frankfurter Rundschau publiziert wurden und später in der edition suhrkamp erschienen. 1996 bereiste er Tschetschenien und hielt seine Eindrücke und die Hintergründe des Konflikts in dem Band Landschaften eines Krieges: Tschetschenien fest. Zum Thema Islam veröffentlichte er auch

die Bücher Kibla - Reisen in die Welt des Islams (2000) und Gläserne Grenzen (2004).Sowohl sein literarisches als auch sein journalistisches Werk wurde mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Nelly-Sachs-Preis 1993 und mit dem mexikanischen Octavio-Paz-Preis 2002. Für sein Gesamtwerk wurde er bereits 1985 mit dem Prix Europalia der Europäischen Gemeinschaft geehrt. 2014 wurde Goytisolo schließlich mit dem Cervantes-Preis ausgezeichnet - dem bedeutendsten literarischen Preis der spanischsprachigen Welt. Juan Goytisolo starb am 4. Juni 2017 in Marrakesch.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Zunächst versteht Uwe Stolzmann kein Wort von dem, was er da liest. Erst als er sich dem kurzen, dichten Text über die Hintertür nähert, über Nachwort, Sekundärliteratur und die vom Autor im Text gegebenen Lesehilfen, funktionierts und der Rezensent erlebt Juan Goytisolo in diesem bereits 1988 im Original erschienenen Roman als großen experimentellen Subversiven und Jongleur seiner Lebensthemen: Sexus, Politik, Gewalt, Mystik, das Buch als Schlüsselroman eines Lebenswerks. So leuchtet das Unsichere des Textes, seine Handlungslosigkeit dem Rezensenten schließlich als Gestaltungsprinzip ein, und er kann das Buch als opulenten Reigen genießen, als Gleichnis über Totalitarismus und Kontamination, als Zumutung immer noch, doch als großartige.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.08.2012

Das Geheimnis der Verwandlung
In seinem Roman „Reise zum Vogel Simurgh“ holt der spanische Autor Juan Goytisolo die Gedichte
seines Namensvetters San Juan de la Cruz in die Welt des 20. Jahrhunderts – und tatsächlich, der mystische Vogel fliegt!
VON REINHARD BREMBECK
Ein Fiebertraum, in dem die Jahrhunderte genauso durcheinanderpurzeln wie die Religionen, Gegenden, Weltanschauungen. Ein Buch voller Gewalt, voller Dramatik und Kraft, aber zugleich voll eines behütenden, warmen Lichts. Auf 200 Seiten häuft Juan Goytisolo, der Großmeister der spanischen Literatur, ein beeindruckendes Arsenal an farbig und detailfreudig gezeichneten Bildern des Untergangs, der Verstümmelung und der Ansteckung.
  Den Nachhall von Tschernobyl wird der Leser dieses bereits 1988 erschienenen, aber erst jetzt ins Deutsche übersetzten Buches unschwer ausmachen, auch die Gräuel des Spanischen Bürgerkriegs, die Massenhinrichtungen in Sportstadien von Chile wie Kuba und die Verfolgung von Heterodoxen aller Art – sei es vor 500 Jahren, sei es in der Sowjetunion. Das allein schon genügt, um den Leser atemlos und gebannt 200 Seiten bei der Stange zu halten.
  Doch der von Thomas Brovot in ein kraftvoll poetisches Deutsch übersetzte Roman „Reise zum Vogel Simurgh“ ist keinesfalls jene private Phantasmagorie, als die er beim ersten Lesen erscheinen mag. Das deutet bereits der spanische Originaltitel an, „Las virtudes del pájaro solitario“ (Die Eigenschaften des einsamen Vogels), den jeder halbwegs Gebildete in der spanischsprachigen Welt auf San Juan de la Cruz (1542-1591) bezieht, einen der bedeutendsten Mystiker des Abendlandes, dessen schmales lyrisches Werk zum Besten in der spanischen Poesie gehört. Mystische Gotteserfahrung, wie üblich als Liebeslyrik formuliert – dies und die zusammen mit Teresa de Ávila betriebenen Reformbestrebungen der Karmeliter machten Juan verdächtig, auch in den Augen Roms. Er wurde 1577 von seinen Gegnern entführt, eingekerkert, gefoltert. In der Haft entstand ein Großteil seiner Gedichte, nach eineinhalb Jahren konnte er fliehen.
  Der Legende nach zerriss und verschluckte Juan in der Nacht seiner Entführung den „Tratado de las virtudes del pájaro solitario“. Goytisolo versucht mit seinem Roman nichts weniger als eine Rekonstruktion dieses „Tratados“ seines Namensvetters. Ein Traktat, dessen Inhalt sich nur durch zwei knappe Glossen erschließen lässt. Der „pájaro solitario“, der einsame Vogel, ist die Seele auf der Suche nach der Vereinigung mit Gott, seine Eigenschaften sind, in Goytisolos Worten: „heiter, beschwingt, bereit in die Höhe zu fliegen, feinstofflich, farblos, vollkommen“.
  Goytisolo als Mystiker? Der 1931 in Barcelona geborene Franco-Gegner aus großbürgerlichem Haus, der lange zwischen Frankreich und Marrakesch pendelnde Exilant, der Antikatholik, der streitbar politische Autor, der bekennende Schwule, der von der islamischen Welt Faszinierte? Goytisolo sympathisiert wie immer mit den Unterdrückten, den Heterodoxen, den Verlierern. Und er liebt literarische Spiele. Schon für den Roman „Makbara“ (1980) bezog er sich auf das „Libro de buen amor“ des Juan Ruiz, einen der ersten Klassiker der spanischen Literatur. In der „Reise“ nimmt er San Juan als Modell, insbesondere dessen „Cántico espiritual“, ein Gespräch zwischen Braut und Bräutigam: „Wo versteckst du dich, Geliebter, und überlässt mich dem Jammer?“
  Dieser Text war Goytisolo der einzige Trost, als er fürchtete, sich mit HIV angesteckt zu haben. Immer wieder taucht ein Ibn Sida auf, dessen Name nicht nur auf den gleichnamigen blinden Lexikografen aus Murcia verweist, sondern auch auf die Krankheit („sida“ ist die spanische Bezeichnung für Aids).
  Goytisolo webt nicht nur Zitate des „Cántico“ und der noch berühmteren „Noche oscura“ in seinen Text ein, er folgt mit seiner Prosa dem Rhythmus dieser Lyrik, verschreibt sich völlig deren anschaulicher Klarheit, die immer etwas anderes meint: die Suche der Seele, des „pájaro solitario“ nach der letzten Einung mit Gott. Dass „pájaro“ auf Kuba eine Bezeichnung für Homosexuelle ist, ist durchaus beabsichtigtund schimmert immer wieder durch: „der zarte, farblose, mit unschuldiger Gefälligkeit konturierte Vogel scheint zu fliegen und zugleich reglos am Himmel zu stehen, anmutig zu schweben über dem Ort der Hochzeit, wo die Ringer lächelnd warten“.
  San Juans Gefangenschaft auf engstem Raum bestimmt die fünf ersten Kapitel dieses sechsteiligen Romans. Ob in einem Pariser Hamam, auf Jalta, oder in einer Bibliothek, wie sie Borges nicht gruseliger erfinden hätte können: Das alles sind Phantasien des Weggesperrtseins. Deren Held ist immer San Juan (Goytisolo?), der dabei den erstaunlichsten Metamorphosen und Metempsychosen unterworfen wird. Doch die Klaustrophobie der Szenen schlägt nie in Verzweiflung um. Das lässt der von Goytisolo übernommene Tonfall der mystischen Texte schlicht nicht zu, zu deren zentralen Inspirationsquellen auch die grandiose „Wein-Ode“ von Umar Ibn al-Fârid (1181–1235) zählt, dem größten mystischen Dichter der Araber.
  Die Komparatistin Luce López-Baralt, der Goytisolo im Anhang dankt, hat in „Huellas del Islam en la literatura española“ (Hiperión, 1985) gezeigt, dass San Juan seinem „pájaro solitario“ die gleichen Eigenschaften zuschreibt wie die persischen Mystiker Attâr und besonders Suhrawardî dem legendären Vogel Sîmurgh, der sich im deutschen Romantitel findet. Wie diese Entsprechung zustande kommt, ist Baralt ein Rätsel, das den zwischen Okzident und Orient wandernden Goytisolo aber besonders fasziniert.
  Im sechsten und kürzesten Teil des Buches entflieht die Seele des vielgestaltigen, auch das Geschlecht wechselnden Erzählers allen klaustrophobischen Angstzuständen und macht sich auf jene Reise zum Ich und zur Vollkommenheit, die Attâr in seinen berühmten „Vogelgesprächen“ vorgezeichnet hat. Attârs Vögel machen sich auf die beschwerliche Suche nach ihrem König, dem Sîmurgh, zuletzt kommen nur 30 von ihnen und im völlig zerrütteten Zustand an. Nur um zu erkennen, dass sie selbst der Sîmurgh sind – das Wort bedeutet nichts anderes als „30 Vögel“.
  Hinreißend, wie Goytisolo all diese Bezüge und Querverweise einarbeitet, nie belehrend, sondern mit virtuoser Leichtigkeit und ohne jemals den Anspruch zu erheben, auch der Leser müsste all das kennen, worauf gerade angespielt wird. Das verhinderteine Sprache, die rauschhaft wie im magischen Realismus dahinströmt, ohne je den Leser zu bevormunden.
     
Goytisolo sympathisiert mit
den Unterdrückten, den
Heterodoxen, den Verlierern
Goytisolo webt eine Fülle von
Verweisen ein, aber nie erzählt er
belehrend, immer mit Leichtigkeit
Der „pájaro solitario“, der einsame Vogel des christlichen Mystikers Juan de la Cruz hatte die gleichen Eigenschaften wie der Vogel Simurgh des persischen Mystikers Attâr, hier auf einer Miniatur 18. Jahrhunderts.
FOTO: ROLAND AND SABRINA MICHAUD/AKG
  
  
  
  
Juan Goytisolo: Reise zum Vogel Simurgh. Aus dem Spanischen von Thomas Brovot. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 202 Seiten,
21,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr