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In seinem grundlegenden Werk geht John Searle der Frage nach, in welchem Sinn das Soziale existiert. Was unterscheidet soziale Tatsachen wie etwa Geld von natürlichen Tatsachen wie der Höhe eines Berges? Searle kommt zu dem Ergebnis, daß soziale Tatsachen durch Phänomene kollektiver Intentionalität konstituiert werden. Hierfür entwickelt er die mittlerweile zum philosophischen Standardrepertoire gehörende Formel "X gilt als Y in C", die aufschlüsselt, wie zum Beispiel ein Stück Papier in einem bestimmten sozialen Kontext als Geld behandelt wird. Eine brillante Analyse, ein Klassiker.

Produktbeschreibung
In seinem grundlegenden Werk geht John Searle der Frage nach, in welchem Sinn das Soziale existiert. Was unterscheidet soziale Tatsachen wie etwa Geld von natürlichen Tatsachen wie der Höhe eines Berges? Searle kommt zu dem Ergebnis, daß soziale Tatsachen durch Phänomene kollektiver Intentionalität konstituiert werden. Hierfür entwickelt er die mittlerweile zum philosophischen Standardrepertoire gehörende Formel "X gilt als Y in C", die aufschlüsselt, wie zum Beispiel ein Stück Papier in einem bestimmten sozialen Kontext als Geld behandelt wird. Eine brillante Analyse, ein Klassiker.
Autorenporträt
John R. Searle wurde in Oxford ausgebildet und ist seit 1959 Slusser Professor für Philosophie an der University of California, Berkeley. Für sein umfangreiches Werk, das die Philosophie der Gegenwart auf vielen Gebieten maßgeblich beeinflußt hat, erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Jean Nicod Preis und die National Humanities Medal.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.06.2011

Das Schwindelgefühl bei der Nahsicht auf die gesellschaftliche Wirklichkeit
„Macht kommt nicht aus Gewehrläufen, sondern aus Organisationen“: John Searles Ontologie unserer Zivilisation eröffnet neue sozialphilosophische Perspektiven
Vor über hundert Jahren stellte Georg Simmel die Frage, wie Gesellschaft möglich ist. Siebzig Jahre später griff John Rawls unter der Fiktion eines Gesellschaftsvertrags und der Idee der Gerechtigkeit das Thema auf. Während der letzten zwei Dekaden hat John R. Searle mit der schärferen Klinge analytischer Philosophie intensive Überlegungen zur Ontologie, zur Seinsart unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit angestellt und die Ergebnisse in zwei Büchern publiziert. Die ältere Arbeit liegt jetzt in einer deutschen Neuauflage vor; im unlängst erschienenen englischen Buch erhärtet und generalisiert Searle seine Thesen.
Wir machen objektive Aussagen über soziale Tatsachen, – etwa dass Obama Präsident der USA ist, dass dies Stück Papier ein Zehn-Euro-Schein ist, – die zugleich durch menschliche subjektive Einstellungen geschaffen werden. Wie geht das zu, fragt sich Searle verwundert, und welcher Art ist die Realität sozialer Tatsachen wie Regierung, Eigentum, Geld, Hochschulen, Gerichtshöfe, Clubs, Ehen, im Unterschied zu rohen physischen Tatsachen wie Bergen, Flüssen, Sternen, Erdbeben und dergleichen?
Nur wir vermögen Personen oder Dingen Funktionen zuzuweisen. Die Natur weiß nichts von Funktionen, das Herz pumpt einfach, erst wir schreiben ihm das als Funktion zu. Einige Dinge werden direkt für spezifische Funktionen hergestellt, wie Badewannen, Schraubenzieher oder Computer. Andere natürliche Dinge können sozusagen zweckentfremdet verwendet werden, ein Baumstamm als Bank, ein Stein als Briefbeschwerer, ein Ast als Hebel; doch auch der Schraubenzieher kann zum Briefbeschwerer, der Computer zur Unterlage umfunktioniert werden.
Um eine Funktion auszuführen, muss einem Objekt und namentlich einer Person ein Status zugeschrieben werden. Statusfunktionen (Präsident, Ehepartner, Bürger). Alle institutionellen Tatsachen verdanken ihre Existenz gewissen performativen Sprechakten, nämlich Deklarationen: „Wir ernennen X zum Vorsitzenden“; „Hiermit ist der Krieg erklärt“, „Wir verurteilen Sie zu . . . “
Derartige Deklarationen verändern, so Searle, die Welt, indem sie soziale Tatsachen schaffen: Staatsverfassungen etwa, deren Regeln als andauernde Deklarationen wirken. Die konstitutive Regel für die Zuweisung von Statusfunktionen bringt Searle auf die schlichte Formel „X zählt als Y in K“. Wörtlich: Dieses bedruckte Stück Papier (X) zählt, gilt als, wird betrachtet als, hat die Funktion und den Status eines Zwanzig-Dollar-Scheins (Y) in den Vereinigten Staaten (K). „Geld ist Geld, weil die Teilnehmer an der Institution es als Geld ansehen“. Wenn diese Papierstücke nicht mehr für Geld gehalten werden, hören sie auf, Geld zu sein. Nicht anders verhält es sich mit Eigentum, Regierungen, Ehen oder Universitäten.
Anders aber als beim Baumstamm, der als Sitzplatz fungiert, oder dem Stein, der als Briefbeschwerer dient, bedürfen Gebilde, denen keine Funktion aufgrund ihrer Physis zugewiesen werden kann, wie etwa Papiergeld, der kollektiven Zustimmung. Es muss allerdings immer ein rohes physisches X geben, um als Y zu gelten, „es gibt keine institutionellen Tatsachen ohne rohe Tatsachen“. Zum Beispiel galten vor der Währungsreform bei uns (K) Zigaretten (X) als Zahlungsmittel (Y). Bei der Schaffung sozialer Tatsachen sind der Phantasie oder der Imagination, denen Searle einen kurzen Abschnitt widmet, kaum Grenzen gesetzt.
Kollektive Akzeptanz, oder genauer, „kollektive Intentionalität“ ist zur Schaffung gesellschaftlicher Tatsachen fraglos unerlässlich. Intentionalität – Searle hat 1983 eine maßgebliche Abhandlung darüber geschrieben – ist unsere geistige Fähigkeit, sich auf Dinge oder Geschehnisse in der Welt zu beziehen, etwa durch Überzeugungen und Absichten oder Wünsche und Hoffnungen. Kollektives menschliches Verhalten ist eine Manifestation kollektiver Intentionalität, heißt es, und die sei ein biologisch ursprüngliches, vorsprachliches Phänomen sui generis, das keinesfalls auf individuelle Intentionalität zu reduzieren sei. Diese Ansicht von einer gleichsam eingeborenen kollektiven Intentionalität wird von Searle mit großem begrifflichem Aufwand gegen naheliegende Einwände abgedichtet und gegen so etwas wie Hegels Weltgeist oder Freges Drittes Reich der Gedanken oder, darf man ergänzen, von Herders Volksgeist entschieden abgesetzt. Ohne diesen Aspekt der Kollektivität bliebe Searles Konstrukt jedenfalls ein Luftgebäu.
Die durch deklarative Sprechakte geschaffenen institutionellen Tatsachen, sind mit Rechten und Pflichten, mit Verbindlichkeiten und Verantwortung verbunden, es ist ihnen „deontische Macht“ eigen (vom Griechischen déon, Pflicht, Schuldigkeit), und die sei „der Klebstoff, der menschliche Gesellschaften zusammenhält“. Die Basis solch deontischer Macht wiederum sei die Sprache, heißt es in Searles neuer Version betonter, denn ohne Sprache gebe es keine Verpflichtungen. Sprache aber ist nicht ihrerseits durch Deklaration geschaffen wie die übrigen sozialen Institutionen. Dieser „Asymmetrie“ geht Searle mit subtilen Differenzierungen nach, aber auch mit erhellenden Beispielen. Emphatisch lautet sein Schluss: „Für Sprache benutzende menschliche Wesen kann es nicht so etwas wie einen Naturzustand geben“.
Auf der Grundlage seiner Ontologie sozialer Tatsachen werden in der Oxford-Ausgabe kursorisch Fragen politischer Macht angesprochen: „Macht kommt nicht aus Gewehrläufen, sondern aus Organisationen“, meint Searle etwas überpointiert. Er lotet auch den Begriff universeller Menschenrechte aus: warum sollte man nicht das Menschenrecht als Statusfunktion so direkt auf Menschen übertragen, wie man einem Stück Papier die Statusfunktion Geld zuweist? Er erörtert das Problem der Willensfreiheit, die wir, so Searle, für unsere Entscheidungen voraussetzen müssen, selbst wenn sie eine Illusion ist, denn „wir können die Illusion nicht abschütteln“.
Im Suhrkamp-Band findet man stattdessen eine energische Verteidigung des externen Realismus, wonach es eine von unseren Repräsentationen unabhängige Wirklichkeit gibt; eine Ansicht, die seit einiger Zeit – wieder einmal – in Frage gestellt wird. Doch ohne die Realität einer Außenwelt, macht Searle klar, müsste auch die Realität unserer sozialen Welt zusammenbrechen, die ja auf rohen physischen Tatsachen beruht. Eine ebenso entschiedene wie scharfsinnige Rehabilitation der in Verruf gebrachten Korrespondenztheorie der Wahrheit schließt sich an, der Idee, dass wahre Aussagen über das, was man Tatsachen nennt, möglich sind. Searle beansprucht indes nicht, den externe Realismus bewiesen zu haben, sondern lediglich, dass man im normalen Leben auf ihn festgelegt ist. Sobald wir nämlich mit jemandem reden, „haben wir schon die Existenz der wirklichen Welt vorausgesetzt“.
Searle spricht einmal von einem Schwindelgefühl, das einen befällt, so als sei bei der Schaffung und Aufrechterhaltung institutioneller Tatsachen Magie im Spiel. „In unseren schwersten metaphysischen Stimmungen“, fügt er ein wenig ironisch hinzu, möchte man sich fragen, ob dies Stück Papier tatsächlich Geld, dies Grundstück wirklich jemandes Privateigentum, dieser Spruch de facto den Eheschluss bedeutet. Normalerweise möchten wir sagen „na, so isses nu mal“, wir halten die soziale Welt für so gegeben wie die von uns gemachten Badewannen, Schraubenzieher oder Autos. Doch unsere Institutionen sind höchst ätherisch, rein deklarativ und spirituell, sie sind „Produkte mächtiger Phantasie“. Und nur solange jeder diese Phantasie teilt und ihr vertraut, funktionieren diese Produkte; wird die Phantasie unglaubwürdig, wie Searle mit Hinweis auf die jüngste US-Hypothekenkrise klar macht, dann beginnt das gesamte System sich aufzudröseln.
Beide mit bewundernswerter Transparenz geschriebenen Bücher Searles haben eine neue Perspektive sozialphilosophischer Grundlagenforschung aufgetan und die Diskussion weltweit belebt, in die sich unlängst auch der renommierte britisch-amerikanische Philosoph Colin McGinn eingemischt hat. Die Kritiken und die Repliken Searles kann man verfolgen auf der Website: socrates.berkeley.edu/˜jsearle/articles.html. WILLY HOCHKEPPEL
JOHN R. SEARLE: Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Zur Ontologie sozialer Tatsachen. Aus dem Englischen von Martin Suhr. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 250 Seiten, 10 Euro.
JOHN R. SEARLE: Making the social world. The Structure of Human Civilization. Oxford University Press, Oxford/ New York 2010. 208 Seiten, ca. 19 Euro.
Wenn diese Papierstücke nicht
mehr für Geld gehalten werden,
hören sie auf, Geld zu sein.
Unsere Institutionen sind
höchst ätherisch, sie sind
„Produkte mächtiger Phantasie“.
John R. Searle, 1932 in Denver/Colorado geboren, ist Professor für Philosophie an der University of California, Berkeley. In seinem Buch „Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit“, das längst ein Klassiker ist, entwickelt er die Formel „X gilt als Y in C“. Foto: Anne Selders/ Sipa Press
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Philosoph und Publizist Willy Hochkeppel hat sich mit großem Interesse in John R. Searles philosophische Abhandlung zur "Ontologie" der gesellschaftlichen Wirklichkeit gestürzt. Luzide legt der Autor in seiner nun neu aufgelegten Arbeit dar, dass sich gesellschaftliche Wirklichkeit, anders als physische Realitäten, dadurch auszeichnen, dass man ihnen eine Funktion zuschreibt. Der Autor verdeutlicht das durch seine Beispiele von Papiergeld, Eheschließungen oder Kriegserklärungen, die deklamiert und kollektiv anerkannt werden müssen, erklärt uns der Rezensent. Dabei legt Searle seine These von einer gewissermaßen "angeborenen Intentionalität" dar, die sich fundamental von Hegels "Weltgeist" oder Herders "Volksgeist" abhebt und die die Basis seiner Ausführungen darstellt, wie Hochkeppel zustimmend feststellt. Auch der im vorliegenden Text bekräftigten Verteidigung einer "externen", von uns unabhängigen Wirklichkeit kann sich der Rezensent anschließen. Er lobt besonders die beeindruckende "Transparenz" von Searles Text, würdigt ihn als wichtigen Beitrag zur sozialphilosophischen Grundlagenforschung und erhofft sich davon eine Belebung der aktuellen Debatten zum Thema.

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