34,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Morgen wird alles besser: An dieser Parole erkennt man seit der Aufklärung die Anhänger des sozialen Fortschritts, während die der Finsternis bellen, daß früher alles besser gewesen sei. Die einen setzen auf Wissenschaft und Technik, damit Freiheit, Wohlstand, Bildung und Schönheit sich mehren, die anderen auf Tradition, Blut, Boden, Familie, Vaterland und sonstigen Urväterhausrat, damit alles nicht noch schlimmer werde, als es ohnehin schon ist. Dieses Buch behauptet, daß jede Zeit, jede Handlung, jeder Gedanke tatsächlich mehr Möglichkeiten der Selbstverbesserung enthält, als man auf den…mehr

Produktbeschreibung
Morgen wird alles besser: An dieser Parole erkennt man seit der Aufklärung die Anhänger des sozialen Fortschritts, während die der Finsternis bellen, daß früher alles besser gewesen sei. Die einen setzen auf Wissenschaft und Technik, damit Freiheit, Wohlstand, Bildung und Schönheit sich mehren, die anderen auf Tradition, Blut, Boden, Familie, Vaterland und sonstigen Urväterhausrat, damit alles nicht noch schlimmer werde, als es ohnehin schon ist. Dieses Buch behauptet, daß jede Zeit, jede Handlung, jeder Gedanke tatsächlich mehr Möglichkeiten der Selbstverbesserung enthält, als man auf den ersten Blick sieht. Den inneren Zusammenhang dieser verborgenen Freiheitsgrade nennt das Buch »Implex«. Das Wort bezeichnet ein Modell, mit dem man erklären kann, wie Fortschritt in den Mühen tatsächlicher Menschen verwirklicht wird. Es macht verständlich, warum nur Epochen, die sich bestimmte Irrtümer erlauben, auch bestimmte Wahrheiten finden können, und es zeigt, daß die Aufklärung der Gegenwart Werkzeuge der Emanzipation vererbt hat, von denen sie selbst gar nichts wußte. Es verdeutlicht schließlich, was an dieser Lehre und anderen praktischen und theoretischen Hinterlassenschaften der historischen Linken wertvoll bleibt - bis heute. Auf dem Weg zu diesen Resultaten unternimmt das Buch Reisen durch realistische Forschung und phantastische Kunst, stellt bekannte und unbekannte Revolutionen, Kriege, Formen des Unrechts und des Widerstands dar und öffnet die Sicht auf Zeitabschnitte, von denen gar nicht so leicht zu entscheiden ist, ob sie Zukunft sind, Vergangenheit oder Gegenwart.
Autorenporträt
Dath, DietmarDietmar Dath, 1970 geboren, ist Autor und Übersetzer. Er war Chefredakteur der Zeitschrift Spex und von 2001 bis 2007 Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, seit September 2011 ist er dort Filmkritiker. Dietmar Dath veröffentlichte fünfzehn Romane, außerdem Bücher und Essays zu wissenschaftlichen, ästhetischen und politischen Themen, darunter die Streitschrift Maschinenwinter (2008) und die BasisBiographie Rosa Luxemburg (2010). Jüngst ist Dietmar Dath auch als Dramatiker und Lyriker in Erscheinung getreten. Er lebt in Freiburg und Frankfurt am Main.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Selbst Rudolf Walther, durchaus kein Gegner linker Diskurse, mag in diesem Buch von Dietmar Dath und Barabara Kirchner kaum etwas Positives sehen. Im Gegenteil, Punkt für Punkt arbeitet er die ihm bereiteten Zumutungen ab, von denen die "verquaste Syntax" noch die geringste sei. Dabei ist ihm der von den Autoren stark gemachte Gedanke ganz sympathisch, dass durch die Frühaufklärung der "soziale Fortschritt" denkbar wurde und somit Ungerechtigkeit ihre Rechtfertigung verloren habe. Aber was die beiden Autoren daraus machen, findet Walther schauderhaft. Und mit welchem "Imponiergehabe", mit welchem "Manifestschreibergestus" sie durch die Philosophiegeschichte hecheln, findet er frech. Vereinfachungen und Verkürzungen wirft er ihnen vor, ob sie nun David Hume behandeln, Ernst Bloch oder Pierre Bourdieu. Die "Geschichtsklitterung", mit der sie den von Robespierre und Lenin propagierten Terror den "Feinden der Revolution" in die Schuhe schieben, quittiert der Rezensent da nur noch mit Kopfschütteln - aber durchaus auch mit einem Gegenbeleg.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.03.2012

Auf zum
letzten Gefecht
Dietmar Dath und Barbara Kirchner retten in ihrem Buch
„Der Implex“ den Fortschritt – und den Kommunismus
Neulich an der Uni: In einem Hauptseminar zur Geschichte der Medien in der Weimarer Republik wusste keiner der Studierenden zu sagen, was ein Sozialdemokrat im Sinn hatte, wenn er von einem „fortschrittlichen Film“ sprach. Der Fortschritt, soweit er nicht „höher, schneller, weiter“ meint, ist uns abhandengekommen. Die postmoderne Philosophie hat die Masternarrative der Moderne, zu denen der soziale Fortschritt gehörte, beerdigt. Dietmar Dath, Schriftsteller und Feuilletonredakteur der FAZ, und Barbara Kirchner, Professorin für theoretische Chemie der Uni Leipzig, haben sich auf die Suche nach dem verlorenen sozialen Fortschritt begeben, nach seiner „Geschichte und Idee“, wie es im Untertitel heißt. Ihr Buch hätte auch heißen können: Wie wir doch noch den Kommunismus retten können.
Das Buch bietet keine systematische Geschichte sozialen Fortschritts, auch nicht seiner Idee, sondern eine systematisch entwickelte Idee, was sozialer Fortschritt historisch, gegenwärtig und zukünftig sein könnte (was einer gewissen Ironie nicht entbehrt, denn die Autoren sind beinharte Materialisten). Sie untersuchen Wissenschaft, Technik, Geschichte, Künste, Politik und Philosophie nach „dem Implex“, den man vielleicht am besten mit Robert Musils „Möglichkeitssinn“ übersetzt. Es geht darum zu erzählen, was in bestimmten historischen Konstellationen in jedem dieser Felder möglich gewesen wäre und ist, was an Vernünftigem impliziert ist und darauf wartet, expliziert zu werden. Wie bei einer Psychotherapie sollen Emanzipationsblockaden beseitigt werden.
Der Fortschritts-Check ist eine Art Passagenwerk, ein Mosaik materialer, das Detail schätzender Interpretationen. Dath und Kirchner bieten keinen bequemen Panoramablick über die Geschichte sozialen Fortschritts, sondern laden ein, ihnen in einen dichten Dschungel ausgefeilter Argumentationen (kaum ein Satz ohne ein, zwei, drei Parenthesen, die wiederum jeweils drei Mal so lange sind wie diese) zu folgen. Die komplexen Gedanken werden gleichwohl konzentriert, leger und anschaulich vorgetragen. Jeder Satz ist ein intellektuelles Gewitter.
Das Lesen ist harte Arbeit, aber mit der Zeit vermischt sich das mit Lust, Freude, Vergnügen. Gleichwohl ist das Lektüreerlebnis ambivalent. Die Autoren nehmen die Pose von Universaltheoretikern ein. 835 dichte Seiten lang (plus 50 Seiten Fußnoten, Bibliographie etc.) breiten sie ihr Weltwissen mit unzählbaren sprachlichen Einzelschönheiten aus. Sind es Genies? Oder einfach vermessene Alles-Checker, neben denen in der Schule niemand sitzen wollte?
Die Grundmatrix der Argumentation ist dagegen schlicht: Die Autoren folgen einem kategorischen Imperativ, nämlich alle Verhältnisse beseitigen zu sollen, in denen der Mensch unfrei, erpresst und erpressbar ist. Marx’ freie Assoziation aller mit allen gibt die Messlatte, nach denen „Hexis und Praxis“ in der Geschichte des menschlichen Kosmos bewertet werden. Sozialer Fortschritt ist dann, wenn Herrschaft beseitigt wird. Positiv bewertet wird alles, was wie die schottische Aufklärung oder der französische Materialismus der Frühaufklärung zwar unvollkommen, aber doch notwendig und wegweisend hin zu Marx und Engels führt, und alles, was nicht wieder wegführt.
Die Vernunftkritik des 20. Jahrhunderts, auch die von links, wird harsch beurteilt, ob sie aus Frankfurt oder Frankreich stammt; vor allem, wenn sie nicht von den Meistern Adorno und Foucault selbst, sondern von ihren Epigonen stammt, mit denen sich die Autoren vermutlich in jüngeren Jahren an der Uni oder in subkulturellen Milieus erbitterte Schlachten geliefert haben, deren Echo man zuweilen im Implex noch vernehmen kann, nämlich dann, wenn ausgeteilt wird: Sobald von anderen kommunistischen Zirkeln die Rede ist, wird der Ton sofort polemisch.
Dath und Kirchner verweigern der Vernunftkritik, die selbst auf den Schultern der Vernunft steht und diese nicht denunzieren, sondern retten will, den angemessenen Respekt – dabei stehen sie selbst auf ihren Schultern, denn ohne sie würden sie geradewegs in die Arme des Hegelianismus laufen, wie es ihre Vorbilder, die Klassiker des Sozialismus, ja auch taten. Vor allem aber fragen sie sich nicht, warum eigentlich die Idee des Fortschrittes verlorengegangen ist. Die Postmoderne hätte die Moderne nicht beerdigen können, wenn der Traum der Vernunft nicht tatsächlich Ungeheuer geboren hätte. Vor allem der Kommunismus, dem der Impex doch verpflichtet ist, hat hier eine entscheidende Rolle gespielt.
Ist es – moralisch, politisch, intellektuell im Sinne sozialen Fortschritts – in Ordnung, sich mit der kommunistischen Geschichte zu beschäftigen, ohne sich mit ihren Gewaltexzessen auseinanderzusetzen? Lenin ist nicht nur Literatur. Wer nichts über den schuldigen Kommunismus zu sagen weiß, kann nicht den unschuldigen Kommunisten geben.
Zum emphatischen Bekenntnis zur Aufklärung und zur Marx-Orthodoxie kommt eine Wette auf das professionalisierte Wissen, eher der Natur- als der Geisteswissenschaft, und eine Faszination für amerikanische massenkulturelle Produkte und deren Aneignung durch antiautoritäre Subkulturen. Wir haben also Traditionsmarxismus plus den (vermutlich) neuesten Stand naturwissenschaftlicher Theorie plus Pulp Fiction, eine Mischung aus 19. und 21. Jahrhundert. Vor allem die Kapitel, in denen es nicht explizit um die politische Geschichte geht, sind die spannendsten und bergen unzählige Perlen, so über die Frage, warum Wissenschaft im Kapitalismus nicht zwangsläufig kapitalistische Wissenschaft ist. Oder wie das Soziale in Fantasy, Horror und Science Fiction entweder verzaubert oder entzaubert wird. Selbst in ihrer Kritik der Vernunftkritik wissen Dath/Kirchner durchaus zu brillieren.
Was wird man in zwanzig Jahren über dieses Buch sagen? Wird es soziale Relevanz haben, gar im Sinne der Autoren? Oder wird es einfach nur ein Leckerbissen für andere Hochbegabte sein? Eins ist klar: Man muss wieder über Fortschritt sprechen, und man muss wieder über Kapitalismus sprechen; und man muss anders über beides sprechen als bisher. Dieses Buch spricht über beides und teilweise auch anders als bisher. Der Text ist eine lustvolle intellektuelle Spielerei, immer stark, wenn er klassische Ideologiekritik übt (und gleichzeitig zeigt, was darin alles nicht aufgeht) und über das Unfreie im Kapitalismus aufklärt – gute Literatur eben.
Leider fehlt es aber den Autoren an Selbstironie. Dath/Kirchner scheinen ihre Mission bierernst zu nehmen. Sie beharren auf einem archimedischen Punkt, nämlich dem Kapitalverhältnis, mit dem Geschichte und Gesellschaft entschlüsselt werden sollen. Diese K-Gruppen-Askese erstaunt, weil die Autoren eigentlich grenzenlos neugierig sind und es – wie sie ja auch zeigen – im menschlichen Kosmos mehr Dinge gibt, als mit Haupt- und Nebenwidersprüchen oder Tripple- oder Quatrupple-Oppression zu begreifen wäre.
Was in jedem Falle zu beerdigen ist, soll sozialer Fortschritt sich entfalten, sind die großen geschichtsphilosophischen, von Hegel inspirierten Masternarrative über den Fortschritt. Das verkünden auch Dath und Kirchner – ohne allerdings aus Leningrad wegzuziehen. Als kritische Instanz, an der sich vergangene wie gegenwärtige Gesellschaft messen lassen muss, ist die Kategorie des Fortschritts dagegen unverzichtbar. Umso mehr, wenn heutige Geschichtsstudenten keinen Begriff mehr davon haben. Sozialer Fortschritt ist vor allem eine Frage, und noch keine Antwort. JÖRG SPÄTER
DIETMAR DATH, BARBARA KIRCHNER: Der Implex. Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 880 Seiten, 29,90 Euro.
Sobald hier von anderen
kommunistischen Zirkeln die Rede
ist, wird der Ton polemisch
Der Traditionsmarxismus
verbindet sich hier mit
der Faszination für Pulp Fiction
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.03.2012

DIETMAR DATH, Redakteur im Feuilleton dieser Zeitung, und Barbara Kirchner, Schriftstellerin und Professorin für theoretische Chemie in Leipzig, haben mit "Der Implex. Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee" einen Roman in Begriffen vorgelegt, der die Idee, dass morgen alles besser wird, nicht auf den Müll werfen will, nur weil heute nicht alles besser ist als gestern. Von den Revolutionen, Kriegen und Künsten der Neuzeit sagt das Buch, dass ihnen mehr Chancen auf anderes Leben innewohnen, als je hätten ergriffen werden können, und dass es stets mehrere Sorten Fortschritt gibt, die einander ermöglichen, aber auch blockieren: den technischen, den sozialen, den politischen, den ästhetischen und einige, für die bislang noch keine Namen da sind - weswegen das Buch auch ein Versuch ist, einige solcher Namen zu erfinden und auszuprobieren. (Dietmar Dath / Barbara Kirchner: "Der Implex. Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee." Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 880 S., br., 29,90 [Euro].)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Der >Roman in Begriffen<, so hat ein Kritiker das Buch Der Implex. Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee einmal ironisch genannt, ist in den Feuilletons als größenwahnsinnig angefeindet worden. Wenn größenwahnsinnig bedeutet, sich noch eine andere Gesellschaftsordnung vorstellen zu können als den globalisierten Kapitalismus, dann haben Dietmar Dath und Barbara Kirchner ein erhellendes, ungemein gebildetes Aufklärungsbuch vorgelegt.«