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6 Kundenbewertungen

Mit »Der Turm« liefert Stephen King das große Finale seines Romanzyklus »Der Dunkle Turm«, der schon jetzt als moderner Klassiker gilt und in einem Atemzug mit »Der Herr der Ringe« genannt wird. Roland Deschain, der letzte Revolvermann, steht endlich vor dem Ziel seiner epischen Reise, dem Turm selbst, dem Zentrum aller Zeiten, der Mitte aller Welten.

Produktbeschreibung
Mit »Der Turm« liefert Stephen King das große Finale seines Romanzyklus »Der Dunkle Turm«, der schon jetzt als moderner Klassiker gilt und in einem Atemzug mit »Der Herr der Ringe« genannt wird. Roland Deschain, der letzte Revolvermann, steht endlich vor dem Ziel seiner epischen Reise, dem Turm selbst, dem Zentrum aller Zeiten, der Mitte aller Welten.
Autorenporträt
Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk und 2015 mit dem Edgar Allan Poe Award den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis für Mr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen. Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag.
Rezensionen
»Das beste Buch, das King seit mindestens zehn Jahren geschrieben hat.« Frankfurter Allgemeine Zeitung

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2004

Es ist vollbracht

Zweiundzwanzig Jahre hat Stephen King an seinem Hauptwerk "Der dunkle Turm" gearbeitet. Jetzt erscheint der letzte Band des siebenteiligen Zyklus' auch auf deutsch - und ist trotz miserabler Übersetzung eines der literarischen Ereignisse des Jahres.

Der König ist tot, es lebe der König: Während auf deutsch gerade der abschließende Band seines ehrgeizigsten Romanprojekts erscheint und der Autor erklärt, dieses Buch werde sein letzter großer Roman sein, freut sich Amerika schon über erste Ausblicke auf einen anderen, neuen Stephen King.

Der will als Pensionär, Kolumnist bei "Entertainment Weekly" und reifer Raconteur ein bißchen Mutterwitz und Lebensweisheit im Staat der zweiten Bush-Amtszeit verbreiten, der das bitter nötig hat. Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft erscheint also drüben "Faithful", Kings mit seinem Bewunderer Stewart O'Nan verfaßtes Tagebuch zur jüngsten Spielzeit des Lieblings-Baseballteams dieser beiden, der Boston Red Sox. Die haben 2004 ihre beste Saison seit Ewigkeiten hingelegt, was weder King noch O'Nan vorher wissen konnten. "Faithful" ist dank King, der O'Nans pressierliches Pop-Gefuchtel mit fürstlicher Lässigkeit konterkariert, ein hübsches, gemütvolles Buch geworden.

Kings eigentliche Arbeit ist getan: Eine Folge von Büchern unter dem Obertitel "Der dunkle Turm" sollte die wichtigste sein unter den vielen Bänden, die er hinterlassen wird. Sie ist es geworden.

Im ersten Band, der 1982 erschien, hat man den Helden Roland kennengelernt, der mit Revolvern im Gürtel und Zorn im Herzen der Sache dient, die er für das Gute hält. Er verfolgt einen Mann, der ein Land namens Gilead zerstört hat, aus dem Roland kommt. Man bereist eine finstere Welt, die sich selbst vergessen hat: Relikte von Technik und Magie liegen überall herum, Vergangenheit vergammelt auf unordentlichen Haufen. Roland weiß, daß es mehr Welten gibt als diese, unzählige sogar. In ihrer Mitte steht der dunkle Turm, die Achse, um die der Kosmos sich dreht und von der es heißt, sie sei gefährdet. Roland will zum Turm und ihn retten. Im zweiten Band holt er sich, um dieser Mission gerecht zu werden, drei Gefährten aus einer Welt, die unserer ähnlicher ist als seiner.

Drei weitere Bände lang entwirft King danach seine komplexe Geschichte um die Reise zum Turm, bis sich im sechsten auch noch der Autor einmischt, als Negativzwilling Rolands. Der siebte Band heißt "The Dark Tower", erscheint soeben als "Der Turm" auf deutsch und führt die Geschichte zu einem logischen, aber auch überraschenden Ende. Roland erreicht den Turm, und sein Schicksal erfüllt sich, aber anders, als er dachte: Seine Nachtfahrt durch das Land der verlorenen Geschichten war die Entfaltung eines Selbstwiderspruchs - ein einsamer Rächer soll keine Freunde haben. Die Freunde, die er dennoch gefunden hat, zahlen in "Der Turm" den Preis für diese Freundschaft: Ihre Nähe zum Weltenretter hat ihr altes Leben zu Asche verbrannt, sie müssen also entweder sterben oder ganz neu beginnen. Das ist auch als Metapher fürs Versprechen der Literatur zu lesen, das ewig dringliche "Du mußt dein Leben ändern", von dessen Magnetismus auch der Held und sein Autor nicht verschont bleiben. Vor allem aber ist "Der Turm" ein Dokument, das belegt, daß man auch nach den nachklassischen Erschütterungen der Idee literarischer Totalität, welche Romantik, Moderne und Postmoderne hießen, die ganze vielgestaltige Pracht persönlichsten Weltzugangs in ein vollendetes Werk packen kann.

In diesen sieben Büchern wohnt darüber hinaus die amerikanische Erfahrung schlechthin: Schrottplätze und Drive-in-Kinos, Drogen und Popmusik, Texas Rangers und Frühstücksflocken, General Custers letzter Befehl und das verwunschene Kaiserreich Schwarzenegger (vormals Kalifornien). Das hat King schildern können, weil er zwei Dinge in sich vereint, die bei anderen auseinanderfallen: Er ist erstens ein sehr guter Schriftsteller und weiß zweitens genau, wo heute der Platz eines sehr guten Schriftstellers in Relation zur Kulturindustrie sein muß. Der erste Vorzug läßt sich auf englisch leicht demonstrieren, wenn nicht aus jedem seiner Bücher, dann doch auf fast jeder Seite aus "The Stand" oder "Bag of Bones". Wenn King die Einwohner von Maine Dialekt reden läßt, reden sie wirklich wie die Einwohner von Maine - aber das ist noch Pflicht, nämlich etwas, das John Steinbeck auch konnte und selbst heute noch mancher kann. Die Kür besteht darin, daß man, wo bei King der Teufel spricht, das Gefühl hat: Genau so spricht der Teufel. Nicht genug gewürdigt also - das wird sich ändern, wir werden es erleben - sind Kings spezifische dichterische Stimme, seine Gabe, Dinge und Personen überzeugend sprechen zu lassen, die es nicht gibt und nicht geben kann, sein Humor und sein Vermögen, mit kleinen Vorverweisen auf noch zu Berichtendes fast unmerklich das Zeitgefühl beim Lesen zu suspendieren: Es zieht einen hinein und hält einen dort fest.

Leider ist dies alles anhand der erhältlichen deutschen Übersetzungen oft schwer nachprüfbar. Das fängt schon bei Wörtern an, die King aus der Normalsprache nimmt, um sie in eigene, nie gelesene zu verwandeln: Da gibt es etwa die schurkischen "low men", die sowohl aufs Kartenspiel verweisen - eine Pokervariante heißt "Kings and Low Men" - wie, in entferntem Echo, auf die Bibel, nämlich auf jene "lowest of men", die im ersten Buch der Könige von einem Bösewicht zu Priestern geweiht werden. Deutsch gibt man sie aber nicht als "Kerle von ganz unten", "Bodensatzgestalten" oder ähnlich treffend wieder, sondern als, halten Sie sich fest: "niedere Männer", wahrscheinlich aus den Niederlanden. Die "beams", die Roland und seine Freunde durch diverse Welten führen, den dunklen Turm stützen und deren geometrischen Verlauf man etwa an subtilen Spiegelungen in den Wolken erkennt, sind natürlich "Strahlen" wie bei einem Leuchtturm. Auf deutsch jedoch heißen sie, oh je, dummerweise "Balken", weil das im Lexikon eine der angegebenen Bedeutungen von "beams" ist. Leider verkehrt. Die "Walk-Ins" aus dem sechsten Band der Turmgeschichte wiederum sind Besucher aus anderen Welten, der Name ist wunderbar lakonisch und bewußt unpathetisch, weil King seine besonders magischen Erfindungen immer gern betont alltäglich serviert. Man müßte also von "Hereingeschneiten" oder "Laufkundschaft" reden. Wie aber heißen sie jetzt? "Wiedergänger", als wären sie zum Leben erweckte Tote - ein schöner Ausdruck, gewiß, und er hat auch irgendwas mit Fantasy und Horror zu tun, bloß leider nicht das, was dasteht. Und so weiter, und so fort: Von Satzmelodie, Valeurs oder Stimmung wollen wir bei diesem schmerzlichen Gestümper gar nicht erst anfangen. Die Großverlage, die ihn uns servieren, täten gut daran, bei einem Autor von solchem Rang ein paar Euro mehr für Übersetzungen auszugeben, die derzeit offenbar unter menschenunwürdigen Bedingungen entstehen. Natürlich kann man, wenn man keine Lust auf Tausende von Seiten sorgfältiger, nur scheinbar leicht runtergeschriebener englischer Prosa hat, King trotzdem auf deutsch lesen. Denn diese Literatur ist außer schön geschrieben auch so gut, so robust gebaut, daß sie selbst eine Wiedergabe in defektem Gebärden-Chinesisch weitgehend unbeschadet überstehen würde. Trotzdem bleibt schade, daß zahlreiche Deutsche, die King mögen, derzeit nicht wissen können, daß er die Antwort auf eine Frage gegeben hat, die sich unser Friedrich Schlegel einst im "Athenäum" stellte: "Man glaubt Autoren oft durch Vergleichungen mit dem Fabrikwesen zu schmähen. Aber soll der wahre Autor nicht auch Fabrikant sein? Soll er nicht sein ganzes Leben dem Geschäft widmen, literarische Materie in Formen zu bilden, die auf eine große Art zweckmäßig und nützlich sind?"

Die aufgeklärte Stellung zur Kulturindustrie, die King, Fabrikant seines Riesenwerks, Freund des Kinos, Fernsehens und der Unterhaltungsliteratur, stets kultiviert hat, ist neben der glänzenden Schriftstellerei seine zweite große Errungenschaft. Unser und sein Glück war, daß er mit dem Erstling "Carrie" (1974) zu einer Zeit den Buchmarkt eroberte, als dessen Geschicke noch nicht in den Händen der auf Konzernkonzentration vereidigten Krawattenzombies lag, die jetzt internationale Literaturbörsen mit ihrem Betriebswirtschaftsquatsch verwüsten. Damals gab's eine Lektorin, die Kings Kunst so überzeugend fand, daß sie den Mann an Bord geholt hat. Auf ihrem Stuhl sitzen heute Verrückte, die alles über Preiselastizität und Vertriebsmaximierung wissen, aber leider nicht lesen können. Ist denen klar, daß gute Schriftsteller sich nur dann auch gut verkaufen, wenn man sie arbeiten läßt, wie sie das für richtig halten: monoman, textverliebt, größenwahnsinnig? Es ist ihnen nicht klar. Wenn wir es aber nicht vergessen, ehren wir King, einen der Besten. So wird's auszuhalten sein, bis das Wunder wieder geschieht.

DIETMAR DATH

Stephen King: "Der Turm - Der dunkle Turm VII". Heyne-Verlag 2004. 1009 Seiten. 26 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Auch wenn der Rezensent Burkhard Müller durchaus Spaß hat an diesem letzten Teil von Stephen Kings siebenbändigem Horror-Fantasy-Roman, das ganz klassisch die Suche nach einem gralsartigen Objekt episodenweise erzählt, findet er doch den Subtext der Erzählung mehr als bedenklich. Zum einen macht ihm Sorgen, was er in dem Buch über die derzeitige US-amerikanische Befindlichkeit herauszulesen meint, denn "Stephen King ist, bei aller Phantastik, immer der Seismograf Amerikas gewesen". Diesmal malt er das Bild einer paranoiden Gesellschaft, die "nicht die mindeste Fähigkeit und Lust mehr hat, über ihre Nasenspitze hinauszudenken und sich mit der Welt zu verständigen". Zum anderen macht sich Müller Sorgen über den Geisteszustand des Autoren selbst, der auf ihn etwas wahnhaft wirkt: "Wenn jemand glaubt dementieren zu müssen, dass er Gott sei, sollte man genau hinhören. King, diesen Eindruck gewinnt man beim Lesen, steht dem stillvergnügten Irrsinn des Professors Tolkien schon ziemlich nahe". Wenn man all diese Aspekte ausblendet, kann man trotz der Übersetzung, die den amerikanischen Slang des Buches nicht ganz schlüssig ins Deutsche überträgt, an der Lektüre durchaus seine Freude haben, denn King versteht sich auf "den lustbesetzten unendlichen Aufschub des Erzählens".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.02.2005

Welt im Wahn
Das Universum ist gerettet: Stephen King hat den Zyklus „Der dunkle Turm” beendet
„Es ist vollbracht”, verkündet die Rückseite des Buchumschlags, wie der sterbende Jesus am Kreuz. Das ist nicht als Blasphemie gedacht. Mit dem Roman „Der Turm” schließt sich der siebenteilige Zyklus „Der dunkle Turm”, den Stephen King als sein Hauptwerk betrachtet. Es dürfte sich um das voluminöseste Gebilde der westlichen Literatur handeln, vom mehrfachen Umfang der Bibel jedenfalls und mit rund siebentausend Seiten länger als der Herr der Ringe und der gleichfalls auf sieben Bände ausgelegte Harry Potter zusammen.
Die Handlung ist der klassische „Quest”: Ein gralsartiges Objekt in weiter Ferne, das auch den Titel liefert, ruft den Helden und seine verschworene Schar, damit sie ihren Auftrag vollbringen, der natürlich auf nichts weniger als die Rettung der Welt hinausläuft - vieler Welten in diesem Fall, die sich in Schichten und durch mysteriöse Türen verbunden übereinander stapeln. Das für Autor wie Leser Reizvolle an dieser einfachen Grundkonstruktion besteht darin, dass sie den lustbesetzten unendlichen Aufschub des Erzählens erlaubt, indem sie Episode an Episode reiht, ohne je das Ziel ganz aus dem Auge zu verlieren. Wenig hilft es, den Plot knapp zusammenzufassen; das bloße Referat kann leicht den Eindruck des Abstrusen erwecken, wenn man etwa erfährt, dass Mordred, die Werspinne (analog zum Werwolf) nicht nur zwei Väter hat, sondern auch zwei Mütter, von denen die eine ihn physisch im Bauch trägt, die andere aber auch irgendwie mit ihm schwanger geht . . .
Sie reiten keine Ferde nich
Das muss man selber nachlesen und dabei immer wieder, als hätte man es nicht schon hundertmal erlebt, die Erfahrung machen, dass King, der sich ausgreifend in seinen Tableaus einhaust, keinen geknusperten Schokoriegel und keinen Juckreiz seiner Helden an welcher Stelle auch immer auslässt, noch aus den unwahrscheinlichsten Einfällen etwas zu machen versteht, dem man willens wird zu folgen. Seine Figuren bedienen sich einer bilderreichen Sprache voll raubeiniger Lebensweisheit; wer einen Andern zur Entscheidung drängt, tut dies mit den Worten: „Scheiß endlich oder heb dich vom Nachttopf!”; gutgelaunte Ungläubigkeit kratzt sich am Kopf und ruft: „Wälzt mich in Zucker, und nennt mich ’nen verdammten Marmeladekrapfen!”
Solche Dialoge verlangen dem Übersetzer einiges ab; für die Facetten amerikanischer Umgangssprache ein deutsches Äquivalent zu finden, gestaltet sich manchmal schwierig, z. B., wo ein neuenglischer Yankee nicht etwa zitiert, sondern durch einen Dritten spöttisch nachgeahmt wird. Es klingt so: „Wir habn mehr Sommergäste als’n Hund Zeckn. Und sie reiten keine Ferde nich.” Man erkennt, wovon ausgegangen wurde, ohne dass das Resultat wirklich in der Zielsprache Fuß fasst. Vielleicht ist mehr gar nicht möglich.
Dem breiten Behagen, das den Grundton des Buchs ausmacht, kontrastiert ein unglaublicher Grad an Brutalität. Das heißt, Brutalität ist gar nicht das rechte Wort für das eigentlich Empörende der übelsten Passagen. Die Unbeschwertheit, mit der gesprengte Schädel mit platzenden Kürbissen verglichen oder Kruzifixe in die Stirnen von Vampiren gepresst werden „wie ein rotglühender Schürhaken in ein Stück Butter”, kennt man von King schon lange. Diesmal aber kommt eine neue Qualität dazu. Roland, der Revolvermann, und sein Team rüsten sich bis an die Zähne mit automatischen Waffen, um ein nichtsahnendes Arbeitscamp zu überfallen, wo die großen, weltentragenden Stützbalken untergraben werden. Die Art, wie diese destruktive Tätigkeit geschildert wird, verliert trotz Kings Talent zur Plausibilisierung des Hanebüchenen nicht ihren Wahncharakter: Gekidnappte amerikanische Staatsbürger mit telepathischer Begabung sitzen den lieben langen Tag, von widerlichen Untermenschen bewacht, in einer Art Bibliothek und hegen balkennegative Gedanken. Schon ächzt das Gerüst des Kosmos.
Ein Massaker aus dem Hinterhalt, mit erdrückender technischer Übermacht geführt, erscheint hier als Akt schlichter Notwehr. „TÖTET SIE ALLE!” lautet die Devise. Die Untermenschen werden zu Hunderten abgeknallt, Verletzte niedergemacht, wer sich ergeben will, wird erschossen. Speziell die Heldin Susannah, eine junge Schwarze ohne Beine, dafür aber auf einem hochmodernen Motor-Dreirad unterwegs, findet ihren Kick dabei: „Sie hatte acht erledigt, aber das reichte nicht. Der Hunger hatte sie befallen, dieser nackte Hunger. (...) Sie wollte mehr.” Zwischendurch findet sie Zeit - denn die Sache ist völlig ungefährlich, die eigenen Verluste liegen selbstverständlich bei null -, mit ihrem Ehemann zu turteln: „,He Sugarman’, murmelte sie und bedeckte seine Halsseite mit leichten Küssen, die ihn erzittern ließen.” Dann wird nachgeladen und durchgedrückt. Nur einmal erhält ein tödlich verletzter Gegner einen Einzeiler zugewiesen: „Du und die deinen seid ein Rudel feiger Hunde.” Eddie (der soeben süß erzitterte Gatte) bestätigt dieses Urteil sogleich durch die Tat, wünscht „viel Spaß in der Hölle”, setzt dem bereits Sterbenden den Revolver an die Schläfe und feuert. Es ist zum Speien.
Stephen King ist, bei aller Phantastik, immer der Seismograf Amerikas gewesen. Darum haben solche Szenen etwas tief Erschreckendes. „Graham-Kräcker ohne Milch waren fast wie Oreos ohne das weiße Zeug in der Mitte.” Toller Vergleich, was? Es malt sich darin ein Amerika, das nicht die mindeste Fähigkeit und Lust mehr hat, über seine Nasenspitze hinauszudenken und sich mit der Welt zu verständigen. Der Schritt vom Horror zur Fantasy, den King wohl endgültig vollzogen hat, ist auch der von der Ambivalenz zur Eindeutigkeit. Was er dabei verloren hat, lässt die beste Episode ahnen, die etwa fünfzig Seiten lange (also im Rahmen des Buchs eher kurze) Geschichte von Dandelo, der sich den müden Winterwanderern mit seinem gemütlichen Häuschen als eine Gestalt rundum aus Wohlwollen und Humor darbietet. Alles signalisiert „Endlich daheim” - aber insgeheim beginnt sich das Schreckliche zu formieren; wie King hier mit den zwei Gesichtern des menschlichen Gelächters arbeitet, das Befreiung, aber auch das Gefängnis der Tollheit bedeuten kann, das knüpft an seine besten alten Bücher an.
Der Unfall und die Schlüsselzahl
Die entscheidende Wendung, die, wie in „Shining”, durch die erleuchtende Kraft von Buchstabenspielen zustande kommt, führt der Autor Stephen King selbst herbei. King spricht schmunzelnd vom „Deus ex machina”, den er abgebe. Aber der Fall liegt ernster. Er verwandelt sich in eine Figur des Romans, und sein Unfall beim Spazierengehen, an dem er am 19. Juni 1999 beinah gestorben wäre, wird zum Schlüsselereignis: Alles dreht sich um die Zahl 19, auch „Schrull” genannt; die Helden Roland und Jake machen einen Riesenumweg, um King zu retten, denn er muss weiterleben und die Heptalogie zu Ende schreiben, sonst geht das Universum zugrunde.
„Aber Stephen King ist nicht Gott. Zumindest nicht in diesem Fall. Er weiß verdammt genau, dass Jake Chambers nicht am Unfallort war, und auch Roland Deschain nicht - diese Vorstellung ist lächerlich, die beiden sind nur erfunden, verdammt noch mal -, aber er weiß auch, dass das Lied, das er hört, wenn er an seinem raffinierten Macintosh sitzt, sich irgendwann in Jakes Todeslied verwandelt hat, und würde er das ignorieren, würde er den Kontakt zum Ves’-Ka Gan ganz verlieren, und das darf nicht sein.” Wenn jemand glaubt dementieren zu müssen, dass er Gott sei, sollte man genau hinhören. King, diesen Eindruck gewinnt man beim Lesen, steht dem stillvergnügten Irrsinn des Professors Tolkien schon ziemlich nahe.
Das verhindert nicht, dass er immer wieder Sätze schreibt wie diese über eine Rose: „Das Hellrosa ihrer äußeren Blütenblätter wurde nach innen hin zu einem feurigen Rot - genau die Farbe eines Herzenswunsches, wie er fand. Er sank davor auf die Knie, brachte ein Ohr dichter an den rubinroten Blütenkelch heran und lauschte.”
BURKHARD MÜLLER
STEPHEN KING: Der Turm. Der Dunkle Turm VII. Roman. Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner. Heyne Verlag, München 2004. 1009 Seiten, 26 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Die Geschichte von Roland ist vollbracht. Ich hoffe, sie bereitet Freude. Ich habe mich jedenfalls königlich amüsiert."

Stephen King