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Der Protagonist dieser raffiniert gebauten Debütnovelle von Jonas Lüscher, der Schweizer Fabrikerbe Preising, wird auf einer Geschäftsreise in einem gehobenen tunesischen Oasenresort Zeuge aufwendiger Hochzeitsvorbereitungen. Reiche junge Engländer aus der Londoner Finanzwelt haben Freunde und Familie für ein großes Fest um sich versammelt und feiern schon im Voraus ausschweifend, als sich die wirtschaftlichen Krisensignale zur Katastrophe verdichten: Das britische Pfund stürzt ab, kurz danach ist England bankrott, mit unabsehbaren Folgen, die auch Tunesien nicht unberührt lassen. Preising,…mehr

Produktbeschreibung
Der Protagonist dieser raffiniert gebauten Debütnovelle von Jonas Lüscher, der Schweizer Fabrikerbe Preising, wird auf einer Geschäftsreise in einem gehobenen tunesischen Oasenresort Zeuge aufwendiger Hochzeitsvorbereitungen.
Reiche junge Engländer aus der Londoner Finanzwelt haben Freunde und Familie für ein großes Fest um sich versammelt und feiern schon im Voraus ausschweifend, als sich die wirtschaftlichen Krisensignale zur Katastrophe verdichten: Das britische Pfund stürzt ab, kurz danach ist England bankrott, mit unabsehbaren Folgen, die auch Tunesien nicht unberührt lassen. Preising, als Schweizer zwar von den schlimmsten Folgen ausgenommen, muss miterleben, wie dünn die Decke der Zivilisation ist, und lernt seine ganz eigene Lektion in Globalisierung, denn seine Firma lässt in Tunesien fertigen. Auch Preising bleibt nicht ungeschoren.
Spannend, klug konstruiert, durchaus auch komisch, mit unvergesslichen Bildern und einer reichen, beweglichen Sprache erzählt, seziert dieses Buch menschliche Schwächen und zielt dabei mitten ins Herz der Gegenwart.
Autorenporträt
Jonas Lüscher, geboren 1976 in der Schweiz, wuchs in Bern auf, wo er 1994 - 1998 am Evangelischen Lehrerseminar Muristalden zum Primarlehrer ausgebildet wurde. Nach einigen Jahren als Stoffentwickler und Dramaturg in der Münchner Filmwirtschaft studierte er an der Hochschule für Philosophie München (2005 bis 2009). Nebenbei arbeitete Lüscher als freiberuflicher Lektor. Sein Studium schloss er 2009 mit der Erlangung des Magistergrades ab. Anschließend folgten zwei Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften (TTN) der LMU München, gleichzeitig arbeitete er als Ethiklehrer an der Staatlichen Wirtschaftsschule München/Pasing. 2011 wechselte Jonas Lüscher an die ETH Zürich. Er schrieb dort bei Michael Hampe an einer Dissertation über die Bedeutung von Narrationen für die Beschreibung sozialer Komplexität vor dem Hintergrund von Richard Rortys Neo-Pragmatismus. 2012/13 verbrachte er, mit einem Stipendium des Schweizerischen Nationalfonds, neun Monate als Visiting Researcher am Comparative Literature Department der Stanford University. Zum Jahresende verließ Lüscher die ETH, ohne seine Dissertation abzuschließen. Lüscher lebt seit 2001 in München. "Frühling der Barbaren" wurde 2013 für den Deutschen Buchpreis nominiert, ebenso für den Schweizer Buchpreis. 2013 erhielt er den Franz-Hessel-Preis, den und den , 2016 den Hans-Fallada-Preis der Stadt Neumünster.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ijoma Mangold hat so seine Zweifel, was die allgegenwärtigen Rufe nach einer realistischen, politischen und aktuellen Literatur angeht, die nach Möglichkeit die relevanten Themen der Gegenwart verwursten soll, weil es uns nach "existenzieller Dringlichkeit" dürstet. Macht es aber Sinn, der Literatur "die Hochtaktigkeit unserer Liveticker-Welt" abzuverlangen?, fragt sich der Rezensent. Jonas Lüschers Novelle "Frühling der Barbaren" ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Gegenwartsbezüge wenigstens kein Hindernis sein müssen, findet Mangold. Darin erzählt seine Figur Preising einem Ich-Erzähler die Geschichte einer Hochzeitsgesellschaft, die sich in einem Luxusresort in der tunesischen Wüste austobt, als im heimatlichen England das Pfund abstürzt und sich die Reichen plötzlich zahlungsunfähig wiederfinden. Mangold ist so beigeistert von Lüschers Sprache, dass er den Autor auch ohne die politische Relevanz seines Buches als "die große Entdeckung in diesem Jahr" gefeiert hätte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.06.2013

Wenn die
Masken fallen
Jonas Lüschers beeindruckendes
Debüt „Frühling der Barbaren“
Quicky, der dickleibige Brite, fällt auf unter all den wohlgeformten, tadellos gekleideten und in vollendeter Selbstsicherheit sich wiegenden jungen Leuten, die ein üppiges Hochzeitsfest in der tunesischen Wüste feiern, nein, natürlich nicht in der Wüste selbst, Gott bewahre, sondern in einer exquisiten Oase, dem Wellness- und Luxushotel „Thousend and One Night Resort“. Sie sind angereist aus London und gehören einer Kaste an, die kurz davor steht, in den Abgrund gerissen zu werden: global agierende Finanzjongleure. Noch wissen sie aber nichts von ihrem Unglück.
  Die Party steigt, man spart an nichts. Ein perfektes Fest – bis auf ein paar entscheidende Kleinigkeiten. Die Mutter des Bräutigams, die reizende Pippa, verliert plötzlich die Kontrolle, als sie ein Gedicht vorträgt: „Ihre abhandengekommene Souveränität war eine Obszönität.“ Überhaupt herrscht eine „seltsam abgeklärte Stimmung“, getanzt „wurde zugleich mit einem Übermaß an Körperlichkeit und Coolness, gelacht wurde kurz und ironisch“. Während dann der Schlaf die Verdauungsarbeit leistet, „ging England unter“, wie Jonas Lüscher die unerhörte Begebenheit seiner Novelle „Frühling der Barbaren“ lakonisch vermerkt. Der Premierminister verkündet den Staatsbankrott.
  Was nun geschieht, haben einige vorhergesehen, zum Beispiel der Vater des Bräutigams, ein Soziologieprofessor. Der dicke Quicky gehört nicht zu den Propheten, aber in gewisser Weise ist er am besten auf die neue Situation vorbereitet. Der Mann kann a) ein paar Brocken Arabisch, weil er b) im Irak-Krieg gekämpft hat, wo er c) dank seines Geschicks an der Waffe zu seinem Spitznamen kam. Als am Morgen nach der Luxushochzeit bereits alle Kreditkarten gesperrt sind und aus der eben noch hofierten Kundschaft plötzlich Aussätzige geworden sind, denen das Frühstück und der Gebrauch der Duschen verweigert wird, weiß Quicky Abhilfe.
  In einem slapstickhaften Massaker wird aus dem feinen Resort ein Schlachtfeld. Im Pool schwimmt bereits der tote Bademeister Rachid, eine anrührende Nebenfigur des beeindruckend komplexen Büchleins; und gleich wird ein Kamel seinen erbarmungswürdigen Todesschrei ausstoßen. Quicky hat zugestochen, schließlich haben er und seine Leute Hunger. Der Todesschrei des Kamels wiederum dringt ans Ohr der Hauptfigur der Novelle, eines gewissen Preising.
  Dieser Schweizer Mitte Fünfzig, Firmenbesitzer und Geschäftsführer, ist ein zurückhaltender, etwas lethargischer Mann, dessen Firma unter anderem in Tunis produzieren lässt. Der Aufenthalt in der Wüstenoase, der ihn unvorhergesehen hineinkatapultiert in die britische Hochzeitsgesellschaft, dient eigentlich der Aufhübschung einer Dienstreise; das Hotel gehört einem tunesischen Geschäftspartner. Dass Preising zum Beobachter der Feierlichkeiten wird, liegt an seiner Zuneigung zu Pippa, der schon erwähnten Mutter des Bräutigams, die ihn mehr als nur rührt. Sie ist sichtlich befremdet vom Yuppie-Milieu ihres eigenen Sohnes und freut sich, in Preising einen Gleichgesinnten – beide sind Leser – gefunden zu haben.
  England mit seiner enthemmten Finanzpolitik, die Schweiz mit ihrer vermeintlichen Neutralität und der Arabische Frühling, der die Autokraten und einflussreichen Familienclans beiseitefegt: Wie in dieser Gemengelage die „Barbarei“ aufscheint, das hat Jonas Lüscher mit Witz zu einer nachdenklichen Parabel gebündelt. Man hört viele Tonlagen in dem Debüt des 1976 geborenen Schweizers, der in Deutschland lebt. Der Erzählrahmen erinnert an Thomas Bernhard: Ein Ich-Erzähler gibt wieder, wie der handlungs-, aber keineswegs redegehemmte Preising die Story der aus dem Ruder laufenden Hochzeitsfeier auf gemeinsamen Spaziergängen erzählt. Beide befinden sich in einer psychiatrischen Klinik; warum, bleibt offen. Das Wüstenabenteuer ist Preising jedenfalls nicht gut bekommen.
  Jonas Lüscher, der zurzeit in Philosophie promoviert, hat in einem Interview gesagt, das Nicht-Handeln beschäftige ihn sehr, bedrücke ihn auch. Und wer in seiner Novelle nicht handelt, ist vor allem Preising, der reiche Schweizer mit Nummernkonto und schwerfälligem Herzen. Weder dem verzweifelten Kameltreiber vermag Preising zu helfen, der bei einem Zusammenprall seiner Herde mit einem Touristenbus seine ganze Existenz verliert, noch unterbindet er das empörende Arrangement seiner eigenen Firma, die sich der Kinderarbeit bedient. Am Schluss seiner Reise, die längst zu einer Flucht geworden ist, sieht Preising mit eigenen Augen, wie „kleine Schwarzafrikaner meine wertvollen Produkte assemblierten“.
  Man muss Jonas Lüscher dafür bewundern, wie er so viele brandaktuelle Sujets auf knapp 130 Seiten bündelt zu einem Lehrstück über den allzu zarten Firnis der Zivilisation.
INA HARTWIG
Ein Lehrstück über den dünnen
Firnis der Zivilisation
      
  
  
  
  
  
Jonas Lüscher: Frühling der Barbaren. Novelle. Verlag C.H. Beck, München 2013.
125 Seiten, 14,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2013

Aufruhr im Paradies

Vor dem Kater kommt die Kündigung: Jonas Lüschers faszinierende Novelle "Frühling der Barbaren" erzählt in verstörend leichten Worten von der Dramatik eines Börsencrashs.

Der Schritt, der eine Gesellschaft davor bewahrt, die Moral über Bord zu werfen, ist klein. Das ist die bittere Lektion, die der Schweizer Unternehmer Preising aus dem Urlaub mit nach Hause bringt. Dabei steht sie in einem seltsamen Kontrast zu dem unaufgeregten Ton des Erzählers. Was Preising in der nordafrikanischen Wüste erlebt, nachdem er seine Geschäfte in der Stadt erledigt hat, ist eine Geschichte voller unglaublicher Wendungen, abenteuerlicher Gefahren und exotischer Versuchungen. Denn statt bei Anwendungen im Spa-Bereich des Luxushotels zu entspannen, wird er Zeuge von Hochmut und Fall in Zeiten der Krise.

Alles beginnt mit den Vorbereitungen einer luxuriösen Hochzeit, die ein junges Pärchen aus der Londoner Finanzwelt mit allem Prunk und siebzig Gästen, die eigens aus England angereist sind, ausrichtet. Der Leitspruch dieser Welt, je gedeckter die Farben der Badekleidung, desto gedeckter der Scheck, scheint jedoch inzwischen überholt. Das Spiel, auf das sich die jungen Leute im "Thousand and One Night Resort" so gut verstehen, ist vielmehr so wirkmächtig, weil ihnen die irrsinnigen Summen, die sie verdienen und mit denen sie in London tagtäglich hantieren, Sicherheit und Autorität verleihen. Dass diese nur geborgt sind und so sehr schwanken wie die Börsenkurse, wird der jeunesse dorée zum Verhängnis.

Jonas Lüschers faszinierende Novelle spielt zwar in naher Zukunft, erzählt aber wunderbar altmodisch von der Hybris des Kapitalismus und vom wirtschaftlichen Kollaps, ohne je zu moralisieren: "Während Preising schlief, ging England unter. Es hatte sich schon am Abend zuvor abgezeichnet, aber in der Nacht hatten sich die Dinge noch einmal verschlechtert", heißt es in der klug konstruierten Geschichte, deren beiläufiger Ton sich durch die gesamte Erzählung zieht. Preising, Erbe eines Schweizer Unternehmens, das mit der Erfindung der Wolfram-CBC-Schaltung ein Vermögen gemacht hat, freundet sich im Hotel mit Pippa an, der Mutter des Bräutigams, die in einer rührenden Szene während eines missglückten Gedichtvortrags zur Hochzeit dem zur Schau gestellten Pomp zum Opfer fällt. Meist aber sind die Szenen vor allem grotesk, etwa als Preising beobachtet, was geschieht, als bei einem Jeep-Ausflug eine Gruppe Kamele von Touristen überfahren wird.

Während die Zeitungen längst nur noch ein Thema kennen, das überraschende Wiederaufflammen der Finanzkrise und dabei vor allem die mehr als prekäre Lage Englands, wird in schmucken weißen Zelten im lichten Palmenhain des Hotels gefeiert, als sei es das letzte Mal. Dann aber wird über Nacht der Geldhahn zugedreht. Noch vor dem Kater erhalten die Feiernden ihre Kündigungen per SMS. Ihre Plastikkarten sind nichts mehr wert, und auch die arabische Hotelmanagerin hat kein Mitleid mit den zahlungsunfähigen Gästen.

Es ist sicherlich kein Zufall, dass Jonas Lüscher derzeit bei Michael Hampe an der ETH Zürich eine Promotion zu der Frage verfasst, inwieweit Literatur ein geeignetes Werkzeug ist, komplexe soziale Probleme zu beschreiben. In seiner Novelle tut der von Richard Rortys Neopragmatismus beeinflusste Autor dies, indem er die globale Finanzkrise und ihre dramatischen Auswirkungen aufgreift, ohne sie erklären zu wollen. Dem widersetzt sich schon die traditionelle Form der Novelle, die der Autor gewählt hat. Vor allem aber hat Lüscher mit Preising einen Helden ins Zentrum seiner Geschichte gerückt, der selbst niemals handelt, der nicht eingreift und auch keine Verantwortung übernimmt.

Die Geschichte führt in die Barbarei, so viel sei an dieser Stelle verraten. Doch darf man nicht übersehen, dass Preising inzwischen wie der Begleiter, dem er von den Begebenheiten in Tunesien erzählt, Insasse einer psychiatrischen Anstalt ist. Noch also ist nicht ausgemacht, was in dem durchaus realistisch geschilderten Szenario Realität ist und was Preisings Wahn entspringt.

Der Autor will in einer auf analytisches Wissen fixierten Gesellschaft die Literatur als Mittel zur Beschreibung der Welt profilieren, die sich eben nicht wie mathematische Modelle mit allgemeinen Erfahrungen begnügen muss, sondern den Einzelfall betrachten kann. Das scheint die Wissenschaft zu interessieren. "Frühling der Barbaren" ist nämlich nicht nur ein gelungenes literarisches Debüt, sondern inzwischen sogar Bestandteil von Lüschers Promotionsschrift.

SANDRA KEGEL

Jonas Lüscher: "Der Frühling der Barbaren". Novelle.

Verlag C. H. Beck, München 2013. 125 S., geb., 14,95 [Euro].

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»Ein absolut brillantes Buch. Für mich ist Jonas Lüscher die große Entdeckung in diesem Jahr.« Ijoma Mangold, Die Zeit