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Auf dem Thuner See treffen im März 1798 drei Menschen zusammen, die sich - nach dem Einmarsch der französischen Truppen und dem Zusammenbruch des Ancien Régime - in einer gefährlichen Lage befinden: Einer von ihnen, der mächtigste Mann der Schweiz, wurde einen Tag zuvor zum Rücktritt aus seinem Amt gezwungen. An seiner Seite ein junger Korporal, der zwischen Angst und Loyalität schwankt, und eine junge Frau, die einen Franzosen erschlug. Lukas Hartmann erzählt das Schicksal der drei als dramatische Verdichtung eines Epochenumbruchs.»Auf packende Art lässt dieser Roman die große Geschichte lebendig werden.« Berner Zeitung…mehr

Produktbeschreibung
Auf dem Thuner See treffen im März 1798 drei Menschen zusammen, die sich - nach dem Einmarsch der französischen Truppen und dem Zusammenbruch des Ancien Régime - in einer gefährlichen Lage befinden: Einer von ihnen, der mächtigste Mann der Schweiz, wurde einen Tag zuvor zum Rücktritt aus seinem Amt gezwungen. An seiner Seite ein junger Korporal, der zwischen Angst und Loyalität schwankt, und eine junge Frau, die einen Franzosen erschlug. Lukas Hartmann erzählt das Schicksal der drei als dramatische Verdichtung eines Epochenumbruchs.»Auf packende Art lässt dieser Roman die große Geschichte lebendig werden.« Berner Zeitung
Autorenporträt
Lukas Hartmann, 1944 geboren, lebt als freier Schriftsteller und Journalist in Bern. Für seine Romane - wie für seine Kinder- und Jugendbücher - wurde er mehrfach ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.06.2007

Die Scheu vor dem unbekannten Meer
Lukas Hartmanns Roman „Die letzte Nacht der alten Zeit”
Eine Schifffahrt, die über zweihundert Romanseiten dauert, müsste mindestens über ein weites Meer führen. Hier führt sie über den Thunersee in der Schweiz. Dem Mann, der auf dem Schiff unter den Wolldecken liegt, kam das offene Meer ohnehin schon immer widernatürlich vor. Der Mensch, ohne Schwimmhäute und Flossen geboren, gehöre aufs Land, nicht aufs Wasser, scheint ihm. Ins behäbige Bern zum Beispiel, wo er selbst, Niklaus Friedrich von Steiger, bis vor kurzem noch Schultheiß war. In dieser Märznacht 1798 ist er nun also auf dem Schiff, ein Fliehender, begleitet nur vom Korporal Dubi von der Berner Stadtwache, den er zum Schutz seiner Person aufbot.
Steiger hatte aus der Republik Bern das Treiben des Pariser Revolutionspöbels mit Argwohn verfolgt und, als das französische Heer unter Napoleons Feldmarschall Brune heranrückte, sich gegen die Meinung anderer Stadträte nicht fürs Paktieren, sondern für den bewaffneten Widerstand entschieden. Doch die Schlacht ging verloren. Darum sitzt er nun auf dem Schiff. Abgesehen von zwei weiter nicht ins Gewicht fallenden Herren aus Freiburg sitzt neben ihm und Dubi nur noch eine Unbekannte dabei. Sie heißt Maria und ist ebenfalls auf der Flucht, denn sie hat in Notwehr mit der Hacke einen französischen Soldaten erschlagen. Sie will nach Isenfluh, hoch oben im Lauterbrunnental, zu ihrem hoffentlich künftigen Gatten, einem Holzfäller, Alphirten und Deserteur der Schweizer Armee.
Im breiten Angebot historischer Romane muss man heute als Autor genau wissen, wie man Fakten in erdachte Anekdoten betten will, oder umgekehrt. Der Schweizer Lukas Hartmann hat sich in diesem Buch für die erinnerte Ereignisrückblende im Kopf seiner drei Hauptfiguren während der Überfahrt entschieden. Das ist weitgehend gelungen. Tatsächlich blättert nur wenig angelesenes Geschichtsdetailwissen von den Figuren ab. Die leere Zeit des Übersetzens auf dem nächtlichen See gerät so zur Allegorie einer Schaukelpartie zwischen alter und neuer Zeit, in der ohne feste Geschichtskoordinaten jeder nach seiner eigenen Himmelskonstellation navigiert. Die vereinzelten Rufe von Freiheit, besserer Zukunft oder von Chaos und Untergang verklingen ziemlich resonanzlos in der Nacht des individuellen Bangens und Hoffens. Maria, der als Dienstmagd eines Viehhändler das Frieren zur zweiten Natur permanenter Entbehrung geworden war und die den Franzosen nicht aus Überzeugung erschlug, sondern „weil es nicht anders ging”, träumt nun von Frieden und Glück bei dem – ihr erst flüchtig bekannten – Johann hoch oben im Tal, mit ein paar gackernden Hühnern um sie her und vielleicht einem vor sich hin lallenden Kleinkind. Ähnlich hofft auch der Korporal Dubi, so schnell wie möglich aus der ihm aufgezwungenen Heldenrolle des Revolutionsgegners herauszukommen, den Schultheiß seinem Schicksal zu überlassen und mit seiner Anna, die ihm einst bis ins Fremdenregiment nach Utrecht gefolgt war, gemeinsam friedlich zu altern.
Die Heilige Allianz
In der mosaikhaft angelegten Kapitelfolge der drei Erlebniswelten bleibt somit wenig Raum für frei stehende objektive Geschichtsrealität. Tuileriensturm, Hinrichtung des Königs, napoleonische Feldzüge kommen nur im Spiegel persönlichen Erlebens vor. Selbst Schultheiß Steiger gleitet in seinen Wachträumen auf dem Schiff immer neu in Privaterinnerung ab. Das zugleich schmerz- und lustvolle Stoppelgefühl des Knaben an den nackten Fußsohlen im Patrizieranwesen von Morges am Genfersee, die Schule der klaren Urteilsbildung in den Vorlesungen des alten Christian Wolff an der Universität Halle, die Sorge um den missratenen Sohn sind so präsent im Kopf des gealterten Mannes wie die spontane Abneigung gegen Revolutionswirren, das tiefe Misstrauen gegenüber dem korsischen Tyrannen und die Erinnerung an den Streit mit dem politischen Rivalen im Stadtrat von Bern. Wie das offene Meer scheut Steiger auch das Ungesicherte in Politik und Alltag. Seine aufklärerische Ungeduld war bald hinter persönliche Karriereambition zurückgefallen und ließ die Berner Bürgerrepublik in altväterlich konservativer Reformscheu verfilzen. Nach der Überquerung des Thunersees will der Alt-Bürgermeister nun über den Brünig zum Bodensee und weiter nach Augsburg kommen, um mit einer Allianz Preußens und Österreichs, vielleicht Russlands, gegen die Franzosen die alte Zeit vielleicht doch noch zu retten.
„Und was meinst du zum Meer?” – fragt Steiger einmal seinen verdutzten Begleiter. Er ahnt, dass seine Scheu vor dem Unbekannten zu den Schwächen seines Charakters zählt. Dem Maler Johann Wäber, der unter dem Namen John Webber als Zeichner mit James Cook durch die Welt fuhr, geht er sorgsam aus dem Weg. Nur das Vorspiel des jungen Mozart, dem er einmal beigewohnt hatte, blieb im Geist Steigers als Ahnung von etwas Größerem, Unfassbarem hängen. Im dunklen Glanz dieser reizvoll geschliffenen Geschichtsfigur spiegelt sich in diesem Buch eine historische Zeitenwende. Seltsam ist nur, wie diskret der Roman auf dem anderen Seeufer die beiden übrigen Figuren in ihr Privatglück entlässt.JOSEPH HANIMANN
LUKAS HARTMANN: Die letzte Nacht der alten Zeit. Roman. Nagel & Kimche, München 2007. 287 Seiten, 21,50 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lukas Hartmann lässt in diesem historischen Roman den Berner Schultheiß, einen Korporal der Berner Stadtwache und eine Dienstmagd, die in Notwehr einen französischen Soldaten erschlagen hat, in einer Märznacht 1798 zu Schiff über den Thunersee flüchten, und nach Ansicht von Rezensent Joseph Hanimann gelingt es dem Schweizer Autor ganz gut, seine Erzählung in Rückblenden der drei Hauptfiguren zu entwickeln. Kaum je stören den Rezensenten "angelesen" wirkendes historisches Hintergrundwissen, und insgesamt gewinnt die Übergangszeit der Französischen Revolution in den subjektiven Erinnerungen und Gedanken der Figuren Kontur, lobt Hanimann. Insbesondere die Figur des Schultheiß', der versucht, der Französischen Revolution militärischen Widerstand entgegenzusetzen, findet Hannimann reizvoll. Ein bisschen bedauert er es dagegen, dass man am Ende nicht erfährt, was aus den beiden anderen Hauptfiguren wird, und Hartmann sie sang- und klanglos im Dunkel der Geschichte verschwinden lässt.

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