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Neue Dialoge "über das Unglück, ein Grieche zu sein" "Wir Griechen verdanken den Deutschen viel. Unseren ersten König, unser Recht, die neo-klassische Architektur und viele Ausgrabungen. Und nicht zu vergessen: unsere Identität oder zumindest einen Teil davon." Und das ist eher ein Unglück. Denn seit Winckelmann die alten Hellenen erfand und den Mythos einer idealen Staatswelt in der griechischen Antike ansiedelte, wurde das Ego der Griechen allmählich etwas zu groß für ihr Land. Schließlich sollten sie auch noch Europäer werden und waren auch damit, wie sich inzwischen herumgesprochen hat,…mehr

Produktbeschreibung
Neue Dialoge "über das Unglück, ein Grieche zu sein"
"Wir Griechen verdanken den Deutschen viel. Unseren ersten König, unser Recht, die neo-klassische Architektur und viele Ausgrabungen. Und nicht zu vergessen: unsere Identität oder zumindest einen Teil davon." Und das ist eher ein Unglück. Denn seit Winckelmann die alten Hellenen erfand und den Mythos einer idealen Staatswelt in der griechischen Antike ansiedelte, wurde das Ego der Griechen allmählich etwas zu groß für ihr Land. Schließlich sollten sie auch noch Europäer werden und waren auch damit, wie sich inzwischen herumgesprochen hat, restlos überfordert Nikos Dimous neue Reflexionen "über das Unglück der Griechen" sind in der Form platonischer Dialoge geschrieben. Er und seine internationalen Gesprächspartner wundern sich über so manches: warum Griechen im Ausland plötzlich zivilisiert Auto fahren, warum sie schon zur Begrüßung über alles klagen und was es mit dem griechischen Licht auf sich hat.Gut, dass es nun endlicheine Erklärung für alles gibt und einen Nachfolgeband für Dimous wunderbar geistreichen Bestseller Über das Unglück, ein Grieche zu sein.
Autorenporträt
Der Philosoph Nikos Dimou, geb. 1935 in Athen, studierte in Athen und München und ist Autor von über 60 Büchern. Bekannt wurde der streitbare Intellektuelle durch seine Fernsehtalkshows, Radiosendungen und vielbesuchten Blogs. Sein berühmter Aphorismenband 'Über das Unglück, ein Grieche zu sein' erschien zuerst 1975 und wurde in der deutschen Erstausgabe 2012 auch hier ein Bestseller.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein fundiertes und äußerst interessantes Buch sieht Rudolf Walther in Nikos Dimous "Die Deutschen sind an allem schuld" vorliegen. Auf zugängliche Weise liefere Dimous anhand von Dialogen, die der Autor mit realen sowie fiktiven Gesprächspartnern führt, Einblicke in das komplexe Verhältnis von Griechenland zu Europa. Der Philosoph und Schriftsteller rekapituliert, so freut sich der Rezensent, in jenen "sokratisch inspirierten" Dialogen die historischen Koinzidenzen, die einerseits die Griechen - gegen deren Willen und deren Eignung - zu Erben der Hellenen werden ließen und andererseits dazu führten, dass Griechenland sowohl in- und außerhalb Europas liegt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2014

Deutsche Verschwörung
Griechen in der Krise: Nikos Dimou kennt die Schuldigen

In Griechenland ist Nikos Dimou eine Institution. Bekannt durch Fernsehtalkshows, Radiosendungen und als Autor zahlreicher Bücher. Weltoffen und kritisch nimmt er auf manche Empfindlichkeiten seiner Landsleute wenig Rücksicht. Damit machte sich der heute Neunundsiebzigjährige dort nicht nur Freunde. Die fand er aber in Deutschland mit seinem Buch "Über das Unglück, ein Grieche zu sein". Aphorismen, die zwar vor annähernd vierzig Jahren geschrieben und schon publiziert waren, aber in Deutschland erst 2012 veröffentlicht wurden, als die Diskussion über den Schuldenberg der Griechen die Gemüter bewegte.

Das war der richtige Zeitpunkt, das Buch wurde ein Bestseller. Den provokant klingenden Titel des neuen Buches erklärt der Autor im Vorwort: Gar nicht erwähnend, dass man heute in Griechenland, wegen der jetzt von der Europäischen Union verordneten Sparmaßnahmen, diese oder ähnliche Worte tatsächlich lesen und hören kann, bestimmt er zum wahren Schuldigen des lang andauernden und vielbeklagten Elends der Griechen einen deutschen Provinzantiquar namens Johann Joachim Winckelmann, der im Jahr 1768 verstarb. Denn dieser Gründer der klassischen Archäologie zeichnet in seinen Schriften ein idealisiertes Bild vom antiken Griechenland.

Auf die allzu strahlend geschilderte Geschichte ihres Landes vor fast 2500 Jahren berufen sich die heutigen Griechen gern, das stärkt ihr Ego. Andererseits drückt sie der Vergleich mit der damaligen Zeit auch nieder. So schwankt ihr Bewusstsein zwischen Stolz und Minderwertigkeitsgefühlen. Ein bedauernswerter Zustand, an dem vor allem Winckelmann, Goethe, Hölderlin und all die anderen Griechenland-Schwärmer schuld sind.

Das Buch umfasst zwölf Aphorismen. In Form von Gesprächen, meist mit Nicht-Griechen, versucht Dimou Probleme, aber auch Eigenarten der Griechen zu beleuchten. Nur drei handeln von der augenblicklichen Lage in Griechenland. Die Dialoge sind fiktiv, aber nicht die Inhalte: Dass viele Griechen meinen, die Finanzkrise ihres Landes sei die Folge einer westlichen, vor allem deutschen Verschwörung, um ihr Land zu verelenden, ist kein pointierter Einfall des Autors, das behauptet in Athen auch mancher Taxifahrer.

Die bei uns vieldiskutierte Frage, wie sich ein Land trotz enormer Subventionen in kurzer Zeit so maßlos verschulden konnte, beantwortet Dimou mit einem schönen Vergleich: Als Griechenland in die Eurozone kam, reagierten Politik und Gesellschaft "wie ein Kind, das man in einem Süßwarengeschäft von der Leine lässt". - Da gibt es kein Halten mehr! Dass daran und an den vielen anderen bekannten Problemen des Landes - aufgeblähte Verwaltung, Gesetzeswirrwarr, allgegenwärtige Korruption, ausufernde Schattenwirtschaft und verbreiteter Steuerbetrug - die deutschen Griechenland-Schwärmer schuld sein sollen, behauptet Dimou nicht, aber er meint, die "Deutschen" (und all die anderen Kreditgeber) "sind mitschuldig" an dem Finanzdesaster, weil sie die Kredite nicht gestoppt haben, als die ersten Anzeichen der griechischen Wirtschaftskrise sichtbar wurden. Dabei geht er mit keinem Wort auf die naheliegende Frage ein, wie sich die wirtschaftliche Lage Griechenlands entwickelt hätte, wenn damals die Kredite gestoppt worden wären.

Die übrigen neun Aphorismen hat Dimou schon vor der Finanzkrise geschrieben. Sie zeigen ihn in seinem Element. Er greift unter anderem ein in Griechenland heißes politisches Thema auf: den Namensstreit um die ehemals jugoslawische Republik Makedonien. Nach dem Zerfall Jugoslawiens wollte nämlich die griechische Politik der nun unabhängigen Republik diesen Namen nicht mehr zugestehen. Demonstrationen, hysterische Reaktionen in Athen waren die Folge. Um etwas Ratio in die Diskussion zu bringen, verlegt Dimou das Gespräch in die Antike. Sokrates tritt auf. Der Dialog ist betitelt: "Namen sind Schall und Rauch".

Immer wieder beschäftigt sich Dimou mit dem Identitätsproblem der heutigen Griechen. Etwa mit der Bedeutung des orthodoxen Glaubens: Jeder nichtorthodoxe Christ ist ein Bürger zweiten Ranges. Direkte Abkunft von den verehrten Alten? Im Dialog fallen die Worte: "Biologisch und genetisch ist, wie du weißt, jede Theorie, die eine Kontinuität über 2000 Jahre behauptet, Unsinn." Das glaubt natürlich kein Grieche, auch nicht Dimou, der in einem anderen Dialog darüber sinniert, dass die Griechen das "Salz der Erde", ein "auserwähltes Volk" sind: "How odd of Jesus to choose us."

Das haben nicht einmal Winckelmann und die anderen deutschen Griechenland-Schwärmer gedacht. Sie waren aber auch nie in Griechenland. In einem Nachwort führt Dimou historische Traumata, wie die Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer anno 1204, als Gründe für die heute verbreiteten antiwestlichen Tendenzen an und beklagt die Kommunikationsprobleme zwischen Griechenland und dem übrigen Europa. Er ist sich der problematischen Situation Griechenlands in der EU bewusst: "Wie lange kann man einem Klub angehören, bei dem man nur kassiert, keinen Beitrag bezahlt und sich ständig beschwert."

RAIMUND WÜNSCHE.

Nikos Dimou: " Die Deutschen sind an allem schuld". Übersetzt von Maro Mariolea. Verlag Antje Kunstmann, München 2014. 119 S., br., 9,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.06.2014

Die erfundene Nation
Nikos Dimou zeigt die Geburt der modernen Griechen aus dem Geist deutscher Sentimentalität
In Griechenland ist der 1935 geborene Philosoph und Schriftsteller ein Star, aber hierzulande blieb Nikos Dimou unbekannt, bis der Verlag Antje Kunstmann vor zwei Jahren seinen Klassiker „Über das Unglück, Grieche zu sein“ herausbrachte. Jetzt erschien ein weiteres Büchlein unter dem Titel „Die Deutschen sind an allem schuld“, wobei an der Stelle der „Deutschen“ auch „Griechen“ auf dem Titel zu lesen ist, nur dass dieses Wort durchgestrichen wurde.
  Oberflächliche Leser halten den Autor der lustigen Geschichten und fröhlichen Aphorismen für einen Humoristen, aber das ist eine Fehleinschätzung. Dimou ist ein ebenso leidenschaftlicher wie böser Satiriker, der Züge der gesellschaftlichen Gegenwart zuspitzt und verschärft, bis hinter der Fassade die böse Realität in ihrer Absurdität erkennbar wird.
  In seinem jüngsten Buch bedient sich Dimou nicht der aphoristischen Zuspitzung, sondern sokratisch inspirierter Dialoge zwischen ihm und realen sowie fiktiven Gesprächspartnern, die gemeinsam griechische Zustände, Befindlichkeiten und Traditionen entschleiern.
  Den Kern dieser Dialoge bildet die These, dass die Griechen „den Deutschen vieles verdanken“ – und damit sind nicht die ominösen „Rettungspakete“ der letzten Zeit gemeint, die vielen nützten, aber nicht den Griechen. Die Griechen verdanken Deutschen und anderen Nordeuropäern wie Johann Joachim Winckelmann über Goethe und Hölderlin bis zu Lord Byron und anderen Vertretern der Romantik die zweifelhafte Zuschreibung, sie seien die legitimen Erben der alten Hellenen und ihrer Kunst und Kultur.
  Dieses Erbe, das erst 1827 mit militärischer Hilfe von Briten, Franzosen und Russen – unter intellektuellem Beistand von Deutschen – den vom osmanischen Reich befreiten Griechen auferlegt wurde, überforderte und erdrückte die Neugriechen. Mit den alten „Hellenen“ – das Wort war 1500 Jahre lang verboten – hatten die 1827 zu 98 Prozent analphabetischen Neugriechen so wenig zu tun wie mit deren Sprache und Kultur. Der Westen machte aus den zivilisatorisch rückständigen „Romii“ fast über Nacht „Neogriechen“ mit antikem Rucksack. Die materiellen Überreste der Hellenen – Tempel, Theater, Burgen – verbauten die erfundenen „Neugriechen“ zu Wohnhäusern und orthodoxen Kirchen, das immaterielle kulturelle Erbe ignorierten sie. Altgriechische Texte werden bis heute nicht in Athen, sondern in Oxford, Paris und Leipzig ediert.
  Das neue Griechenland leidet seit seiner Entstehung an einer Überlast an Importen aus dem Westen: Recht, Demokratie, Parlament, Monarchie und andere Institutionen. Das angeblich europäische Erbe war den „Neoaltgriechen“ von 1827 so fremd wie das vom Göttervater Zeus aus Kleinasien entführte und vergewaltigte Mädchen Europa, das mit dem Trost abgespeist wurde, es werde für sein Schicksal „entschädigt“, weil es dem Kontinent seinen Namen geben dürfe. Bei den „Neoaltgriechen“ führte die Erblast zu einer Mischung aus Superioritäts- und Inferioritätsgefühlen gegenüber dem Rest der Welt, insbesondere dem Westen.
  Dimou macht in seinen subtilen Dialogen deutlich, dass sich die Griechen bis heute nicht zu Europa zählen. Wer nach Paris oder, wie Dimou, nach München zum Studium geht, sagt, er fahre nach „Europa“. Andererseits nehmen Griechen mit offenen Händen, was vom Westen kommt. In der EU verhielt sich die wirtschaftliche und politische Elite Griechenlands „wie ein Kind, das man in einem Süßwarenladen frei herumlaufen lässt“.
  Aber Dimou spricht die Kreditgeber nicht frei von Schuld. Mit etwas mehr Sorgfalt hätte man Gefahren und Risiken vermindern und der Korruption Grenzen setzen können. Dimous Büchlein vermittelt auf leichte Weise fundierte Einsichten in eine komplexe, von historischen Traumata geprägte Geschichte, mit der „Europa“ und Griechenland noch lange zu tun haben werden.
RUDOLF WALTHER
Nikos Dimou: Die Deutschen sind an allem schuld. Aus dem Griechischen von Maro Mariolea. Verlag Antje Kunstmann, München, 2014. 119 Seiten, 9.95 Euro.
Rudolf Walther ist freier Publizist. Zuletzt erschien von ihm: „Aufgreifen, begreifen, angreifen. Historische und politische Essays“, Band 3, Münster 2013 (Oktober Verlag).
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