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Die rot-grüne Ära war eine Zeit des Umbruchs. Ihre Wirkungen prägen die Bundesrepublik bis heute. Atomausstieg, Agenda 2010, Krieg und Frieden - es waren dramatische Jahre, in denen Tabus gebrochen wurden. Auf der Grundlage exklusiven Archivmaterials legt Edgar Wolfrum die erste aus den Quellen gehobene Geschichte Deutschlands zwischen 1998 und 2005 vor. Die rot-grünen Jahre sind bis heute umstritten. Epochale innenpolitische Reformen erhöhten den Pulsschlag der Politik und bewirkten eine gesellschaftliche Polarisierung wie selten zuvor. Soziale Krise, forcierte Globalisierung und…mehr

Produktbeschreibung
Die rot-grüne Ära war eine Zeit des Umbruchs. Ihre Wirkungen prägen die Bundesrepublik bis heute. Atomausstieg, Agenda 2010, Krieg und Frieden - es waren dramatische Jahre, in denen Tabus gebrochen wurden. Auf der Grundlage exklusiven Archivmaterials legt Edgar Wolfrum die erste aus den Quellen gehobene Geschichte Deutschlands zwischen 1998 und 2005 vor. Die rot-grünen Jahre sind bis heute umstritten. Epochale innenpolitische Reformen erhöhten den Pulsschlag der Politik und bewirkten eine gesellschaftliche Polarisierung wie selten zuvor. Soziale Krise, forcierte Globalisierung und internationaler Terrorismus: Um die Jahrtausendwende veränderte sich die Welt in einer rasanten Geschwindigkeit. Mit drei Kriegen wurde die Regierung Schröder-Fischer konfrontiert, im Kosovo, in Afghanistan und im Irak. Mehrmals drohte die Koalition auseinanderzubrechen. Die schwierigen und temporeichen Zeitläufte verlangten den Menschen viel ab. Erfolg und Scheitern lagen auf vielen Feldern nahe beieinander. Das glänzend geschriebene Buch entfaltet ein beeindruckendes Panorama des Übergangs vom 20. zum 21. Jahrhundert, behandelt gleichgewichtig Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur und führt uns die Akteure dieser Jahre in ihren Siegen, aber ebenso in ihren Irrungen und Wirrungen vor Augen. Neues und Überraschendes wird zu Tage gefördert - ein spannendes Stück Zeitgeschichte.
Autorenporträt
Edgar Wolfrum, geb. 1960, ist Professor für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg. Studium der Geschichte, Politikwissenschaft, Germanistik und des Spanischen. Promotion 1990, 1991 - 1994 Leiter des Förderungsreferats für Geschichte bei der Volkswagen-Stiftung, 1999 Habilitation.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als Schutz vor Verklärung des aktuellen Krisenmanagements empfiehlt Rezensent Karl-Rudolf Korte das Buch von Edgar Wolfrum über die rotgrünen Jahre 1998-2005. Wolfrums umfassendes Zeitpanorama stellt den Machtwechsel als historische Zäsur dar, schreibt Korte, der die Exaktheit der zeitgeschichtlichen Interpretation im Buch lobt und den erfrischenden Umstand, dass der Autor neben den Akten auch Zeitzeugen zu Wort kommen lässt. Wenn auch nicht jede Einzelheit vorkommt, dem Rezensent genügt der Fokus auf das Wichtigste und das Einhalten der eigenen Maßstäbe für die Beurteilung der Regierungszeit von Rotgrün, hier etwa die Berücksichtigung der Entwicklung des europäischen Wohlfahrtsstaates. Der Autor hält sich dran, stellt Korte befriedigt fest, und legt einen umfassenden Blick auf die historische Wirklichkeit vor, in der nicht zuletzt der 11. September 2001 das Regieren dramatisch veränderte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.2013

Papa, gib nicht so an!
Ist alles Vergangene auch schon Vergangenheit? Der Heidelberger Zeithistoriker Edgar Wolfrum schreibt auf der Überholspur die Geschichte von Rot-Grün

Einen Sack kann man nicht gut von innen zuziehen. Wie verhält sich das mit der Zeitgeschichte? Vor uns liegt auf mehr als achthundert Seiten die Darstellung, die der Heidelberger Historiker Edgar Wolfrum von der Regierungsperiode Gerhard Schröders und Joschka Fischers gibt. Das ist noch nicht lange her, aber ist es damit bereits Historie?

Wird sie vom bloßen Zeitablauf her definiert, gibt es keinen Grund, das zu verneinen. Alles, was gestern, nein, heute Morgen war, ist dann jetzt Geschichte. So gesehen, spräche nichts dagegen, wenn gerade jemand an einer Geschichte des Außenministeriums unter Westerwelle säße und dem Nachfolger schon die Daumen drückt, damit das Manuskript endlich in Druck gehen kann. Hauptsache, die Zeit ist vergangen, das Personal nicht mehr im Amt, die Zeitung im Archiv.

Doch ist alles Vergangene auch schon Vergangenheit? Das umgekehrte Problem ist von fernen Epochen her bekannt, wenn deren "Gegenwart" oder Fortwirken behauptet wird: Die Gegenwart der Antike oder das immer noch immer nicht vergangene zwanzigste Jahrhundert - Vergangenheit, die angeblich nicht vergangen ist. Für Wolfrum muss Rot-Grün so etwas wie die Antike oder die Entdeckung Amerikas sein, denn er ermahnt sich allen Ernstes gegenüber dieser Epoche, man müsse "sich vor übergroßer Aktualisierung hüten". Dazu passt es dann aber nicht ganz, wenn der Zeithistoriker seinem Gegenstand Epochencharakter zuschreibt, damit sich die Gegenwart auf die Jahre um 2000 als auf ihren zurückliegenden Beginn, gewissermaßen auf den jugendlichen Aufbruch beziehen kann, dem dann bald Erwachsenwerden und Entsagung folgten.

Wolfrums Buch macht genau diesen Eindruck, dass das bloße Abgerissensein des Kalenderblatts selbst dem Historiker nicht genügt. "Wie historisch war 1998?", fragt er und notiert selbst, dass die Vokabel "historisch" inflationär verwendet wird, hält sich dann aber doch an die entsprechende Selbstbeschreibung des rot-grünen Personals samt befreundeten Journalisten. Zum ersten Mal eine linke Mehrheit, zum ersten Mal die Regierungsparteien komplett ausgetauscht, noch nie so viel Frauen in der Regierung - ein kurioser Gesichtspunkt, wenn die nächste "Epoche" mit der ersten Kanzlerin einsetzt -, noch nie zuvor die Generation von 1968 so stark an der Macht. (Na ja, wer 1968 fünfundzwanzig war, der war eben 1998 Mitte fünfzig, vorher gibt's in ruhigen Zeiten nur ausnahmsweise Macht.)

Außerdem konstatiert Wolfrum, in den Jahren nach 1998 habe sich ein gravierender Umbruch ereignet, "die Welt veränderte sich schneller als zuvor", die Nation trat - um 1998 - hinter globalen Fragen zurück, teils durch die Wirtschaft, teils durch den Balkankrieg, teils durch den Terrorismus. Die alte Bundesrepublik ging zu Ende. Das Ende der Nachkriegszeit. Der dritte Weg und die Neue Mitte. Der Übergang vom zwanzigsten ins einundzwanzigste Jahrhundert - jedenfalls in Deutschland, anderswo vielleicht früher oder später.

Man kann sich gar nicht mehr retten vor lauter Neuheiten. Natürlich hat gar keiner gemerkt, dass damals die Linke an der Macht war. Natürlich wäre es etwas übermütig, Franz Müntefering, Karlheinz Funke, Werner Müller, Bodo Hombach und Ulla Schmidt als 68er zu verbuchen. Natürlich ist die wahrgenommene Veränderungsgeschwindigkeit der Welt stark von den Verfallsraten der Zeitdiagnosen abhängig. Und natürlich hat es etwas unglaublich Naives, Geschichte in erster Linie als Regierungsgeschichte zu schreiben. Im Personenregister des Buches - ein Sachregister gibt es nicht - sucht man beispielsweise Namen wie Thomas Middelhoff, Rainald Goetz, Matthias Döpfner, Oliver Brüstle und Hartmut Mehdorn vergeblich.

Der Untertitel des Buches ist insofern irreführend. Und schließlich behauptet auch kein Historiker mehr, dass die Globalität sich 1998 erstmals in vollem Umfang gemeldet hat - jedenfalls keiner, der ein bisschen um 1900 herum gelesen hat. Das Ende der Nachkriegszeit wiederum haben manche schon auf das Jahr 1989 datiert. Es gibt also ziemlich große Toleranzen in der Zeitgeschichtsschreibung, ihr Plausibilitätsniveau erreicht das der Leitartikel, die sie zusammenfasst. Trotzdem war es selbstverständlich eine ganz, ganz große Zeit, das Äon Schröders, und wir könnten sagen, wir sind dabei gewesen, als von Berlin eine neue Epoche ausging.

Doch unter uns Zeitzeugen: Wir sollten es den Kindern und gegebenenfalls Enkeln ganz gewiss nicht so sagen. Denn es wird ja dann doch sehr peinlich, wenn sie durch die Erzählung selbst, schon so ab Seite 20, erfahren, wie unepochal das alles wirklich war. Vielleicht besser tapfer ehrlich sein.

JÜRGEN KAUBE

Edgar Wolfrum: "Rot-Grün an der Macht". Deutschland 1998 bis 2005

Verlag C. H. Beck, München 2013. 848 S., Abb., geb., 24,95 [Euro].

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