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In jedem Leben gibt es eine Stunde Null: der totale Zusammenbruch und gleichzeitig ein Neuanfang. Drei Frauen aus drei Generationen, die an einem Wendepunkt in ihrem Leben angelangt sind, die vor den Ruinen ihres Lebens stehen. Gibt es für sie noch eine Chance, auch wenn das Schlimmste schon passiert ist? Die Schriftstellerin Hedwig hat ihre Tochter nicht vor den Nazis gerettet, damit sie weiter schreiben konnte. Nun muss sie mit der Schuld leben. Ihr Schicksal spiegelt sich in dem von Isa, einem wütenden jungen Mädchen, dessen Mutter fortgezogen ist, und in dem von Ingrid, die vor der…mehr

Produktbeschreibung
In jedem Leben gibt es eine Stunde Null: der totale Zusammenbruch und gleichzeitig ein Neuanfang. Drei Frauen aus drei Generationen, die an einem Wendepunkt in ihrem Leben angelangt sind, die vor den Ruinen ihres Lebens stehen. Gibt es für sie noch eine Chance, auch wenn das Schlimmste schon passiert ist? Die Schriftstellerin Hedwig hat ihre Tochter nicht vor den Nazis gerettet, damit sie weiter schreiben konnte. Nun muss sie mit der Schuld leben. Ihr Schicksal spiegelt sich in dem von Isa, einem wütenden jungen Mädchen, dessen Mutter fortgezogen ist, und in dem von Ingrid, die vor der Entscheidung steht, ihren Mann zu verlassen. Lotta Lundberg erzählt von ihren Träumen, Ängsten und Hoffnungen und spannt dabei den Bogen vom Berlin im Jahr 1945 bis ins heutige Schweden.

Ausgezeichnet mit dem Literaturpreis des Schwedischen Rundfunks
Autorenporträt
Lundberg, Lotta
Lotta Lundberg, geboren 1961 in Uppsala, lebt seit 2004 in Berlin. Sie schreibt für das Feuilleton verschiedener schwedischer Tageszeitungen. Für ihren Roman Zur Stunde null (2015) wurde sie mit dem renommierten Literaturpreis des schwedischen Rundfunks ausgezeichnet. Sternstunde wurde von der schwedischen Presse hochgelobt.

Hoyer, Nina
Nina Hoyer, geboren 1974, studierte Nordistik in Kiel und Buchwissenschaft in München. Seit 2009 arbeitet sie als Literaturübersetzerin aus dem Schwedischen, Dänischen und Norwegischen. Sie lebt auf der Insel Sylt und in Schweden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2015

Proserpina und das große Therapiespiel
Die Schwedin Lotta Lundberg hat aus der Geschichte der Autorin Cordelia Edvardson einen Roman gemacht

Es ist Quatsch mit Hackbällchensoße, Schweden geschichtslos zu nennen. Trotzdem versteht man, was die seit 2004 in Deutschland lebende Autorin Lotta Lundberg meinte, als sie nach den Gründen für ihren Umzug nach Berlin gefragt wurde: "Schweden war zu klein, geschichtslos und oberflächlich." Berlin ist größer als Stockholm, und an historischen Forschungsobjekten für den Themenkomplex Schuld und Verantwortung mangelt es hierzulande nicht, das ist mal klar.

Lundbergs Roman "Zur Stunde Null" ist ein Ergebnis dieser Faszination. Er erzählt von einer Frau, die im Sommer 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt kauert. Sie heißt Hedwig Lohmann, hämmert Sätze in eine Schreibmaschine, und sie wagt sich kaum vor die Tür: "Sie sah sie überall: apathische Lumpenpuppen, in allen Kellerlöchern Freiwild, ganz Berlin ein Gratisbordell." Wenn sie nach draußen schleicht, dann nur, um auf den Anschlagbrettern nach dem Namen ihres Kindes zu suchen.

Dass Lohmann ein literaturgeschichtliches Vorbild hat, wird uns erst durch die Erwähnung einer Erzählung namens "Proserpina" bewusst, die Hedwig (angelehnt an das antike Drama des Kindes, das in die Unterwelt geriet, ihr entkam und in die Unterwelt doch immer zurückkehren muss) kurz vor der "Machtergreifung" verfasst haben soll. Die Rede ist, etwas verfremdet, von der heute fast vergessenen katholischen Schriftstellerin Elisabeth Langgässer, die in der Weimarer Republik ein uneheliches Kind mit einem Juden bekam: die spätere "schwedisch-israelische" Journalistin Cordelia Edvardson nämlich, die im Krieg nach Theresienstadt und Auschwitz verfrachtet wurde, den Holocaust überlebte und 1984 die wirkmächtige Autobiographie "Gebranntes Kind sucht das Feuer" vorlegte.

Hedwig Lohmann, die an Langgässer angelehnte Romanfigur, weiß im Ruinensommer des Jahres 1945 allerdings noch nichts von den "weißen Bussen" des schwedischen Roten Kreuzes, mit denen Cordelia aus den Lagern nach Schweden gelangte. Sie weiß nur, dass sie Hitler gewählt und die Verschleppung ihrer Tochter, die durch die Rassengesetze als "Dreivierteljüdin" galt, nicht verhindert hat.

Darin liegt wohl ihre Schuld, wenn nicht sogar noch weiter zurück: Hedwig gab einst das Neugeborene ins Heim, um sich der literarischen Produktion widmen zu können. Andererseits hat sie ja vieles versucht. Sie verweigerte damals die Abtreibung, die der Erzeuger vorgeschlagen hatte. Sie holte das Kind aus dem Heim. Ja, sie liebte es und glaubte, einen Ausweg gefunden zu haben - bis die Gestapo dann doch vor Tür stand.

Diese schlimme Geschichte wird durch eine zweite aufgebrochen, die 1983 auf der Couch einer Jugendpsychologin in Uppsala spielt - und durch eine dritte, die ins Jahr 2004 und in ein Pfarrhaus auf den schwedischen Schären führt. Auch hier befinden sich Frauen an einem Nullpunkt des Lebens, so diffizil es auch scheint, ihren mit dem Nullpunkt einer Elisabeth Langgässer oder gar Cordelia Edvardson zu vergleichen.

In Uppsala ist ein Mädchen, das in einer Familie von Egomanen aufwuchs, nach einem "Puppenmord" in Therapie. Sie staunt über das Bild von Persephone und Hades, das die Psychologin an die Wand gehängt hat, bastelt am "großen Therapiespiel" und fragt als freche Sinnforscherin: "Wie kommen die Menschen eigentlich dazu, Kinder zu zeugen, wenn sie nicht vorhaben, sich um sie zu kümmern?" Auf der Schäreninsel Blidholmen wiederum lebt eine Pfarrersfrau, die ihrem alternden Mann verschämt nachstellt. Der Pfarrer ist krank und schwärmt für eine junge Schriftstellerin. Seine Gattin hat viel für ihn aufgegeben; sie ist von ihm genervt, hängt nach vierzig Ehejahren und drei Kindern aber am gemeinsamen Weg.

Wie passen all diese Geschichten zusammen? Beim Springen von einem Erzählstrang zum andren gefällt sich Lundbergs Roman, der auf einen Besuch im Kloster Anastasiendorf hinausläuft, jenem "Dorf der Auferstehung", dem die Menschen in Langgässers letztem Werk "Märkische Argonautenfahrt" entgegenwanken, oft zu sehr in seinen Anspielungen und Querverweisen. Trotzdem sind die meisten Szenen so gut portioniert und eindrücklich, dass man den Frauen- und-Mütter-Roman "Zur Stunde Null" in einer leisen, von Selbst- und Sinnzweifeln geprägten Stunde nicht aus der Hand legen mag.

"Was kann ein Mensch eigentlich tun?" heißt es einmal. Die Antwort gibt Isa, jener schräge Teenager aus Uppsala, der bei der Krisenbewältigung auch auf die Autobiographie der an Proserpina erinnernden Journalistin und Schriftstellerin Edvardson zurückgreifen kann. "Ein Mensch kann so viel. Ein Mensch kann neue Menschen erschaffen, die Welt zusammenfügen und in Therapie gehen, kann andere verraten, forschen, vergeben. Das denke ich. Dann steig ich aufs Fahrrad."

MATTHIAS HANNEMANN

Lotta Lundberg: "Zur

Stunde Null". Roman.

Aus dem Schwedischen

von Nina Hoyer. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2015. 384 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Matthias Hannemann hat seine Einwände gegen Lotta Lundbergs vielschichtigen Roman, der sich dem Thema Schuld und Verantwortung über eine Geschichte aus dem Trümmersommer 1945 in Berlin nähert. Dass die Autorin das Schicksal ihrer Hauptfigur an die Lebensgeschichte von Elisabeth Langgässer anlehnt, findet Hannemann okay. Die Schichtung dreier Erzählstränge und die damit verbundenen Anspielungen und Querverweise findet der Rezensent allerdings mitunter etwas anstrengend. Dass die meisten Szenen eindrücklich und wohlproportioniert sind, versöhnt Hannemann jedoch wieder und macht den Text für ihn schließlich zur passenden Lektüre für eine leise Stunde.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein verdammt guter Roman. Zur Stunde Null macht Lotta Lundberg zu einer der interessantesten Autorinnen unserer Zeit." Upsala Nya Tidning