Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 5,40 €
  • Audio CD

26 Kundenbewertungen

Wenn der Held deiner Kindheit ein Betrüger ist
Der Autoverkäufer Jürgen lebt mit seiner Frau und drei Kindern in kleinbürgerlichen Verhältnissen in der pfälzischen Provinz der Achtzigerjahre. Bis plötzlich das "große Geld" da ist und die Familie fluchtartig nach Südfrankreich auswandert. Es folgt ein paradiesisches Leben im Luxus - doch die Eltern benehmen sich zunehmend seltsam. Bis herauskommt, dass der Vater ein Hochstapler ist und hohe Summen unterschlagen hat. Im letzten Moment entflieht die Familie dem Zugriff der Behörden und eine Jagd durch Europa beginnt. Es ist ein freier Fall auf…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Wenn der Held deiner Kindheit ein Betrüger ist

Der Autoverkäufer Jürgen lebt mit seiner Frau und drei Kindern in kleinbürgerlichen Verhältnissen in der pfälzischen Provinz der Achtzigerjahre. Bis plötzlich das "große Geld" da ist und die Familie fluchtartig nach Südfrankreich auswandert. Es folgt ein paradiesisches Leben im Luxus - doch die Eltern benehmen sich zunehmend seltsam. Bis herauskommt, dass der Vater ein Hochstapler ist und hohe Summen unterschlagen hat. Im letzten Moment entflieht die Familie dem Zugriff der Behörden und eine Jagd durch Europa beginnt. Es ist ein freier Fall auf Kosten der Kinder, bis es unweigerlich zum Aufprall kommt ...
Devid Striesow macht facettenreiche Persönlichkeiten und gebrochene Charaktere hörbar wie kein Zweiter.
(8 CDs, Laufzeit: ca. 9h 58)

Autorenporträt
Frank, Arno
Arno Frank geboren 1971 in Kaiserslautern, ist Publizist und freier Journalist. Er schreibt u.a. für die taz, Die Zeit, Spiegel Online, Musikexpress, Dummy, Fluter und das Arte Magazin. Er lebt mit seiner Familie in Wiesbaden.

Striesow, Devid
Devid Striesow ist in zahlreichen ausgezeichneten Filmen zu sehen und erhielt u. a. den Grimme Preis und den Deutschen Fernsehpreis. Seit 2013 ermittelt er als Hauptkommissar Jens Stellbrink im Tatort Saarbrücken und spielte 2015 Hape Kerkeling in Ich bin dann mal weg. Ein brillanter Hörbuchsprecher ist er ebenfalls.
Trackliste
CD 1
1So, und jetzt kommst du00:08:27
2So, und jetzt kommst du00:09:35
3So, und jetzt kommst du00:08:13
4So, und jetzt kommst du00:07:36
5So, und jetzt kommst du00:09:36
6So, und jetzt kommst du00:07:53
7So, und jetzt kommst du00:08:31
8So, und jetzt kommst du00:06:15
CD 2
1So, und jetzt kommst du00:09:07
2So, und jetzt kommst du00:09:12
3So, und jetzt kommst du00:08:55
4So, und jetzt kommst du00:08:11
5So, und jetzt kommst du00:07:11
6So, und jetzt kommst du00:07:46
7So, und jetzt kommst du00:09:11
8So, und jetzt kommst du00:06:09
9So, und jetzt kommst du00:09:12
CD 3
1So, und jetzt kommst du00:08:28
2So, und jetzt kommst du00:09:33
3So, und jetzt kommst du00:06:48
4So, und jetzt kommst du00:06:50
5So, und jetzt kommst du00:06:41
6So, und jetzt kommst du00:08:20
7So, und jetzt kommst du00:10:01
8So, und jetzt kommst du00:08:02
9So, und jetzt kommst du00:09:27
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2017

Die gestohlene Kindheit

Arno Frank erzählt in seinem rasanten, autobiographisch inspirierten Roman "So, und jetzt kommst du" von anderthalb traumatischen Jahren auf der Flucht vor der Wirklichkeit.

Wer sich 350 rasante Seiten lang hat kidnappen lassen von dieser Borderline-Familiengeschichte, die sich so ähnlich tatsächlich zugetragen hat, der fühlt sich ein wenig komplizenhaft, versucht vielleicht, auf der Straße möglichst unauffällig zu wirken. Irgendwo sind wir schließlich alle Hochstapler, rechnen permanent mit dem Anruf, der uns ankündigt, dass alles aufgeflogen sei. Dann schnappen wir uns Geld, Kinder und einige Habseligkeiten, um in Richtung Sonne, Strand und Glück zu türmen - zumindest in der Phantasie.

Wenn eine solche Flucht jedoch tatsächlich stattfindet, sieht es ganz anders aus: sehr viel normaler zunächst, sehr viel düsterer bald. Das führt uns jetzt der unter die Schriftsteller gegangene Journalist Arno Frank vor. Zwar schreibt er recht lakonisch über ein entsprechendes Kindheitserlebnis, das er unter fleißiger Verwendung von direkter Rede aus der Perspektive eines jugendlichen Ich-Erzählers schildert, will das Traumatische aber nicht verbergen. So viel auf der Flucht für das Leben zu lernen ist, untergräbt die Erschütterung aller vermeintlichen Sicherheiten jedes Gefühl der Geborgenheit. Es geht um eine gestohlene Kindheit.

Man könnte von einem Coming-of-Age-Roman unter verschärften Bedingungen sprechen, schließlich hat Erwachsenwerden stets mit Entwachsen zu tun, mit dem titelgebenden "und jetzt kommst du". Hier aber muss sich der Held mit der unerbittlich heraufdämmernden Erkenntnis abfinden, dass sein so stark scheinender Vater ein krimineller Hochstapler ist, der längst die Kontrolle über sein Leben verloren hat und die geliebte Familie - Ehefrau Jutta, Sohn Arno, Tochter Jeany, Sabberbaby Fabian - der völligen Verwahrlosung preisgibt. Der wichtigste erzählerische Kniff besteht darin, dem Leser mittels Hinweisen das Desolate der wirtschaftlichen Situation, die große Lebenslüge, früh deutlich zu machen, während der Erzähler noch lange seine kindlich unbedarfte Sichtweise einnehmen darf. Verzweiflung kommt für ihn nicht in Frage. Selbst unter erbärmlichsten Wohnverhältnissen und vom Hunger gezeichnet, gibt er den um Normalität bemühten, allenfalls leicht genervten Beobachter. Es ist gar nicht so leicht, den Anfang der Abwärtsspirale festzumachen, denn zunächst hören wir von einer glücklichen Jugend in den siebziger Jahren, über die der Erzähler "gerne Karamell gießen" würde. Der Vater, dem eine Wahrsagerin Reichtum vorhergesagt hat - narrativ kein Glanzstück -, ist längst in windige Geschäfte verstrickt, verscherbelt etwa Kübelwagen der Wehrmacht, aber sammelt vor allem Schulden an. Für den Sohn ist er gleichwohl ein Beschützer und Träumer, allen tumb Malochenden weit überlegen. Als solcher inszeniert er sich schließlich selbst in seinen erzieherischen Ansprachen: "Niemand schenkt dir etwas. Du frisst oder wirst gefressen. So, und jetzt kommst du."

Mitte der achtziger Jahre steht dann die Polizei vor der Tür, und noch in der Nacht beginnt die Odyssee durch halb Europa. Weil der Vater eine beachtliche Geldsumme veruntreuen konnte, lebt die Familie zunächst auf großem Fuß an der Côte d'Azur, wo die Kinder eine Privatschule besuchen. Man erfüllt sich jeden Wunsch, eine kurze Phase des gestohlenen Glücks, bis das Geld aufgebraucht und Interpol aufmerksam geworden ist. Besitzlos geht es weiter nach Portugal, zunächst in die Serra da Estrela, schließlich nach Lissabon, zwei abmagernde Hunde im Schlepptau. Zuletzt versteckt sich die Familie wieder in Deutschland vor den Behörden.

Es ist eine Flucht ohne Ziel: "Ich fühle mich wie in einem dieser Filme, wo jemand vom Balkon durch ein gläsernes Dach fällt und durch den Tisch, bevor er den Boden durchschlägt und auch den darunterliegenden Raum durchbricht und immer so weiter. Ich habe es satt." Kurz steht die Idee des kollektiven Suizids im Raum.

Die zu Beginn des Buchs aufscheinende Käseigel-Poesie, die viele nostalgische Rückblick-Romane prägt - Kaba, Ovomaltine, Snickers, Musikkassetten, Batikklamotten, Hubba Bubba, Opas Haarwasser aus der geriffelten braunen Flasche oder das Spiel "Risiko" kommen vor -, macht mit der Zeit einem mehr innerlichen Stil Platz. Frank gelingt es vorzüglich, die beklemmende Situation, die in der Grundrelaxtheit dieser Jahre allerdings ein wenig verschwimmt, in starke Bilder zu übersetzen. Der Junge etwa klebt inmitten des Chaos einen Motorrad-Bausatz zusammen: "Der Motor ist das Herz. Ein Boxer eben, Sinnbild der Laufruhe. Was ruhig läuft, ist gut." Gut aber ist hier nichts mehr, und so trampelt der Held, kaum dass er die schief angeklebten Zylinder bemerkt, beherzt auf dem zersplitternden Modell herum. Das ist emotional, aber ohne Larmoyanz. Nur im Symbolischen trägt der Autor manchmal dick auf: Die Faszination der Schwester für alles Verwesende oder das lange Sterben des äußerlich mächtigen, innerlich ausgezehrten Riesenschnauzers wirken allzu teleologisch.

Die lebensgeschichtliche Beglaubigung ist für die Faszination, die von diesem Buch ausgeht, ausschlaggebend. Poetologisch erweist sie sich zugleich als Ballast. Das betrifft zunächst die Komposition, denn rein literarisch scheinen einige Zwischenstopps und Erlebnisse entbehrlich. Für einen Bildungsroman wiederum müsste die Hauptfigur eine deutlichere Entwicklung durchmachen. Sprachlich bräuchte es mehr Sätze, die ins Offene weisen, also über die Bebilderung der Wahrnehmung des Erzählers hinausgehen. Weil diese Ebene des ästhetischen Mehrwerts nicht eingezogen wurde, einmal abgesehen vom starken Prolog, bleibt kein widerständiger Rest des Textes gegen die Handlung. Jeder Satz geht im Geschehen auf und erübrigt sich danach: Das ist ein eher journalistischer als poetischer Zugang. Aber auch als Retro-Reportage besitzt das Buch über ein Abenteuer, das zum Albtraum wird, große Anziehungskraft.

OLIVER JUNGEN.

Arno Frank: "So, und jetzt kommst du". Roman.

Tropen Verlag, Stuttgart 2017. 352 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.04.2017

Im Hinterland der Illusionen
In seinem autobiografischen Debütroman „So, und jetzt kommst du“ erzählt Arno Frank hinreißend
vom Glanz und Elend eines Hochstaplers, der mit seiner Familie dem Abgrund entgegentaumelt
VON ALEX RÜHLE
Das hier ist keine einfache Räuberpistole. Sondern eine Wumme des Wahnsinns. Und um gleich noch so einem Begriff die Harmlosigkeit auszutreiben: Hochstapler, das klingt oft nach Schnurre, Bluff und Abenteuer. Dem Lebemann Felix Krull gönnt man seinen Aufstieg von Herzen und freut sich mit ihm, wenn ihm wieder ein Stück Identitätsillusionismus gelungen ist. Krull hinterlässt aber auch keine eindeutigen Opfer, im Gegenteil, die Geschädigten ziehen aus der Begegnung mit ihm jeweils wundersamen Profit. Vor allem aber kleidet Krull all seine Taten in eine liebenswert-höfliche Eleganz, die es ihm erst möglich macht, mit seiltänzerischer Leichtigkeit dem Schicksal immer neue Schnippchen zu schlagen.
Bei Jürgen Frank, man ahnt es früh, wird das nicht ganz so glatt laufen. Der gelernte Verwaltungsfachmann glaubt, wie es sich für einen echten Hochstapler gehört, von Anfang an, ihm stehe mehr zu. Er wird erwachsen, als das Wirtschaftswunder gerade erstmals ins Stottern gerät. Über den Dörfern rund um Kaiserslautern hängt eine Glocke aus Nachkriegsmief und erster BRD-Behaglichkeit. Jürgen Frank arbeitet eine Zeit lang in einem Autohaus, dann macht er sich selbständig und versucht, Wohlstandskrempel gewinnbringend weiterzuverhökern, Expander, Wagenheber, Heimtrainer. „Es steht jeden Tag ein Dummer auf“, erklärt er seinem Sohn, dem Erzähler dieses autobiografischen Romans. „Man muss sie nur finden. Oder, besser noch, sich von den Dummköpfen finden lassen.“ Wie er so großmäulig daherredet, ahnt man schon, dass das Schicksal bald zuschlagen wird. Und sicher nicht in harmloser Schnippchenform.
Eigentlich ist die Familie auf Seite 39 schon am Ende. Der erste Betrug ist aufgeflogen, die Bank hat den Franks das Haus weggenommen, die Mutter muss Tupperware-Partys zu Hause veranstalten, „damit wir wieder auf einen grünen Zweig kommen“, wie sie dem Sohn erklärt. Dem Vater aber ist ein einzelner grüner Zweig viel zu wenig, er will alles. Wozu Tupperware in Kaiserslautern, wenn man auch in Nizza leben könnte? Man muss ja nur mal das ganz große Ding drehen. Die Familie treibt in einer Art Glücksstausee, denn eines Tages, schon bald, wird das große Leben anbrechen.
Und tatsächlich, eines Nachts verfrachtet der Vater die Familie nach Südfrankreich. Das ganz große Ding sind 300 000 veruntreute D-Mark, die ab jetzt mit vereinten Kräften zum Panoramafenster rausgeworfen werden. Ehrensache, dass das Fenster Meerblick hat: „Es heißt schließlich nicht Hinterland d’Azur, sondern Côte d’Azur“, also braucht man eine Villa in den Hügeln von Antibes, mit Pool und Garten. Der Sohn wird auf eine sündhaft teure Diplomatenschule geschickt und bekommt zum ersten Schultag eine Vespa geschenkt. Die sechsjährige Schwester Jeanny hält den goldenen Montblanc-Füller des Vaters für einen Zauberstift, wie auch nicht, schließlich wird in ihrem märchenhaft neuen Leben alles, was er damit in den Kleinanzeigen der Nice Matin ankringelt, kurze Zeit später zu einem wirklichen Ding.
Arno Frank, Jahrgang 1971, erzählt diese autobiografische Geschichte in einem hinreißenden Ton. Er ist der naive Sohn, der zum Vater aufschaut und möglichst lange dessen Geschichten zu glauben versucht. Der Titel seines Debütromans ist ein Zitat: Mit „So, und jetzt bist du dran“, beendet der Vater all die Hochstaplermonologe, in denen er dem Sohn die Welt erklärt und ihn am Ende vermeintlich dazu auffordert, seine Meinung dazu zu sagen. In Wahrheit, so Frank, klang dieser Satz immer so, als würde sein Vater damit nur „einen Deckel auf die Diskussion setzen“.
Gezeigt wird das Ganze also aus der Untersicht des Heranwachsenden, erzählt wird es aber zugleich mit der Brennschärfe des erwachsenen Blicks, beschreibungsstark („Mitteleuropa mit seiner wetterfesten Nüchternheit“) und poetisch („In den Vitrinen stellte Mama all den Tand aus, den die Zeit an den abendlichen Strand ihres Lebens geschwemmt hatte“, heißt es auf der vorletzten Seite).
Ähnlich wie bei „Tschick“, der anderen großen deutschen Road Novel unserer Tage, ahnt man beim Lesen, dass das bald verfilmt werden muss. Der situative Humor ist ähnlich genau wie bei Herrndorf, der rasante Plot lässt einen sowieso nicht los, man ist gerührt und bestürzt zugleich und will immer neue Passagen anstreichen. Großartig, wie Frank in Südfrankreich, in der Hitze des Sommers, als das letzte Geld davonschmilzt, die erzählte Zeit langsam in einen zähflüssigen Mief verwandelt, in dem die Familie versinkt. Keine Alltagsstruktur, nur erschlaffter Hedonismus, Nichtstun und die Hoffnung, der Vater möge schon wissen, welchen großen Plan er als Nächstes ausbrütet. Im Hintergrund aber, wie eine nachtdunkle Tapete, lauert das Wissen darum, dass all das nicht mehr lange gutgehen wird.
Irgendwann klopft die Polizei an und die Franks geben noch am selben Abend dem portugiesischen Maurer von der Nachbarbaustelle fast ihr gesamtes Resthabundgut, wenn er sie nur sofort nach Portugal kutschiert. War die letzte Nachtfahrt ein Aufbruch in einen gelebten Traum, so wachen sie nun in einem Albtraum auf, müssen in einem Rohbau schlafen, die Hunde kämpfen in ihrem Hunger um die vollen Windeln des kleinsten Bruders, die Schwester kratzt sich vor Verzweiflung stumm die Wangen auf. Und der junge Erzähler ahnt, dass es ab jetzt so etwas wie eine Ankunft nicht mehr geben wird, nur noch Zwischenhalte, Rastmomente, Versteckstationen.
Die Generation Golf wird hier von einem beschrieben, der nie einen Golf fahren durfte, obwohl er eine Zeit lang täglich am Golfe-Juan baden war. Sein Vater hat ihm den Mercedes versprochen und vorübergehend ein Mofa geschenkt, den Rest seiner Jugend aber hat Arno Frank, er deutet es am Ende nur kurz an, in Sozialhilfearmut verbracht. Das Buch spielt ungefähr zwischen dem Deutschen Herbst 1977 und der Katastrophe von Tschernobyl, all das Zeug aus den Wohlstandspop-Romanen kommt also vor, Krieg der Sterne, Sony-Walkman, Diercke Weltatlas, nur dass diesen wenigen Dingen im Verlauf der Reise eine ganz andere Wertigkeit zuwächst. Schließlich ist es eine Reise in immer größere Armut und Frank im Glück muss an jeder Station, bei jeder überstürzten Flucht, mehr von den Dingen aufgeben, deretwegen sie diese Reise überhaupt angetreten haben. Der Diercke wird dem Jungen auf dieser elenden Odyssee zu einem Anker, der ihn wenigstens auf dem Papier verortet, der Walkman ist am Ende die einzige Möglichkeit, dem Familiengefängnis momentweise zu entfliehen.
Der Traum wird zum Trauma, die Flucht zur reinen Instinktbewegung, nur noch weg, ein planloser Automatismus. Und so erinnern die Franks am Ende ihrer Reise an ein Huhn, das noch weiterflattert, wenn der Kopf längst ab ist: Als der allerletzte Bekannte sie auch noch rauswirft, nehmen sie eine S-Bahn bis zur Endstation. Von dort dann einen Postbus, irgendwo wird der ja hinfahren. Und an dieser Endstation verkriechen sie sich wieder in einem Hotelzimmer. Die Schwester lässt ab und zu Zettel fallen, auf denen „Hilfe“ steht, ähnlich wie Hänsel und Gretel mit den Körnern im Wald, nur dass es gar keine Hexe gibt, sondern stattdessen Eltern, die sich selbst längst im dunklen Wald ihrer Lügen und Ängste verlaufen haben. Selten war man so froh über das Auftauchen der Polizei am Ende eines Buches.
Als die Familie nach 300-seitiger Odyssee wieder in der Gegend von Kaiserslautern strandet und der Erzähler dort wieder auf ein Gymnasium und in ein normales Leben einfädeln soll, ist ihm das ganze wohlbehütete Setting völlig fremd. Wie er da einsam auf dem Pausenhof steht, mit Blick auf das Gefängnis, in dem sein Vater sitzt, erinnert er an den Kriegsheimkehrer aus Erich-Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“, der zu Hause auch nicht ansatzweise vermitteln kann, was er an Grauen an der Front erleben musste. „Ich gehöre nicht mehr dazu“, schreibt Frank, „Ich sollte anderswo sein. Und weiß nicht, wo.“
Arno Frank: So, und jetzt kommst du. Roman. Tropen Verlag, Stuttgart 2017. 352 Seiten, 22 Euro. E-Book 17,99 Euro.
Wozu Tupperware in
Kaiserslautern, wenn man
auch in Nizza leben könnte?
Schließlich wird der Traum
zum Trauma, die Flucht
zur reinen Instinktbewegung
Wer einen Zauberstift besitzt, dem öffnen sich die Türen jeder Villa. Aber was, wenn die Glückstinte zur Neige geht?
Foto: mauritius images / SFL Travel / Alamy
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
"Da fällt das Weghören schwer." Westfalenpost, Hagen
»Fasziniert verfolgt man diese atemlose Flucht von einem Land ins andere, die auch immer eine Flucht vor der Realität ist. Franks fast nüchterne Beschreibung aus der Sicht eines Jungen, der er mal war, erschüttert und begeistert zugleich.« Brigitte, 12.2017 »Arno Frank erzählt diese autobiografische Geschichte in einem hinreißenden Ton ... Ähnlich wie bei "Tschick", der anderen großen deutschen Road Novel unserer Tage, ahnt man beim Lesen, dass das bald verfilmt werden muss. Der situative Humor ist ähnlich genau wie bei Herrndorf, der rasante Plot lässt einen sowieso nicht los, man ist gerührt und bestürzt zugleich und will immer neue Passagen anstreichen.« Alex Rühle, Süddeutsche Zeitung, 05.04.2017 »Sein Roman "So, und jetzt kommst du" ist das aktuelle Lieblingsbuch unserer Redaktion. Es ist eine Familiengeschichte, die so schräg, so komisch und so tragisch ist, dass sie eigentlich kaum wahr sein kann. Ist sie aber.« Katty Salié, ZDF aspekte, 10.03.2017 »der Text, den Arno Frank geschrieben hat, zerreißt einem das Herz, weckt Mitleid und Furcht und alle möglichen widersprüchlichen Gefühle, man rast wie die Familie Frank Richtung Süden und wieder zurück ... durch die dreihundertfünzig Seiten und hofft, dass die Familie nie gefasst wird. Oder dass sie doch gefasst wird ... Ein Roman über Rücksichtslosigkeit, Weltverweigerung, Grausamkeit und Lebenstrotz. Man ist dankbar, dass man ihn nur lesen, nicht leben musste.« Tobias Rüther, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 19.03.2017 »Ein Juwel in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur!« Jürgen Deppe, NDR Kultur, 06.07.2017 »Das Buch liest sich wie ein Schlitten den Hang runterrast ... Der Leser durchlebt eine unberechenbare Reise - eine Mischung aus Roadtrip und hakenschlagender Flucht.« Alexander Wasner, SWR 2 Forum Buch, 12.03.2017 »Frank erzählt leichtfüßig und liebevoll von seinen Figuren.« Tina Rausch, Münchner Feuilleton, Juli 2017 »Fasziniert verfolgt man diese atemlose Flucht von einem Land ins andere, die auch immer eine Flucht vor der Realität ist. Franks nüchterne Beschreibung aus der Sicht des Jungen, der er mal war, erschüttert und begeistert zugleich.« Meike Schnitzler, Brigitte, Juli 2017 »Schräg, komisch und tragisch.« Myself, Juni 2017 »Beim Lesen darf gelacht werden, es kann aber auch geweint werden. Auf jeden Fall aber sollte dieses Roadmovie, diese Familientragödie, diese wahre Geschichte gelesen werden.« Dominik Bloedner, Badische Zeitung, 15.04.2017 »"So und jetzt kommst du" ist ein Roman wie ein Roadmovie, mit einem Erzähl-Helden wider Willen, der auch ein Rückblick auf die 80er Jahre ist.« Helmut Pusch, Südwest Presse, 25.03.2017 »Großartig!« Wolfgang Weber, Badische Neueste Nachrichten, 04.06.2017 »Familiengeschichten sind langweilig? Diese hier nicht.« Hannoversche Allgemeine Zeitung, 01.03.2017 »Stets ist man dran an einer Geschichte, die man, auch so ähnlich, noch nicht gelesen hat. Man fühlt, wie sich die Schlinge mehr und mehr um die Protagonisten zuzieht, zittert mit ihnen und will wissen, wie es nicht nur weiter, sondern wie dieses Hasardspiel mit hohem Einsatz, dem des Lebens der Eltern und dem ihrer Kinder, ausgeht. Es ist ein Zeichen für die Güte eines Romans, wenn auf der letzten Seite bedauernd festgestellt werden muss, dass er schon zu Ende ist.« Peter Zimmermann, Ö1 Ex libris, 26.03.2017 »Als Leser sollte man sich, so viel vorab zu den Risiken und Nebenwirkungen, das Buch nur am Wochenende vornehmen. Werktägliche Lektüre kann nämlich zu sehr kurzen Nächten und verminderter Arbeitsleistung führen: Man kommt einfach nicht los von dieser Geschichte, die einen in ein Wechselbad der Gefühle stürzt.« Volker Milch, Wiesbadener Kurier, 19.05.2017 »Mit seinem Debüt gelingt Arno Frank das seltene Kunststück, gleichermaßen zu unterhalten wie zu erschüttern. Anfangs noch hochkomisch und skurril, ist das Buch später vor Spannung kaum auszuhalten.« Frank Rudkoffsky, Lift, August 2017 »"So, und jetzt kommst du" ist ein Buch, das in seiner Schönheit den Schrecken des Niedergangs einer Kindheit nur schwach verhüllt - und das ist genau die richtige Art, solch einen Niedergang zu erzählen.« Simona Turini, indie-republik.com, 24.04.2017…mehr