• Audio CD

37 Kundenbewertungen

Äußerst spannend und mit viel Humor beschreibt Daniel Kehlmann Leben und Wirken des Naturforschers Alexander von Humboldt und des Mathematikers und Astronomen Carl Friedrich Gauß. Alt, berühmt und ein wenig sonderbar geworden, treffen sich die beiden 1828 in Berlin. Nun liegt dieser philosophische Abenteuerroman als Hörspiel vor.

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Äußerst spannend und mit viel Humor beschreibt Daniel Kehlmann Leben und Wirken des Naturforschers Alexander von Humboldt und des Mathematikers und Astronomen Carl Friedrich Gauß. Alt, berühmt und ein wenig sonderbar geworden, treffen sich die beiden 1828 in Berlin. Nun liegt dieser philosophische Abenteuerroman als Hörspiel vor.
Autorenporträt
Daniel Kehlmann, wurde 1975 als Sohn des Regisseurs Michael Kehlmann und der Schauspielerin Dagmar Mettler in München geboren. 1981 kam er mit seiner Familie nach Wien, wo er das Kollegium Kalksburg, eine Jesuitenschule, besuchte und danach an der Universität Wien Philosophie und Germanistik studierte. Er hatte Poetikdozenturen in Mainz, Wiesbaden und Göttingen inne und wurde mit zahlreichen Preisen, darunter dem Candide-Preis, dem Preis der Konrad-Adenauer-Stiftung, dem Doderer-Preis, dem Kleist-Preis 2006, dem WELT-Literaturpreis 2007 sowie zuletzt mit dem Thomas-Mann-Preis ausgezeichnet. Daniel Kehlmann lebt als freier Schriftsteller in Wien und Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.03.2008

Bitter und gepresst
Eine „Vermessung der Welt”
Die beiden zweiten Geigen, Gauß' Sohn Eugen und Humboldts Gehilfe Bonpland, fungieren in dieser Hörspielversion von Daniel Kehlmanns Roman „Die Vermessung der Welt” als Erzähler (Regie: Alexander Schuhmacher, Sprecher: Michael Rotschopf u.a. Deutsche Grammophon, Berlin 2008. 3 CD, 184 Minuten, 14,99 Euro). Was auf den ersten Blick wie eine gute Idee wirkt, erweist sich in der Ausführung dann doch als halbherziger Versuch, den Roman fürs Radio zuzurichten. Regisseur Alexander Schumacher ist es nicht gelungen, einen wirklich eigenständigen Zugang zum Stoff zu entwickeln; er vertraut ihm nicht. So klingen die Gespräche, die die Figuren miteinander führen, fast immer gestelzt und geschauspielert. Kehlmann selbst hat häufig betont, wie wichtig ihm der scheinbar falsche Gebrauch der indirekten Rede in der „Vermessung” ist, und bei der Übertragung in direkte Rede wird deutlich, welch ironische Kraft in Kehlmanns Stilmittel tatsächlich liegt. So klingt Gauß (Udo Schenk) im Hörspiel nicht lustig und in all seiner Härte doch irgendwie sympathisch, sondern schlicht bitter und gepresst. Alberne Musik und eine plakative Klanggestaltung (kreischende Möwen, die einen Drachenbaum auf Teneriffa umschwirren!) tun ihr übriges, den Finger in Richtung Stopptaste zucken zu lassen. tol
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2012

Auf den Gipfeln der Welt

Zum Beispiel beim Lesen der Bergpassagen in der "Vermessung der Welt" erkennt man die ganze Meisterschaft des Bestsellerautors Daniel Kehlmann

"Ein Erzähler operiert mit Wirklichkeiten", hat Daniel Kehlmann in seinem Essay "Wo ist Carlos Montúfar?" geschrieben. Das klingt plausibel und logisch und doch auch theoretisch und unglaubwürdig, weil diese Wirklichkeiten oftmals genau da aufhören, wo es interessant wird, wo es ungemütlich wird, wo es weh tut - kurz, wo man sich einen wie Kehlmann nicht vorstellen kann. Der 37-jährige Österreicher hat das Image eines realitätsverweigernden Nerds, eines superschlauen Strebers. Seinem Kollegen Thomas Glavinic scheint er damit dermaßen auf die Nerven gegangen zu sein, dass er ihn in "Das bin doch ich" als Romanfigur auftauchen lässt: Als nervender SMS-Schreiber Daniel Kehlmann, der unermüdlich mitteilt, wie sich seine Bücher verkaufen. Es gäbe also Gründe dafür, die Wirklichkeiten Daniel Kehlmanns in Frage zu stellen. Aber bevor man das tut, sollte man "Die Vermessung der Welt" aufschlagen, seinen erfolgreichsten Roman, und das Kapitel "Der Berg" lesen.

Alexander von Humboldt und sein Assistent Aimé Bonpland machen sich auf, den Chimborazo zu besteigen, einen Berg in Südamerika, dessen Gipfel damals, im Jahr 1802, als der höchste der Welt galt. Es ist ein wissenschaftliches, aber zugleich auch ein tollkühnes alpines Unternehmen, bei dem sie fast 6000 Meter erreichten und einen neuen Höhenrekord aufstellten. Eine Sensation. Zumal sie ohne Daunenjacken, Handschuhe, Seile und Steigeisen über den Gletscher stiegen und keine Ahnung hatten, wie sich die Höhe auf sie auswirken würde. Die erste zarte Andeutung, dass sich ihre Wahrnehmungen langsam verzerrten, liest sich bei Kehlmann so: "Wo sie jetzt gingen, gab es keine Pflanzen mehr, nur braungelbe Flechten auf den aus dem Schnee ragenden Steinen. Bonpland hörte sehr laut seinen eigenen Herzschlag und das Zischen des über die Schneedecke streichenden Windes. Als ein kleiner Schmetterling vor ihm aufflog, erschrak er." Wenig später, sie mögen auf etwa 4500 Metern gewesen sein, war die Luft so dünn, dass die Höhenkrankheit erste Halluzinationen hervorrief: "Er wolle kein Spielverderber sein, sagte Bonpland, aber etwas stimme nicht. Dort rechts von ihnen, nein, etwas weiter, nein, links, richtig, dort. Das Ding, das wie ein Stern aus Watte aussehe. Oder wie ein Haus. Er gehe wohl recht in der Annahme, daß das nur für ihn da sei?

Humboldt nickte."

Das Erstaunliche an dieser Beschreibung ist, dass sie der Wirklichkeit standhält. Reinhold Messner hat "Die Vermessung der Welt" in einer italienischen Sportzeitung als eine der realistischsten Beschreibungen des Bergsteigens gelobt. Völlig zu Recht. Denn wer schon einmal in großer Höhe war, der weiß, dass der Sauerstoffmangel Bewegungen und Denkvorgänge erschreckend verlangsamt und Halluzinationen die absurdesten Bilder produzieren. Höhenbergsteiger erzählen davon, dass sie kristallklar beobachtet haben, wie andere Bergsteiger vor ihren Augen davongeflogen und brennende Köpfe den Abhang hinuntergerollt sind.

Daniel Kehlmann ist in München geboren und in Wien aufgewachsen, beides Städte, die die Berge vor der Haustür haben. Kehlmann ist kein Bergsteiger, aber Bergwanderer, "nicht ganz schwindelfrei" und, "sobald es wirklich schwierig wird, nicht mehr ganz trittsicher", wie er eingesteht. Er war als Kind mit seinen Eltern oft am Dachstein, aber an einem Seil sei er noch nie gegangen und wirkliches Klettern käme für ihn nicht in Betracht, "leider". Tatsächlich aber spielen die Berge auch in seinen anderen Büchern eine Rolle. In "Ich und Kaminski" zieht sich ein grantiger Künstler in die Alpen zurück, und auch das Cover von "Ruhm" zeigt verschneite Gipfel. Er könne ganz gut Ski fahren, sagt Kehlmann, doch seine höchsten Gipfel waren solche, auf die eine Seilbahn fährt. Er gibt sich bescheiden, räumt ein, dass er nie in "extremen Umständen" in den Bergen unterwegs war und sich im Berg-Kapitel eine "Ungenauigkeit der Phantasie" erlaubt habe. Die Kombination aus Ungenauigkeit und Phantasie kommt der alpinen Realität auf 5000 Metern sehr nahe. Kehlmann jedenfalls weiß genau, wie hochalpines Terrain aussieht und wie es sich anfühlt: "Vorgebeugt stapften sie an zu Säulen gespaltenen Felsmauern entlang. Hoch droben, für Momente erkennbar, dann wieder verschwunden, führte ein verschneiter Grat zum Gipfel. Instinktiv neigten sie sich beim Gehen nach links, wo der Abhang schräg und frostverglast abfiel. Zu ihrer Rechten öffnete sich senkrecht die Schlucht."

Man findet in der deutschsprachigen Literatur nicht viele Texte, die eine Extremsituation am Berg ähnlich realistisch und glaubwürdig darstellen. Humboldts Originaltext "Ueber einen Versuch den Gipfel des Chimborazo zu ersteigen" gibt es natürlich, ein Text, den Kehlmann sehr genau gelesen hat. "Wir stiegen sehr hoch, höher, als ich gehofft hatte", schrieb Humboldt. "In uns kam ein Schimmer von Hoffnung auf, den Gipfel erreichen zu können. Aber eine große Spal-. . ." - und dann unterbricht Humboldt seine Aufzeichnungen andeutungsvoll.

Der hüfthohe Schnee, die Orientierungslosigkeit, das Nasenbluten und die Nahtoderfahrung erinnern auch an das "Schnee"-Kapitel in Thomas Manns Zauberberg und auch an Büchners "Lenz", der im fortschreitenden Wahnsinn durchs Gebirge irrt: "Er ging gleichgültig weiter, es lag ihm nichts am Weg, bald auf-, bald abwärts. Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, daß er nicht auf dem Kopf gehn konnte." Bei Kehlmann heißt es: "Nun änderte es nichts daran, daß dort, wo der Himmel sein sollte, jetzt der Erdboden hing und sie verkehrt herum, also mit dem Kopf nach unten, abwärts gingen."

Die alpine Ästhetik rückt Kehlmanns Text in die Nähe von Marlen Haushofers "Die Wand", und die Dramatik des Höhenbergsteigens ist allenfalls in Ludwig Hohls "Bergfahrt" und Christoph Ransmayrs "Der fliegende Berg" zu finden. Ransmayr ist extra für diesen Roman mit seinem Freund Reinhold Messner in die Berge gestiegen. Kehlmann war nie mit Messner unterwegs, hat aber dessen Bücher sehr genau gelesen, wie er sagt - um sich ein Bild von den in der Höhe auftretenden Halluzinationen zu machen. Als Messner 1978 gemeinsam mit dem Österreicher Peter Habeler erstmals ohne künstlichen Sauerstoff auf den Everest gestiegen ist, hat er auf einem Tonbandgerät sämtliche Dialoge aufgezeichnet und in dem Buch "Everest - Expedition zum Endpunkt" unverändert aufgeschrieben. Es sind lange, irrsinnige Dialoge über Mützen und Bärte, die an jenes Kehlmannsche Gespräch zwischen Humboldt und Bonpland erinnern, als sie auf fast 6000 Meter Höhe vor einer riesigen Gletscherspalte stehen und realisieren, dass sie umkehren müssen:

"Sie seien beide nicht mehr bei Sinnen. Wenn sie jetzt nicht abstiegen, kämen sie nie zurück.

Man könnte, sagte Bonpland, auch einfach behaupten, man wäre oben gewesen.

Humboldt sagte, er wolle das nicht gehört haben.

Er habe das auch nicht gesagt. Das sei der andere gewesen!

Überprüfen könne es ja keiner, sagte Humboldt nachdenklich.

Eben, sagte Bonpland.

Er habe das nicht gesagt, rief Humboldt. Was gesagt, fragte Bonpland.

Sie sahen einander ratlos an."

Auf dem Gletscher des Chimborazo, zwischen Spalten und Schneebrücken, zwischen Halluzination und Sauerstoffmangel, zwischen Heldentum und Scheitern, schafft es Kehlmann sogar noch, mit der charmanten Möglichkeit zu spielen, dass Humboldt und Bonpland damals über eine Gipfellüge nachgedacht haben könnten.

Ist Daniel Kehlmann ein Berg-Spezialist? Er ist ein Spezialist in allen Dingen, über die er schreibt. Er kennt die Welt der Wirklichkeit so gut wie die der Literatur. Und die Nähe, die Wahrhaftigkeit und Schönheit, mit der er darüber schreibt, das ist seine große Kunst.

ANDREAS LESTI

"Die Vermessung der Welt" ist als Taschenbuch bei rororo erschienen (9,99 Euro).

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Martin Lüdke haut auf die ganz große Pauke und beschreibt Daniel Kehlmanns Buch als einen perfekten Roman: thematisch von großem Interesse, klug, geistreich, sehr spannend, mit höchster Souveränität erzählt. Genial. Ein "Abenteuerroman", der "auf den Bergspitzen der Anden und den Höhen des Geistes" spielt, in dem zwei herausragende Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts - Gauß und Humboldt - als Protagonisten auftreten, ohne dass ein lediglich veranschaulichender historischer Roman oder ein Theoriestück daraus wird. Denken, schreibt Lüdke, "wird in Handlung übersetzt". Und die Genies sind nicht nur Abenteurer, sie sind zugleich "arme Schweine", weil sie die Aufklärung vorantreiben, aber auch erleben, wie ihre Hoffnung, damit automatisch für gesellschaftlichen Fortschritt zu sorgen, enttäuscht wird. Davon, so Lüdke, erzählt Kehlmann, ohne die Deutungskeule zu schwingen; der Roman bleibt geschmeidig, gemessen und humorvoll. Fazit: das "Alterswerk eines jungen Schriftstellers".

© Perlentaucher Medien GmbH
Ein großes Buch, ein genialer Streich. Frankfurter Rundschau