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Nirgendwo läßt sich die Vielfalt und Entwicklung im Schaffen von Siegfried Lenz deutlicher überblicken als in seinen Erzählungen. In ihnen gelingt es dem Autor auf brillante Art und Weise, Dinge und Situationen mit einer seltenen Intensität auf kleinstem Raum zu verdichten. Lenz selbst, der als Romancier Weltruhm erlangte (»Deutschstunde«), sieht sich vornehmlich als Geschichtenerzähler: »Denn was sind Geschichten? Man kann sagen, zierliche Nötigungen der Wirklichkeit, Farbe zu bekennen. Man kann aber auch sagen: Versuche, die Wirklichkeit da zu verstehen, wo sie nichts preisgeben möchte. In…mehr

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Produktbeschreibung
Nirgendwo läßt sich die Vielfalt und Entwicklung im Schaffen von Siegfried Lenz deutlicher überblicken als in seinen Erzählungen. In ihnen gelingt es dem Autor auf brillante Art und Weise, Dinge und Situationen mit einer seltenen Intensität auf kleinstem Raum zu verdichten. Lenz selbst, der als Romancier Weltruhm erlangte (»Deutschstunde«), sieht sich vornehmlich als Geschichtenerzähler: »Denn was sind Geschichten? Man kann sagen, zierliche Nötigungen der Wirklichkeit, Farbe zu bekennen. Man kann aber auch sagen: Versuche, die Wirklichkeit da zu verstehen, wo sie nichts preisgeben möchte. In jedem Fall sind mir Geschichten immer wie Tellereisen vorgekommen, die man zur Vergeltung auslegt: weil die Wirklichkeit sich selbst unaufhörlich bestreitet, sucht man sie in kleiner Falle zu fangen und zur Offenbarung ihrer Identität zu zwingen.« Die vorliegende Ausgabe mit mehr als 150 Geschichten versammelt erstmals sämtliche Erzählungen von Siegfried Lenz. Die berühmtesten unter ihnen – von »So zärtlich war Suleyken« über »Das Feuerschiff« und »Ein Kriegsende« bis hin zu den Reisebildern aus »Zaungast« – zählen längst zu den Juwelen deutscher Erzählliteratur. Darüber hinaus liefert dieser sorgfältig zusammengestellte Band anläßlich des 80. Geburtstages des großen deutschen Gegenwartsliteraten auch eine Fülle an bisher allein in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichten Erzählungen, die nun endlich in Buchform vorliegen. Mit einem Geleitwort von Marcel Reich-Ranicki.
Autorenporträt
Lenz, Siegfried
Siegfried Lenz, 1926 im ostpreußischen Lyck geboren, gestorben 2014 in Hamburg, zählt zu den bedeutendsten und meistgelesenen Schriftstellern der Nachkriegsliteratur. Seit 1951 veröffentlichte er alle seine Romane, Erzählungen, Essays und Bühnenwerke im Hoffmann und Campe Verlag. Mit den masurischen Geschichten So zärtlich war Suleyken hatte er seinen ersten großen Erfolg, der sich 1968 mit der Deutschstunde zum Welterfolg ausweitete. Mit seiner Novelle Schweigeminute gelang ihm 2008 im hohen Alter abermals ein fulminanter Presse- und Publikumserfolg. Für seine Bücher wurde er mit vielen wichtigen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main, dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und mit dem Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte 2009.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für die Jugend von heute stammt der Schulbuchautor Siegfried Lenz zu Lebzeiten schon aus einer anderen Welt, konstatiert der Rezensent Hans-Ulrich Treichel. Der nun vorliegende "Vollziegel" mit sämtlichen 168 Erzählungen des Verfassers mag, wie Treichel einräumt, nicht als optimaler Gegenstand für den Erstzugang scheinen - im Grunde aber sei er auch dafür geeignet. Man müsse sich nur die besten der Erzählungen herauspicken, Treichel nennt, dem Vorwort von Marcel Reich-Ranicki folgend: "Das Feuerschiff", "Der Verzicht", "Die Phantasie" und "Ein Kriegsende". Gewiss haben vor allem die frühen Texte ihre Schwächen, eine gewisse symbolische Überdeutlichkeit nämlich, die sie nun freilich zu so beliebten Lesebuchtexten gemacht habe. Treichel empfiehlt - ohne nähere Angabe von literarischen Gründen - dennoch die Annäherung: Günstiger als in dieser Ausgabe jedenfalls sei ein derart umfangreiches Lebenswerk an Erzählungen kaum zu bekommen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2006

Mit dem Großen Zackenbarsch auf Streifzug durch ein Seeaquarium
Aus dem Lebenswerk eines Erfolgsschriftstellers: Sämtliche Erzählungen von Siegfried Lenz, versammelt in einem Band

Ein Buch wie ein Vollziegel, um es bautechnisch zu formulieren. Letzterem sagt man im Unterschied zum Hohlziegel nicht nur hohe Kapillarität sowie gutes Austrocknungsverhalten und Formbeständigkeit nach, sondern auch hohen Energieverbrauch bei der Herstellung. Mit anderen Worten: 1536 Seiten Erzählungen von Siegfried Lenz liegen auf dem Schreibtisch des Rezensenten, der sich nun vor allem um den eigenen Energieverbrauch Sorgen macht. Wie soll er das alles lesen? Die Frage muß vorerst unbeantwortet bleiben. Warum aber der Schriftsteller Lenz die Kraft für ein so enormes Erzählwerk aufbringen konnte, offenbart der Autor auf der letzten Umschlagseite des Bandes: "Ich bekenne, ich brauche Geschichten, um die Welt zu verstehen."

Die Welt muß dem Schriftsteller Lenz ein immerwährendes Rätsel gewesen sein, das er mit "insgesamt fast 170" Erzählungen, wie es in der editorischen Nachbemerkung heißt, zu lösen versucht hat. Nach unserer Zählung sind es exakt 168 Texte, von denen 107 bereits in der zwanzigbändigen und 1999 abgeschlossenen Werkausgabe enthalten und alle anderen in Zeitungen, Zeitschriften oder Anthologien gedruckt worden sind. Daß ein Erfolgsschriftsteller wie Lenz nicht für die Schublade geschrieben hat, ist nicht weiter überraschend. Aber daß in diesen Band kein einziger bisher ungedruckter Text aufgenommen worden ist, überrascht dann doch. Entweder sollten die Schubladen verschlossen bleiben, oder aber das Haus des nunmehr achtzigjährigen Lenz ist auf das beste bestellt.

Was man von der Welt, in der wir leben und von der Siegfried Lenz erzählt, nicht unbedingt sagen kann. Auch wenn der Schriftsteller Lenz durchaus gelegentlich zum Idylliker werden kann wie in "So zärtlich war Suleyken", der erfolgreichen Sammlung masurischer Geschichten, wo das Leben mit sogenanntem versöhnenden Humor aufs menschlich-heimatliche Maß herunterdekliniert -, oder aber, je nach Lesart, erhoben wird. Doch ist die Suleyken-Idyllik keine verlogene, keine Schönfärberei. Lenz bekennt sich nicht nur zur Fiktionalität seines masurischen Dorfes und dessen Menschen mit "unterschwelliger Intelligenz". Er bemüht sich mit seinem Märchen- und Anekdotenton auch gar nicht erst darum, uns glauben zu machen, daß es früher und in einer Gegend, wo die Orte Quaken und die Menschen Ludwig Karnickel heißen, wirklich besser und menschlicher gewesen wäre. Niemand aber kann ihn daran hindern, als Geschichtenerzähler einfach mal so zu tun.

Marcel Reich-Ranicki zählt in seinem dem Band vorangestellten Geleitwort mit guten Gründen die Geschichten "Das Feuerschiff", "Der Verzicht", "Die Phantasie" und "Ein Kriegsende" "zu den Höhepunkten des Lenzschen Werks". Außerdem schätzt und liebt er "auch aus persönlichen Gründen" die Geschichte "Der Große Zackenbarsch". Was mögen das für persönliche Gründe sein? Der Blick in den unter dem Titel "Ein geretteter Abend" gedruckten Text zeigt uns: Er ist Marcel Reich-Ranicki gewidmet. Der Text erzählt von einem ungewöhnlichen Vortragsabend in einer Volkshochschule. Eigentlich hätte ein Referent den Vortrag "Scharfrichter oder Geburtshelfer? Über das Wesen literarischer Kritik" referieren sollen. Doch der Mann sagt kurzfristig ab, und statt dessen wird einer der Besucher unfreiwillig zum Referenten. Es handelt sich um einen Meereskundler, der die Zuhörer auf einen "Streifzug durch ein Seeaquarium" mitnimmt und hierbei die Rolle des Großen Zackenbarsches erläutert, der so etwas wie der Großkritiker unter den Aquariumsfischen ist. Die einen frißt er, die anderen läßt er laufen und sorgt so für Ordnung im Aquarium. Wobei er dies ganz im Sinne der besten Aquariumsordnung tut, "sich durch keinen Köder verführen" läßt, "mithin unbestechlich sei".

Eine weitere Interpretation erübrigt sich. Die durchaus freundlich und freundschaftlich gemeinte Kritikerparabel gehört zu den Texten, von denen Lenz mit Blick auf sein Frühwerk einmal selbstkritisch gesagt hat: "Alles war enorm ausgeflaggt, alles war kenntlich gemacht, im Hinblick auf die Symbolbedeutung." Das mag für einen eher scherzhaft gemeinten Gelegenheitstext wie den Großen Zackenbarsch nicht so gravierend sein, ist aber ein Grund dafür, daß Lenz der Schulbuchautor der deutschen Gegenwartsliteratur schlechthin geworden ist. Eine Lenz-Interpretation konnte und kann auch noch dem schwächeren Schüler zu Erfolgserlebnissen verhelfen. Das ist lernpsychologisch äußerst günstig, doch hat diese Art des ausgeflaggten symbolischen Realismus dem Autor nicht nur massive Kritik eingetragen, sondern sein Werk oder zumindest Teile davon mit Kreidestaub und der Patina des pädagogisch Wertvollen überzogen und gerade für die jüngeren Leser hoffnungslos altmodisch gemacht.

Oder, um es mit den Worten Lenz' aus dem Jahr 1982 zu sagen: "Ja, junge Leute haben mir oft in Debatten zu verstehen gegeben, daß ich politisch und als Schriftsteller für sie seit ungefähr tausend Jahren unter den Pyramiden begraben liege." Nun sind die Pyramiden ja seit einiger Zeit wieder gewaltig im Kommen. Und das, was darunterliegt, auch. Allerdings ist ein anderthalbtausendseitiges Werk vielleicht nicht der geeignetste Anlaß, einmal einen frischen und unbefangenen Blick auf das Lenzsche OEuvre zu werfen. Man sollte es trotzdem tun, zumal bei dem Preis. Günstiger kriegt man so ein erzählerisches Lebenswerk nicht. Darüber hinaus eines, das sorgfältig ediert und mit den entsprechenden Angaben zur Entstehung der einzelnen Texte, zum Erstdruck sowie zum ersten Wiederabdruck in einer selbständigen Veröffentlichung des Autors versehen ist und auf diese Weise auch die Versäumnisse der Werkausgabe kompensiert.

Da der Rezensent selbst pädagogisch tätig ist, würde er der Jugend dieses Landes am liebsten zurufen: Nehmt - beziehungsweise stemmt - und lest. Das versagt er sich. Er weist lieber auf eine seiner Lieblingserzählungen hin, die rein zufällig auch zu den von Reich-Ranicki hochgelobten Texten zählt. Gemeint ist die Erzählung "Die Phantasie" aus dem Jahr 1974. Der Text ist so etwas wie die erzählerische Entfaltung der Lenzschen Poetik. Drei Männer, Schriftsteller allesamt, beobachten in einer Kneipe ein ungleiches Pärchen, überlegen, was diese beiden wohl zusammen- und in diese Kneipe geführt haben mag, und denken sich drei verschiedene Geschichten zu ihnen aus. Das ist nicht die Scheherazade-Situation. Lenz beziehungsweise seine drei Schriftstellerfiguren erzählen nicht um ihr Leben. Es ist eher die Situation des einsichtig gewordenen Parzival, der die Welt und die Menschen zu erlösen sucht, indem er sie nach ihren Daseinsweisen und den Umständen ihres Lebens befragt. Mitmensch, wie geht es dir?

Siegfried Lenz: "Die Erzählungen". Mit einem Geleitwort von Marcel Reich-Ranicki. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2006. 1536 S., geb., 40,- [Euro].

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"In ihnen gelingt es dem Autor auf brillante Art und Weise, Dinge und Situationen mit einer seltenen Intensität auf kleinstem Raum zu verdichten." Buch aktuell, 20.09.2018