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Ein großer Roman über die Schönheit und Abgründe Afrikas
Benjamin und seine Brüder leben in der Nähe eines gefährlichen Flusses. Als ihr Vater die Familie verlassen muss, verstoßen sie gegen sein Verbot, sich dem Gewässer zu nähern. Die Fische, die sie dort fangen, sind Vorboten einer Tragödie. Ein faszinierendes Familiendrama und eine sprachmächtige Fabel über das Schicksal Nigerias. Von Afrikas neuem großem Erzähler.
"Knisternd vor Lebendigkeit, beladen von Vergänglichkeit, schwindelerregend sowohl im Stil als auch in der elementaren Kraft seiner Geschichte. Nur wenige Romane verdienen
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Produktbeschreibung
Ein großer Roman über die Schönheit und Abgründe Afrikas

Benjamin und seine Brüder leben in der Nähe eines gefährlichen Flusses. Als ihr Vater die Familie verlassen muss, verstoßen sie gegen sein Verbot, sich dem Gewässer zu nähern. Die Fische, die sie dort fangen, sind Vorboten einer Tragödie.
Ein faszinierendes Familiendrama und eine sprachmächtige Fabel über das Schicksal Nigerias. Von Afrikas neuem großem Erzähler.

"Knisternd vor Lebendigkeit, beladen von Vergänglichkeit, schwindelerregend sowohl im Stil als auch in der elementaren Kraft seiner Geschichte. Nur wenige Romane verdienen das Prädikat 'mythisch' - Chigozie Obiomas 'Der dunkle Fluss' gehört mit Sicherheit dazu. Ein wahrhaft großartiges Debüt." Eleanor Catton (Booker-Preis 2013)

"Jeder Satz versetzt einem einen präzisen, tief empfundenen Schlag. Besser geht es nicht. Diesen Namen muss man sich merken." Alexandra Fuller, Autorin von Unter afrikanischer Sonne
Autorenporträt
Chigozie Obioma, 1986 in Nigeria geboren, studierte Englisch, Literatur und Kreatives Schreiben auf Zypern und an der University of Michigan. Sein Debüt "Der dunkle Fluss" wurde in 25 Sprachen übersetzt. Der gefeierte Roman gewann zahlreiche Literaturpreise und stand auf der Shortlist des Man Booker Prize.

Nicolai von Schweder-Schreiner, geboren in Lissabon, lebt in Hamburg. Er übersetzt aus dem Englischen und dem Portugiesischen. Außerdem arbeitet er als Komponist und Musiker.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2015

Der ominöse Zauber des Flusses

Zweifelhafte Selbstexotisierung: Der aus Nigeria stammende Autor Chigozie Obioma belebt in seinem Romandebüt das Bild vom dunklen Kontinent.

Debütromane nigerianischer Autoren folgen gerne einem Muster, das man als Adoptionsbegehren deuten mag: Sie erweisen einer Vaterfigur ihre Reverenz, um sich als jüngster Spross aus deren literarischer Familie auszuweisen. Deutlich wurde dies zum Beispiel bei Chimamanda Ngozi Adichie, die in ihrem Debüt "Blauer Hibiskus" (2003) gleich im ersten Satz den Titel des Gründungsromans "Things Fall Apart" zitierte, mit dem Chinua Achebe 1958 der Weltliteratur das moderne afrikanische Erzählen nachhaltig erschloss. Adichie, Jahrgang 1977 und mittlerweile längst eine ebenso gestandene wie bedeutende Erzählerin (was zuletzt ihr Roman "Americanah" bezeugte), betrat damit die literarische Bühne als selbstbewusste Erbin einer großen Tradition, die sie fortschreiben und weitergeben wollte. Jetzt übernimmt mit Chigozie Obioma, Jahrgang 1986, ein jüngerer Vertreter von Achebes Enkelgeneration die Stafette.

Bei seinem Debüt dauert es zwar bis zum siebten Kapitel, bis die Reverenz an den großen Gründungstext durch ein Zitat hervorgehoben wird; dafür folgt etwas später gleich eine ganze Zusammenfassung der Geschichte, die er seinerzeit erzählte und die Obiomas Figuren jetzt als Modell des eigenen Handelns gilt: Was sie bei Achebe gelesen haben, soll nun den blutigen Rachefeldzug, den die jungen Protagonisten sich vornehmen, rechtfertigen, als müsse die Geschichte sich zwangsläufig wiederholen. Allerdings wünscht man sich subtilere Leser.

Worum es geht, ist schnell erzählt. Eine gutsituierte Familie mit fünf Brüdern (und einer kleinen Schwester, die aber weiter keine Rolle spielt) bricht auseinander, als die vier älteren Brüder, zehn- bis fünfzehnjährig, binnen eines Jahres in eine schreckliche Spirale immer schlimmerer Gewalttaten geraten. Sie beginnt damit, dass sie aus Wut den Hahn einer Nachbarin köpfen, eskaliert dann ziemlich schnell und führt zu Brudermord, Selbstmord, Rachemord, Gefängnis und Wahnsinn. Ausgelöst wird alles dadurch, dass der Vater, ein Angestellter der nigerianischen Zentralbank, in den Norden des Landes versetzt wird und die Familie im Südwesten nur noch sporadisch besucht. Alleingelassen beginnen die Söhne, die ländliche Umgebung ihrer Stadt zu erkunden und sich insbesondere am Fluss herumzutreiben, der offenbar so etwas wie eine unerlaubte oder unheimliche Randzone darstellt, von Ausgestoßenen oder religiösen Erweckungsjüngern heimgesucht. Der Vater ist außer sich, als er erfährt, dass seine Söhne dort zum Angeln gehen. Dort treffen sie denn auch auf einen stadtbekannten Außenseiter, von dessen düsteren Prophezeiungen sie sich fortan getrieben fühlen.

Erzählt wird dies alles aus Sicht des vierten Bruders und vor dem bewegten Hintergrund der 1990er Jahre, als es in Nigeria nach der Annullierung von Präsidentenwahlen zu massiven Unruhen kam, bevor ein weiterer Militärdiktator an die Macht gelangte. Immer wieder flackern Bilder dieser Brände auf, doch immer bleiben sie bloß Beiwerk oder bestenfalls Zeitkolorit, das uns die dramatische Entwicklung eines zerrissenen Landes nur versatzstückhaft vermittelt. Auch erschließt sich keinerlei Zusammenhang zwischen dem politischen Geschehen und der Familientragödie, die sich im Zentrum blutig entfaltet. Denn diese folgt keiner nachvollziehbaren Sozialdynamik, sondern steht ganz im Zeichen jenes ominösen Zaubers, der von dem Fluss ausgehen soll und sich im Fluch des Außenseiters artikuliert. Der Tonfall des Romans ist denn auch auf mythisch-magische Beschwörungen gestimmt, eine düstere Ballade mit Wille zur Wucht, mit archaisierenden Sprachformeln und, besonders beliebt, mit ständigen Tiervergleichen: Mal erscheinen die Protagonisten als Adler, Reiher oder Falke, mal als Python, Spinne oder Motte, zuweilen aber auch als Tiger - ungeachtet der Tatsache, dass es in Afrika bekanntlich keine Tiger gibt.

Doch natürlich geht es nicht um Zoologie. In "The Fishermen" (so der Originaltitel) geht es vielmehr um den Anschluss an eine beliebte literarische Fiktion, die der deutsche Titel mit "Der dunkle Fluss" noch stärker hervorhebt, indem er das Klischee des "dunklen Kontinents", das Afrika seit jeher anhängt, wieder einmal aufruft. Dass ein nigerianischer Debütautor, der mittlerweile in den Vereinigten Staaten lebt, diese Tradition aufleben lassen will, kann man wohl nur als Selbstexotisierung sehen. Immerhin ist seine Strategie erfolgreich - das Debüt erscheint gleichzeitig in sieben Ländern. Klar ist aber auch, dass es sich keineswegs auf Chinua Achebes Werk berufen kann, denn dessen programmatische Abkehr von kolonialen Afrika-Fiktionen zugunsten eines realistischen Erzählens wird hier rückgängig gemacht. Wer sich dagegen heute für die gewaltigen wie gewaltsamen Spannungen einer afrikanischen Übergangsgesellschaft interessiert, der lese besser ein anderes nigerianisches Debüt, das jetzt auf Deutsch vorliegt: In "Jeder Tag gehört dem Dieb" (F.A.Z. vom 4. Februar) entwirft Teju Cole urbane Skizzen von grandioser Tiefenschärfe, die einer Heimkehr in die Fremde folgen. Seine erklärte Vaterfigur übrigens ist Michael Ondaatje, der postkoloniale Flaneur. Vielleicht sollten auch andere Debütautoren ihren Adoptionswunsch überdenken.

TOBIAS DÖRING

Chigozie Obioma: "Der dunkle Fluss". Roman. Deutsch von Nicolai von Schweder-Schreiner.

Aufbau Verlag, Berlin 2015. 313 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Angesichts der realen Gewalt, von der man aus Nigeria regelmäßig hört, wundert sich Rezensentin Marie-Sophie Adeoso nicht, dass sich diese auch in der jungen nigerianischen Literatur niederschlägt. So auch in diesem Debüt, das von einer Prophezeiung handelt, die einige Brüder in einen Strudel der Gewalt zieht. Die literarische Finesse, mit der Obioma die Unausweichlichkeit dieser Exzesse zeichnet, ringt der Kritikerin einiges an Respekt ab. Dasselbe gilt für die grundlegende Komposition des Romans, der mit strukturellen Parallelen und Tiermetaphern arbeite. Wenig anfangen konnte Adeoso allerdings mit der Figurenzeichnung: Obioma greife zum Stilmittel der emotionalen Überzeichnung, worunter ihm die Individualität seiner Charaktere abhanden zu kommen drohe. Auch seien manche der Figuren im Auftreten arg klischeehaft, stellt die Kritikerin weiterhin enttäuscht fest. Insgesamt überzeuge das Werk nur bedingt: Hinter anderen jungen Romanen der nigerianischen Literatur - Adeoso erwähnt die Autoren Teju Cole und Chimamanda Ngozi Adichie - bleibe es zurück.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2015

Der Fisch will Fischer sein
Chigozie Obioma erzählt aus dem Herzen Nigerias
Die meisten afrikanischen Autoren, die in Europa und den USA zuletzt überdurchschnittlich erfolgreich waren, interessieren sich für Afrika höchstens in der ersten Ableitung. Was vermutlich daran liegt, dass sie selbst im Westen sozialisiert wurden. Teju Cole ist als Sohn nigerianischer Eltern in den USA zur Welt gekommen, die Ghanaerin Taiye Selasi ist in London und Boston aufgewachsen, und Helen Oyeyemi hat ihr Geburtsland Nigeria Richtung London verlassen, als sie gerade einmal vier Jahre alt war. In Afrika hätten sie alle unterschiedliche Hautfarben, im Westen aber sind sie gleichermaßen schwarz.
  Deshalb ist die Konjunktur, die Romane westafrikanischer Autoren zurzeit in den Programmen westlicher Verlage erleben, eher kein Hinweis auf eine kulturelle Öffnung des europäischen Kulturpublikums. Es geht hier weniger um Afrika als um die Fragilität von ethnischen Zuordnungen und die kulturelle Kollision als Grundrauschen der eigenen Identität. Es geht um ein zutiefst europäisches Thema: den Kampf des Menschen mit der Moderne.
  Jetzt ist mit Chigozie Obiomas Debütroman „Der dunkle Fluss“ ein Buch eines nigerianischen Schriftstellers erschienen, der zwar einerseits an die westliche Erzähltradition anknüpft, andererseits aber tatsächlich aus dem Herzen Westafrikas erzählt: „Der dunkle Fluss“ handelt von einer Familie, die in den Neunzigern in der nigerianischen Kleinstadt Akure lebt. Der Vater möchte aus seinen Söhnen Professoren und Piloten machen und setzt dafür auf körperliche Züchtigung. Diese häusliche Angstpolitik funktioniert anfangs sogar ganz gut. Als aber der Erstgeborene Ikenna von dem stadtbekannten, verrückt gewordenen Obdachlosen Abulu die Prophezeiung erhält, er werde durch die Hand seines eigenen Bruders sterben, kommt das Familienprojekt zum Stillstand.
  Die Prophezeiung des Abulu setzt eine Kette von Ereignissen in Gang, an deren Ende die Familie vollständig zerstört ist. Mitunter geht es barbarisch zu, wobei die Grausamkeit nicht aus den Figuren selbst zu entspringen scheint. Sie wirken besessen, ohne dass man genau sagen könnte, wovon. In diesem mythischen Resonanzraum liegt die Qualität von Obiomas Prosa: Der Ich-Erzähler bleibt auch dann seltsam sanft und urteilsfrei, wenn sich seine Mitmenschen vor seinen Augen in Mörder und Schlächter verwandeln, wenn sie unwiederbringlich verzweifeln oder klinisch verrückt werden.
  In der Roman-Familie spiegelt sich die Zerrissenheit des kolonialen Staatengebildes namens Nigeria: Sie orientiert sich an den Werten des westlichen Rationalismus, glaubt an Fortschritt durch Disziplin und versucht, ihre Kinder in Kanada ausbilden zu lassen, wo es einen Onkel gibt, der regelmäßig Postkarten schickt. Sie verehrt den charismatischen Politiker Moshood Abiola, der 1993 die ersten demokratischen Wahlen Nigerias gewinnt und im Roman einen kurzen Auftritt hat. Und trotzdem zerschellt die Familie machtlos an den wirren Prophezeiungen eines Obdachlosen, der wegen seines Gebrabbels von den Bewohnern der Stadt für einen Halbgott gehalten wird. Die natürliche Autorität des Schamanen fährt unbarmherzig in die Seelenlandschaft der Familie.
  Immer wieder wird die westliche Kultur direkt mit traditionell nigerianischen Erzählungen kontrastiert, zum Beispiel, als eine Heuschreckenplage von den Bewohnern Akures als Bote des lang ersehnten Regens ausgelegt wird: „Aber mit dem Regen kam auch ein heftiger Sturm, der Dächer abtrug, Häuser zerstörte, Ertrunkene forderte und ganze Städte in seltsame Flüsse verwandelte. So wurden die Heuschrecken von Boten des Guten zu Herolden des Bösen. (. . .) Es war die Woche, als Nigerias olympisches ,Dream Team‘ das Fußballfinale erreichte.“
  Obiomas Figuren versuchen, sich nach westlichem Vorbild über ihr Schicksal zu erheben, um schließlich von den Geistern des Aberglaubens und der Vorbestimmung wieder hinabgerissen zu werden. Den Konflikt zwischen individualistischer Emanzipation und prämodernistischem Schamanismus gestaltet er mit dem Bild des Fisches: Seine Figuren reden sich ein, Fischer zu sein, lernen aber auf schmerzhafte Weise, dass sie letztlich die Fische sind. Stellenweise ist das gespenstisch souverän, ein kunstvoll ausgeführter Existenzialismus.
FELIX STEPHAN
  
Chigozie Obioma: Der dunkle Fluss. Roman. Aus dem Englischen von Nicolai von Schweder-Schreiner. Aufbau Verlag, Berlin 2015. 313 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 15,99 Euro.
Die kulturelle Zerrissenheit
zerstört eine Familie
Geradezu gespenstisch souverän: Chigozie Obioma.
Foto: S.Soderberg/UM Photography
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" ein[] ganz große[s] Debüt. " Andreas Fanizadeh taz. Die Tageszeitung 20150725