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Spanien in den dunklen Tagen des Franco-Regimes: Ein Auftrag der Politischen Polizei führt die eigenwillige Alicia Gris zurück in ihre Heimatstadt Barcelona. Unter größter Geheimhaltung soll sie das plötzliche Verschwinden des Ministers Mauricio Valls aufklären. In seinem Besitz befand sich ein geheimnisvolles Buch aus der Serie "Das Labyrinth der Lichter", das Alicia auf schmerzliche Weise an ihr eigenes Schicksal erinnert. Es führt sie in die Buchhandlung Sempere & Söhne. Der Zauber dieses Ortes schlägt sie in seinen Bann, und wie durch einen Nebel steigen Bilder ihrer Kindheit in ihr auf.…mehr

Produktbeschreibung
Spanien in den dunklen Tagen des Franco-Regimes: Ein Auftrag der Politischen Polizei führt die eigenwillige Alicia Gris zurück in ihre Heimatstadt Barcelona. Unter größter Geheimhaltung soll sie das plötzliche Verschwinden des Ministers Mauricio Valls aufklären. In seinem Besitz befand sich ein geheimnisvolles Buch aus der Serie "Das Labyrinth der Lichter", das Alicia auf schmerzliche Weise an ihr eigenes Schicksal erinnert. Es führt sie in die Buchhandlung Sempere & Söhne. Der Zauber dieses Ortes schlägt sie in seinen Bann, und wie durch einen Nebel steigen Bilder ihrer Kindheit in ihr auf. Doch die Antworten, die Alicia dort findet, bringen nicht nur ihr Leben in allerhöchste Gefahr, sondern auch das der Menschen, die sie am meisten liebt.

Mit seinen Barcelona-Romanen schuf Carlos Ruiz Zafón eine der faszinierendsten Erzählwelten aller Zeiten. Die Verheißung, die mit Der Schatten des Windes begann, findet in seinem diesem Hörbuch ihre Vollendung.
Autorenporträt
Carlos Ruiz Zafón begeistert mit seinen Barcelona-Romanen um den Friedhof der vergessenen Bücher - Der Schatten des Windes, Das Spiel des Engels und Der Gefangene des Himmels - ein Millionenpublikum auf der ganzen Welt. Auch Marina, der Roman, den er kurz vor den großen Barcelona-Romanen schuf, stand wochenlang auf den Bestsellerlisten. Seine ersten Erfolge feierte Zafón mit den drei phantastischen Schauerromanen Der Fürst des Nebels, Mitternachtspalast und Der dunkle Wächter. Carlos Ruiz Zafón wurde 1964 in Barcelona geboren und starb 2020 in Los Angeles. Peter Schwaar wurde 1947 in Zürich geboren, Studium der Germanistik in Zürich und Berlin, Redakteur beim Zürcher Tagesanzeiger, seit 1987 freier Journalist und Übersetzer (Eduardo Mendoza, Juan José Millás, Javier Tomeo, Adolfo Bioy Casares, Álvaro Mutis, Tomás Eloy Martinéz, David Trueba u.a.). Er lebt in Barcelona. Uve Teschner hat mit seiner wandelbaren Stimme bereits zahlreiche Hörbücher eingelesen. Er ist nicht nur ein fesselnder Erzähler, sondern auch ein lebhafter Gestalter, der die unterschiedlichsten Charaktere verkörpern kann.
Trackliste
MP3 CD 1
1Das Labyrinth der Lichter (1. Teil)
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1Das Labyrinth der Lichter (2. Teil)
MP3 CD 3
1Das Labyrinth der Lichter (3. Teil)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2017

Mir ist so literarisch wohl als wie neunhundert Seiten
Carlos Ruiz Zafón schließt den Erfolgszyklus "Der Friedhof der vergessenen Bücher" mit dem vierten Roman ab

Es überrascht kaum: "Das Labyrinth der Lichter" schaffte es aus dem Stand auf Platz zwei der Bestsellerlisten. Weniger war von der Verkaufsmaschine Carlos Ruiz Zafón nicht zu erwarten, schon gar nicht beim vierten und letzten Roman des Zyklus "Der Friedhof der vergessenen Bücher": Mit "Der Schatten des Windes" hatte er nicht nur die Reihe eröffnet, sondern auch einen gigantischen Erfolg hingelegt. 2003 las ganz Deutschland Ruiz Zafón, von der Supermarktkasse bis ins Außenministerium, und träumte sich in ein sepiafarbenes Barcelona voller Bücherregale. Seitdem sind nicht nur zwei weitere Bände der Reihe auf Deutsch erschienen, sondern auch mehrere Schauerromane aus Ruiz Zafóns Frühwerk; an Entzugserscheinungen haben seine Leser nicht gelitten. Aber vielen geht es vermutlich wie Ruiz Zafóns skurriler Figur Fermín mit Süßigkeiten: Je mehr er sich in den Mund stopft, desto größer wird die Lust.

Nun also der letzte Band zur Welt der Sempere, einer Buchhändlerfamilie im Barcelona der fünfziger und sechziger Jahre, der Franco-Zeit, die von Diktatur und Nachwirkungen des Bürgerkriegs geprägt ist. Nachdem der dritte Roman gewisse Ermüdungserscheinungen gezeigt hatte, packt Ruiz Zafón den Stier bei den Hörnern: Er wechselt in die Intrigen von Politik und Geheimdiensten, die bisher das Leben der braven Helden als finstere außenstehende Mächte bestimmt haben. Um das überzeugend tun zu können, schafft er sich eine düstere Heldin, die zugleich die Herkulesaufgabe schultert, die Stadt zu verkörpern. Mit den Worten eines Statisten: "Weil Sie ein Wesen aus Licht und Schatten sind, wie diese Stadt."

Alicia Gris leistet - nomen est omen - in urbanen Dämmerzonen Geheimdienst- und Polizeiarbeit der schmutzigen Sorte. Sie leidet an einer Hüftverletzung, die von der Bombardierung Barcelonas durch die italienische Luftwaffe 1938 herrührt, und ernährt sich von Weißwein und Schmerzmitteln. Ihrer Intelligenz tut das keinen Abbruch: "Ihr Geist funktioniert anders als der der anderen. Wo alle eine verschlossene Tür sehen, sieht sie einen Schlüssel. Wo die anderen die Fährte verlieren, findet sie die Spur. Das ist eine Gabe, um es mal so zu sagen. Und das Beste ist, dass keiner sie kommen sieht." Schön ist die junge Frau sowieso, im Femme-fatale-Genre; Ruiz Zafón versucht, seinem Krönungsschmöker dadurch Würze zu geben, und das gelingt streckenweise auch.

Aber von Beginn an: Im Winter 1959 wird Alicia von ihrem so raffinierten wie grausamen Mentor Leandro Montalvo - ein Geheimdienstoberer, der in einem Luxushotel residiert - auf einen Fall angesetzt. Es ist ihr letzter, so das Versprechen, aber dafür ein besonders heikler. Francos Nationaler Bildungsminister Mauricio Valls ist kurz nach dem achtzehnten Geburtstag der Tochter Mercedes aus seinem Madrilener Anwesen verschwunden, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Zusammen mit Vargas - einem gut erhaltenen, aber ansonsten nicht gerade exemplarischen Polizisten - macht Alicia sich auf die Suche. Im Arbeitszimmer des Ministers findet sie "Ariadna und der Scharlachprinz", das Manuskript eines Kindermärchens von Víctor Mataix, das sie nach Barcelona führt. Dort sammeln die zwei Ermittler Informationen und haben die Ehre, durch Rovira, einen tollpatschigen Kollegen, beschattet zu werden.

Die katalanische Metropole ist in mehrerer Hinsicht Alicias natürliche Bestimmung: Sie ist ihre Heimatstadt, und dort hat ihre Arbeit für Leandro begonnen, der weiterhin mehr als eine Karte im Ärmel verbirgt - vor allem aber kann Ruiz Zafón Alicia hier mit der Familie Sempere zusammenführen. Ästhetisch gesehen ist Alicias Funktion klar: Die "wandelnde Zeitbombe" komplettiert das Sempere- und das Barcelona-Tableau insgesamt um seine abgründige Seite. Die braucht es auch, um zum Abschluss richtig aufräumen zu können, so, wie das eben nur ein stinkwütender Racheengel tun kann, mit rauchendem Kehrbesen und ohne Rücksicht auf Verluste.

Darauf jedoch muss der Leser lange warten; über weite Strecken sieht er nicht, wie der Hase läuft. Der Roman mutiert früh vom Krimi zum Thriller, die Ermittler geraten selbst ins Visier. Alicia und Vargas vollbringen dabei den Drahtseilakt, für die Autoritäten zu schnüffeln und gleichzeitig gegen sie zu sein; bei einem Krimi in Franco-Spanien geht das wohl kaum anders, wenn man das Publikum nicht strapazieren will, es ist aber nicht immer glaubwürdig. Ansonsten häuft Ruiz Zafón Indizien, ohne die Fäden zu verknüpfen - bis er sich nach knapp vierhundert Seiten dazu entschließt, mit einem Schlag alles auszupacken. Er lässt seine Helden die Kartons eines Anwalts finden, der dankenswerterweise alles aufgezeichnet hatte. Für einen Autor von Krimis und Schauerromanen, in denen es auf fein dosierte Spannung ankommt, ist das ein erstaunlich plumpes Verfahren.

Der Vorteil: Von diesem Zeitpunkt an geht es schneller. Ruiz Zafón kann seine Stärken ausspielen und eine flotte Handlung in pittoreskem Setting abspulen, das sowohl an schauerromantische Großstadtbilder des neunzehnten Jahrhunderts als auch an deren Verfilmungen im zwanzigsten erinnert. Seine Sprache ist glatt und widerstandsarm: Wen es nicht stört, dass große Gebäude zwangsweise wie Kathedralen oder gestrandete Schiffe aussehen, wird durch sie hindurchgleiten wie auf der Rolltreppe; manche der Dialoge, besonders die Einlassungen Fermíns, dem "pikaresken Geist" des Zyklus, sind flott, frech und pikant. Es wimmelt von romanesken Gestalten, weisen Bibliothekaren, habgierig-lüsternen Bankiers, grausamen Polizeioffizieren, eleganten Zigeunerfürsten; auch die Handlung entwickelt Spannung, als einige Figuren ihre Masken fallen lassen und andere plötzlich in Todesstarre verfallen.

Ohne den Spaß zu verderben, kann verraten werden, dass Alicia entdeckt, welch dunkle Vergangenheit der gesuchte Minister hat - Gefängnisdirektor, Kinderschacherer -, und dass er von seinen Opfern in die Falle gelockt wurde. Der Clou an der Geschichte ist das nicht: Er besteht darin, dass letztlich das Regime schuld ist, es sich aber erstens in der Aufarbeitung selbst beschädigt und zweitens, Alicia sei Dank, nicht ungestraft davonkommt.

Glühende Verehrer des katalanischen Bestseller-Autors werden die Längen nicht abschrecken, das Stadt-Ambiente ist ihnen für das Lesevergnügen vermutlich ähnlich wichtig wie der Plot. Sie werden Ruiz Zafón auch die repetitiven Erklärungen und Beschreibungen verzeihen (die den Vorteil haben, dass man den Roman ohne Kenntnis der Vorgänger versteht) sowie den langatmigen Epilog, der die Nachgeschichte erzählt, den Zyklus resümiert und erläutert, wie es zur Niederschrift kam. Neben der krachenden Auflösung hat "Das Labyrinth der Lichter" die Funktion, so gut wie alle Figuren des Zyklus noch einmal zu evozieren und in einem Gruppenbild anzuordnen.

Abschließend wird dem Leser vor Augen geführt, welch zentrale Rolle rare Bücher und Manuskripte sowie obskure, aber geniale Schriftsteller spielen, die Opfer des Regimes geworden oder auf rätselhafte Weise verschwunden sind. "Der Schatten des Windes" baute bereits auf demselben Rezept auf, indem der Roman die Suche nach dem mysteriösen Kultautor Julian Carax ins Zentrum stellte. Den in Ruiz Zafóns Romanen geschilderten Werken und Schriftstellern ist gemein, dass sie stets nur einer kleinen Gemeinde von Kennern bekannt und immer bedroht sind. Auffällig ist auch, dass die Zentralachse des Zyklus der besagte Friedhof der vergessenen Bücher ist, eine ebenfalls nur Eingeweihten bekannte Bibliothek, in der Werke gerettet werden. Das Paradoxon von Ruiz Zafóns Texten ist dem der Esoterik analog: Sie inszenieren ein Geheimwissen, betreiben einen Kult des raren Objektes, obwohl sie auf Bedingungen aufbauen, die dem widersprechen, ja selbst etwas darstellen, das ihm völlig entgegensteht. Denn Unterhaltungsliteratur wie jene Ruiz Zafóns ist Feuilletonschmöker aus der Presse Eugène Sues und Postkartenliteratur aus dem Bildersud Hollywoods: Sie baut auf massenmedialer Verbreitung und Rezeption auf, in Motiven und Sprache ist sie noch im Lokalkolorit so universell und unspezifisch wie möglich. Mit anderen Worten: Ruiz Zafóns Schinken würden nie im "Friedhof der vergessenen Bücher" landen, von dem sie schwadronieren, sie lachen einem aus tausend Bücherregalen entgegen.

Es ist ein Rätsel und ein Ärgernis, warum Autoren, die mit anspruchsvoller Literatur so wenig am Hut haben wie Ruiz Zafón, Joël Dicker und - auf harmlose und viel sympathischere Weise - auch Walter Moers, derartig obsessiv Bücher- und Autorenverehrung betreiben. Man möchte ihnen zurufen: Keiner zwingt euch, Dante, Rabelais, Corneille, Goethe und Joyce nachzueifern - aber dann schmückt euch auch nicht mit ihren Federn. Ist das zu viel verlangt? Aber vermutlich gehört Bücher- und Autorenfetischismus zu den Kompensationsformen postliterarischer Spaßkultur, die man ertragen muss, wenn man Schauerliteratur im Taschenformat genießen möchte.

NIKLAS BENDER

Carlos Ruiz Zafón:

"Das Labyrinth der Lichter". Roman.

Aus dem Spanischen

von Peter Schwaar. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2017. 942 S., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.05.2017

Endstation
Buchhandlung
In „Labyrinth der Lichter“ erzählt Carlos Ruiz Zafón von
Barcelona unter Franco – und scheitert an seinem Ehrgeiz
VON KARIN JANKER
Häufig gehen hoher Anspruch und hohe Verkaufszahlen nicht gut zusammen. Wenn Autoren am laufenden Band Bestseller produzieren, unterstellt man ihnen gerne, sie würden vor allem auf den Erfolg beim Publikum schielen. Auch wenn es immer wieder Gegenbeispiele gibt, lautet die Anklageschrift, sie würden eine Art Populismus in Buchform betreiben: indem sie Reflexe bedienten, trügen sie zur Verflachung des literarischen Diskurses bei.
Der spanische Bestsellerautor Carlos Ruiz Zafón scheint angetreten zu sein, um die Falschheit dieser Unterstellung zu beweisen, indem er Bücher schreibt, die sich millionenfach verkaufen, in denen aber Literatur dennoch eine zentrale Rolle spielt. Der „bibliophile Bestseller“ ist sein Metier, sein neues Buch „Das Labyrinth der Lichter“ ist dafür das beste Beispiel. Doch der Roman ist das Zeugnis eines Scheiterns. Ruiz Zafón verwurstet den Kanon der Weltliteratur, ohne ihm auch nur einen eigenen Gedanken hinzuzufügen. Es scheint, als glaube er, dass die bloße Anwesenheit geistreicher Literatur in seiner Erzählung auf diese ausstrahlen könnte. Ein äußerst plumper Versuch.
„Das Labyrinth der Lichter“ ist der vierte Teil der Serie vom „Friedhof der vergessenen Bücher“ und zugleich ihr Finale. Es kehren viele Figuren wieder, die bereits aus den Vorgängern „Der Schatten des Windes“, „Das Spiel des Engels“ und „Der Gefangene des Himmels“ bekannt sind. Besonders der Auftakt der Tetralogie war so erfolgreich, dass es heute in Barcelona „Der Schatten des Windes“-Stadtführungen gibt. Der Verlag betont, dass man den neuen Ruiz Zafón auch lesen könne, ohne die drei anderen Romane zu kennen. Das stimmt, besonders voraussetzungsreich ist das Buch nicht.
Wieder ist die Handlung im franquistischen Spanien angesiedelt. Sie spielt vor allem im Jahr 1959, allerdings führen von dort immer wieder Rückblenden in die Vergangenheit. Dieses Mal begleitet der Erzähler eine dubiose weibliche Hauptfigur, die Waise Alicia Gris, durch die Straßen Barcelonas, der „Mutter aller Labyrinthe“. Es entspinnt sich zunächst eine genretypische Thrillerhandlung mit der Atmosphäre eines film noir. Alicia soll im Auftrag der Politischen Polizei nach dem verschwundenen Bildungsminister Mauricio Valls suchen. Valls wurde von seiner dunklen Vergangenheit als Direktor des Gefängnisses von Montjuïc eingeholt, wo Franco politische Gegner foltern und ermorden ließ.
Von der Vergangenheit eingeholt zu werden, ist ein Leitmotiv der ganzen Serie. Statt den Figuren charakterliche Tiefe zu geben, bindet der Erzähler jeder von ihnen eine Vergangenheit ans Bein. Die häufigen Rückblenden führen zu Schachtelungen, Parallelführungen und Spiegelungen — und zu einem Eindruck von Redundanz. Wer beispielsweise „Der Schatten des Windes“ gelesen hat, wird beim Lesen von „Das Labyrinth der Lichter“ das Déjà-vu-Gefühl nicht los. Nicht nur wegen der wiederkehrenden Figuren, sondern weil Ruiz Zafón immer wieder in die gleichen Erzählstrukturen verfällt. Das labyrinthische Schreiben soll wohl Borges nachahmen, ergibt aber nur eine mittelmäßige Kopie.
Bei ihren Ermittlungen in Madrid und Barcelona stößt Alicia nicht nur auf Erinnerungen aus ihrer Kindheit, sondern auch auf ein geheimnisvolles Buch, das sie in die Buchhandlung Sempere & Söhne führt. An diesem Ort laufen schließlich einige lose Fäden aus den bisherigen Bänden des „Friedhofs der vergessenen Bücher“ zusammen. Eingewoben sind Versatzstücke unterschiedlichster Genres: ein paar Folterszenen für Splatter-Liebhaber, eine sich anbahnende Liebesgeschichte, etwas politische Historie aus der Franco-Diktatur und dazwischen etliche humoristische Kalauer. Es ist, als wolle Ruiz Zafón in seinen Roman alles hineinrühren, was die Bahnhofsbuchhandlung hergibt.
Damit verkommt nicht nur das Nachkriegs-Barcelona zur bloßen Kulisse, auch der stellenweise anklingende und durchaus spannende, weil noch längst nicht abgeschlossene, spanische Aufarbeitungsdiskurs gerät in diesem Eklektizismus unter die Räder. Der Roman erzählt zwar von Verbrechen, die von Regimetreuen begangen wurden, aber er tut dies vollkommen unpolitisch, indem er „die Bösen“ mystifiziert und zu klischeehaften Märchencharakteren macht. Der Franquismo wird so zur Schicksalsmacht. Damit erzeugt „Das Labyrinth der Lichter“ eine stillgestellte Vergangenheit, konserviert, um sie sich vom Leib zu halten. Literatur kann einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Vergangenheit leisten, aber Ruiz Zafón versucht das nicht einmal.
Am enervierendsten allerdings ist die Art, wie der Erzähler mit Literatur umgeht. Jede Figur, und sei sie noch so unbedeutend, wird mit einem literarischen Attribut ausgestattet. So liest der Rezeptionist in Alicias Hotel drittklassige Krimis, Alicia selbst hingegen rettet als kleines Mädchen — wie könnte es anders sein — „Alice im Wunderland“ aus ihrem zerbombten Elternhaus. Womöglich ist es dem Verlangen geschuldet, sich in den Kanon der Weltliteratur einreihen zu dürfen, dass Ruiz Zafón massenweise literarische Werke zitiert.
Eine kleine Auswahl von Anspielungen und Referenzen: Lewis Carroll, Lope de Vega, John Steinbeck, Charlotte Brontë, Miguel de Cervantes, Francesco Petrarca, Dante Alighieri, Alexandre Dumas, Victor Hugo, Goethe, D.H. Lawrence, Miguel de Unamuno, Molière, John Milton, Jules Verne. Die Liste ließe sich fortsetzen. In Ruiz Zafóns Roman bleibt Literatur jedoch Dekoration. Und von der Ironie, die entsteht, wenn diese Referenzen in Reihe gebracht sind, ist im Roman nichts zu spüren. Der Spanier benutzt den Kanon der Weltliteratur, ohne sich an ihm abzuarbeiten.
Er setzt die Anspielungen, um sein Projekt voranzutreiben: möglichst viele unterschiedliche Leserinteressen gleichzeitig zu befriedigen. Die Buchhandlung Sempere & Söhne, vollgestellt mit Werken großer Namen, ist daher wie eine Metapher für Ruiz Zafóns Art zu schreiben: Angesichts all dieser Bücher und des Wissens, das sie enthalten, entscheidet sich der Erzähler dafür, staunend die Gänge entlangzuschleichen und nur hie und da einen Blick auf einzelne Buchrücken zu werfen. Doch wer nur zwischen Büchern herumläuft, sieht vielleicht klug aus, lernt aber nichts dabei. Ruiz Zafón geht es nicht um Konzepte wie Hypertext oder Intertextualität, er macht nichts aus oder mit diesen Referenzen, sondern benutzt sie, um hohe Literatur und Bestsellerei zusammenzuführen. Doch das Name-Dropping bewirkt das Gegenteil: Beide klaffen unvereinbar auseinander.
Ruiz Zafón gelingt mit „Das Labyrinth der Lichter“ nicht einmal ein unterhaltsamer Genre-Roman. Vor lauter Anspielungen entgleitet ihm die eigene Geschichte. Das Projekt „bibliophiler Bestseller“ muss in der Zafón’schen Ausführung daher begraben werden.
Carlos Ruiz Zafón: Das Labyrinth der Lichter. Roman. Aus dem Spanischen von Peter Schwaar. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2017. 944 Seiten, 25 Euro. E-Book 19,99 Euro.
Es ist, als wolle Ruiz Zafón in den
Roman alles hineinrühren, was die
Bahnhofsbuchhandlung hergibt
Wer nur zwischen Büchern
herumläuft, sieht vielleicht
klug aus, lernt aber nichts dabei
Carlos Ruiz Zafón, geboren 1964 in Barcelona, im April 2017 in Hamburg.
Foto: Christophe Gateau/picture-alliance
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Die Verschrobenheit der Charaktere, die stilsicher inszenierten, oft von Ironie durchtränkten Wortgefechte [...] all das bricht den genretypischen, linearen Erzählfluss immer wieder erfrischend auf. Fabian Wegener Deutsche Presse Agentur 20170403