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Sachbuch-Bestenliste Oktober 2013: Platz 1
Heute fragen sich viele Menschen, ob sie noch Christen sind. Andere wollen es wieder werden und suchen nach Wegen. Kurt Flasch erzählt - ausgehend von seiner Herkunft aus einer liberal-katholischen, kulturell und politisch engagierten Familie -, wie er ins Zweifeln am Christentum gekommen ist. Er bespricht die Hauptpunkte der christlichen Lehre in ihrer katholischen wie evangelischen Form und wendet sich an jeden Gläubigen und an jeden Ungläubigen, der seine Gründe prüfen will, warum er Christ ist. Kurt Flasch ist Fachmann für antike und…mehr

Produktbeschreibung
Sachbuch-Bestenliste Oktober 2013: Platz 1

Heute fragen sich viele Menschen, ob sie noch Christen sind. Andere wollen es wieder werden und suchen nach Wegen. Kurt Flasch erzählt - ausgehend von seiner Herkunft aus einer liberal-katholischen, kulturell und politisch engagierten Familie -, wie er ins Zweifeln am Christentum gekommen ist. Er bespricht die Hauptpunkte der christlichen Lehre in ihrer katholischen wie evangelischen Form und wendet sich an jeden Gläubigen und an jeden Ungläubigen, der seine Gründe prüfen will, warum er Christ ist.
Kurt Flasch ist Fachmann für antike und mittelalterliche Philosophie. Er hat sich ein Leben lang mit den Quellen zu dieser Zeit und deshalb auch mit dem Christentum befasst. Er erläutert argumentierend in persönlich gefärbter Darstellung, warum er kein Christ ist. Die Kritik gilt der christlichen Lehre, nicht dem Zustand der Kirchen.

Das Buch ist keine Autobiographie und keine Kampfschrift. Es bemüht sich um historische Gerechtigkeit, benennt die christlichen Überzeugungen genau und mit geschichtlichem Verständnis, bringt aber an Details nur das, was nötig ist, um zu einem sachlichen Urteil zu kommen. Flasch prüft aus den Quellen heraus die katholischen und evangelischen Varianten der christlichen Lehren und begründet, warum er von ihnen keinen weiteren Gebrauch machen wird. Fromme wie Unfromme können daraus Nutzen ziehen.
Autorenporträt
Kurt Flasch, geb. 1930, gilt als der bedeutendste deutsche Historiker mittelalterlicher Philosophie. Er wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. 2000 mit dem Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa, 2009 mit dem Hannah-Arendt-Preis, 2010 mit dem Lessing- Preis für Kritik sowie mit dem Essay-Preis Tractatus und 2012 mit dem Joseph-Breitbach-Preis. Bei C.H.Beck sind von ihm zuletzt erschienen: Meister Eckhart. Philosoph des Christentums (³2011), Was ist Gott? Das Buch der 24 Philosophen (²2013) und seine Übersetzung von Boethius' Trost der Philosophie (52013).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.08.2013

Verschiebung
des Blicks
Kurt Flasch, der Meister der Philosophiegeschichte,
erklärt entschieden, warum er kein Christ ist
VON JOHANN HINRICH CLAUSSEN
Rückkehr der Religion“ hin oder her – es bleibt erstaunlich, wie präsent religiöse Fragen in der Öffentlichkeit immer noch sind. Wenn man bedenkt, wie wenig hierzulande das private Leben des Einzelnen oder die Politik der Gesellschaft von religiösen Vorstellungen bestimmt werden, kann man sich über das kaum verminderte Erregungspotenzial der Religion nur wundern. Und dies nicht bloß bei den herkunftstreuen Christen, die ihren Glauben allein dadurch zur Darstellung bringen, dass sie gegen falsche Frömmigkeiten oder Sittlichkeitsverluste zu Felde ziehen: Religiösen Konservatismus scheint es da nur in der Schrumpfform des Ressentiments zu geben. Sondern auch bei Freidenkern, die mit überraschendem Furor gegen einen Gotteswahn kämpfen, von dem sie doch behaupten, dass er längst entlarvt sei. Oder sind die regelmäßig aufwallenden Pro-und-Contra-Debatten nur ein Oberflächenphänomen – und eigentlich geht es um etwas ganz anderes?
  Vielleicht hilft die Erinnerung an eine Nebenbemerkung, die Hans Blumenberg vor Jahrzehnten fallen ließ. In seiner „Matthäuspassion“ hatte er darauf hingewiesen, dass der Ausdruck „Verlegenheit“ besser als „Zweifel“ die Gemütslage der Zeitgenossen kennzeichne, die mit Religion konfrontiert sind. Das neuzeitliche Wahrheitsbewusstsein ist ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Aber so ganz können sie vom Glauben nicht lassen. Sie verspüren eine Sehnsucht, in die jedoch immer der Zweifel hineinspricht – und umgekehrt. Aber „Sehnsucht“ und „Zweifel“ sind schon viel zu aufgeladene Begriffe. Die meisten empfinden „Verlegenheit“. Bekommen sie es mit Religion zu tun, reagieren sie so: freundlich-zugewandt, keineswegs kritisch-aggressiv, aber scheu, als wären sie peinlich berührt. Für diese Verlegenheit gibt es Gründe, doch sie verhindert eine Auseinandersetzung mit dem Kern der Sache. Und dies könnte die Ursache dafür sein, dass in der Öffentlichkeit laut über Vatikanreformen, Moscheebauten oder evangelische Eheschriften gestritten wird, man sich also in Ablenkungsdiskurse flüchtet.
  Nun ist ein Buch erschienen, das diese Verlegenheit wegwischt. Es fragt direkt nach der Wahrheit des christlichen Glaubens. Geschrieben hat es Kurt Flasch, der Altmeister der spätantiken und mittelalterlichen Philosophiegeschichte. Der 83-Jährige legt in einer „persönlichen Rechenschaft“ die Gründe dar, warum er kein Christ mehr ist. Und er tut dies ohne falsche Scham, mit einem energischen Interesse an Klarheit und einem tiefen Widerwillen gegen faule Ausreden. In engagierter Gelassenheit, gelegentlich mit polemischen Zuspitzungen, diskutiert er die Gründe für oder gegen den Glauben und ermöglicht so eine echte Auseinandersetzung.
  Was aber ist der Glaube, der geprüft werden soll? Flasch findet ihn in klassischen Lehrdokumenten: Bibel, Bekenntnisse, theologische Klassiker wie Augustin oder Thomas von Aquin. An ihnen vollzieht er eine vierfache Kritik: erstens eine philosophische Kritik metaphysischer Vorstellungen wie der Existenz Gottes oder der Unsterblichkeit der Seele; zweitens eine historische Kritik der Bibel, der Gewaltgeschichten des Alten und der Wundererzählungen des Neuen Testaments; drittens eine herrschaftssoziologische Kritik der Kirche, denn der Anspruch auf absolute Wahrheit ist Basis eines gesellschaftlichen Machtanspruchs; viertens eine sprachliche Kritik des theologischen Jargons, mit dem dieser Anspruch über sein intellektuelles Verfallsdatum hinaus verlängert wird.
  Besonders das Theologengeschwätz, dem sich Flasch über Jahrzehnte hin ausgesetzt sah, scheint die religiösen Gefühle nachhaltig verletzt zu haben, die er nun nicht mehr besitzt. Das Ergebnis seines
essayistischen Anti-Katechismus ist schlicht und klar: Die alte Glaubenslehre ist unvernünftig und unmenschlich,
historisch unendlich weit entfernt und deshalb für heutige Menschen irrelevant. Das trifft die offizielle katholische Theologie, wie sie Flaschs Generationsgenosse Benedikt XVI. vorträgt, aber ebenso die Versuche des aufgeklärten Protestantismus, ein neues Glaubensverständnis zu etablieren. Gerade weil Flasch die Hochformen spätantiker und mittelalterlicher Theologien kennt, deren Unwahrheit er zwar durchschaut hat, deren Grandiosität ihm aber Respekt abnötigt, kann er in theologischen Modernisierungen nur Verluste und Verflachungen erkennen. Ebenso wie das Getue sklerotischer Klerikalisten verachtet er den triumphalistischen Gestus mancher liberaler Theologen, die meinen, mit ihrer Überwindung vormoderner Doktrinen stünden sie an der Spitze des Fortschritts. Beide übersehen, dass sie die Repräsentanten einer Verfallsgeschichte sind.
  Eine „persönliche Rechenschaft“ wie diese ist zu respektieren. Will man sie aber diskutieren, hilft es, sie einzuordnen. Denn Flaschs Kritik des Christentums ist nicht neu – das muss sie auch nicht sein –, sondern steht in einer langen Tradition. Diese ist nicht nur von Freidenkern geschaffen worden. Wesentliches haben im 18. und 19. Jahrhundert auch aufgeklärte Protestanten beigetragen. Die wichtigsten Elemente seiner Metaphysik-, Bibel-, Dogmen- und Kirchenkritik finden sich schon in Schleiermachers „Glaubenslehre“, bei Exegeten wie Julius Wellhausen, in Adolf von Harnacks „Dogmenkritik“ oder Ernst Troeltschs Überlegungen zur historisch-kritischen Methode. Sogar Flaschs Darbietungsform einer „Rechenschaft“ hat ein
liberalprotestantisches Vorbild.
  Steht also der katholisch geprägte Flasch in der Linie des aufgeklärten Protestantismus? Oder wäre dies eine Vereinnahmung? Etwas Zentrales trennt beide. Flasch ist nicht bereit, Unterscheidungen zu vollziehen, die für den aufgeklärten Protestantismus unverzichtbar sind: zwischen Glauben und Wissen, religiösem Leben und theologischer Lehre, Christentum und Kirche. Diese Unterscheidungen sind für den aufgeklärten Protestantismus nicht nur sachlich geboten, sie sind auch die Voraussetzungen dafür, dass es ein modernes Christentum geben kann. Eine Umformung des Glaubens ist nur möglich, wenn er nicht mit seiner dogmatisch-kirchlichen Gestalt identisch ist. Flasch dagegen setzt das „Wesen des Christentums“ in eins mit einer vormodernen Kirchenlehre, um es dann für obsolet zu erklären. Das ist grob. Immerhin hat diese Grobheit einen Nutzen darin, dass sie das Ausmaß des modernen Verlustes an religiöser Gewissheit vor Augen führt. Doch sollte es Flasch schon zu denken geben, dass er – wie übrigens viele Christentumskritiker – in seiner Auffassung dessen, was als christlich gelten kann, dieselbe grobe Entscheidung trifft wie die von ihm kritisierten doktrinären Theologen: Christlich ist, was in Bibel und Bekenntnis steht.
  Ist am Ende nun alles aus? Ohne die Schärfe seiner Kritik zurückzunehmen, bietet Flasch auf den letzten vier Seiten seines Buches einen erstaunlichen Ausblick. Es liest sich fast wie das Programm einer kritisch-konstruktiven Umformung des Glaubens. Man möge den Anspruch auf eine quasi-gegenständliche, absolute Wahrheit aufgeben und sich auf die Poesie des Glaubens und deren Wirkungen auf das religiöse Subjekt konzentrieren. Das sei kein feiger Rückzug, sondern die Befreiung der Religion zu sich selbst: „Ohne den objektivistischen Wahrheitsbegriff der Dogmatiker blühen die Metaphern auf.“ Am Beispiel von Heiligen-Legenden und eines Hölderlin-Verses kann Flasch die poetische Evidenz der Religion sichtbar machen, bei der „kein denkender Mensch fragt, ob es ‚wirklich‘ passiert sei.“ Religiöse Sätze zeigen „durch sich selbst ihre Wahrheit“ – durch ihre poetische Kraft und durch ihre Wirkung auf den, der sie annimmt. Denn „sie stimmen um“. Wer den Glauben so betrachtet, steht in keinem Widerspruch mehr zum neuzeitlichen Wahrheitsbewusstsein und zum modernen Toleranzprinzip. Vielmehr eröffnet er den Zeitgenossen eine Chance, Zweifel und Verlegenheit zu überwinden, um es in großer Freiheit neu mit dem Glauben zu versuchen. Das ist ein überraschend versöhnlicher Schluss – übrigens ganz im Sinne Schleiermachers.
  So schön dies klingt, den Verlust an Vergewisserung, Inhaltlichkeit und Diskursfähigkeit darf man dabei nicht übersehen. Wer dieser Spur folgt, wird trotz aller Poesie eine arme Theologie formulieren: eine Theologie unter dem Kreuz der metaphysischen Obdachlosigkeit. Aber wenn nicht alles täuscht, ist es dies, was nicht wenige Menschen in den schon sehr elastisch gewordenen Volkskirchen dazu bringt, sich noch „zum Christentum zu halten“. Auch wenn so viele Vernunftgründe dagegen sprechen, lassen sie nicht vom Glauben los, weil er einen unbedingten Lebenssinn zur Empfindung bringt. Objektive Wahrheits- und gesellschaftliche Machtansprüche sind damit nicht verbunden. Denn hier geht es allein um das, was der Lyriker und Theologe Christian Lehnert in seinem jüngst erschienenen Paulus-Essay „Korinthische Brocken“ eine „Verschiebung des Blicks“ genannt hat: „Die Augen werden aufgetan, sie sehen nichts anderes als bisher, nur sehen sie es anders.“
  Von heutigen Theologen wird niemand fordern, dass sie dem alten Glauben eine neue Begründung verschaffen. Aber erwarten könnte man von ihnen einen Beitrag dazu, dass der Glaube zu sich selbst befreit wird und die Menschen, denen es ein Bedürfnis ist, sich auf diese Blickverschiebung konzentrieren können, und dies ganz ohne Verlegenheit. Dabei sollten sie argumentativ klar und ehrlich bleiben sowie endlich eine Sprache finden, die dieser einzigartigen Sache angemessen ist. Einige arbeiten schon in diese Richtung, wie etwa Christian Lehnert. Aber das wäre eine andere Rezension.
Man müsste beitragen, dass der
Glaube zu sich selbst befreit wird
Am Schluss konzentriert Flasch
sich auf die Poesie des Glaubens
  
  
  
   
  
  
Kurt Flasch:
Warum ich kein Christ bin. C. H. Beck, München 2013.
272 Seiten, 19,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.08.2013

Wenn schon Glauben, dann mit Spanferkel

Bis zum Atheisten will er es nicht mehr bringen: Der Mainzer Philosophiehistoriker Kurt Flasch erklärt, wie er vom Christentum abgefallen ist, und warum. Von Theologen lässt er sich bei seinem kritischen Geschäft nicht helfen.

Warum ich kein Christ bin" ist kein Buch der Kirchenkritik. Kurt Flaschs kritische Rechenschaft zielt nicht auf den heutigen Zustand der Kirchen, sondern auf die von ihnen verkündeten Lehren, die sich nach seiner Meinung auch in der Gegenwart weitreichender Anerkennung und "großer Schonung" erfreuen. "Mein Auszug", so sagt er gleich eingangs, "hat wenig mit dem Zustand der Kirchen und viel mit ihrem Anspruch auf Wahrheit zu tun."

Dargestellt wird eine Entwicklung, ein Prozess. Kurt Flasch war Christ; er ist es nicht mehr. Was hat ihn mit 83 Jahren, in der Nähe des unvermeidlichen Endes, veranlasst, "langsam und relativ akribisch Abschied" zu nehmen nicht nur von seinem Kinderglauben, sondern von der christlichen Religion im Ganzen, die ihn doch - als Zeitgenossen und als Forscher - ein Leben lang begleitet hat?

Traumatische Erlebnisse mit der Kirche waren es nicht, ganz im Gegenteil. Flasch lernte das Christentum nach eigenem Zeugnis "unter denkbar günstigen Bedingungen" kennen - nicht in der Zeit des Triumphs, sondern in der Verfolgung im NS-Staat. Ein Onkel gehörte zu den katholischen Martyrern des zwanzigsten Jahrhunderts. Den Mainzer Klerus lernte der Schüler in dieser Zeit "in seinen edelsten Spitzen" kennen. Kleriker haben ihn "weder gedemütigt noch bedrängt". Kein Gedanke daran, "dass ich je das Opfer sexueller Gewalt durch Geistliche geworden wäre".

"Das kirchliche Denken bot in kleinsten katholischen Zirkeln Schutz gegen die herrschende Ideologie; dort habe ich früh die Wahrheit über die Judenverfolgung und Hitlers Kriegsverbrechen gehört." Flasch konnte sich unter den Mainzer Klerikern auch die beiden Geistlichen aussuchen, "die am freundlichsten zu mir waren und von denen ich am meisten lernen konnte". Der eine schenkte ihm, als er vierzehn wurde, Nietzsches "Zarathustra", der andere brachte ihm das Lesen mittelalterlicher Handschriften bei. Aus Kleriker-Unarten, so resümiert Flasch, "lässt sich also meine Glaubensverweigerung biographisch nicht ableiten".

Wo wurzelten dann die Zweifel? Sie waren leiserer Art, subtilerer Natur. Viele biblische Aussagen erschienen ihm schon als Kind fragwürdig. Manches erschien ihm kulturellen oder politischen Rücksichten geschuldet. Im Studium in Frankfurt lernte Flasch Historiker kennen, die jedem antiken Text mit peinlicher Akribie zu Leibe rückten, solche Sorgfalt aber bei biblischen Texten vermissen ließen. Schwächte hier der Glaube den Verstand?

Der junge Studienassessor an einem hessischen Gymnasium entschloss sich, auf die Bibel, die christlichen Glaubenszeugnisse die gleiche Akribie anzuwenden, wie sie bei profanen Texten, etwa den Cicero-Briefen, üblich und selbstverständlich war. Dazu war philologischer Scharfsinn nötig, doch er genügte nicht. Das schärfste kritische Instrument erwuchs dem Fragenden in Gestalt jener Disziplin, die zum Hauptfach seines Lebens werden sollte: der Philosophie.

So berichtet Flasch in seinem Buch, wie er die geschichtlichen Quellen des Christentums "vernünftig" prüfte und bewertete, sie wog und schließlich, wie er meint, zu leicht befand. Eine Vielzahl klassischer Christen-Lehren kam auf diese Weise im Lauf des Lebens auf den Prüfstand: Gott und die Beweise seiner Existenz, das Problem des Bösen, Weissagungen und Wundergeschichten, das Konzept der Erlösung, die christliche Ethik, Tod und Unsterblichkeit. Das Zentrum der Auseinandersetzungen des Buches bilden die Texte der vier Evangelien und des Glaubensbekenntnisses, sparsam ergänzt durch Bekenntnisschriften und Konzilsbeschlüsse - es sind ausschließlich katholische und protestantische Quellen; die Orthodoxie fehlt.

Wer bestimmt die Auswahl? Hier setzen beim Rezensenten Zweifel an Flaschs Methode ein. Es ist ja verhältnismäßig leicht - und wird schon des Längeren geübt -, aus den biblischen Texten Einzelnes herauszugreifen, was auf heutige Gemüter verstörend und abschreckend wirkt, und die kritische Aufmerksamkeit darauf zu richten. Dies gilt vor allem für das Alte Testament, die Hebräische Bibel. Aber wo bleibt dann der Blick auf das Ganze der biblischen Zeugnisse, in dem bekanntermaßen die Wahrheit steckt? Kann man etwa die von Flasch wiederholt angeführten Bilder des zornigen, gewalttätigen Gottes im ersten Samuelbuch angemessen interpretieren ohne ihr Gegenstück - die Gewaltkritik, die in der Zeit des babylonischen Exils einsetzt und im jüdischen Gottesbild tiefe Spuren hinterlässt (so dass auch die Bergpredigt Jesu keinen radikaler Bruch mit den überlieferten Lehren darstellt)? Ist nicht schon der Talionsgrundsatz "Leben für Leben, Auge für Auge, Zahn für Zahn" entgegen mancher vordergründigen Interpretation keineswegs ein Aufruf zu massiver Vergeltung, sondern eine Festlegung für Entschädigungen, also ein Versuch, Rache durch Recht zu ersetzen?

Hier taucht unvermeidlich das Problem der Kanonbildung in Theologie und Kirche auf. In einer Glaubensgemeinschaft muss festgelegt werden, was für alle und überall gilt, was wichtig und was weniger wichtig ist, wo der Akzent der Verkündigung liegt. Schon im Hinblick auf die Leseordnung im Kirchenjahr muss unter den überlieferten Schriften eine Auswahl getroffen werden. Was betont man, was lässt man weg? Aber die Kanonbildung steht schon am Anfang der christlichen Gemeinden: Die Evangelien selbst wurden ja aus einem viel größeren und bunteren Büchertisch überlieferter Jesus-Berichte ausgewählt und verbindlich gemacht. Ähnliche Gesetze walten bei der Entwicklung der Dogmen; auch hier gibt es zentrale Stücke und andere, die im Lauf der Zeit an den Rand rücken - "efficient parts" und "dignified parts" wie in weltlichen Verfassungen.

Auf Kanonisches reagiert Flasch jedoch allergisch - wobei er freilich nur die relativ junge "kanonische Exegese" des Neuen Testaments (Joseph Ratzinger) im Auge hat. Er will sich das konkrete, philologisch zu fassende Einzelne nicht durch den theologischen Verweis auf das Ganze nehmen lassen. Das nimmt seiner Kritik jedoch die methodische Adäquanz. Sie leidet unter einer willkürlich-selektiven Wahrnehmung. Kirche und Theologie als geschichtlich sich fortbewegende, sich unablässig verändernde Kräfte kommen kaum in den Blick.

Mit einer gewissen Starre fixiert sich Flaschs Kritik auf ältere, scharf umrissene Positionen der kirchlichen Lehre: So gewinnt das Erste Vaticanum als Objekt der Kritik in seiner Darstellung ein Übergewicht gegenüber dem Zweiten Vaticanum (das nur an einer Stelle erwähnt wird); die Dekrete der Bibelkommission von 1907 und 1908, die der historisch-kritischen Methode Grenzen setzten, werden ausführlich referiert, die jüngeren Äußerungen, die eine eingreifende Revision bringen, nur mit zwei Sätzen erwähnt. Wiederholt betont Flasch, wie alt das Christentum in der Gegenwart aussieht, wie überlebt seine Kleriker auf ihn wirken. Aber auf eine nur tiefenpsychologisch zu deutende Weise scheint er gerade in dieses "alt aussehende" Christentum verliebt zu sein - so sehr, dass er an einigen Stellen von ihm regelrecht zu schwärmen anfängt: "Wenn schon Religion, dann prall und sozial, als Volksfest mit Wundern, Weihrauch und Trompeten, mit Wein und Porchetta."

Flasch folgt bei seiner Auseinandersetzung mit dem Christentum, wie er sagt, einer historisch-kritischen Methode. Aber müsste man nicht eher sagen: einer philosophisch-kritischen? Die Philosophie offenbarte ihm - so sein Resümee - die "Unvernunft der Christentümer". Doch wie kann man historisch erwachsene Gestalten pauschal für "unvernünftig" erklären? Und endlich: Muss nicht Theologisches auch theologisch betrachtet werden? Leider lässt sich Flasch bei seinem kritischen Geschäft von Theologen kaum helfen. Sie sind bei ihm abgemeldet, seitdem ihm in den Studienjahren ein Bultmann-Schüler bekannt hatte, er hege keine Hoffnung auf das Jenseits. "Zur Beschwichtigung meiner begründeten Selbstzweifel brauchte ich keine Theologie."

Dementsprechend sind seine Urteile über die gegenwärtigen Theologen herablassend, ja despektierlich (an einer Stelle nennt er die Adepten der natürlichen Theologie "Zechpreller der Philosophie"). Karl Barths Aussage, Gott sei der "ganz Andere", ist ihm nur "eine verächtliche Phrase". Hans Küng erzeugt für ihn Interesse allein "durch aufmüpfige Papstkritik", und Eugen Drewermann und Anselm Grün "grasen auf den Wiesen der Seelenkunde". Bleibt also nichts, kein Bedauern, kein Phantomschmerz? Kurt Flasch behauptet: nein. Er ist freilich vorsichtig: Atheist will er nicht sein, allenfalls Agnostiker. "Denn ein Atheist traut sich zu, er könne beweisen, dass kein Gott sei. So zuversichtlich bin ich nicht." Und die jüdisch-christliche Tradition bleibt für ihn - zumindest auch - "ein Bildersaal produktiver religiöser Erfindungen". Diesem poetischen Reichtum steht Flasch aufgeschlossen gegenüber, auch wenn er als Philosoph am Ende seines Lebens nicht mehr an Gott, an ein Leben nach dem Tod und an die Gottheit Christi glaubt.

HANS MAIER

Kurt Flasch: "Warum ich kein Christ bin". Bericht und Argumentation.

C.H. Beck Verlag, München 2013. 280 S., geb., 19,95 [Euro]

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Kurt Flasch möchte mit seinem Buch "Warum ich kein Christ bin" eine gründlichere Auseinandersetzung mit der christlichen Kirche anregen, mit deren politisch-gesellschaftlichen Ansprüchen und mit den Glaubenssätzen, die über die unverfängliche Nächstenliebe hinausgehen, aber nach wie vor Teil dieser Religion sind, schreibt Rezensent Arno Widmann. Er bewundert, wie gelassen und sorgfältig Flasch Ideen wie "Erlösung" oder "die wahre Religion" untersucht. Dabei sind Flaschs kritische Fragen eigentlich nicht neu. Interessant ist aber, so Widmann, dass er sie mit den Antworten der höchsten Würdenträger der Katholischen Kirche konfrontiert, die wohl insgesamt ziemlich unbefriedigend ausfallen. Am Ende bleibt offenbar kein Felsen übrig, auf dem eine Kirche stehen könnte. Die gründliche Zertrümmerung hat den Rezensenten nicht unamüsiert gelassen.

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