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"Wenn der Tod sich nähert, nur ein Atemzug" ist ein so bewegender wie literarisch beeindruckender Gedichtzyklus, der hier die erste Veröffentlichung weltweit erfährt. Es ist nicht nur eine bittere Anklage gegen die Ungerechtigkeit der brasilianischen Militärdiktatur. Es ist ein universales lyrisches Manifest gegen Folter und Gewalt.Die vorliegenden Gedichte wurden zur Zeit der brasilianischen Militärdiktatur (1964-1985) geschrieben. Paulo César Fonteles de Lima, geboren 1949 in Belém do Pará, war ein wichtiges Mitglied der Ação Popular (Volksaktion), die während der schlimmsten Jahre der…mehr

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Produktbeschreibung
"Wenn der Tod sich nähert, nur ein Atemzug" ist ein so bewegender wie literarisch beeindruckender Gedichtzyklus, der hier die erste Veröffentlichung weltweit erfährt. Es ist nicht nur eine bittere Anklage gegen die Ungerechtigkeit der brasilianischen Militärdiktatur. Es ist ein universales lyrisches Manifest gegen Folter und Gewalt.Die vorliegenden Gedichte wurden zur Zeit der brasilianischen Militärdiktatur (1964-1985) geschrieben. Paulo César Fonteles de Lima, geboren 1949 in Belém do Pará, war ein wichtiges Mitglied der Ação Popular (Volksaktion), die während der schlimmsten Jahre der Diktatur (1969-1979) im Untergrund agitierte und, wie alle anderen linken Organisationen, erbarmungslos verfolgt wurde. Bereits Anfang der 70er Jahre waren er und seine schwangere Frau von den Militärs gefoltert worden. Nach der Diktatur wurde er schnell zur Leitfigur der Bewegung für mehr Gerechtigkeit. Fonteles' Gedichte legen zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens ein lyrisches Zeugnis dieser Vorgänge ab. Fonteles gelingt es dabei, die Grenzen der Beschreibung der erlittenen Mißhandlungen aufzuzeigen und einen Raum zu öffnen, der nicht mythisch und nicht fiktiv ist, sondern tiefste Ängste in jedem von uns auszulösen vermag. In diesem Raum befinden sich keine Bilder. Er ist dunkel.Man spürt die Bewegungen, die unablässig in ihm vorgehen, während das Auge über die Zeilen zieht, ihre Inhalte entziffert und der Verstand seine Palastwache in Bereitschaft hält, um nicht aus dieser Tiefe heraus angegriffen zu werden. Noch immer gibt es in Brasilien keine wirkliche Diskussion über die Verbrechen der Diktatur. Noch immer wird die Legende gepflegt, in Brasilien habe es lediglich eine "Diktatur light" gegeben, deren Gräueltaten sich nicht an argentinischen oder chilenischen Maßstäben messen lassen können.Wer sich die gegenwärtige brasilianische Gesellschaft ansieht, der erblickt ein Volk, dem das politische Genick gebrochen wurde, um es für die Belange des Weltmarktes fügsamzu machen. Noch immer stagniert die Landreform, noch immer entscheiden die alteingesessenen Oligarchien über die Geschicke des Landes, noch immer gibt es viel Armut und Analphabetismus. Paulo Fonteles wollte etwas daran ändern und zahlte sein Engagement am 11. Juni 1987 auf offener Straße mit dem Leben. Seine Mörder wurden nie ermittelt. In seinem Vorwort geht Steven Uhly nicht nur auf die Poetik der Gedichte und die politisch-historische Situation Brasiliens ein, sondern auch, unter Verwendung autobiographischer Fragmente, auf das Leben des Autors.
Autorenporträt
Fonteles de Lima, Paulo CésarPaulo César Fonteles de Lima, geboren 1949 in Belém do Pará, war ein wichtiges Mitglied der Ação Popular (Volksaktion), die während der schlimmsten Jahre der Diktatur (1969-1979) im Untergrund agitierte und, wie alle anderen linken Organisationen, erbarmungslos verfolgt wurde. Bereits Anfang der 70er-Jahre waren er und seine schwangere Frau von den Militärs gefoltert worden. Nach der Diktatur wurde er schnell zur Leitfigur der Bewegung für mehr Gerechtigkeit.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.12.2007

Verse aus der Folterkammer
Paulo Fonteles berichtet in zweierlei Genres von den Grausamkeiten der brasilianischen Militärdiktatur
In seinem Roman „Null” entwirft der brasilianische Autor Ignácio de Loyola Brandao eine Welt, die von Gewalt und staatlicher Willkür bestimmt ist. Die Überwachung beginnt beim täglichen Gang in den Supermarkt. Wer den Direktiven des Regimes nicht folgt, wird mit Gefängnis und Folter bestraft. Brandao nennt sein Buch im Untertitel einen „prähistorischen Roman”, doch schnell zeigt sich, dass hinter der phantastischen Wirklichkeit das Brasilien der siebziger Jahre aufscheint.
Die brasilianische Diktatur begann 1964 mit einem Putsch der Militärs. General Castello Branco, der erste Präsident des Regimes, wollte die Regierungsgewalt noch zurück in zivile Hände geben. Doch er konnte sich gegen die radikalen Militärs nicht durchsetzen. Obwohl die brasilianische Militärdiktatur als relativ sanft galt, war die Folter einer ihrer elementaren Bestandteile. Während das wirtschaftlich und kulturell aufstrebende Land die Idee eines „Brasil Grande” zu verwirklichen suchte, entwickelte sich eines der effektivsten Foltersysteme weltweit. Offiziere hielten dazu eigene Kurse an Militärakademien, und brasilianische Experten reisten in andere südamerikanische Länder, um den dortigen Machthabern neue Foltermethoden beizubringen.
Der Student Paulo Fonteles wurde 1971 von der Militärpolizei festgenommen. Man warf ihm terroristische Aktivitäten vor. Fonteles und seine ebenfalls verhaftete Frau Hecilda gehörten der Untergrundorganisation „Acao Popular” an, die, in ihren Anfängen, katholisch beeinflusst war. Gleich nach der Festnahme wurde Fonteles in die Abteilung für Verbrechensuntersuchung der Militärpolizei von Brasília gebracht. Dort begann eine Zeit härtester Folterungen, die sich über mehrere Monate erstreckte.
Sieben Jahre später hat Paulo Fonteles über diese Torturen einen Bericht angefertigt. Es sind Zeilen, die an Detailgenauigkeit und gewollter Sachlichkeit ihresgleichen suchen. Fonteles beschreibt jeden Bestandteil der Unterdrückungsprozeduren: Schläge, Elektroschocks, Versuche mit Wasser und Säure. Diese protokollartigen Sätze verknüpft er mit Notaten über unscheinbarste körperliche Regungen und kurze Gedanken: „Die Ertränkungen wurden mit Gummischläuchen in Mund und Nasenlöcher vorgenommen, durch die man Wasser in meine Atemwege laufen ließ. Ich röchelte und hatte Erstickungsanfälle . . . . Am Samstagmorgen war ich bereits vollkommen entkräftet. Ich fühlte kaum noch Schmerzen. Nur ein Bedürfnis auszuruhen.”
Wirksamer noch als die körperliche Brutalität scheint die sogenannte „psychologische Behandlung” gewesen zu sein. Sie zielt darauf ab, die Persönlichkeit des Gefolterten zu zerstören. In einer schalldichten Isolationszelle wird der Gefangene bei vollkommener Dunkelheit einem Wechselspiel aus vollkommener Stille und sehr lauten, sirenenartigen Tönen ausgesetzt: „In dieser Zelle verliert man vollkommen das Zeitgefühl. Es gibt keinen Orientierungspunkt. Man kann nicht schlafen. Nach drei Tagen (ich habe die Zeit später recherchiert) begannen die Wahnvorstellungen. Ich hörte, wie meine Frau mich rief, mein Vater, meine Mutter, meine Brüder.” Am Ende war Fonteles so zerrüttet, dass er alle Anklagepunkte zugab. Er wurde zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Die Gefühlswelt des Opfers
Paulo Fonteles hält sich in seinem Bericht an die Chronologie der Ereignisse, wobei er auch geschickt manch dramaturgischen Effekt einbaut. Der Bericht aber steht nicht allein, er bildet zugleich die Grundlage für den Versuch, die Erlebnisse zu Gedichten umzuarbeiten. Fonteles vertraut dabei auf die Direktheit reinen Nennens, um „unmittelbar in die Gefühlswelt des Opfers” zu führen, wie es im Nachwort des Buches heißt. Das aber lässt den Abstand zwischen Sprache und Dingen außer Acht. Gerade bei einem so heiklen Stoff scheint der Eindruck von Nähe nur über die Konstruktion möglich, über das, was Adorno einmal „die Organisation der disparaten Momente” genannt hat.
Fonteles bedient sich bei den Ideen der Konkreten Poesie, aber er setzt meist nur auf oberflächliche Effekte, die Wiederholung etwa und das lose Verteilen von Wörtern auf der Seite: „Stille / Stille / Stille / Das Wort / wurde verboten / das Lied / wurde verboten / das Pfeifen / wurde verboten / Stille / Stille / Stille”. Wo er sich doch einmal weiter in die Sprache vorwagt, drohen schwere Genitivmetaphern wie die „Lippen der Hoffnung” oder die „Stürme des Todes”.
Auch Ignácio de Loyola Brandao ließ sich für seinen Roman von der Konkreten Poesie anregen. Er bricht den Satzspiegel auf, spielt mit Kolumnen, Statistiken, eingestreuten Diagrammen und Zeichnungen. Zugleich aber verarbeitet er eine Fülle von Materialien, die er über Jahre hinweg gesammelt hat: Neben allerlei Dokumenten finden sich dort Romanzitate, Zeitungsausschnitte, Plakate oder kleine Filme, die er mit seiner Super-8- Kamera von Versammlungen und Polizeiaufmärschen gedreht hat. So erschafft Brandao eine vielstimmige literarische Konstruktion.
Paulo Fonteles mag seinen Erinnerungen mit dem Versuch einer dichterischen Aufarbeitung keinen Gefallen getan haben – als Erlebnisbericht jedoch sind sie ein ungemein wichtiges Zeugnis. Darin besteht ihr aufklärerischer Wert. Denn obwohl die Ära der Militärdiktatur vor zwanzig Jahren endete, ist es aufgrund eines Amnestiegesetzes bis heute nicht möglich, die damalige Folter juristisch zu ahnden. NICO BLEUTGE
PAULO CÉSAR FONTELES DE LIMA: Wenn der Tod sich nähert, nur ein Atemzug. Zweisprachige Ausgabe. Aus dem Portugiesischen übersetzt und mit einem Essay versehen von Steven Uhly. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2007. 192 Seiten, 22,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.10.2007

Und die Samba starb einen grausigen Tod

Während die Fußballer 1970 ihren Weltmeistertitel feierten, schrien politische Häftlinge unter der Folter der Militärschergen: Paulo César Fontele de Limas schrieb Verse über Brasiliens düstere Zeit

Zu den unauslöschlichen Bildern im Archiv des Fußballolymps gehört das strahlende Lachen Pelés beim Gewinn seines dritten Weltmeistertitels im Jahr 1970. Einen Ball am Fuß, die Fahne in der Hand, so tanzte auch der brasilianische Staatspräsident durch den Garten seines Palasts. Dass Trommeln und Tänze feiernder tropischer Schönheiten die Schreie Hunderter politischer Häftlinge übertönten, die in den Gefängnissen ebendieses Präsidenten zu Tode gefoltert wurden, wollte kaum ein Spaßverderber bemerken. Anders als bald die weltweit geächteten Gewaltherrschaften Videlas oder Pinochets erreichte die der brasilianischen Militärs, ähnlich auch der Fidel Castros, Absolution durch die Kraft der Sinnenfreude: Denn auch die Schergen tanzen Samba in der schönsten Diktatur der Welt.

Welche Abgründe dieser Sensualitäts-Schutzschirm vor den Augen der Welt verbarg, wird in erschütternder Weise durch die lyrischen Zeugnisse des Widerstandskämpfers Paulo César Fonteles de Lima begreiflich. Im Jahr 1971, wenige Monate nach den hier evozierten Jubelszenen, wurde er auf Grund seiner Mitgliedschaft in der oppositionellen Ação Popular ("Volksaktion") als "Terrorist" verhaftet und monatelanger Folter unterzogen. Diese Erfahrung spiegelt sich in seinen nach seiner Freilassung verfassten Gedichten wider, die nun im Band "Wenn der Tod sich nähert, nur ein Atemzug" zweisprachig publiziert sind. Zusammengesetzt sind sie aus Erinnerungsfetzen des Autors. Ohnmacht und Schmerz, die Schilderung von einzelnen individuell erlebten Episoden oder von mittelalterlich anmutenden Foltergeräten wie der"Papageienschaukel", in der der Häftling an Hand und Fuß aufgehängt wird, wechseln sich ab mit wörtlichen Zitaten der Folterknechte. In Fonteles' lyrischem Universum bestimmt die Folter das Versmaß: in der Strophenform der Stromschläge, im Rhythmus der Schlagstöcke.

Schwerer als die körperliche erweist sich jedoch die seelische Qual: "Mein Gehirn ist eine Arena / Des heftigsten Gefechts", heißt es im Gedicht "Grunzend wie ein Schwein". Charakterisiert wird die Sprache besonders durch obsessive Wiederholungen - jenseits jedes rhetorischen Stilmittels Spiegel der Foltermethode selbst, die auf penetranter Wiederholung der immerselben Reize aufbaut. Das Gedicht ist ein sprachlicher Gang in die körperliche und seelische Hölle, und diese wird vom Autor mit einer ähnlichen Präzision observiert wie von den Folterern selbst, die Technik und Perspektiven ihres Tagwerks mit wissenschaftlicher Inbrunst erforschten. "Die Methoden der Gestapo / Gestapo / Gestapo / sind überholt, / überholt. - Wir studieren / studieren / die Heilige Inquisition / Die Heilige Inquisition - Wir studieren die Heilige Inquisition" lautet ihr "Diskurs der Methode". Kein verfremdender Sarkasmus, sondern wörtliche Wiedergabe der Reflexionen eines seiner Peiniger über die unterschiedlichen Techniken des Folterns in Kriegs- und Friedenszeiten.

Wie der Übersetzer Steven Uhly in seinem begleitenden Essay eindrucksvoll herausstreicht, verzichtet Fonteles auf jede bewältigende Distanzierung vom Erlebten, sei es durch Metaphern und poetische Überhöhung, sei es durch Sarkasmus und intellektuelle Analyse. Er schafft nicht, wie etwa sein Zeitgenosse Alex Polari, ein verheilendes "Inventar der Narben" - er lässt die Wunden im Gedicht erneut aufbrechen. Durch diese Schonungslosigkeit entwickeln Fonteles de Limas Gedichte einen Sog, der ebenso beängstigend wie unwiderstehlich ist. Jenseits der politischen Bedeutsamkeit als Zeugnis eines Unrechts, das im kollektiven Bewusstsein Brasiliens noch fern der Aufarbeitung ist, fügen sich die Verse zu einem eindrucksvollen Kunstwerk, das in der Lyrik des zwanzigsten Jahrhunderts wenig Parallelen findet.

Am 11. Juni 1987 wurde Paulo César Fonteles de Lima auf offener Straße erschossen - zwei Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur, die auf diesem Wege an ihm ihre zweite, verspätete Rache nahm. Doch es gibt noch eine dritte, gewissermaßen metaphysische Rache, die subtiler und fortdauernder ist als die vorausgehenden: das Totschweigen und seine erreichte Absicht, das Vergessen. Bis heute blieb Fonteles' literarisches Werk unpubliziert - auch in Brasilien selbst, also sollten rückwirkend die Verse des Autors als Prophezeiung bestätigt werden: "Stille / Stille / Stille / Das Wort / wurde verboten."

Diese Stille nach zwanzig Jahren weltweit erstmals gebrochen zu haben und so über die deutsche Sprache dem Autor wieder den Weg in seine brasilianische Heimat zu ebnen ist ein Verdienst, das Steven Uhly und dem Verlag Matthes & Seitz kaum hoch genug angerechnet werden kann.

FLORIAN BORCHMEYER

Paulo César Fonteles de Lima: "Wenn der Tod sich nähert, nur ein Atemzug". Gedichte Portugiesisch/Deutsch. Aus dem brasilianischen Portugiesischen übersetzt und mit einem Essay versehen von Steven Uhly. Verlag Matthes & Seitz Berlin, 2006. 191 S., geb., 22,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Florian Borchmeyer zeigt sich von diesem Band des brasilianischen Dichters Paulo Cesar Fonteles de Lima, in denen er die Zeit seiner Inhaftierung unter der Militärdiktatur schildert, erschüttert und beeindruckt. Die Gedichte erzählen von der monatelangen Folter, die Fonteles im Gefängnis erlitt, zitieren seine Folterer oder beschreiben die Folterinstrumente und -methoden, teilt der bewegte Rezensent mit. Dabei gäben die Verse mit ihren ständigen Wiederholungen den Rhythmus der Folter wieder, erklärt Borchmeyer, der bei all dem Schrecken einen beunruhigenden "Sog" ausmacht, mit dem die Gedichte in den Bann ziehen. Für ihn stellt das Werk des Dichters neben seiner politischen Bedeutung - es erinnert an ein düsteres bis heute verdrängtes Kapitel brasilianischer Geschichte - eine zutiefst beeindruckende literarische Leistung dar, die in der Lyrik des 20. Jahrhunderts ihresgleichen suche. Den Übersetzer Steven Uhly und den Verlag preist Borchmeyer dankbar für ihre Bemühungen um das Werk eines Dichters, der 1987 erschossen wurde und in Brasilien bis heute nicht publiziert worden ist.

© Perlentaucher Medien GmbH