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Produktdetails
Trackliste
CD
1Just Like Tom Thumb's Blues00:03:51
2Simple Twist Of Fate00:05:18
3Make You Feel My Love00:03:22
4The Times They Are A-Changin'00:03:40
5All I Really Want To Do00:02:30
6Knockin' On Heaven's Door00:06:14
7Positively 4th Street00:03:46
8If Not For You00:02:41
9Baby, Let Me Follow You Down00:02:13
10Gates Of Eden00:05:12
11All Along The Watchtower00:03:46
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2007

Dandydampf
Bryan Ferry nimmt Dylan auf die leichte Schulter

Gibt es etwas Öderes als Bob-Dylan-Coverversionen? Spätestens heute, wo die Dylan-Entdeckerei wieder als popkultureller Breitensport gepflegt wird, können Aneignungen der Musik des genialen Griesgrams eigentlich nur noch als künstlerische Bankrotterklärung gedeutet werden. Bryan Ferry, das muss fairerweise gesagt werden, hat Dylan schon früh entdeckt: Gleich auf seinem ersten Solo-Album "These Foolish Things" von 1973 coverte der Landadelige des britischen Erwachsenenpop "A Hard Rain's A Gonna Fall" - bis heute einer seiner größten Chart-Erfolge. Ein Jahr später, auf "Another Time, Another Place", knöpfte er sich "It Ain't Me, Babe" und auf "Frantic" von 2002 "It's All Over Now, Baby Blue" und "Don't Think Twice, It's All Right" vor.

Nun erscheint ein neues Ferry-Album: Es trägt den geradezu erlesen dämlichen Titel "Dylanesque", hat ein scheußliches, hingeschludertes Cover und versammelt ausschließlich Dylan-Songs. Die Frage muss also anders lauten: Gibt es für Bryan Ferry noch irgendwelche guten Gründe, Dylan zu covern?

Man sollte meinen: ja. Bryan Ferry ist solo mindestens ebenso sehr ein Cover-Künstler, ein Interpret, ein Bearbeiter wie ein Sänger selbstverfassten Materials. Vor allem Ferrys Früh- und Spätwerk sind von Versionen fremder Songs dominiert: "Velvet Underground", Screaming Jay Hawkins, die "Rolling Stones", Smokey Robinson, Cole Porter, "Leadbelly", die "Beatles". Spätestens nachdem er mit "Another Time, Another Place" das Image des gelackten Schnösels für sich entdeckt hatte (auf dem Cover posierte Ferry im weißen Smoking vor einem azurblauen Pool), fand er auch seine persönliche musikalische Mission: Sollten sich "Roxy Music" doch ruhig um die Progression kümmern - alleine gab Ferry fortan den zeitgenössischen Crooner.

Auch damals war das fast schon eine Parodie, eine Überstilisierung dessen, was Sinatra und andere in den Sechzigern betrieben hatten. Allerdings subtrahierte Ferry den Humor, die Albernheiten, alles Jungshafte und ersetzte es durch Düsterkeit und Plüsch. Mit diesem Konzept im Rücken verstandardisierte er immer wieder Pop-, Rock- und Soul-Kracher der vergangenen Jahre: Ferry holte den langbärtigen, Schlaghosen-Rock auf sein One-Way-Traumschiff, auf dem er allabendlich den gelangweilten, aber hörbar angeschlagenen Casino-Crooner gab. Früher Klassizismus. Nicht wichtig, aber toll.

"Dylanesque", das sollte spätestens jetzt einfach mal gesagt werden, ist absolut schauderhaft: Notmusik und leeres Tönen, fast schon eine Leistung bei diesen Songs. Ferry hat sich - mit Ausnahme von "Make you feel my love" vom "Time Out Of Mind"-Album von 1997 - nur Dylan-Songs der Jahre 1963 bis 1974 vorgenommen. Sehr gute, wie man so schön sagt, unverwüstliche Songs. Und tatsächlich kann man noch nicht einmal behaupten, dass er sie zerstören würde; Ferry lässt sie vielmehr geradezu passiv an sich vorbeiziehen, sie zerrinnen ihm unter den Fingern. Dabei könnte man es sich doch so schön vorstellen: Dylans monoton vertonte Donner-Poesie trifft auf Ferrys Dandy-Ennui. Leider aber bleiben Ferrys Versiönchen ungefährlich und erschreckend bieder: Oft klingt die dünne Stimme über den robust rockenden Backingtracks, als hätte der Sänger die Songs kurz vor den Aufnahmen erstmals gehört.

Den Auftakt macht "Just Like Tom Thumb's Blues", einer der besten Songs aus Dylans Psycho-Phase, vor dessen gewaltigen, aber lässigen Zeilen Ferry geradezu kollabiert. Dabei sind sie doch wie geschnitzt für die gespreizte Lebemannstimme: "Sweet Melinda / The peasants call her the goddess of gloom / She speaks good English / and she invites you up into her room". Jedoch: nichts. Ein zusätzliches Sehnen, ruhig auch etwas überspannt, man hätte es gerne mal im Zusammenhang mit diesen Worten gehört. Schlimmer als Ferrys interpretatorische Abwesenheit ist aber die Studio-Band, die sich überwiegend anhört, als habe Marius Müller-Westernhagen seine Begleitautomatik über Ferrys Landsitz abgeworfen.

Ein übler Auftakt, und so geht es auch weiter: "Simple Twist Of Fate" hätte man sich so gerne als wattiges Schweben gewünscht. Doch auch hier wieder diese seltsame Beiläufigkeit, als kämen die Worte Dylans bei Ferry überhaupt nicht an, derweil die Band anachronistischen Weizenbier-Rock abspult. "Make You Feel My Love" ist ein müdes Nachsingen mit Mark-Knopfler-Gitarrenimitationen, "Knocking On Heaven's Door" hat nichts von dem Fieber und der Schwere, die dieser schlichte Song so zwingend braucht, und spätestens, wenn bei "The Times They Are A-Changin'" wieder der Bierzelt-Rock ausbricht, zweifelt man ernsthaft an Ferrys Verstand - beziehungsweise, was noch viel schwerer wiegt: an seinem Geschmack. "Dylanesque" ist eine niederschmetternde, ja, eine traurige Platte. Bob Dylan, kauzig und unvorhersehbar, wie er ist, wird womöglich demnächst in irgendeinem raren Interview behaupten, er habe noch nie zuvor bessere Interpretationen seiner Songs gehört.

ERIC PFEIL.

Bryan Ferry, Dylanesque. Virgin/Emi 383891

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