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Seit über zweieinhalbtausend Jahren hat das Meer die Philosophie beschäftigt: Schon Thales, der erste Philosoph der griechischen Antike, betrachtete das Wasser als Quell allen Seins; Kant glaubte, die Ozeane würden nach und nach die Rotation der Erde ausbremsen und darum unweigerlich den Weltuntergang herbeiführen; Edmund Burke wählte den Anblick des Meeres, um den Begriff des Erhabenen zu definieren, und Hegel wiederum warnte seine Studenten, der Akt des Philosophierens selbst ähnele dem Sprung in einen uferlosen Ozean.Nicht uferlos, aber tiefgründig und einmalig ist die 'Philosophie des…mehr

Produktbeschreibung
Seit über zweieinhalbtausend Jahren hat das Meer die Philosophie beschäftigt: Schon Thales, der erste Philosoph der griechischen Antike, betrachtete das Wasser als Quell allen Seins; Kant glaubte, die Ozeane würden nach und nach die Rotation der Erde ausbremsen und darum unweigerlich den Weltuntergang herbeiführen; Edmund Burke wählte den Anblick des Meeres, um den Begriff des Erhabenen zu definieren, und Hegel wiederum warnte seine Studenten, der Akt des Philosophierens selbst ähnele dem Sprung in einen uferlosen Ozean.Nicht uferlos, aber tiefgründig und einmalig ist die 'Philosophie des Meeres': Indem sie uns das Meer aus den Blickwinkeln bedeutender Denker und verschiedener philosophischer Disziplinen betrachten lässt, bietet sie zugleich einen perfekten und verständlichen Einstieg in die Philosophie generell - von der Antike bis zur Moderne. Denn wer der Mensch ist, das hat sich seit jeher an seinem Verhältnis zum Meer gezeigt.
Autorenporträt
Gunter Scholtz, geboren 1941, war bis zur Pensionierung Professor für Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum. Seine Publikationen gelten der Theorie der Geisteswissenschaften sowie der Geschichts-, Religions- und Kunstphilosophie. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Begriffsgeschichte. Er lebt in Bochum.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Sylvia Staude stimmt diese "Philosophie des Meeres" positiv nachdenklich. Denn ihrer Meinung nach verändert Gunter Scholtz mit seinem Buch den Blick auf den Großteil der Erdoberfläche nachhaltig. Scholtz fokussiert sich auf die Frage, wie der Mensch das Meer betrachtet und aufnimmt. Was heute etwa selbstverständlich erscheint, etwa der Anblick des Meeres, war vor der Zeit des großen Reisens nur den wenigsten vergönnt. Auch ist das Meer durch die vielen Formulierungen und Begrifflichkeiten stark in unser Vokabular eingebunden. Scholtz argumentiert, dass der Mensch mit dem 20. Jahrhundert allerdings die Verbindung zum Meer verliert, da "rabiater Missbrauch und sentimentales Gefühl unser Verhältnis zur Natur bestimmen". Ein Umstand der Verlustgefühle auslöst, so Staude.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2016

Des Meeres und des Lebens Wellen

Wogen und Windstille, lockende Ferne und Wiege der Kultur: Gunter Scholtz geht auf Kreuzfahrt durch die Philosophiegeschichte und zeigt, warum uns die See so sehr beschäftigt.

Von Helmut Mayer

Auf das Meer stößt man in der Philosophie nicht selten. Man kann den Bogen schlagen von einem der sieben griechischen Weisen aus dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert - "Das Land ist sicher, auf das Meer ist kein Verlass" - bis hin zu Michel Foucaults berühmter Feststellung, dass der Mensch verschwinden könnte "wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand". Nimmt man zum Meer das Schiff hinzu - selbst ohne das "Staatsschiff" der politischen Philosophie zu berücksichtigen -, wird die Auswahl noch reicher. Hans Blumenberg hat einmal aufgezählt, was die Meerfahrt als Daseinsmetapher neben dem Schiffbruch so alles bietet. Da gibt es "Küsten und Inseln, Hafen und hohes Meer, Riffe und Stürme, Untiefen und Windstillen, Segel und Steuerruder, Steuermänner und Ankergründe, Kompass und astronomische Navigation, Leuchttürme und Lotsen".

Das ist eine Liste, mit der man zwar auch schnell über das Gebiet der Philosophie hinaus ist, zu der aber genügend genuin philosophische Verwendungen zählen. Bei Lukrez' Bild des epikuräischen Philosophen, der vom sicheren Land aus die Mühen von Schiffbrüchigen verfolgt, könnte man den Faden aufnehmen. Kants Rede vom stürmischen Ozean als dem "Sitz des Scheins", aus dem die Insel des reinen Verstandes als sicherer Standpunkt herausragt, steht dem gar nicht so fern. Während Otto Neuraths Bild, dass wir als Theorienbauer wie Schiffer seien, die ihr Schiff auf hoher See umbauen müssen, ohne es jemals in einem Dock zerlegen zu können, sogar ohne Küste, Insel und Hafen auskommt. Genauso wie Jürgen Habermas' Vergleich der kommunikativen Vernunft mit einer zwar schwankenden, aber eben nicht untergehenden Schale auf dem "Meer der Kontingenzen".

Das alles gehört zum Gebrauch des Meeres als philosophischer Metapher. Gunter Scholtz berührt diesen Bereich in seiner "Philosophie des Meeres" immer wieder. Das Bild des Schiffbruchs mit Zuschauer, die stoischen Bilder von den Wogen der Leidenschaft oder von der windstillen See als Sinnbild des rechten Zustands der Seele, Schopenhauers behaglichen Schiffer auf schwachem Kahn, der das tobende Meer des Weltgrunds nicht sehen will - man findet sie bei ihm. Doch solchem Bildgebrauch des Meeres gilt gar nicht seine hauptsächliche Aufmerksamkeit. Der emeritierte Bochumer Philosoph hält sich an philosophische Texte, in denen das Meer eine mehr als bloß bildspendende Rolle spielt. Selten eine zentrale Rolle, aber oft eine, von der ausgehend sich Gedanken der ins Spiel kommenden Autoren erläutern lassen. Es wird daraus eine Kreuzfahrt - der Autor selbst wählt einleitend dieses Bild - durch die Philosophiegeschichte im nicht allzu engen Sinn.

Thales, der Protophilosoph, macht standesgemäß den Anfang, bekommt aber in Plato gleich einen Gegenspieler, der materielle Urprinzipien ohnehin hinter sich gelassen hat und es mit Wasser und Meer schon gar nicht hält. Wozu am Rande auch gehört, dass bei ihm die Insel Atlantis strafweise im Meer versinkt, mit Spätfolgen für die utopische oder auch reformerische Literatur, die ihre vorbildlichen Gemeinwesen mit Vorliebe auf Inseln einrichtet: von Francis Bacons Bensalem über Tommaso Campanellas Taprobana zu James Harringtons Oceana.

Wenn Scholz diese Gesellschaftsentwürfe Revue passieren lässt, ist das ein recht ausgedehnter Landgang. Das Meer ist da vor allem als das Mittel zur Absonderung der entworfenen Gemeinschaften präsent; bei Harrington allerdings, dessen "The Commonwealth of Oceana" 1656 kaum verhüllt England meint, tritt es auch als Vermittler von Reichtum und Macht eines Reiches an, das auf dem Weg zur beherrschenden Seemacht ist. Das Meer als Faktor von Politik und Wirtschaft kommt in den Blick.

Für Scholtz ermöglicht das den Übergang zur naturrechtlichen Verwahrung gegen Besitzansprüche am Meer, wie sie Hugo Grotius und Samuel Pufendorf im siebzehnten Jahrhundert vortragen. Sie verteidigen das Meer als Gemeinbesitz der Menschheit, dessen Natur keine Besitznahme erlaubt und dessen Reichtum nur für alle bestimmt sein kann. Das Meer besitzt eher uns, als dass wir es besitzen, wie Grotius schreibt; und Pufendorf argumentiert, dass nur beschränkte Güter Eigentumsrechte notwendig machen, zu denen das Meer als grenzenlose Ressource so wenig wie Luft, Licht und Wärme zählt. Kant und Herder werden anfügen, dass es als trennendes Element gleichzeitig den Austausch zwischen den Menschen befördert, was nicht bloß auf Handel und ein vernünftiges Seerecht zielt.

Von der als selbstverständlich erachteten Unerschöpflichkeit der natürlichen Ressource kommt man direkt zum geplünderten und verschmutzten Meer unserer Zeit. Ein anderer Weg führt zu Beschwörungen des Meeres als Wiege und unerschöpflicher Generator des Lebens bei einem romantischen Naturphilosophen wie Lorenz Oken oder dem Historiker Jules Michelet. Ein dritter Weg führt über das nüchterne Hegelsche Lob des Meeres als Agent einer menschlichen Bildungsgeschichte hinein in hohe geschichtsphilosophische Aussichten und Fortschrittserzählungen, deren Verfall verfolgt wird bis hin zu Autoren wie Oswald Spengler und Carl Schmitt. Andere Abzweigungen führen zu Auseinandersetzungen über den Begriff des Erhabenen, zu Meeresaussichten bei Nietzsche oder Camus, zu Debatten nach 1945 über die Bedeutung des Mittelmeers für die europäische Kultur.

Viele Stationen werden auf dieser Kreuzfahrt also angelaufen, manche aus mehreren Richtungen. Scholtz verknüpft sie als kundiger, von Grund auf erläuternder Kommentator und lässt dabei auch die von ihm vorgestellten Autoren gebührend zu Wort kommen. An allgemeinen Philosophiegeschichten, die einen solchen Zeitraum überspannen, verdirbt man sich den Geschmack. Hier kann man einen Faden aufnehmen, um auf gediegene Weise quer durch die Jahrhunderte zu kommen und einiges zu erfahren. Passion fürs Meer ist gar nicht unbedingt vorausgesetzt, wiewohl: In einer anständigen kleinen Yachtbibliothek sollte dieser Band schon Platz finden.

Gunter Scholtz: "Philosophie des Meeres".

mare Verlag, Hamburg 2016. 288 S., geb., 26,- [Euro].

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