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Der Verknüpfung von Erzählung und Philosophieren, dem hervorstechenden Merkmal der Bücher Peter Sloterdijks, ist es zu verdanken, daß zu Beginn des 21. Jahrhunderts etwas Grundstürzendes über Globalisierung zu erfahren ist. Denn der Autor nimmt die mit der Erde als Kugel verbundenen historisch-philosophischen Eigenarten ernst und gelangt zur These: Was als Globalisierung gelobt oder verschrien wird, ist die Endphase eines mit der ersten Erdumrundung einsetzenden Prozesses. Und: Es lassen sich bereits Elemente für eine neue Epoche jenseits der Globalisierung registrieren.
In der Endphase der
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Produktbeschreibung
Der Verknüpfung von Erzählung und Philosophieren, dem hervorstechenden Merkmal der Bücher Peter Sloterdijks, ist es zu verdanken, daß zu Beginn des 21. Jahrhunderts etwas Grundstürzendes über Globalisierung zu erfahren ist. Denn der Autor nimmt die mit der Erde als Kugel verbundenen historisch-philosophischen Eigenarten ernst und gelangt zur These: Was als Globalisierung gelobt oder verschrien wird, ist die Endphase eines mit der ersten Erdumrundung einsetzenden Prozesses. Und: Es lassen sich bereits Elemente für eine neue Epoche jenseits der Globalisierung registrieren.

In der Endphase der terrestrischen Globalisierung hat sich das Weltsystem vollständig entwickelt und bestimmt als kapitalistisches die gesamten Lebensverhältnisse. Der Londoner Kristallpalast, Ort der ersten Weltausstellung 1851, dient Peter Sloterdijk als ausdrucksstärkste Metapher für diese Situation: Er stellt die unvermeidliche Exklusivität der Globalisierung vor Augen. Dieser Begriff meint demnach die Errichtung eines Komfortgebildes, also den Auf- und Ausbau eines Weltinnenraums, dessen Grenzen unsichtbar, von außen jedoch nahezu unüberwindbar sind und der von anderthalb Milliarden Globalisierungsgewinnern bewohnt wird - die dreifache Zahl von Menschen steht vor der Tür.
Autorenporträt
Peter Sloterdijk, 1947 in Karlsruhe geboren, ist dort seit 1992 Professor für Philosophie und Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung und seit 2001 deren Direktor. Seit 2002 leitet er zusammen mit Rüdiger Safranski die ZDF-Sendung "Im Glashaus - Das Philosophische Quartett". 2005 erhielt er den Sigmund-Freud-Preis, 2001 den Christian-Kellerer-Preis für die Zukunft philosophischer Gedanken und 1993 den Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik. 2008 wurde Peter Sloterdijk mit dem Cicero Rednerpreis und dem Lessing-Preis für Kritik ausgezeichnet. 2013 erhielt er den Ludwig-Börne-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2005

Schönes Scheitern

DER PHILOSOPH Peter Sloterdijk erzählt in seinem rhetorisch wieder ausgefeilten Buch die kurze rabiate Geschichte der Globalisierung des Kapitals, deren Gesetz auf der Weltausstellung 1851 gleichsam zu sehen war: als Londoner Kristallpalast. Die Welt wurde in ein Innen und Außen geteilt. Wir selbst stehen nun im Weltinnenraum des Kapitals, und draußen warten Milliarden von Menschen, die hinein wollen. Das kann für die Bewohner drinnen letztlich nicht gut ausgehen. Gut ausgegangen aber ist die Ehe zwischen Martin Heidegger und seiner Frau Elfride Petri, die sechs Jahrzehnte währte, trotz der Eskapaden des Mannes, der, wie der Briefwechsel mit seiner Frau zeigt, gerne ins dunkle philosophische Schwärmen geriet, wenn Neigungen, die sich anderswo als daheim ihren Platz zum Leben suchten, nicht an den Tag sollten. Modelle eines nicht bürgerlichen Lebens und Schaffens untersucht der emeritierte Politikwissenschaftlicher Klaus von Beyme in seiner detaillierten Studie über die Avantgarden, in denen sich der Gedanke, Speerspitze des Fortschritts zu sein, jahrzehntelang fokussierte. Diese Stellung an der Front vom Leben als Kunst hatte ihre Schattenseiten: Sie war mit großen persönlichen Opfern verbunden.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2005

Kunde aus dem Gelee
Nach dem dritten Akt der Globalisierung sitzen wir im komfortablen Weltinnenraum des Kapitals. Aber wollen wir wirklich wieder wohnen lernen? Peter Sloterdijk plädiert für Ortstreue.
Um griffige Definitionen von Philosophie war Peter Sloterdijk, unangefochtener Medienstar unter den erzählenden Denkern deutscher Zunge, noch nie verlegen. Seine neueste lautet, die Philosophie sei „ihr Ort in Gedanken gefasst”. Selbst wir Halbgebildeten ahnen, wem die Pointe an den Kragen will: Hegel, der im Vorwort zur Rechtsphilosophie erklärt hatte, dass die Philosophie „ihre Zeit in Gedanken erfaßt”. Allerdings wäre es ein Irrtum, wollte man in Sloterdijks „Essay”, der sich als Abgesang auf die „Ära einseitiger Zeitvergötzung” versteht, einen Angriff auf die hegelsche Allianz von Geistesgegenwart und Zeitgenossenschaft erkennen. Nein, gerade dort, wo Sloterdijk mit Schwindel erregendem Ideenreichtum für die fällige Passage aus der unbewohnbaren Zeit zurück in den „gelebten Raum” plädiert, hat er Aktuelles im Auge - und einen gut hegelschen, kulturkonservativen Topos im Gepäck.
Seine als Abhandlung zur Globalisierung vorgetragene „Theorie der Gegenwart” diagnostiziert „Posthistoire”: dieses Mal freilich weder im russisch-französischem Idiom, also mit Alexandre Kojève, noch nordatlantisch-pazifisch runderneuert, also mit Francis Fukuyama, sondern eher deutsch-national, also mit Arnold Gehlen und Hans Freyer. Den Befund sucht Sloterdijk in einem Rückblick auf die „europäische Weltgeschichte” zu begründen, der en passant geläufige Globalisierungstheorien weniger widerlegt als vielmehr ridikülisiert. Den Soziologen fehlt der Sinn für die „metaphysischen Mucken”, die im Spiele sind, sobald sich das Nachdenken um den Globus und die fünf Jahrhunderte seiner Entdeckung dreht.
Im Prinzip hält Sloterdijk diesen Erderkundungsprozess für abgeschlossen und damit die Geschichte überhaupt für beendet. Eine definitive Datierung des Finales bleibt seine Rekonstruktion allerdings schuldig: von 1945 ist häufiger die Rede, auch 1944 wird erwähnt, als in Bretton Woods ein goldbasiertes Weltwährungssystem vereinbart wurde, und sogar das Jahr 1974 bemüht, in dem das Portugal der Nelkenrevolution letzte Kolonialgebiete in die Unabhängigkeit entlässt.
Trotz solcher Unschärfen zeigt sich die Ortschaft, die Sloterdijk mit den Nachtsichtgeräten seiner „neo-skeptischen” Sphärenphilosophie erfasst, ins Abendrot der Nachgeschichte getaucht. Aus dieser Welt der langen Schatten ist freilich anderes zu vermelden als es Hegels Geschichtsphilosophie optimistisch gewagt hatte. Keineswegs ist Fortschritt im Bewusstsein individueller Freiheit zu konstatieren. Vielmehr hat sich der „Sinn von Freiheit” in das Vermögen pervertiert, „zwischen den Produkten für den Markt eine Wahl zu treffen - oder selbst solche Produkte zu erzeugen”. Im Verwöhnaroma nachgeschichtlicher Zivilisation konnte der Konsumismus obsiegen. Damit sind alle Geschichtsphilosophien als „Wahnsysteme der Voreiligkeit” blamiert.
Selbstverständlich besitzen die Wirklichkeiten in der Nachgeschichte hohe, versicherungstechnisch abgefederte Komfortqualitäten, zumindest für die kleinere „Menschheitsfraktion”, die, ob werktätig oder arbeitslos, im wohltemperierten „Weltinnenraum des Kapitals” Platz genommen hat. Indes sind sie weder schön, noch gar vernünftig. So ist Philosophie gut beraten, wenn sie Abstand von überzogenen Rationalitätsstandards nimmt. Sie muss klaglos anerkennen, wie „das Interessante” am Ende der Neuzeit „das Ideale” ausgestochen hat. Weil sie ihrer ernüchterten Definition gemäß Ortskunde ist, trägt reflektierte Geistesgegenwart „die Züge einer Lagebesprechung”. Solche Besprechungen bringen verschiedene Gesichtspunkte und unterschiedliche Kenntnisse an einen Tisch. Dort verschafft man sich dann Überblick, lernt mit den Beständen zu rechnen und wird am Ende begriffen haben, warum fast nichts zu machen ist. Tristesse oblige.
Derartige Stimmungen sind Humus für Anthropologie. Ihr erteilt Sloterdijk erst am Ende das Wort. Zuvor breitet er das „Drama der Globalisierung” kenntnis- und facettenreich in drei Akten aus. Auf die „onto-morphologische Globalisierung”, die in den antiken Kosmologien zur Kontemplation eines in Sphären geordneten Weltganzen einlud, folgt die „terrestrische Globalisierung”. Deren Akteure waren christlich-kapitalistische Seefahrer und Kolonisten aus fast allen Nationen Europas. „Autohypnotisch” animiert, brachen diese Unternehmer zur „Weltnahme” in Richtung Westen auf. Mit so gewagten wie im Ertrag mitunter fatalen Ausgriffen machten sie sich Land und Meer untertan, angetrieben von „Enthemmungen”, die Sloterdijks suggestive Phänomenologie neuzeitlicher Subjektivität beschreibt. Binnen eines halben Jahrtausends, das 1492 anhebt, wird die Erde als „Trägerin diverser Weltbildungen” erschlossen. Diese „weltgeschichtliche” Epoche hat dem „aktuellen Weltsystem” seine Konturen verliehen.
An die zweite Globalisierung schließt sich seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts „mit der Installierung einer elektronischen Atmosphäre und eines Satellitenenvironments im Erd-Orbit” eine dritte, namentlich „elektronische Globalisierung” an. Sie verdichtet das Außen, dessen Weite die terrestrische Globalisierung ausgemessen und zur menschlichen Anschauung gebracht hatte, zum transzendenzlosen Innen einer „Synchronwelt”. Via Beschleunigung wird in ihr Entfernung bis auf den Grenzwert elektronisch induzierter Ausdehnungslosigkeit beseitigt.
Mit den „Abständen” tilgen Vergleichzeitigungen dieses Typs auch andere Asymmetrien, die den Überzeugungen der sloterdijkschen Anthropologie zufolge Handlung, will sagen: geschichtliche Praxis ermöglicht hatten. Nun aber schützt verstreichende Zeit die Täter nicht mehr von den Folgen ihres Tuns, noch unterscheidet sie die Ursachen trennscharf von ihren Wirkungen. Kausalität nach klassischem Verständnis wird zur Ereignisstatistik und die Weltgeschichte in Den Haags Tribunalen zum Weltgericht. Diese Beobachtungen spitzt Sloterdijk in die mehr als kühne Behauptung zu, das Gesetz „zunehmend reziproker Behinderung” habe die Macht übernommen. Das Resultat ist ein Weltzustand, der „die Summe aller gleichzeitigen Unternehmungen in einem hyperaktiven Gelee stabilisiert.” Es ist diese elastische Masse, unlängst noch unter dem Namen „rasender Stillstand” bekannt, die Sloterdijk auf den Namen „Posthistoire” tauft. Er soll eine Zivilisation charakterisieren, die „Kooperation” nur noch als „Behinderung” erlebt. Kein Wunder, wenn geschichtsmächtiges, das heißt „unilaterales” Handeln in der Synchronwelt verunmöglicht ist. Die dazu erforderlichen Enthemmungen sind der universalen Herrschaft eines Chronos zum Opfer gefallen, der die Ausdehnung nebst ihren Kindern verschlungen hat.
Wo solche Gefahr für Leib und Seele droht, wächst auch bei Sloterdijk das Rettende schon. Seinen beunruhigten Lesern versichert er schließlich, dass sich „das Erlebnis des Ausgedehnten” aus Gründen, die zum „Dasein als sich verräumlichender Kraft” gehören, gegen die „Effekte der Kompressionen, Abkürzungen und Überfliegungen” zur Wehr setzten wird. Das Lokale ist aufgerufen, der Schicksalsmacht elektronischer Globalisierung die Stirn zu bieten. Wir müssen, anders gesagt, wieder wohnen lernen, uns in eine „Praxis der Ortstreue über längere Zeit einüben”. Darauf läuft Sloterdijks „raumanalytisch” wieder belebter „Existentialismus” hinaus. Und wem soviel Biedersinn den Atem verschlägt, dem schärft Sloterdijk mit Nachdruck ein: „Auch ‚reaktionäres' Raumdenken will gelernt sein.” Wohlan!
Peter Sloterdijk
Im Weltinnenraum des Kapitals
Für eine philosophische Theorie der Globalisierung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 415 Seiten, 24,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Das wäre doch gelacht gewesen, wenn Peter Sloterdijk nichts zum Modethema Globalisierung zu sagen gehabt hätte, meint Rudolf Walther. Das Lachen ist ihm vergangen, denn bei diesem 400-Seiten-Büchlein handelt es sich seines Erachtens nach um eine Art Resteverwertung von Sloterdijks großer Sphären-Trilogie, ein "sektiererisches Gemurmel", das Philosophisches mit Erzählerischem zu Esoterischem zusammenrühre. Als Philosoph habe sich Sloterdijk längst "abgemeldet", als Erzähler findet ihn Walther "drittklassig", und als Zeitdiagnostiker eher "belanglos". Au weia! In Wahrheit gehe es Sloterdijk auch gar nicht um Gobalisierung, hält der zornige Rezensent fest. Gegenüber älteren Texten habe der neue Aufsatz immerhin den Vorzug, dass Sloterdijk mit der "konkurrenzlos billigen geschichtsphilosophischen Vereinfachung des Endes" arbeite. Ansonsten unterscheide der "südwestdeutsche Lokalmetaphysiker" anhand eines selbstgebastelten dreiphasigen Modells zwischen "kosmischer", "terrestrischer" und "elektronischer Globalisierung" - wobei die laufende Inbesitznahme der Welt ebensowenig aufgehalten werden kann wie die Erdrotation. Damit wischt Sloterdijk einfach so alle Argumente von Globalisierungsgegnern vom Tisch, schimpft der Rezensent.

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