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Regisseur Guido Anselmi steckt sowohl privat als auch künstlerisch in der Krise. Genervt von Produzenten, Ehefrau und Geliebter sucht er verzweifelt nach Inspiration für seinen neuen Film, dessen Drehbeginn er immer wieder verschiebt. Als er seine Kindheit, seine Beziehungen zu Frauen und sein Verhältnis zur Kunst und die Missstände in der Filmbranche reflektiert, kommen seine Ängste und verdrängten Komplexe aus dem Unterbewusstsein ans Licht. Traum und Wirklichkeit beginnen zur verschwimmen...
Bonusmaterial
Beil.: Booklet

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Produktbeschreibung
Regisseur Guido Anselmi steckt sowohl privat als auch künstlerisch in der Krise. Genervt von Produzenten, Ehefrau und Geliebter sucht er verzweifelt nach Inspiration für seinen neuen Film, dessen Drehbeginn er immer wieder verschiebt. Als er seine Kindheit, seine Beziehungen zu Frauen und sein Verhältnis zur Kunst und die Missstände in der Filmbranche reflektiert, kommen seine Ängste und verdrängten Komplexe aus dem Unterbewusstsein ans Licht. Traum und Wirklichkeit beginnen zur verschwimmen...

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Beil.: Booklet
Autorenporträt
Federico Fellini, am 20. Januar 1920 in Rimini geboren, zunächst Journalist, Karikaturist und Drehbuchautor, ist nicht nur "einer der größten Filmemacher der Welt" (Time), sondern auch einer der wenigen Demiurgen der Filmgeschichte. In seinen Filmen, die immer nach eigenen Geschichten gedreht sind, schildert er seine Zeit und ihre Gesellschaft in einer 'comédie humaine' des 20. Jahrhunderts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.04.2007

Asa nisi masa oder Die Kunst, den Zug zu verpassen
"8 1/2" und andere Filme von Federico Fellini auf DVD

Federico Fellini: "8 1/2".

Arthaus. 2 DVDs. 132 Minuten. Italienisch, Deutsch, Untertitel. Bonusmaterial: Trailer, Biographie, Dokumentation "Die letzte Sequenz".

Die wichtigste Bonus-Beigabe der bei Arthaus erschienenen Special Edition von Fellinis "8 1/2" ist eine knapp einstündige Dokumentation von Mario Sesti und Valerio Quintarelli, die von der ursprünglich geplanten, am Schneidetisch ausgetauschten und von Fellini selbst vernichteten letzten Sequenz des Films erzählt. Der Fall ist nicht neu; in dem 1963 veröffentlichten Drehbuch, das für den Regisseur allerdings nur "eine Folge provisorischer Aufzeichnungen" darstellte, kommt die Szene noch vor. Aber Sesti und Quintarelli haben die Beteiligten von damals, soweit sie am Leben sind, noch einmal neu vernommen und ihre Aussagen mit den wenigen erhaltenen Setfotos kombiniert. Manche der Befragten können sich an nichts erinnern, andere, wie die Hauptdarstellerin Anouk Aimée und die damalige Regieassistentin Lina Wertmüller, sehen die verlorene Schlussszene in großer Klarheit vor sich. Es ist, als kehrten die Bilder, die sie vierzig Jahre lang vergessen hatten, zu ihnen zurück.

Die Szene spielt in einem Zug. Einem Zugrestaurant, um genau zu sein. In der Drehbuchfassung von "8 1/2" nämlich begeht Guido Anselmi nicht Selbstmord, sondern wird auf der Pressekonferenz, die das Scheitern seines Filmprojekts enthüllt, von den wütenden Journalisten beinahe gelyncht. Zerzaust und blutend rettet er sich an den Strand. Zurück im Kurhotel, packt er seine Koffer und fährt zum Bahnhof. Im Speisewagen des Zuges, wo Guido mit seiner Frau Luisa schweigend und traurig am Tisch sitzt, erscheinen ihm in einer plötzlichen Vision die Hauptfiguren seines Lebens, Schauspieler, Huren, Kardinäle, Hellseher, Eltern und Freunde. Guido hält ihnen stotternd eine Dankrede, dann verschwindet die Erscheinung, und das Ehepaar Anselmi sitzt wieder allein im Zug. Über dem Rattern der Räder wird die Leinwand dunkel.

Ein Assistent des Set-Designers Vito Anzalone erinnert sich, dass an beiden Enden des Speisewagens Spiegel angebracht waren, welche die Szenerie ins Unendliche verlängerten. Der Drehbuchautor Tullio Pinelli spricht von einem "Zug voll weiß gekleideter Leute". Auf den Setfotos sieht man Sandra Milo, die Guidos Geliebte spielt, mit einem weißen Pelzhut auf dem Kopf und Anouk Aimée in einer hochgeschlossenen weißen Bluse, dahinter, in die Tiefe gestaffelt, Paare und Einzelne an den Tischen des Waggons, der durch die Nacht fährt. Das Thema des Todes, sagt Anouk Aimée, habe beim Drehen der Szene in der Luft gelegen. Auch in den Aufnahmen vom Set spürt man dieses Gespenstische, Morbide, die Leere hinter dem Kulissenglanz.

"Wenn ich einen Film mache, lebe ich nicht, ich werde gelebt." Sein Leben lang hat Fellini, der ein penibles Traumtagebuch führte, von Zügen geträumt, verpassten, verspäteten, in die falsche Richtung fahrenden Eisenbahnen, Fahrten durch Tunnel und über Abgründe hinweg. An einem Bahnhof landet der mit dem Flugzeug abgestürzte Cellist G. Mastorna in Fellinis nie gedrehter Todesphantasie von 1965, mit einer surrealen Straßenbahn fährt der Journalist Rubini in "Intervista" nach Cinecittà, und mit dem Bild eines am Horizont entschwindenden Zuges endet auch die Geschichte der "Vitelloni", der Müßiggänger von Rimini, die Fellini in seinem Film von 1953 erzählt.

Es ist Moraldo, der jüngste der Gruppe, dem - wie einst dem Abiturienten Fellini - die Flucht aus Rimini nach Rom gelingt, fort aus der Langeweile und Kleinkrämerei der Provinz. Während sein Zug den Bahnhof verlässt, sieht man in einer seltsamen, aus Kamerafahrten und Überblendungen zusammengesetzten Montage seine in ihren Betten liegenden Freunde, als bewohnten sie benachbarte Abteile desselben Schlafwagens: den Angeber Fausto, der zu seiner Frau Sandra zurückgekehrt ist, den faulen, gemütlichen Riccardo, den verträumten Leopoldo, den melancholischen Alberto. Riccardo Fellini, der Darsteller des Faulen, sieht seinem Bruder Federico so ähnlich, dass der Regisseur sozusagen immer mit im Bild ist.

Zwanzig Jahre später hat Fellini mit "Amarcord" denselben Film noch einmal gedreht, und diesmal zog der von den Vitelloni bloß ersehnte Ozeandampfer tatsächlich am Kai vorüber. Aber es war, wie der ganze Film, eine gebaute Illusion, eine verzauberte Kulissenschieberei, denn inzwischen hatte Fellini seinen Rückzug aus der äußeren Realität in die Welt des Studios vollendet. In den "Müßiggängern" dagegen findet man noch Reste jener Wirklichkeit, die Fellini immer als Einschränkung seiner künstlerischen Freiheit empfunden hat. Man sieht ein Italien ohne Wirtschaftswunder und eine Adriaküste vor dem Ansturm der Teutonen, und in solchen Bildern steckt eine dokumentarische Qualität, die der spätere, ästhetisch perfektere Film nicht mehr besitzt.

Der Wendepunkt in dieser Entwicklung war "8 1/2". Denn schon Fellinis nächster Film "Julia und die Geister" (der wie "Die Müßiggänger" und das neorealistische Gaunermärchen "Die Schwindler" vergangenes Jahr bei Arthaus erschienen ist) spielt fast gänzlich im Studio, auch wenn gelegentlich wie eine Postkarte aus der Realität die Pinienwälder und die Meeresküste von Fregene bei Rom zu sehen sind. Seine dortige Villa ließ Fellini in verkleinertem Maßstab nachbauen und mit einem luftdicht abgeschlossenen schwarzen Rundhorizont umgeben. Der Rasen des Gartens in den Safa-Palatina-Studios musste täglich gewässert werden, damit das Gras in Fellinis erstem Farbfilm so grün aussah, wie er es verlangte.

Entsprechend klaustrophobisch bunt ist die Geschichte, in der die brave, schüchterne, von ihrem Ehemann betrogene Julia (die von Fellinis Ehefrau Giulietta Masina gespielt wird) bei Hellsehern, Kartenlegern, Tischerückern, Komikern, Kokotten, Buddhisten und anderen Bluffern die Chancen ihres Lebensglücks erfragt. Zwar gibt es keine Zugfahrt, dafür aber wirken viele Motive wie Spiegelbilder und Weiterentwicklungen der Themen aus "8 1/2". Sandra Milo spielt die lebenslustige, männerverschlingende Nachbarin, aus Guido Anselmis Kurärzten sind Julias Hausangestellte geworden, und auch die zentrale Erinnerungssequenz, der Blick in die Hölle einer katholischen Kindheit, kehrt in "Julia und die Geister" wieder. Aber wo der kleine Guido mit dem Blick aufs Ewigweibliche der Saraghina tatsächlich etwas zu beichten hat, darf die kleine Julia bloß als Märtyterin im Laienspiel glänzen. Der Szene fehlt, was dem Film als ganzem abgeht: der Blick des weiblichen Begehrens. Der Regisseur Fellini macht die von seiner Frau verkörperte Figur zur passiven Zuschauerin ihres eigenen Lebens. Die Rolle der Julia, erklärt Fellini in einem Interview von 1965, sei für Giulietta Masina leichter zu spielen gewesen als die Parts früherer Filme, "weil sie mich jetzt besser versteht". Das sagt einiges über die Machtverhältnisse in dieser Arbeits- und Liebesbeziehung.

Der Zug, der am Ende von "8 1/2" nicht fährt, rollt achtzehn Jahre später durch einen anderen Film: "Die Stadt der Frauen". Hier sind Fellinis Ängste, Wünsche, Lüste, Traumbilder endgültig unter sich, und Marcello Mastroianni trägt den Spitznamen, mit dem Guido Anselmi sich selbst vor dem Spiegel anredete, nun als Rollennamen: Snaporaz. Bei der Fahrt durch einen Tunnel nickt er ein und erwacht in einer Welt, die wie eine groteske Erweiterung der Haremsszene von 1962 wirkt, in der Guido zuerst gebadet und dann beinahe gefressen wird. Wenn man Fellinis Kino genauer ansieht, merkt man, dass er immer wieder die gleichen Konstellationen sucht, nur unter anderen Vorzeichen, in verändertem Dekor. Auch das Stimmengewirr der Kurtherme in "8 1/2" kehrt wieder in den Frauenstimmen der Villa Katzone. Aber wo der frühere Film noch zwischen Tagtraum und Wirklichkeit schwankte, verkapselt sich der spätere endgültig in seiner Phantasmagorie.

Bei "8 1/2" aber besann sich Fellini eines anderen. Guido Anselmi fährt nicht ins Totenreich. Statt dessen wird er zum Anführer eines ausgelassenen Reigens, der das Team, die Schauspieler und zuletzt auch die Zuschauer in einer großen Kreisbewegung vereint. "Wie eine Ballerina, auf Zehenspitzen" sei Fellini an seine Ängste herangegangen, erzählt Lina Wertmüller, und mit einem Tanz endet auch sein größter Film. "Egli danza", "er tanzt", wird Orson Welles ein Jahr nach "8 1/2" in einem Kurzfilm von Pasolini über Fellini sagen. Damals sollte das eine Beleidigung sein. Heute klingt es wie ein Kompliment.

ANDREAS KILB

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