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Die Rücksichtslosigkeit anderen - aber vor allem sich selbst gegenüber. Die Radikalität des Ansatzes. Die schwindelerregenden Wechsel zwischen kleinsten Details und großen Gedanken. Die essayistischen Passagen zu Themen der Kunst- und Literaturgeschichte. Und diesmal auch: die berührende Schilderung einer Krankheit und Ehekrise.
In "Kämpfen", dem fulminanten Abschluss des sechsbändigen autobiographischen Projektes von Karl Ove Knausgård, findet sich alles, was schon die ersten fünf Bände zu einem Ereignis machte, und geht noch einmal weit darüber hinaus. Geschrieben nach dem sensationellen
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Produktbeschreibung
Die Rücksichtslosigkeit anderen - aber vor allem sich selbst gegenüber. Die Radikalität des Ansatzes. Die schwindelerregenden Wechsel zwischen kleinsten Details und großen Gedanken. Die essayistischen Passagen zu Themen der Kunst- und Literaturgeschichte. Und diesmal auch: die berührende Schilderung einer Krankheit und Ehekrise.

In "Kämpfen", dem fulminanten Abschluss des sechsbändigen autobiographischen Projektes von Karl Ove Knausgård, findet sich alles, was schon die ersten fünf Bände zu einem Ereignis machte, und geht noch einmal weit darüber hinaus. Geschrieben nach dem sensationellen Erfolg der Vorgängerbände in Norwegen, dem darauf folgenden Skandal auf Grund der Preisgabe von vermeintlich Intimem, radikalisiert Knausgård seine schonungslose Methode noch einmal und treibt sie bis zu einer äußersten Schmerzgrenze. Ein künstlerischer Triumph, ein Vordringen zum Kern des Menschlichen zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Autorenporträt
Karl Ove Knausgård wurde 1968 geboren und gilt als wichtigster norwegischer Autor der Gegenwart. Als erster Debütant überhaupt bekam er den Norwegischen Kritikerpreis verliehen. Die Romane seines sechsbändigen, autobiographischen Projektes wurden weltweit zur literarischen Sensation. Seine Bücher sind in über 30 Sprachen übersetzt und vielfach preisgekrönt. Karl Ove Knausgård lebt mit seiner Familie an der schwedischen Südküste.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Viele Leser haben die fünf bisher erschienenen Bände von Karl Ove Knausgårds autobiografischem Projekt verschlungen: gebannt davon, wie er Privates offen beschreibt, und erstaunt darüber, wie auch Banales Bedeutung erhält, wenn es in einen sinnvollen Kontext gebettet wird. Knausgårds Bücher sind eine Art literarisch hochwertige Seifenoper - und wer in ihre Umlaufbahn gerät, kann der Anziehungskraft kaum widerstehen. Nun erscheint der abschließende Band auf Deutsch, über 1200 Seiten lang. Haben die vorigen Bücher verschiedene Stationen seines Lebens dargestellt, thematisiert "Kämpfen" nun, wie sie an die Öffentlichkeit treten. Die Medien reißen sich um Knausgård, und die Familie zerreißt es: Besonders der Onkel ist außer sich und versucht, die Publikation ganz zu stoppen. Diese Begleitumstände stürzen den Autor immer wieder in Selbstzweifel. Gleichzeitig liefert er seine Poetik nach, analysiert ausführlich andere Schriftsteller wie James Joyce oder Paul Celan. Und weil sein Projekt "Mein Kampf" heißt, befasst er sich auch mit Hitlers monströser Schrift, auf mehreren 100 Seiten… Diese theoretischen Teile führen die Leser auf manch ungewollten Umweg. Aber bei einem so radikal persönlichen Werk nach einem gefilterten Inhalt zu rufen, wäre vermessen - hier geht es eben um alles.

© BÜCHERmagazin, Heiko Kammerhof

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2017

Entweder hält es, oder es zerbricht

Kollaps in Zeitlupe: Mit "Kämpfen" bringt Karl Ove Knausgård sein autobiographisches Projekt tatsächlich zum Abschluss. Schreiben aber wird er weiterhin.

Der Versuch des norwegischen Schriftstellers Karl Ove Knausgård, das eigene Leben in sechs Bänden so präzise wie möglich zu schildern, nämlich so, "wie es ist", geriet nicht immer so berauschend wie in den beiden ersten Bänden "Sterben" und "Lieben", in denen er sich am Verhältnis zum alkoholkranken Vater und dem Alltagsgefängnis abarbeitet, in dem er sich mit Frau und Kindern befand. Doch es gibt auch in "Spielen", "Leben" und "Träumen", den bereits unter Eindruck der Reaktionen auf "Sterben" und Lieben" verfassten Bänden, Passagen, die den Leser tief in das Leben eines fremden, aber auf unheimliche Weise vertrauten Menschen abtauchen lassen.

Auch dort breitet er das Banale, wie es in dieser Zeitung einmal hieß, so radikal aus, "bis es sich ins Gegenteil verkehrt". Das packt einen, wenn man dafür empfänglich ist. Ist man es nicht, können einem Knausgårds Wälzer als pseudorevolutionäre "Scheinwirklichkeitsprosa" erscheinen und die eingestreuten, große Belesenheit demonstrierenden Reflexionen über Literatur und Leben an sich als Zumutung und Pose. Knausgård polarisiert.

Mit der Übersetzung des letzten Bandes "Kämpfen" gelangt die monumentale Selbstentblößung, die in Norwegen bereits seit dem Jahr 2011 vollständig vorliegt, nun auch bei uns zum Abschluss. Er erstreckt sich noch einmal über 1300 Seiten, und in deren Mitte liegt, wie ein nebelüberzogener Ozean, der vor dem Ziel noch mit Fährmann Knausgård überquert werden muss, ein unüberschaubar großer Abschnitt namens "Der Name und die Zahl", der von der Bedeutung unverfälschter Namen für sein "Experiment im Genre Realismus" über Celans Langgedicht "Engführung" zu einer breitangelegten Auseinandersetzung mit den namenlosen Opfern des Holocaust, Lanzmanns Film "Shoa" und Hitlers "Mein Kampf" gelangt, dem "einzigen absoluten Tabu in der Literatur".

Ein Exemplar dieses Buches, dessen Titel über allen sechs norwegischen Knausgård-Bänden liegt: "Min kamp 1-6", fand sich einst bei den Sachen der verstorbenen Großmutter. Der Fund, den Knausgård mit erstaunlich wenigen Sätzen abhandelt, so wie er auch bloß im Vorbeistreichen die NS-Anstecknadel erwähnt, die zu den unerwarteten Hinterlassenschaften seines Vaters zählte, regte ihn lange vor seinem Wirklichkeitsprojekt zu einer Beschäftigung mit der Zeit des Nationalsozialismus an.

Wobei er beim Blick auf Hitler, dem Möchtegernkünstler, durchaus Parallelen zum eigenen Leben entdeckte. Er schreibt zwar: "Wir sind gegen alles, wofür er stand, und das mit Recht." Aber in seinem Bemühen, wirklich alles offenzulegen, was ihm durch den Kopf fleucht, stellt er auch fest: "Hitlers Kindheit und Jugend ähneln meiner eigenen, seine Liebe aus der Distanz, sein verzweifelter Wunsch, etwas Großes zu werden, um sich selbst zu erhöhen, die Liebe zu seiner Mutter, sein Hass auf den Vater, sein Gebrauch der Kunst als Ort der Ich-Auslöschung und der großen Gefühle."

In "Der Name und die Zahl" tritt der junge Hitler umso stärker als Normalo auf: "Er war ein kleiner Mensch, aber das sind wir alle. Er darf nicht dafür verurteilt werden, wer er war, sondern dafür, was er tat. Aber das tat er nicht allein." Im Duktus sind das manchmal seltsame Sätze. Aber es ist ein intellektuelles Abenteuer. Bei dem sich Knausgård, wie er Skeptikern gegenüber einmal in der norwegischen Zeitung "Dagsavisen" erklärte, bewusst auf das schwierige Feld der "Einfühlung" begibt: ",Mein Kampf 6' ist keine Abhandlung, kein wissenschaftliches Werk, kein Sachprosabuch, sondern ein Roman." Ohne die Gefühlsebene sei der Aufstieg des Nationalsozialismus, der Weg zum größten Völkermord aller Zeiten, nicht zu begreifen. Ohne Verständnis für die Gefühlsebene könne man sich nicht vor einer Rückkehr des Nationalsozialismus in neuer Gestalt wappnen. Wenn "das Böse" kommt, raunt er in "Kämpfen", dann "sicher nicht in Gestalt eines ,Sie', als etwas Fremdes, das wir leicht von uns weisen können, es wird in Gestalt eines ,Wir' kommen. Es wird als ,das Richtige' kommen."

Zugänglicher sind die ersten und letzten Seiten des Bandes, jeweils vierhundert. Sie handeln davon, wie den Schriftsteller, der 2004 den hochgelobten Engelforscher-Roman "Alles hat seine Zeit" herausgebracht hatte, danach in eine jahrelange Schreibkrise stürzte, kurz vor Erscheinen des ersten "Min Kamp"-Bandes die Angst vor der eigenen Courage ergreift. Und wie um diesen Schriftsteller, der alles andere als selbstsicher ist, in der Öffentlichkeit dann tatsächlich ein gewaltiger Sturm ansetzt. Er wird zur öffentlichen, auch öffentlich beschimpften Person.

Der Band beginnt im Herbst 2009. Den Text, an dem Knausgård seit Februar 2008 saß, das Manuskript, der eigentlich in einem Band herauskommen sollte, bis der Verlag auf die Idee kam, das längenmäßig aus dem Rahmen laufende Projekt auf mehrere Bände zu verteilen, kannten bis zum Sommer nur der Verlag und Knausgårds Schriftsteller-Freund Geir Angell, der bei die Entstehung von "Min kamp" (der Titel scheint auf ihn zurückzugehen) eine wichtige Rolle gespielt hat.

Doch dann hatte auch Gunnar, Knausgårds Onkel, das Manuskript gelesen. Der Autor hatte es ihm sicherheitshalber geschickt: "Noch einmal, es tut mir leid, aber er war mein Vater und es ist meine Geschichte, die ich erzähle, und die sieht leider so aus." Die Folge waren hasserfüllte Mails, die Knausgård der Rufschädigung, Lüge und Geldgier bezichtigten und einen Prozess androhten.

Die Vorstellung eines Prozesses lähmt Knausgård, als würden ihm erst jetzt die Konsequenzen seiner Bloßstellungen bewusst. Sie wirft ihn buchstäblich nieder und er beginnt sich zu fragen, was er als Rechtfertigung vorbringen kann. Er versucht die Idee hinter den fertigen und noch geplanten Büchern, die wohl kurz nach einer berückenden Pauschalreise auf die Kanaren 2007 entstand, noch einmal für sich zu klären. Und genau das ist es, was "Kämpfen" so interessant macht: die Auseinandersetzung mit dem eigenen Werk.

Andere Personen, denen er das Manuskript ebenfalls schickte, antworten Sätze wie "Ich hatte drei Tage quälende Kopfschmerzen und nervöse Zuckungen in einem Augenlid, als ich den Roman las." Aber sie geraten nicht in Rage wie Gunnar, sondern lassen ihn gewähren. Den Namen des Onkels wird er später ändern, den seines Vaters der Einfachheit halber gar nicht aufführen. Nur seine Frau Linda will das Manuskript zu diesem Zeitpunkt nicht lesen: "Ich werde es ertragen", sagt sie, "Hauptsache, es ist wahr." Ihre Reaktion hebt sich Knausgård, ein kleiner Cliffhanger, für die Passagen nach dem Nebelmeer auf, in denen er auch vom Wirbel berichtet, der mit der Veröffentlichung der ersten beiden Bände anhob, und die Vorsicht erläutert, die er daraufhin im dritten und vierten Band walten ließ. Dort tat er "alles, um die Verpflichtung gegenüber der Wirklichkeit zu vermeiden, der ich nicht länger gewachsen war. In diesem Buch war ich daher weder dem Roman noch der Wirklichkeit verpflichtet."

Im Zeitlupentempo schwebt "Kämpfen" auf den Zusammenbruch zu. Linda, die schon in jungen Jahren an einer bipolaren Störung litt, muss aufs Neue ins Krankenhaus. Das hängt nicht allein an "Min kamp", einem Projekt, das Knausgård zufolge rücksichtslos sein muss, um in "die Wirklichkeit eindringen" zu können: "Will man es wirklich, dann kann man keine Rücksicht nehmen." Berechtigte Vorwürfe machte sich der Autor trotzdem. Der letzte Absatz des Bandes beginnt mit den Worten: "Es ist 7:07 Uhr, und der Roman ist endlich fertig. In zwei Stunden kommt Linda, dann werde ich sie umarmen und sagen, dass ich fertig bin und ihr und unseren Kindern nie wieder so etwas antun werde."

Bereits im Herbst erscheinen neue Knausgård-Werke in deutscher Übersetzung, sie heißen die "Jahreszeiten-Bände". Der Verlag kündigt sie als "eine Liebeserklärung an das Leben und die Familie" an.

MATTHIAS HANNEMANN

Karl Ove Knausgård: "Kämpfen". Roman.

Aus dem Norwegischen von Paul Berf und Ulrich Sonnenberg. Luchterhand Literaturverlag, München 2017. 1277 S., geb., 29,- [Euro].

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»Ganz egal, ob auf Internet-Stammtisch-Niveau oder im Feuilleton: Knausgård wühlt auf. Knausgård erzürnt und begeistert.« Julia Kospach / trend