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Der heute 74-jährige "Emil" - so sein Deckname - organisierte für die nordkoreanischen Diktatoren Kim-Il Sung und Kim Jong-Il Konsumgüter und Waffen in Deutschland und Österreich. 1994 flüchtete er unter spektakulären Umständen und lebt seither illegal in Österreich. Mit diesem Buch geht er erstmals an die Öffentlichkeit. Noch nie hat ein derart hochrangiger Überläufer im deutschen Sprachraum mit solcher Offenheit erzählt, was es heißt, in Nordkorea zu leben. Basierend auf vielen Gesprächen zeichnen Ingrid Steiner-Gashi und Dardan Gashi das bewegte Leben von "Emil" nach, geben Einblick in das…mehr

Produktbeschreibung
Der heute 74-jährige "Emil" - so sein Deckname - organisierte für die nordkoreanischen Diktatoren Kim-Il Sung und Kim Jong-Il Konsumgüter und Waffen in Deutschland und Österreich. 1994 flüchtete er unter spektakulären Umständen und lebt seither illegal in Österreich. Mit diesem Buch geht er erstmals an die Öffentlichkeit. Noch nie hat ein derart hochrangiger Überläufer im deutschen Sprachraum mit solcher Offenheit erzählt, was es heißt, in Nordkorea zu leben. Basierend auf vielen Gesprächen zeichnen Ingrid Steiner-Gashi und Dardan Gashi das bewegte Leben von "Emil" nach, geben Einblick in das repressive politische System der Diktatur und dokumentieren illegale Geschäfte österreichischer und deutscher Firmen mit Nordkorea.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.05.2010

Im Reiche Kims
Nordkoreas Chefeinkäufer

Diktaturen üben auf Menschen, die das (zuweilen unverdiente) Glück haben, nicht in einer zu leben, eine seltsame Faszination aus. Zum Wesen einer Diktatur gehört es, die Herrschenden mit einem Schleier des Geheimnisses zu umgeben. Wenn die Diktatur dann noch absurde Züge annimmt, wie das Regime Kim Jong-ils und seines Vaters Kim Il-sung in Nordkorea, steigert sich das Interesse beinahe ins Unermessliche. Wie mag es wohl zugehen im Reiche Kims, der für seine Untertanen zum Gottgleichen erhoben wird? Jedem, der einen Blick hinter die Kulissen bietet oder auch nur verspricht, ist öffentliche Aufmerksamkeit gewiss. Einen solchen "Exoten" haben jetzt zwei österreichische Journalisten aufgetan. Bei ihnen meldete sich Kim Jong-ryul, jahrelang so etwas wie der Schalck-Golodkowski der Kims, also Chefeinkäufer von Luxus- und anderen Waren im "kapitalistischen" Ausland. Kim setzte sich 1994 aus der Slowakei nach Österreich ab und beging damit nach offizieller nordkoreanischer Lesart ein Verbrechen. Das aus all dem resultierende Buch liest sich denn auch wie ein Krimi.

Die Geschichte des typischen Aufsteigers Kim Jong-ryul ist dann vergleichsweise banal. Ähnliches hat man seit Wolfgang Leonhards Lebensbeichte vor mehr als fünfzig Jahren immer wieder lesen können. Der Junge aus ärmlichsten Verhältnissen orientiert sich an den neuen kommunistischen Machthabern, die ihm ein Leben ermöglichen, von dem er zuvor nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Als "Hundertprozentiger" beginnt Kim seine Karriere, in deren Verlauf er unweigerlich mit den - vornehm formuliert - Schattenseiten des Systems, das sogar seinen loyalsten Funktionsträgern stets misstraut, konfrontiert wird. Erste Zweifel kommen in ihm hoch, die ihn nicht mehr loslassen werden. Aber zunächst siegt noch der eiserne Wille zum Aufstieg, und den kann Kim selbstverständlich nur innerhalb des Systems erreichen. Etwas anderes, die Hirnwäsche war eben doch sehr wirksam, ist für den jungen Mann gar nicht denkbar.

Die Geschichte, die der Titel verspricht, beginnt erst in der Mitte des Buches. Kim Jong-ryul gehört zum "Personenschutzministerium" des Diktators. Dieses sorgt aber gleichzeitig für die "Bedürfnisse" aller Art des Führers. Weil er in der DDR studiert hat und gut Deutsch spricht, wird Kim von 1974 an immer wieder im deutschsprachigen Raum eingesetzt, hauptsächlich in Österreich. Dort soll er Luxuswaren besorgen, vor allem aber auch Dinge, die nicht in kommunistische Länder exportiert werden dürfen. Dabei sind "ehrenwerte Kaufleute" aus dem Westen übrigens gerne behilflich. Die wissen zwar nicht immer, aber immer öfter, für wen sie da arbeiten.

Gut heraus kommen bei der Erzählung auch die Abgründe eines Regimes, das einen Menschen in ein Arbeitslager (mit geringer Überlebenschance) steckt, wenn er nur ein positives Wort über ein anderes Land verliert, dessen Elite aber von Korruption völlig durchdrungen ist. Da ist es dann schwerlich ein Wunder, dass sogar der privilegierte Reisekader Kim Jong-ryul während der verheerenden Hungerkrise der neunziger Jahre diese Abgründe nicht länger leugnet und seine Konsequenzen zieht - in der vergeblichen Hoffnung auf einen baldigen Zusammenbruch des Regimes zu Hause. Damit seine Familie nicht das grausame Schicksal der Verwandten von "Verrätern" erleidet, versucht er den Eindruck zu erwecken, er sei in der Slowakei einem Raubmord zum Opfer gefallen. Angeblich ist ihm das gelungen, so dass die Ausbildung in Konspiration, die ein Leben in Nordkorea ganz natürlich mit sich bringt, am Ende vielleicht doch für etwas gut war.

Da die Lebensgeschichte nicht vom Titelhelden selbst erzählt wird, die Autoren aber gleichwohl die größte mögliche Authentizität anstreben, nehmen sie zu einer Textform Zuflucht, die sich liest wie die Reportage von zweien, die dabei gewesen sind. So wirkt das Buch über weite Strecken wie eine Fernsehdokumentation mit nachgestellten Szenen aus Zeiten, in denen es weder Fotografie noch Film gab. Angereichert wird alles mit oberflächlichen Informationen zur Geschichte Koreas, die nicht immer zielführend sind. Vollends aus dem Rahmen fällt das vorletzte Kapitel, das sich mit dem nordkoreanischen Atomprogramm befasst und eigentlich in ein anderes Buch gehört. Und trotzdem: Es bleibt ein Verdienst der Autoren, darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass es auf dem Planeten Erde einen "Planeten Nordkorea" gibt, dessen grauenvolles Regime nicht zuletzt deshalb immer noch herrscht, weil niemand - auch nicht die "Brüder" in Südkorea - die sündhaft hohen Kosten einer Befreiung des Landes zu tragen bereit ist.

PETER STURM

Ingrid Steiner-Gashi/Dardan Gashi: Im Dienst des Diktators. Leben und Flucht eines nordkoreanischen Agenten. Verlag Carl Ueberreuter, Wien 2010. 207 S., 19,95 [Euro].

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