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2 Kundenbewertungen

Ob in dem kleinen Apartment in Queens, in dem Eileen in den 1940er- und 50er-Jahren aufwächst, gelacht oder geweint wird, kommt ganz darauf an, wer gerade zu Besuch ist oder wieviel getrunken wird. Nicht ihre Eltern möchten, dass sie es einmal besser hat - sie selbst will dieser Enge unbedingt entfliehen. Als sie Ed Leary begegnet, einem jungen Wissenschaftler voller Sanftmut, scheint das Ersehnte so nah: ein schönes Haus, eine kleine Karriere, eine glückliche Familie. Doch was, wenn Träume in Erfüllung gehen, das Glück sich aber nicht hinzugesellt? Thomas erzählt nicht von Tellerwäschern und…mehr

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Produktbeschreibung
Ob in dem kleinen Apartment in Queens, in dem Eileen in den 1940er- und 50er-Jahren aufwächst, gelacht oder geweint wird, kommt ganz darauf an, wer gerade zu Besuch ist oder wieviel getrunken wird. Nicht ihre Eltern möchten, dass sie es einmal besser hat - sie selbst will dieser Enge unbedingt entfliehen. Als sie Ed Leary begegnet, einem jungen Wissenschaftler voller Sanftmut, scheint das Ersehnte so nah: ein schönes Haus, eine kleine Karriere, eine glückliche Familie. Doch was, wenn Träume in Erfüllung gehen, das Glück sich aber nicht hinzugesellt? Thomas erzählt nicht von Tellerwäschern und Millionären, sondern von ganz gewöhnlichen Menschen. Denn sie - die Mittelschicht - sind es, die Amerika zu einem mythischen Ort der Freiheit und Selbstverwirklichung gemacht haben. Aber so, wie wir längst wissen, dass dieser Mythos nur eine Chimäre war, erfahren auch Eileen, Ed und ihr Sohn Connell, wie schnell Sichergeglaubtes ins Wanken gerät. Dann stellen sich die drängenden Fragen: Was ist wirklich wichtig im Leben? Hat man ein Recht auf Glück? Und wer sind wir, wenn wir nicht mehr wir selbst sind?

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Autorenporträt
Matthew Thomas, in der New Yorker Bronx geboren und in Queens aufgewachsen, studierte an der Universität Chicago und Kalifornien. Er lebt mit seiner Frau und Zwillingen in New Jersey. 10 Jahre schrieb der ehemalige Highschool-Lehrer an seinem ersten Roman, "Wir sind nicht Wir", und wurde über Nacht zum umworbensten Autor des Jahres.
Rezensionen
"Ja, man sollte als Soundtrack zur Lektüre vielleicht Neil Young in Erwägung ziehen, all seine Lieder über die "Ordinary People", diese Otto-Normal-Menschen, die weder Lichtgestalt sind, noch einen Heiligenschein tragen. [...] Geschöpfen, denen Matthew Thomas in seinem Familienepos ein Denkmal setzt.", Heilbronner Stimme, Michaela Adick, 09.01.2016

Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Wieland Freund hat dergleichen noch nicht gelesen. Dass Matthew Thomas zehn Jahre lang an diesem Romandebüt gearbeitet hat, merkt er auf jeder Seite. Und mit etwas Geduld (des Autors und des Lesers) entwickeln sich die Figuren im Text laut Freund auch in all ihrer Tiefe. Das Tastende und Zurückhaltende des Romans steht der Geschichte und ihren Figuren gut, versichert der Rezensent und bringt die ihn an Jonathan Franzens "Korrekturen" erinnernde Familiengeschichte schließlich in Gang. Spätestens im dritten Teil des Buches, in dem Thomas der Demenzerkrankung als dem Verfall eines Ich folgt, scheint Freund der Autor auf der Höhe seiner Kunst angelangt. Die Schilderung des inneren wie des äußeren Kampfes gegen die Krankheit, die schleichende Veränderung des Alltags, das Wegbrechen der Erinnerung - all das erzählt der Autor laut Rezensent meisterhaft einfühlsam und gnadenlos zugleich.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.07.2015

Im Sog der Vorstadt
Eileen gehört zu den Witwen, deren Männer noch leben, und sie arbeitet im Krankenhaus.
Um diese Figur herum erzählt Matthew Thomas eine Verfallsgeschichte aus dem amerikanischen Mittelstand
VON ULRICH BARON
Was ist Alzheimer?“, fragt Ed, und für einen Augenblick stockt Eileen Leary der Atem. Alzheimer ist die Krankheit, an der ihr Mann schon mit Anfang fünfzig zugrunde geht. Da sieht sie sein schelmisches Grinsen, sieht es vielleicht zum letzten Mal: „Lieber Gott“, denkt Eileen, „bewahr ihm das noch. Wenn du Ideen brauchst, was als erstes an die Reihe kommen soll, kann ich dir eine Liste machen.“
  Ihr Leben in New York hatte sich die Tochter irischer Einwanderer anders vorgestellt. Der sanftmütige Ed hätte als Hirnspezialist Karriere machen, zumindest Dekan werden sollen, statt alle guten Angebote auszuschlagen und stattdessen Abendkurse in Anatomie zu geben. Und ihr Sohn Connell hätte kein Einzelkind sein und angesichts des kranken Vaters nicht an die Universität von Chicago fliehen sollen.
  Den Verfall einer Familie spielt Matthew Thomas in seinem Debüt mit einer Minimalbesetzung durch. „Sie hielt die Stadien seines Verfalls in einer Art gegenläufigem Kindertagebuch fest“, heißt es über Eileen. Und über den Kranken, der hier aufhört, er selbst zu sein: „Er ging barbarisch mit ihr um, und wenn Connell ihn zur Rede stellte, leugnete er alles wie ein hinterhältiger Junge“. Seinen Sohn hat Ed Leary vielleicht mehr geliebt als seine Frau; und manchmal versucht er, Connell zu zeigen, was er selbst bald nicht mehr kennen wird. „Schon seit geraumer Zeit glitt sein Vater in sein altes Selbst hinein und wieder hinaus, als geistere er durch höhere Sphären.“
  Matthew Thomas schildert die fortschreitende Demenz des Vaters weit weniger beschönigend als etwa Arno Geiger in „Der alte König in seinem Exil“, hat aber ebenfalls einen königlichen Titel gewählt. Sein „We Are Not Ourselves“ zitiert Shakespeares „King Lear“. Und er zeigt, wie die Krankheit auch die Gesunden entstellt. Einmal behandelt Connell seinen Vater so rücksichtslos, als wäre der schon tot, doch die Krankheit lässt sich nicht zum Komplizen machen: „Er hoffte kurz, dass sein Vater den Vorfall vergessen würde, aber so funktionierte die Krankheit nicht.“
  Das Vergessen ist in diesem Roman nicht gnädig, und so eindrucksvoll und pointiert Matthew Thomas Eds Persönlichkeitsverlust fokussiert, so gekonnt hat er zugleich diese tragische Geschichte in eine größeren Erzählzusammenhang eingesponnen, so dass die deutsche Ausgabe fast neunhundert Seiten beansprucht, ohne je weit- oder abschweifend zu werden.
  In dieser größeren Geschichte sind Ed und Connell nur Nebenfiguren im Leben einer couragierten Frau, die sich das eigene Haus erkämpft, zu dem es ihr Vater nie gebracht hat, und der es trotz Eds Erkrankung gelingt, das Haus gegen ein besseres Anwesen im Speckgürtel der Stadt zu tauschen. Doch als irischstämmiger Katholikin wird Eileen der amerikanische Traum immer nur aus zweiter Hand angeboten.
  Matthew Thomas hat eine Schlüsselszene seines Romans in dessen Vorspiel versteckt. Da erzählt eine Nonne der Achtklässlerin Eileen und ihren braven Mitschülerinnen, wie das Viertel Woodside aus einem großen Landgut entstand, das ein geschäftstüchtiger Immobilienhändler habe roden lassen.
  Natürlich hatten damals, wie so oft in der New Yorker Stadtgeschichte, höhere Mächte die Hand im Spiel. Dank der göttlichen Vorsehung nämlich habe die Stadt 1924 dort Sozialwohnungen und Häuser bauen lassen, schwärmt die fromme Frau. Aber Eileen mag nicht an die Armen und nicht an Vorsehung denken, sondern träumt von dem abgerissenen Herrenhaus, das sie auf Bildern bewundert hat.
  Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist hier längst parzelliert. Während Eileen als Schwester im Krankenhaus arbeitet und Karriere in der Verwaltung macht, Ed sich in Forschung und Lehre einigelt und beide versuchen, „sich den Weg durch das Dickicht des Mittelklassedaseins zu bahnen“, erreichen neue Einwanderungswellen ihr zuvor von Iren und Italienern bewohntes Viertel. Eileen wird ihr erstes Haus schließlich – gegen den Widerstand ihres zu diesem Zeitpunkt bereits kranken Mannes – an eine indische Familie verkaufen, denn Woodside ist keine gute Adresse mehr: „Man spürte den Sog der Vorstädte . . . Die meisten ihrer Lieblingsgeschäfte waren gewichen, ersetzt durch Ramschläden, T-Shirt-Läden, Schwarzmarkthändler für Feuerwerk, exotische Friseursalons hinter dunklen Vorhängen.“
  Im „Dickicht des Mittelstandes“ helfen heute James Fenimore Coopers Waldgänger so wenig weiter wie Mark Twains Lotsen oder Willa Cathers Pioniere. Deshalb wendet sich Eileen an deren legitime Nachfolgerin, eine agile Immobilienmaklerin namens Gloria. Dass sie die Initiative übernehmen muss, war Eileen eigentlich schon vor Eds Erkrankung klar gewesen, ja schon lange vor ihrer Ehe. Ihre Eltern waren Trinker, doch ihr Vater „Big Mike“ Tumulty war ein nicht nur physisch beeindruckender Mann gewesen – er gehörte dem Typus an, aus dem man Anführer macht, Gewerkschaftsbosse, Politiker. Seine Stärke aber, seine Autorität hatte er nur im engen Rahmen zu entfalten vermocht, bevorzugt in Doherty’s Bar.
  Eileens Mann Ed ist weit mehr von seiner Arbeit als vom Erfolg besessen und hat nicht ahnen können, dass die bescheidene, aber lange Karriere, die ihm vorschwebte, schon zu Ende sein könnte, bevor er sich nennenswerte Pensionsansprüche erarbeitet hatte. Nimmt man hinzu, dass auch Eileens Karriere sich im Rahmen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge abspielt, so kann man „Wir sind nicht wir“ auch als großes Epos des abhängig beschäftigten Mittelstandes bezeichnen.
  Weiblicher Pragmatismus verdrängt hier männliche Selbstherrlichkeit; zumindest partiell: „Die Anweisung aus dem Büro des Oberbürgermeisters Giuliani an das mittlere Management in Krankenhäusern war klar“, heißt es da aus Eileens Perspektive: „Sie sollten ihre Mitarbeiter bis zum Umfallen schuften lassen – nur so funktionierte das Gesundheitssystem.“ Doch Eileen hat Wichtigeres zu tun, als sich darüber zu empören: „Sie war keine normale Ehefrau mehr, sondern gehörte nun zu der kleinen Gruppe von Witwen, deren Ehemänner noch lebten.“
  Das Leben seiner Protagonisten erschiene unspektakulär bis langweilig, drohte ihm nicht jenes große Vergessen, das vordergründig zunächst nur Ed Leary erfasst hat. Aber Matthew Thomas schreibt darin auch die Geschichte einer verschwindenden Lebenswelt und die Geschichte jener verloren gehenden mittelständischen Gewissheit, mit einer guten Ausbildung auch einen guten Job und dafür eine gute Bezahlung zu bekommen: „Als Eileen im November 1941 geboren wurde, waren noch Spuren der Wälder zu erkennen, die im Namen ihres Viertels anklangen.“
  Vom Wald von einst steht nur noch der Name, aber das, von dem man weiß, dass man es bald nicht mehr haben wird, wird hier Bild: „Es ist so schön“ sagt Ed einmal, nachdem er Connell im Metropolitan Art Museum Bilder eines seiner Lieblingsmaler gezeigt hat: „Was ist so schön?“ fragt der. „Dies“, antwortet ihm sein Vater mit einer weit ausholenden Geste: „Alles.“ Aus einer so kleinen, intimen Szene heraus und mit so wenigen, kurzen Wörtern so weit ausholen zu können, beweist, dass dies nicht nur ein dicker, sondern ein großer Roman und dass Matthew Thomas ein begnadeter Epiker ist.
Im Gesundheitssystem der Ära
Giuliani arbeitet Eileen an
ihrer kleinen Karriere
  
Matthew Thomas,
in der New Yorker Bronx geboren, wuchs im Stadtteil Queens auf. Sein Romandebüt wurde in den USA zum
Bestseller.
Foto: picture alliance / dpa
Ein Graffito des Künstlers Banksy in Woodside, Queens, wo Matthew Thomas seinen Roman ansiedelt.
Foto: ddp images/ABACA
  
  
  
  
Matthew Thomas: Wir sind nicht wir. Aus dem Englischen von Astrid Becker und Karin Betz. Berlin Verlag 2015. 896 Seiten, 24,99 Euro. E-Book 18,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.08.2015

Wie jemand, der sich verfahren hat und das Lenkrad nicht mehr kennt
Der Amerikaner Matthew Thomas hat mit "Wir sind nicht wir" einen eindringlichen und wahrhaftigen Roman über Demenz geschrieben

Literarische Tragik wurde in früheren Jahrhunderten aus der Historie oder von äußeren Schicksalsschlägen bezogen. Auch rächende Götter und moralische Konflikte taten ihre Wirkung. Über das Körperliche hat man sich eher ausgeschwiegen. Seit längerem aber sind es die inneren Feinde aus dem Körper, die für große Geschichten und Spannungsbögen sorgen.

Krankheit als Schicksal, Metapher und Obsession. Dabei prägen die Zeiten ihre je eigenen Befunde aus. Einst waren die Lungen federführend: Tuberkulose ereilte die sensiblen Seelen in der Blüte ihrer Jahre. Heute machen Alzheimer und Demenz Epoche, die paradigmatischen Krankheitsbilder überalterter Gesellschaften. Meist ist es die Sohn-Vater-Perspektive, die den Demenz-Roman bestimmt: der Vater als ergreifend schwache Person und Ruine eines Mannes, was auch in Sachen Geschlechterdominanz ein Statement ist. Man denke an Jonathan Franzens "Korrekturen", wo der an Parkinson und Demenz erkrankte Familienpatriarch Alfred Lambert in allen Phasen seines Persönlichkeitszerfalls gezeigt wird.

In den Vereinigten Staaten ist Matthew Thomas' ähnlich umfangreicher Roman "Wir sind nicht wir" immer wieder mit den "Korrekturen" verglichen worden. Weibliche Hauptfigur ist Eileen Tumulty, 1941 geboren, aufgewachsen im New Yorker Stadtbezirk Queens. Mit ihrer beflissenen Aufsteigermentalität ist sie eine sehr amerikanische Romanfigur. Sie entstammt einer Familie irischer Einwanderer, ihre Kindheit ist überschattet von Armut und dem Alkoholismus der Mutter. Früh lernt Eileen, nach außen die Fassaden der Normalität zu wahren. Sie arbeitet als leitende Krankenschwester - pragmatisch, praktisch, gut und immer zu Überstunden bereit.

Kein Spaßvogel ist auch der Mann, den sie heiratet. Ed Leary ist Hirnforscher mit dem Fachgebiet Psychopharmakologie. Seine Charakterstärke und Hartnäckigkeit bringen ihn früh auf eine Professur. Grund zur Freude für die ambitionierte Gattin; aber als ein lukratives Angebot aus der Industrie kommt, tritt Ed zu ihrem Leidwesen auf die Karrierebremse. Die Freuden der Forschung sind ihm wichtiger als das Geld.

Ungewöhnlich früh schleicht sich die Krankheit ein, mit kleinen Irritationen und Fehlleistungen, mit ungewöhnlichen, aber nicht unplausiblen Verhaltensweisen. Da fühlt sich Ed überfordert von der wirbeligen Party zu seinem fünfzigsten Geburtstag und meint, einige Gäste nicht zu kennen. Da liegt er nach zwei Jahrzehnten unermüdlicher Lehrtätigkeit plötzlich ganze Tage auf dem Sofa und hört Opern: "Ich muss zurück zu den wesentlichen Dingen." Er findet Verständnis, weil die Angehörigen noch nicht ahnen, dass dieses Verhalten der zunehmenden Überforderung durch den Berufsalltag geschuldet ist. Verzweifelt müht Ed sich, die korrekten Noten für seine Studenten zu ermitteln. Eileen denkt an Burn-out und Midlife-Crisis und hilft ihm beim Ausrechnen und Eintragen der Noten. Beschönigungen sind noch zu haben: "Es gab ja einen Oberbegriff für Männer wie ihn, einen, der seit Generationen mit Hochachtung verwendet wurde: zerstreuter Professor."

Eine große, beklemmende Szene zeigt dem Sohn Connell dann in aller Deutlichkeit, dass mit dem Vater etwas nicht in Ordnung ist. Der Vierzehnjährige, einziges Kind des Paares, begleitet Ed zu einer Vorlesung und wird Zeuge einer peinigenden Vorstellung. Den irritierten Studenten versucht der hirnkranke Hirnforscher mit einem Wirrwarr von Notizzetteln den Stoff über das zentrale Nervensystem darzubieten, mit peinlichen Wiederholungen und mühsam überspielten Aussetzern, wie jemand, der sich komplett verfahren hat und zwischenzeitlich gar nicht mehr weiß, was ein Lenkrad überhaupt ist.

Während sich die Fremde im Inneren ihres Mannes ausbreitet, wächst sie auch in der Nachbarschaft. Eileen, die Tochter irischer Einwanderer, leidet darunter, dass sich das Lebensgefühl in Jackson Heights durch Migration verändert. In paranoiden Momenten sieht sie sich mit den Augen der jungen Latinos als "alte weiße Schlampe", auch wenn die Nachbarn eigentlich freundlich und hilfsbereit sind. Eileen aber verkauft das Haus an eine indische Großfamilie; die Learys ziehen in eine pittoreske, allerdings ziemlich abgewohnte und reparaturbedürftige Vorortvilla - eine riskante Transaktion, zu der bald die explodierenden Pflegekosten kommen. So dass die Familie fortan in doppeltem Sinn ein beschädigtes Leben führt und Eileens pingeliger Perfektionismus einer harten Probe nach der anderen ausgesetzt ist.

Eine akribische Krankheitsschilderung ist allein noch kein Roman; dazu wird sie erst, wenn erzählt wird, wie der Betroffene und seine Angehörigen mit dem Monster der Krankheit zu Rande kommen, welche Leiden, Erschöpfungen, Depressionen und Veränderungen ihres Alltags sie durchmachen. Das geschieht in diesem Roman über eine restlos durchgerüttelte Mittelstandsfamilie mit aller Gründlichkeit. Bei Eileen wechseln Momente, in denen sie den aggressiven Kranken "am liebsten umgebracht hätte", mit einer Liebe und einem intensiven "Hunger nach Zärtlichkeit", der ihr "Carpe diem" aus der Schnelligkeit bezieht, mit der Eds Persönlichkeit hinschwindet.

Den Sohn erwischt der Verfall des Vaters in einer sensiblen Phase seines Lebens. Vom dicklichen, verspotteten Jungen wird Connell zum durchtrainierten, sportbesessenen jungen Mann, der dann - unter dem Eindruck des Familiendesasters - den Football von einem Tag auf den anderen liegenlässt und sich der Literatur zuwendet, was mit Melancholie und Muskelschwund einhergeht. Voller Selbstzweifel bricht er später das Studium ab und stagniert zum Entsetzen der Mutter in einem Pförtnerjob. Vorher aber liest man noch ein ironisch funkelndes Kapitel über seinen Studienaufenthalt in Deutschland. Connell ist beeindruckt von der Gründlichkeit, mit der die Deutschen die nationalsozialistische Vergangenheit bewältigen: "Sie geben sich jede erdenkliche Mühe, als das kollektive Gedächtnis oder eher das zermarterte Gewissen der Welt zu fungieren ... Mit einer unbeirrten Disziplin lassen sie keine Ermüdungserscheinungen ihres historischen Gewissens zu." Die Erinnerungspotenz der Deutschen ist ein merkwürdiges Kontrastmotiv in einem Demenz-Roman.

"Wir sind nicht wir, / wenn die Natur, im Druck, die Seele zwingt, / zu leiden mit dem Körper", heißt es in Shakespeares "König Lear". War die Tragödie des erhabenen Starrsinns in Wahrheit das archetypische Demenz-Drama? Jedenfalls stellt nicht nur Arno Geiger in seinem Bericht über seinen an Alzheimer erkrankten Vater ("Der alte König in seinem Exil") den Bezug her, auch Matthew Thomas tut es schon im Titel. Bei Geiger findet sich allerdings eine gewisse Poetisierung der Krankheit. "Es waren Sätze, die auch ein Held von Franz Kafka oder Thomas Bernhard gesagt haben könnte", heißt es über die reduzierten Äußerungen des Vaters. Solche Sätze sagt Ed Leary nicht. "Wir sind nicht wir" wirkt viel krasser als Arno Geigers Buch, schon deshalb, weil hier ein Mann in mittleren Jahren von der Krankheit zerstört wird. Es gibt Szenen, die schockieren in ihren unerbittlichen Details, wenn etwa der Sohn den eingekoteten, schreienden, wütend um sich tretenden Vater unter die Dusche zu stellen versucht. Die erzählerische Umständlichkeit - neunhundert Seiten für eine überschaubare Handlung und eine Geschichte, deren Verlauf sich früh abzeichnet - schafft jedoch das humane Klima dieses autobiographisch grundierten Krankheitsromans.

Matthew Thomas verarbeitet die Geschichte seines eigenen Vaters. Man wird durch seine hartnäckig realistische Erzählkunst so involviert in das Drama der Familie, dass man die schlimmsten Momente, die in einer Fernsehdokumentation bestimmt voyeuristisch wirken würden, fast schon als Angehöriger erlebt. Deshalb verzeiht man dem Roman seine Längen, auch wenn sie ein Grund dafür sind, dass er den Rang von Jonathan Franzens thematisch reichhaltigerem, gekonnter perspektiviertem Familienpanorama dann doch nicht erreicht. Zum Thema Demenz aber dürfte es kaum einen eindringlicheren, wahreren Roman geben.

WOLFGANG SCHNEIDER

Matthew Thomas: "Wir sind nicht wir". Roman.

Aus dem Englischen von Astrid Becker und Karin Betz. Berlin Verlag, Berlin 2015. 896 S., geb., 18,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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