Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Sehr beeindruckt ist Rezensent Jochen Temsch von den Fotografien des emeritierten Professors für Fotoingenieurswesen Jaroslav Poncar, der seit vierzig Jahren Asien bereist. In Burma war er 1985 zum ersten Mal, die Wirkung verglich er mit einer Heroinspritze, zitiert ihn der Rezensent. Poncar zeigt auf seinen Panorama-Fotos Burma so, wie es die Militärs fünfzig Jahre lang durch Abschottung konservierten. Viel Religion und Alltag, die in Burma "fest miteinander verwoben" sind, so Temsch. Der Text liefert die begleitende Information, dass für die Schönheit der Kultur auf vielen Gebieten mit Rückständigkeit bezahlt wird.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2013Burmasüchtig
Rund 30 Jahre lang hat Jaroslav Poncar immer wieder Myanmar bereist und fotografiert.
Sein opulenter Bildband lässt den Betrachter eintauchen in eine in sich selbst versunkene Welt
VON JOCHEN TEMSCH
Die Ankunft in diesem Land war für ihn „wie die erste Spritze Heroin“. Jaroslav Poncar wurde sofort „burmasüchtig“, wie er in seinem neuen Bildband „Burma/Myanmar“ schreibt, und die Opulenz dieses Werkes ist der beste Beweis für die Richtigkeit der Aussage des in Köln lebenden, emeritierten Professors für Fotoingenieurswesen. Seit 40 Jahren bereist er Asien, viele gewichtige Publikationen sind dabei entstanden. Poncar gilt als ausgewiesener Experte für den Himalaja und Südostasien – doch Myanmar haute ihn schlichtweg um.
Trotzdem ist es kein Rausch der Bilder, der sich in dem Band entfaltet, kein Delirium der Idyllen aus Pagoden, Palmen und goldenen Buddhastatuen und überhaupt so gar keine von Verklärung vernebelte Sicht auf die Dinge. Vielmehr dokumentiert Jaroslav Poncar Land und Leute nüchtern, sehr still, sehr genau. Die von ihm bevorzugte Technik der Panorama-Fotografie, die cinemascopische Breitformate ermöglicht, lässt den Betrachter eintauchen in eine in sich selbst versunkene Welt, die pittoresker kaum sein könnte. Worüber diese Aufnahmen nicht aufklären, obliegt den kurzen Begleittexten von Poncar selbst und zweier seiner Weggefährten: dass diese gerade auch von westlichen Kulturtouristen so geliebte Beschaulichkeit auch eine Form von Rückständigkeit bedeutet, eine Folge ist von Unterdrückung, Ausbeutung und internationaler Abschottung.
Myanmar, das alte Birma, von den Briten Burma genannt, war 50 Jahre lang vom Rest der Welt isoliert. Raffgierige Militärs hielten die Bevölkerung wie in einem Museum eingesperrt – Südostasien, wie es vor hundert Jahren war – und warfen den Schlüssel weg. Poncar gelang es dennoch, sich schon zu finsteren, diktatorischen Zeiten mit seiner Kamera umzusehen. Zum ersten Mal reiste er 1985 ein, mit einem Visum, das eine Woche gültig war und das er jeweils so lange in Bangkok verlängern wollte, wie sein Geld reichte. Außerdem mit im Gepäck: ein paar Stangen „555“-Zigaretten als Bestechungswährung. Damit kam Poncar tatsächlich ziemlich weit. Immerhin bis zur Brücke über den Sittang, wo man ihm die Weiterreise zum Goldenen Felsen verweigerte. Soldaten ließen ihn in ihrem Wachhäuschen übernachten, sein Plan, nachts durchzuschlüpfen, scheiterte. Und so musste er schließlich umdrehen. Aber bis heute kehrte er immer wieder zurück.
Man sieht es den einzelnen Arbeiten dieser Langzeitbeobachtung nicht an, in welchem Jahr sie entstanden sind. Die Obsthändler, die ihre Ware auf den Marktplätzen der Dörfer ausbreiten, die Kinder, die in den Irrawaddy springen, oder der kleine Novize, der ein Eis am Stiel genießt – Poncar könnte sie genauso gut vor einem Jahr wie vor 30 Jahren fotografiert haben. Den Menschen und ihren alltäglichen Verrichtungen widmet er neben religiösen Bauten besonders viel Aufmerksamkeit. Und beides, Alltag und Religion, ist in Myanmar fest miteinander verwoben. 135 Ethnien leben in dem Vielvölkerstaat, der durchdrungen ist von einer allgegenwärtigen Frömmigkeit, der sich kein Myanmar-Besucher entziehen kann. Architektonisch gipfelt sie in der Shwedagon-Pagode, die – hundert Meter hoch, vergoldet und mit Edelsteinen besetzt – auch auf Poncars Fotos zeitlos über der alten Hauptstadt Rangun, dem heutigen Yangon, leuchtet.
Bei seiner ersten Reise zum Goldenen Felsen erfuhr Poncar, dass er stundenlang über sieben dschungelbewachsene Bergrücken wandern müsse. Heute führt eine asphaltierte Straße hin. Die Militärs tragen inzwischen Nadelstreifen statt Uniform und profitieren als Geschäftsleute vom stark wachsenden Tourismus. Der daraus resultierende Bauboom mit all seinen Auswüchsen ist auf Poncars Fotos nicht zu sehen, somit auch nicht das, was in Myanmar wie überall gilt: Die Zeit steht niemals still.
Jaroslav Poncar: Burma/Myanmar. Reisefotografien von 1985 bis heute. Edition Panorama. Mannheim, 2013. 320 Seiten mit ca. 260 Fotografien, 78 Euro.
Gestern wie heute: Obsthändler, Kinder am Irrawaddy, ein Bronzegießer in Amarapura und ein Novize in Mandalay – den Fotografen interessiert der Alltag der Menschen.
FOTOS: JAROSLAV PONCAR
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Rund 30 Jahre lang hat Jaroslav Poncar immer wieder Myanmar bereist und fotografiert.
Sein opulenter Bildband lässt den Betrachter eintauchen in eine in sich selbst versunkene Welt
VON JOCHEN TEMSCH
Die Ankunft in diesem Land war für ihn „wie die erste Spritze Heroin“. Jaroslav Poncar wurde sofort „burmasüchtig“, wie er in seinem neuen Bildband „Burma/Myanmar“ schreibt, und die Opulenz dieses Werkes ist der beste Beweis für die Richtigkeit der Aussage des in Köln lebenden, emeritierten Professors für Fotoingenieurswesen. Seit 40 Jahren bereist er Asien, viele gewichtige Publikationen sind dabei entstanden. Poncar gilt als ausgewiesener Experte für den Himalaja und Südostasien – doch Myanmar haute ihn schlichtweg um.
Trotzdem ist es kein Rausch der Bilder, der sich in dem Band entfaltet, kein Delirium der Idyllen aus Pagoden, Palmen und goldenen Buddhastatuen und überhaupt so gar keine von Verklärung vernebelte Sicht auf die Dinge. Vielmehr dokumentiert Jaroslav Poncar Land und Leute nüchtern, sehr still, sehr genau. Die von ihm bevorzugte Technik der Panorama-Fotografie, die cinemascopische Breitformate ermöglicht, lässt den Betrachter eintauchen in eine in sich selbst versunkene Welt, die pittoresker kaum sein könnte. Worüber diese Aufnahmen nicht aufklären, obliegt den kurzen Begleittexten von Poncar selbst und zweier seiner Weggefährten: dass diese gerade auch von westlichen Kulturtouristen so geliebte Beschaulichkeit auch eine Form von Rückständigkeit bedeutet, eine Folge ist von Unterdrückung, Ausbeutung und internationaler Abschottung.
Myanmar, das alte Birma, von den Briten Burma genannt, war 50 Jahre lang vom Rest der Welt isoliert. Raffgierige Militärs hielten die Bevölkerung wie in einem Museum eingesperrt – Südostasien, wie es vor hundert Jahren war – und warfen den Schlüssel weg. Poncar gelang es dennoch, sich schon zu finsteren, diktatorischen Zeiten mit seiner Kamera umzusehen. Zum ersten Mal reiste er 1985 ein, mit einem Visum, das eine Woche gültig war und das er jeweils so lange in Bangkok verlängern wollte, wie sein Geld reichte. Außerdem mit im Gepäck: ein paar Stangen „555“-Zigaretten als Bestechungswährung. Damit kam Poncar tatsächlich ziemlich weit. Immerhin bis zur Brücke über den Sittang, wo man ihm die Weiterreise zum Goldenen Felsen verweigerte. Soldaten ließen ihn in ihrem Wachhäuschen übernachten, sein Plan, nachts durchzuschlüpfen, scheiterte. Und so musste er schließlich umdrehen. Aber bis heute kehrte er immer wieder zurück.
Man sieht es den einzelnen Arbeiten dieser Langzeitbeobachtung nicht an, in welchem Jahr sie entstanden sind. Die Obsthändler, die ihre Ware auf den Marktplätzen der Dörfer ausbreiten, die Kinder, die in den Irrawaddy springen, oder der kleine Novize, der ein Eis am Stiel genießt – Poncar könnte sie genauso gut vor einem Jahr wie vor 30 Jahren fotografiert haben. Den Menschen und ihren alltäglichen Verrichtungen widmet er neben religiösen Bauten besonders viel Aufmerksamkeit. Und beides, Alltag und Religion, ist in Myanmar fest miteinander verwoben. 135 Ethnien leben in dem Vielvölkerstaat, der durchdrungen ist von einer allgegenwärtigen Frömmigkeit, der sich kein Myanmar-Besucher entziehen kann. Architektonisch gipfelt sie in der Shwedagon-Pagode, die – hundert Meter hoch, vergoldet und mit Edelsteinen besetzt – auch auf Poncars Fotos zeitlos über der alten Hauptstadt Rangun, dem heutigen Yangon, leuchtet.
Bei seiner ersten Reise zum Goldenen Felsen erfuhr Poncar, dass er stundenlang über sieben dschungelbewachsene Bergrücken wandern müsse. Heute führt eine asphaltierte Straße hin. Die Militärs tragen inzwischen Nadelstreifen statt Uniform und profitieren als Geschäftsleute vom stark wachsenden Tourismus. Der daraus resultierende Bauboom mit all seinen Auswüchsen ist auf Poncars Fotos nicht zu sehen, somit auch nicht das, was in Myanmar wie überall gilt: Die Zeit steht niemals still.
Jaroslav Poncar: Burma/Myanmar. Reisefotografien von 1985 bis heute. Edition Panorama. Mannheim, 2013. 320 Seiten mit ca. 260 Fotografien, 78 Euro.
Gestern wie heute: Obsthändler, Kinder am Irrawaddy, ein Bronzegießer in Amarapura und ein Novize in Mandalay – den Fotografen interessiert der Alltag der Menschen.
FOTOS: JAROSLAV PONCAR
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