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Fanny ist ein Mädchen mit dunklen seelenvollen Augen und großer musikalischer Begabung. Aber Komponieren ist nichts für Frauen, befindet der Vater und später auch ihr Bruder, Felix Mendelssohn-Bartholdy. Doch unverdrossen und gefördert von ihrem Ehemann komponiert und dirigiert sie. Einfühlsam zeichnet Peter Härtling das Leben von Fanny Hensel-Mendelssohn nach und entwirft zugleich ein Gesellschaftsporträt, da die Familie mit vielen berühmten Persönlichkeiten verkehrte, von Heine, Kleist und den Varnhagens bis zu Geheimrat Goethe. Nach den hochgelobten Romanen über Hölderlin, Schubert,…mehr

Produktbeschreibung
Fanny ist ein Mädchen mit dunklen seelenvollen Augen und großer musikalischer Begabung. Aber Komponieren ist nichts für Frauen, befindet der Vater und später auch ihr Bruder, Felix Mendelssohn-Bartholdy. Doch unverdrossen und gefördert von ihrem Ehemann komponiert und dirigiert sie.
Einfühlsam zeichnet Peter Härtling das Leben von Fanny Hensel-Mendelssohn nach und entwirft zugleich ein Gesellschaftsporträt, da die Familie mit vielen berühmten Persönlichkeiten verkehrte, von Heine, Kleist und den Varnhagens bis zu Geheimrat Goethe.
Nach den hochgelobten Romanen über Hölderlin, Schubert, Hoffmann und Schumann: Härtlings Porträt von Fanny Hensel-Mendelssohn, Schwester von Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Autorenporträt
Peter Härtling, geboren am 13. November 1933 in Chemnitz, Gymnasium in Nürtingen bis 1952. Danach journalistische Tätigkeit; von 1955 bis 1962 Redakteur bei der ¿Deutschen Zeitung¿, von 1962 bis 1970 Mitherausgeber der Zeitschrift ¿Der Monat¿, von 1967 bis 1968 Cheflektor und danach bis Ende 1973 Geschäftsführer des S. Fischer Verlages. Seit Anfang 1974 freier Schriftsteller. Peter Härtling erhielt 2003 für sein Gesamtwerk den Deutschen Bücherpreis. Er lebte bis zu seinem Tod 2017 in Mörfelden-Walldorf.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.08.2011

Die Sonntagsmusikantin
Peter Härtling porträtiert die Komponistin Fanny Hensel-Mendelssohn als biedere Hausfrau mit Eheproblemen
Die Künstlerbiographien von Peter Härtling gehorchten schon immer dem bildungsbürgerlichen Verlangen, Kunst als Produkt eines außergewöhnlichen Lebens verständlich zu machen. Darum wählte Härtling die großen tragischen Figuren, schrieb über Hölderlin, Schubert, Schumann, E.T.A. Hoffmann.
Die Pianistin und Komponistin Fanny Hensel-Mendelssohn war lange nur Teil der Biographie ihres Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy. Warum dem so ist, wird bei Härtling deutlich: Fanny, Enkelin des Aufklärers Moses Mendelssohn, erhält, durchaus ungewöhnlich, eine ebenso umfangreiche Ausbildung wie der Bruder, ihr wird eine große, manchmal gleich große Begabung nachgesagt. Doch kann für den Vater, den Berliner Bankier und Stadtrat Abraham Mendelssohn, Musik bei einer Frau „nur Zierde, niemals Grundbaß“ des Lebens sein, bleibt der Bruder skeptisch gegenüber einer Veröffentlichung der Kompositionen. Fanny wird Mutter, beschränkt sich künstlerisch auf die „Sonntagsmusiken“, große Privatkonzerte im Mendelssohn’schen Anwesen.
Peter Härtling, der in dem gewohnten dokumentarischen Stil sehr nahe an den überlieferten Briefen und Tagebüchern bleibt, zeigt Fanny nicht nur als Opfer. Härtling zeigt die Selbstverständlichkeit, mit der die Zurücksetzung geschieht, aber auch, wie Fanny nach anfänglichem Neid dem stets selbstbewussten Bruder mehr und mehr den Vortritt lässt. Felix – „liebste“ oder auch „liebster Fenchel“ nennt er sie – wird zum Fixstern in Fannys Welt, lebenslang bleibt der Austausch auch in künstlerischen Fragen eng. So ist es letztlich auch Fanny, die trotz prominenter Verlagsangebote und trotz der Unterstützung ihres Ehemannes, des Malers Wilhelm Hensel, Kompositionen erst spät in den Druck gibt.
Härtling rückt dieses außergewöhnliche Geschwisterverhältnis in die Nähe einer durchaus nicht unerotischen Liebesbeziehung. Dass Felix ein halbes Jahr nach Fanny stirbt – sie wurde nur 41, er nur 38 Jahre alt –, deutet er als Liebestod. Das, was Härtling mit meisterhafter Psychologie entwickelt, geben die Quellen absolut her. Doch entgeht seiner Fokussierung aufs Innenleben die Bedeutung der äußeren Umstände: Das Haus Mendelssohn war ein geistiges und politisches Zentrum der Großstadt Berlin, Johann Gustav Droysen und Carl Friedrich Zelter unterrichteten Felix und Fanny, mehrere Familienmitglieder hatten direkten Zugang bei Hofe. Fannys Konzerte besuchte die gesamte geistige und künstlerische Elite.
„Ich widersetze mich schon wieder erzählend dem Aufwand an Personen, der das Mendelssohn-Haus kennzeichnet“, schreibt das in Kommentaren sich immer wieder einschaltende Autoren-Ich. Und: Ich bin die Wahrheit, die keine Rhetorik verträgt, rufen die kurzen, nüchternen Sätze. Doch trifft man sich bei Fannys Hochzeit „zum Abendessen“, ist dieser Wahrheitsbegriff schlicht verfehlt. Wo ist hier die Fanny, die sich mit Heine, den von Arnims oder den Brüdern Humboldt unterhält, die sich mit Liszt und Paganini künstlerisch austauscht? Phantasie hätte hier wie so oft die Verhältnisse besser erfasst. Härtling zeigt Fanny zwar als politischen Kopf. Stärker als der Bruder etwa reflektiert sie, dass die Familie eines Moses Mendelssohn sich den Zweitnamen „Bartholdy“ von einer Berliner Molkerei borgen muss, um den erfolgreichen Übertritt zum Christentum zu markieren. Doch Härtlings Biedersinn widersetzt sich dem Aufwand, Bezüge zum zeitgeschichtlichen Hintergrund herzustellen, etwa zur Stellung der Frau.
Er drängt die Hauptfigur sträflich ins Private zurück. Bis auf eine lange Italienreise – an der Härtling die protestantische Italiensehnsucht wie -ablehnung hübsch durchexerziert – findet Fannys gesamtes Leben im Mendelssohnschen Hause statt. „Wäre Madame Hensel die Tochter eines armen Mannes gewesen, so wäre sie in der Welt so berühmt geworden wie Madame Schumann und Madame Pleyel, als eine Pianistin der höchsten Klasse“, schreibt ein Kritiker. Es widerspricht schlicht den Quellen, Fanny als unglücklichen Menschen zu betrachten, „selbstbewusst und ironisch“ nennt Härtling ihren Briefstil zu Recht. Sogar der Tod scheint hier eher Zufall zu sein. Doch indem Härtling sich brav an der Chronologie entlanghangelt, statt eine eigenständige Erzählform zu entwickeln, muss er Alltägliches zu Tragödien aufblähen. Ohne Rhythmuswechsel plätschert diese recht kurzatmige Dramaturgie aus „Etüden“ und „Intermezzi“ dahin.
In ewiges Novembergrau hüllt sich hier Fanny Mendelssohn-Bartholdy-Hensel als reichlich altbundesrepublikanische Hausfrau mit Eheproblemen und Neigung zu kreativem Engagement. Ist sie verliebt, dirigiert sie Glucks „Orpheus“ und komponiert „Hero und Leander“. Reist ein Charles Gounod ihr nach, weil er sie als Künstlerin bewundert, ist er eigentlich eine Konkurrenz für den Ehemann. Nichts über die Prozesse des Komponierens, nichts über Fannys Haltung zur Musik ihrer Zeit. Härtling zementiert jenes Bild von Fanny als Frau, das er beklagt.
Felix Mendelssohn wurde als Komponist oft unterschätzt, weil sein Leben und sein Selbstverständnis nicht dem Paradigma des romantischen Künstlers entsprachen. Vielleicht wäre es auch bei der Schwester Zeit, das Werk für sich sprechen zu lassen.
MICHAEL STALLKNECHT
PETER HÄRTLING: Liebste Fenchel!: Das Leben der Fanny Hensel-Mendelssohn in Etüden und Intermezzi. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011. 375 Seiten, 19,99 Euro.
In ewiges Novembergrau
hüllt sich hier ein alltägliches
Leben als Mutter und Muse
Für den Vater kann für Fanny die Musik „nur Zierde, niemals Grundbaß“ sein. Foto: culture-images/Lebrecht
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2011

Antisemiten erzwangen den Rückzug in die Privatheit
Fast eine Spur zu zärtlich: Peter Härtling erzählt das Leben von Fanny Hensel-Mendelssohn

Unter den Blicken ihrer Familie setzt sie sich ans Klavier. Sie darf sich nun, en famille und dem Blick einer größeren Öffentlichkeit entzogen, produzieren. Cousins und Cousinen sitzen im Salon, Eltern und Großeltern, Geschwister und das Personal des Hauses. Sie holt tief Luft, lässt ihre Hände auf die Tasten sinken und spielt eine Fuge von Bach. Nummer 24, in h-Moll. Und die Anwesenden sind von dieser Darbietung völlig hingerissen. Privat musizieren, damit ist man einverstanden. Beruflich aber nicht.

Fanny Mendelssohn Bartholdy wird am 14. November 1805 in Hamburg als Tochter einer jüdischen Bankiers- und Musiker-Familie geboren. Die ersten sechs Jahre wächst sie im großen Landhaus der Familie an den Elbhängen in Hamburg auf, bevor diese 1811 vor der französischen Besatzungsmacht fliegt und zurück nach Berlin zieht, in die Heimatstadt des Vaters Abraham. Dort wird die Familie Mendelssohn Bartholdy mit ihren Kindern Fanny und Felix das kulturelle Leben prägen.

In den Familiebriefen wird Felix früh eine große musikalische Karriere vorausgesagt. Für Fanny ist dagegen lediglich die Ehe mit einem adäquaten Mann vorgesehen ist. Sie wächst unbeschwert in großbürgerlichen Verhältnissen auf. Man residiert in Berlin in den besten Wohnlagen, hat später ein eigenes Anwesen am Leipziger Platz - damals noch außerhalb der eigentlichen Innenstadt - nebst Herren-, Hinterhaus und großem Park. Die Geschwister erhalten Privatunterricht, und können ihre musikalischen Talente entfalten. Doch ist das private Glück von politischem Unheil überschattet. Als Kinder jüdischen Glaubens aus gutsituiertem Hause werden Fanny und Felix schon früh mit dem Antisemitismus Gleichaltriger und Älterer konfrontiert. Die Erfahrung, jemand Anderes zu sein, Glaubensrituale vollständig in den privaten Familienrahmen zu verlegen und den Namen Bartholdy nicht zu nennen, um nicht als Juden erkannt zu werden, prägen das Bewusstsein der Geschwister.

Mit aufkommender Adoleszenz und wachsendem musikalischen Können wird das intime Verhältnis, dass Fanny über die Musik zu ihrem Bruder Felix entwickelt, gespannt. Felix feiert die ersten öffentlichen Erfolge, während der Vater Abraham nicht gewillt ist, seiner musizierenden Tochter öffentliche Konzerte oder gar eine Tournee zu organisieren und unmissverständlich klarmacht, das ein solches Künstlerleben ihr nicht zusteht. Fanny lebt in einer patriarchalischen Familie, mit einem jüngeren Bruder, der seiner Schwester rät, sie "solle lieber geistliche Musik bleiben lassen", der ihr die erste Publikation ihrer Lieder übel nimmt und sich schwer tut, diese als Opus 1 zu würdigen; eine Familie zwar, in der von klein auf das Talent der Kinder gefördert wird, die musikalische und kompositorische Karriere aber einzig dem Bruder vorbehalten bleibt.

Fanny Mendelssohn Bartholdy versucht nur subtil, sich diesen Strukturen zu widersetzen. Sie heiratet den Portraitisten Wilhelm Hensel, der ins Haus der Mendelssohn zieht und führt mit ihm eine glückliche Ehe. Mit dem Auszug ihres Bruders übernimmt Fanny Hensel-Mendelssohn die Organisation der sonntäglichen Hauskonzerte, die die Familie des Abraham Mendelssohn Bartholdy an ihrem weitläufig repräsentativen Berliner Wohnsitz für eine illustres Publikum aus Kunst und Politik gibt - darunter Franz Liszt, Heinrich Heine oder Carl Friedrich Zelter, bei dem die Geschwister Mendelssohn Musik- und Kompositionsunterricht bekamen.

Später sagt sie von sich, sie sei lediglich die "Frau eines preußischen Malers und Schwester eines berühmten Komponisten" um ganz selbstlos anzufügen: "Ich spiele ordentlich Klavier, bin Mutter eines Sohnes und manchmal fällt mir auch ein Liedchen ein." Bis heute hat die musikwissenschaftliche Forschung kein vollständiges Kompositionsverzeichnis der Fanny Hensel-Mendelssohn erstellen können, gibt es keine Gesamtausgabe und nur wenige Aufnahmen ihrer Werke.

So ist "Liebste Fenchel" nicht nur die liebevolle Anrede eines Bruders seiner Schwester, sondern zugleich Biographie eines kompositorisch außergewöhnlichen Geschwisterpaares als auch beklemmende Darstellung der schwierigen Umstände jüdischen weiblichen Kunstschaffens im frühen neunzehnten Jahrhundert. Der Musikromancier Peter Härtling erzählt einfühlend, fast eine Spur zu zärtlich - so entbehren die familiären Konflikte und Zwischenfälle der Brisanz, die in ihnen steckt; eine Fehlgeburt der Fanny lässt sich gar nur über vorsichtige Andeutungen vermuten.

Der Text verfährt nicht wie eine chronologische Biographie, die erzählt, was an einem bestimmten Datum passiert ist. Nur vage lässt sich im Leseverlauf abschätzen, wie alt Fanny und Felix sein könnten, in welchem Dezennium des Lebens der Geschwister man sich befindet. Mit zwei Daten aber setzt der Texte markante Zäsuren: Am 8. Juli 1831 dirigiert sie ihren "Lobegesang" und zieht, indem nun auch sie ein Orchester leitet, mit ihrem Bruder gleich. Und am 14. Mai 1847 probiert Fanny Hensel-Mendelssohn mit einem kleinen Orchester und ihrer selbst am Flügel für ein Sonntagskonzert Chöre aus der "Walpurgisnacht" ihres Bruders. Sie stirbt an diesem Tag durch einen Schlaganfall, mit nur 41 Jahren, genau dort, wo sie Zeit ihres Lebens am liebsten gesessen hat: am Flügel.

XAVER OEHMEN

Peter Härtling: "Liebste Fenchel!" Das Leben der Fanny Hensel-Mendelssohn in Etüden und Intermezzi.

Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011. 384 S., geb., 19,99 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Xaver Oehmen bescheinigt Peter Härtling Einfühlsamkeit für Fanny Hensel-Mendelssohn, die sich als Konzertpianistin und Komponistin in ihrer Zeit nicht entfalten konnte, da sie statt für die Bühne von ihrer Familie lediglich für die Ehe vorgesehen wurde. Allerdings ist dem Rezensenten diese Biografie etwas zu "zärtlich", wie er kritisiert. Er findet, dass der Autor mitunter in seiner nicht chronologisch voranschreitenden Lebensbeschreibung allzu sehr im Ungefähren verbleibt. Dadurch werden brisante Zuspitzungen in den familiären Konflikten weichgezeichnet und eine Fehlgeburt Fannys beispielsweise muss man sich aus Andeutungen zusammenreimen, moniert Oehmen, der es hier schon gern etwas zupackender gehabt hätte.

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»Das hinreißende daran ist aber Härtlings Sympathie. Er mag ihre schiefe Schulter, wie ihre gerade Haltung. Man folgt ihm in beidem. « Frankfurter Rundschau 20110816