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Produktbeschreibung
Die Sensation 2010: Das Comeback Album der Briten mit Robbie Williams!
Trackliste
CDEXT
1The Flood00:04:51
2SOS00:03:46
3Wait00:04:17
4Kidz00:04:44
5Pretty Things00:04:05
6Happy Now00:04:04
7Underground Machine00:04:17
8What Do You Want From Me00:04:39
9Affirmation00:03:56
10Eight Letters00:08:49
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.11.2010

Die Kids sind in Ordnung
Jetzt mit Robbie: Take That in Originalbesetzung

Pioniertum: immer schwieriger. Originalität: bisweilen unmöglich. Bleibt neben Qualität vor allem Glaubwürdigkeit als großes Nachhaltigkeits-Kriterium in der populären Musik: Nimmt man einem Musiker ab, was er tut und wie er es tut, oder nicht? Besondere Brisanz bekommt das Thema in drei Fällen: Die Protagonisten altern, finden nach langjähriger Trennung wieder zusammen oder sind ein Casting-Produkt, das plötzlich künstlerische Eigenständigkeit propagiert - was zu Take That führt.

Gestern ist "Progress" erschienen, das neue Album der britischen Ur-Boy-Group. Es ist das erste seit mehr als fünfzehn Jahren in Originalbesetzung, also mit Gründungsmitglied Robbie Williams. Und es ist exzellent gelungen und dürfte die meisten Erwartungen deutlich übertreffen. Ein Dance-Pop-Werk mit ein paar gigantischen Melodien, das sehr dicht und im besten Sinne routiniert produziert ist, sich aber trotzdem eine gewisse Verspieltheit bewahrt. Dass es trotzdem weit davon entfernt ist, Meisterwerk oder Meilenstein zu sein, hat mit den engen Parametern zu tun, zwischen denen sich die Musik unter den genannten Vorzeichen (Alter, Reunion, ehemals Fremdbestimmung durch Management) überhaupt nur bewegen konnte. Take That 2010 dürfen nämlich weder nach Take That 1995 (nicht altersgerecht), noch nach den musikalisch belanglosen Take That 2008 (ohne Robbie Williams) klingen. Ebenso wenig konnte man sich an Williams Solo-Erfolgen orientieren - das Ganze muss nach Gemeinschaftsprojekt aussehen und nicht den erfolgreichsten Wolf anheulen.

Die Vermarktungssituation für einen Neuanfang in alter Besetzung war jedenfalls verworren. Deshalb warf man bereits 2009 die Image-Maschine an. Die aufwendige Dokumentation "Look Back, Don't Stare" (die gerade im Fernsehen lief und demnächst auf DVD erscheint) zeigt Höhen und Tiefen des Entstehungsprozesses von "Progress": erste, scheue Kontakte zwischen einem aufgedunsenen Robbie Williams und den restlichen vier, die 2005 ein durchaus erfolgreiches Comeback gefeiert hatten; Williams' Zusage; dann wieder Absage; neuerliche Treffen, die eher Therapiesitzungen als Aufnahmesessions gleichen - alles großartig gefilmt in Schwarz-weiß-Bildern, die jede Falte in den gereiften Gesichtern zur Geltung bringen und sagen wollen: Seht her, hier sind erwachsene Männer am Werk, die nun ruhig analysieren, dass sie in den Neunzigern ein Kunstprodukt waren, zusammengehalten nur vom Management. Männer, die ihre nun endlich gewonnene künstlerische Freiheit in basisdemokratischer Arbeit zelebrieren, die jetzt alleine im Studio stehen, die Inhalt und Image kontrollieren. Im Minutentakt betont jemand, dass man nun selbstbestimmt Kunst mache. Glaubwürdigkeit: ein noch größeres Thema, wenn man sie schon mal verloren hat.

Größte Hochachtung aber verdient der Produzent Stuart Price, der den wenig wendigen Tanker Take That durch den eng abgesteckten stilistischen Parcours manövriert. Ihm ist es zu verdanken, dass "Progress" zeitgemäß und trotzdem altersgerecht tönt, den Stammhörer nie überfordert und dabei doch phasenweise sehr ambitionierte Momente offenbart. Price bewahrt die Melodien, übrigens in Teilen die besten, die Barlow - und diesmal angeblich auch andere Teile der Band - je geschrieben haben, mit einem engen Arrangementkorsett davor, auszufransen. Durch die meist geschmackvolle Soundauswahl, die sehr gezielt eingesetzten Synthesizer, die einen Kontrapunkt zu den schwer schwelgenden Streichern setzen, ist die erste Single "The Flood" eine epische Hymne, die nicht in zu viel Schmalz verfettet. "The Pretty Things" schafft gar den Spagat zwischen Pop-Hopser und ernster Electro-Ballade.

Wirklich überraschend ist jedoch, dass gerade die drängenden, teilweise hoch aggressiv dröhnenden Stücke wie "SOS" überzeugen. Während Balladen eine recht sichere Bank waren, hätte bei ihnen mit einem weniger stilsicheren Produzenten viel schiefgehen können. Gerade hier kaschiert Price zudem geschickt das große Leistungsgefälle unter den Sängern, plaziert Williams prominent in vielen Strophen und unterstützt die stimmlich Schwächeren - also den Rest - meistens mit Chor-Beiwerk. Schade, dass einer der besten Songs, "Kidz", eine von herrlich knarzigen Sequenzern, Stampfbeats und Marschtrommeln angetriebene Anklage an die Politik, sich derart offensiv bei "Staring at the Sun" von U2 bedient - und damit nach "Feel Good Inc." (Gorillaz) schon der zweite Song innerhalb weniger Jahre ist.

"Progress" ist vor allem ein Lehrstück darüber, wie begrenzt die Möglichkeiten sind, ein (einstmals) reines Pop-Produkt ernsthaft und nachhaltig weiterzuentwickeln oder in ein neues zu transformieren. Es zeigt jedoch auch, dass dabei mit Fingerspitzengefühl und klugem Kalkül sehr passable Musik entstehen kann. Kaum zu glauben - aber würdig.

JAKOB BIAZZA

Take That,

Progress

Polydor 7590143 (Universal)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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