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Schneiderkunst im Anzug! oder: Maßgeschneidert, was ist das eigentlich? Über dem vielfach strapazierten Begriff scheint der Maßschneider beinah vergessen. Er zeichnete für die modische Eleganz des Gentleman verantwortlich, wurde als solcher zum heimlichen Schöpfer der zweiten Haut des Mannes. Aber was macht(e) den Anzug zum ästhetisch überlegenen und zugleich erfolgreichsten Kleidungsstück der Herrengarderobe? Wer schuf das bürgerliche Gesetzbuch der Herrenmode? Woraus bezieht der Anzug seine ungebrochene Modernität und seine erotische Strahlkraft? Woran erkennt man bis heute zweifelsfrei die…mehr

Produktbeschreibung
Schneiderkunst im Anzug! oder: Maßgeschneidert, was ist das eigentlich? Über dem vielfach strapazierten Begriff scheint der Maßschneider beinah vergessen. Er zeichnete für die modische Eleganz des Gentleman verantwortlich, wurde als solcher zum heimlichen Schöpfer der zweiten Haut des Mannes. Aber was macht(e) den Anzug zum ästhetisch überlegenen und zugleich erfolgreichsten Kleidungsstück der Herrengarderobe? Wer schuf das bürgerliche Gesetzbuch der Herrenmode? Woraus bezieht der Anzug seine ungebrochene Modernität und seine erotische Strahlkraft? Woran erkennt man bis heute zweifelsfrei die hohe Kunst der Herrenkleidermacher(innen) und wie entsteht sie? Instanzen und Ikonen männlicher Eleganz kommen ebenso zur Sprache wie Herrenmode-Liebhaber Adolf Loos und der Wiener Schneider-Poet Josef Gunkel. Am Schneider-Meisterwerk Alfred Konsals wird der Kunstbegriff der Herrenkleidermacher beispielhaft erschlossen. Erstmals gewähren kraftvolle Bilder und liebevoll aufbereitetes Fachwissen Einblick in die Arbeit eines Bekleidungskünstlers, aus dessen Werk ein anschauliches Verständnis für die ästhetische Perfektion im Anzug erwächst. Über 500 erläuterte Stichwörter zum Thema Herrenmode komplettieren diese Kulturgeschichte des eleganten Herrn.
Autorenporträt
Ruth Sprenger, geboren 1972 in Dornbirn, Schneidermeisterin und Magistra der Philosophie, schreibt mit liebendem Wissen Einblicke und Geschichten nieder, die die hohe Kunst der Herrenkleidermacher(innen) zugänglich machen. Sie nähert sich dem herrlichen Thema mit Respekt und Begeisterung und eröffnet das Verständnis dafür, weshalb bis heute kaum über die hohe Kunst der Herrenkleidermacher gesprochen wurde. Alfred Konsals Meisterwerk wirkt beispielhaft und überzeugend durch die ins Bild gefasste Lebendigkeit des Kunsthandwerks im Dienste vollendeter männlicher Eleganz. Mag. Ruth Sprenger studierte nach ihrer Schneidermeisterprüfung zwei Jahre bei Meisterschneider Alfred Konsal. Nach seiner Pensionierung führt sie, der hohen Kunst der Herrenkleidermacher und dem Werk Alfred Konsals verbunden und verpflichtet, seine Arbeit als selbstständige Maßschneiderin für Damen und Herren in engagierter Weise fort.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.04.2010

Bei aller Liebe zum Schrecklichen steht doch fest: Mein Anzug sitzt besser als deiner
Geschmackselite oder reiche Proleten? Zwei Bände feiern die Auferstehung des Dandys in der Pop-Moderne und schauen im Atelier der Herrenkleidermacher vorbei

Der Begriff "Dandy" wird zurzeit überstrapaziert, wenn Fragen des guten Geschmacks, des Luxus und der Mode behandelt werden. Das gilt auch für die Wissenschaft. Dort hält sich seit einigen Jahren die Auffassung, das aristokratische und bohemistische Dandytum des 19. Jahrhunderts sei in der zeitgenössischen Popkultur wiederauferstanden. Die Berliner Humboldt-Universität hat dieser Renaissance eine Ringvorlesung gewidmet, zu der nun das Buch "Depressive Dandys. Spielformen der Dekadenz in der Pop-Moderne" erschienen ist. Die zwölf Beiträge stammen überwiegend von Literaturwissenschaftlern und befassen sich mit den "Popliteraten" Christian Kracht, Rainald Goetz, Bret Easton Ellis und Frédéric Beigbeder sowie den bildenden Künstlern Gilbert & George und Damien Hirst.

Inhaltliche und strukturelle Übereinstimmungen mit der Décadence-Literatur des Fin de Siècle können an deren Werken vielfach belegt werden: Dazu zählen die Inszenierung des Selbst als Kunstwerk, der Ennui, die Ästhetisierung des Schrecklichen sowie eine Manie des Archivierens und Katalogisierens unterschiedlichster Kulturphänomene, welche zum Genuss und zur Provokation synästhetisch kombiniert werden. Dass der Weg von der Kanonisierung überspannter lateinischer Kirchenliteratur bei Joris-Karl Huysmans zum Fußballerbildchen-Archivismus Benjamin von Stuckrad-Barres über eine kulturelle Verflachung führt, bestreiten die Wissenschaftler nicht. Beide Sammelleidenschaften werden von ihnen jedoch über das Scharnier des "Camp" als gleichermaßen dandyhaft verbunden. Camp ist laut einer These von Susan Sontag aus dem Jahr 1964 die Antwort auf die Frage: "How to be a dandy in the age of mass culture?" Der Begriff bezeichnet eine ironische Haltung der permanenten Umwertung ästhetischer Werte, die Hoch- und Tiefkultur, Kunst und Kitsch einebnet.

Bei aller Finesse in der formalen Textanalyse mangelt es einigen Autoren des Bandes an Gespür für die ästhetischen Codes, die aus der wirklichen Welt in die Literatur eingegangen sind: Bezeichnenderweise entgeht ihnen, dass Bret Easton Ellis seine Wall-Street-Broker in "American Psycho", wenn er sie Lackschuhe zu Button-Down-Kragen tragen lässt, nicht als dandyhafte Geschmackselite charakterisiert, sondern als reiche Proleten. Ebenso wird missachtet, dass Joachim Bessing in "Tristesse Royale" die Haltung des Snobs karikiert, nicht die des Dandys, wenn er betont, dass sein Savile-Row-Anzug besser sitzt als der eines H&M-Kunden. Zur Erläuterung: Der Snob tritt nach unten und buckelt nach oben. Der Dandy tritt alle über ihm und um ihn herum, vergleicht seinen Stil aber nicht nach unten.

In "Depressive Dandys" bleiben solche Unterschiede oft unerkannt; Dandytum, Ästhetizismus, Snobismus, Camp, Pop- und Postmodernität werden hier fast synonym verwendet. Was die "Spielformen der Dekadenz" mit omnipräsenten Verfahren ästhetischer Distinktion (von der Club-Coolness bis zum Renommier-Vorgarten) gemeinsam haben, bleibt unerörtert.

Einer mehr soziologischen Perspektive folgt nur Günter Erbe, einer der kundigsten Erforscher der historischen Dandy-Kultur. Er demonstriert am Beispiel Beau Brummells, dass der ursprüngliche Dandy der Regency-Ära eine unauffällige Eleganz kultivierte, als Geschmacksterrorist einen exklusiven Kreis von Eingeweihten dominierte und dabei zwar soziale, aber keine kommerziellen Interessen verfolgte. Künstler, Salonliteraten, Popmusiker oder Modedesigner dagegen, welche sich zur Unterhaltung der Masse gegen Entgelt in Dandyposen werfen, tragen - wie Oscar Wilde - keinen Dandy-Habit, sondern ein Bühnenkostüm.

Trotz aller Missverständnisse, die der Diskurs über Dandytum und Pop aufwirft, zeigt er zumindest, dass ein Bedürfnis nach Abgrenzung, Verfeinerung der Lebensführung und bleibenden ästhetischen Werten grassiert - das mag auch mit Deklassierungsängsten in der Wirtschaftskrise zu tun haben. Im Gefolge von Bernhard Roetzels Erfolgstitel "Der Gentleman" machen zahlreiche Ratgeber ein durch die Mode-Industrie geschmacklich verdorbenes Publikum mit den Prinzipien eleganter Kleidung vertraut. Ging es zunächst um die Katalogisierung traditionsbewusster Luxusmarken und die Wiedereinführung vergessener Stiletikette, widmet sich ein neues Buch der Perfektion im Detail.

"Die hohe Kunst der Herrenkleidermacher", verfasst von der philosophisch gebildeten Wiener Schneidermeisterin Ruth Sprenger, erörtert ausschließlich das Maßschneiderhandwerk. Nahegebracht werden Feinheiten, über die die meisten Anzugträger nie nachdenken: die Form des Armlochs, die Position der Crochetnaht, die Modellierung der Schulter. Hier haben wir es mit der klassischen Spielwiese des Dandys zu tun, der sich den Schnitt seiner Kleider nicht von Designern vorschreiben lassen möchte. Mit dem unnachahmlichen Schwung eines Revers lässt sich allerdings kein Distinktionsgewinn in der Popkultur erzielen - wer nimmt solche Subtilitäten noch wahr? Der Dandy Brummellscher Schule huldigt der Schönheit in mönchischer Einsamkeit.

FELIX JOHANNES ENZIAN

Alexandra Tacke und Björn Weyand (Hrsg.): "Depressive Dandys". Spielformen der Dekadenz in der Pop-Moderne. Böhlau Verlag, Köln 2009. 247 S., br., 24,90 [Euro].

Ruth Sprenger: "Die hohe Kunst der Herrenkleidermacher". Böhlau Verlag, Köln 2009. 242 S., geb., 35,- [Euro].

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