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Die Biografie über Tilly Wedekind und ihre Töchter - geschrieben von ihrem Enkel Anatol Regnier.
Die Schicksale der Frauen aus der Wedekind-Dynastie: Briefe, Tagebuchaufzeichnungen und Erinnerungen werfen ein neues Licht auf Wedekinds Ehe und auf das Leben seiner Frau Tilly und seiner beiden Töchter, Pamela und Kadidja, die auch nach dem Tod des Dichters nicht gänzlich aus seinem Schatten treten konnten. Anatol Regnier, Enkel von Frank und Tilly Wedekind, wertet in dieser Biografie erstmals Teile des unter Verschluss gehaltenen Familienarchivs aus.
Ausgezeichnet mit dem Ernst-Hoferichter-Preis.
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Produktbeschreibung
Die Biografie über Tilly Wedekind und ihre Töchter - geschrieben von ihrem Enkel Anatol Regnier.

Die Schicksale der Frauen aus der Wedekind-Dynastie: Briefe, Tagebuchaufzeichnungen und Erinnerungen werfen ein neues Licht auf Wedekinds Ehe und auf das Leben seiner Frau Tilly und seiner beiden Töchter, Pamela und Kadidja, die auch nach dem Tod des Dichters nicht gänzlich aus seinem Schatten treten konnten. Anatol Regnier, Enkel von Frank und Tilly Wedekind, wertet in dieser Biografie erstmals Teile des unter Verschluss gehaltenen Familienarchivs aus.

Ausgezeichnet mit dem Ernst-Hoferichter-Preis.
Autorenporträt
Anatol Regnier wurde 1945 als zweites Kind von Pamela Wedekind und Charles Regnier geboren. Schon früh lernte er das Gitarrenspiel. Er studierte am Royal College of Music in London und reiste dann als Gitarrist durch In- und Ausland. Lange dozierte er am Konservatorium in München. 1985 ging er mit seiner ersten Frau, der bekannten israelischen Sängerin Nehama Hendel, und seinen Kindern nach Australien. 1997 veröffentlichte er "Damals in Bolechow", ein Buch über das Schicksal einer jüdischen Familie aus Galizien. Zuletzt erschien bei Knaus die Familienbiographie "Du auf deinem höchsten Dach". Heute lebt Anatol Regnier in München und am Starnberger See.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2003

Tingeltangel von Welt
Großes Familientheater: Die Wedekinds / Von Maria Frisé

Die Wedekinds: Frank, der exzentrische Dramatiker, Bürgerschreck und Moralist, und seine Frau Tilly, die personifizierte weibliche Verführung, die auch durch ihre Beziehung zu Gottfried Benn in die Literaturgeschichte einging, sowie ihre beiden Töchter Pamela und Kadidja, denen es nie ganz gelang, aus dem Schatten der Eltern herauszutreten.

Tilly hat kurz vor ihrem Tod 1970 ihre Erinnerungen veröffentlicht "Lulu - die Rolle meines Lebens", und von Frank, der 1918 starb, gibt es außer einigen Werkausgaben auch ausgewählte Briefe, die ihn als hellsichtigen, provokanten Zeitkritiker zeigen. Waren die Wedekinds beispielhaft für den gesellschaftlichen Aufbruch um die Jahrhundertwende und die Jahrzehnte danach, in denen sexuelle Tabus fielen und die Heuchelei des Bürgertums entlarvt wurde? Oder waren sie nur leidenschaftlich verstrickt in ihre obsessiven Gefühle und die Scheinwelt des Theaters?

Ein Enkel - Sohn von Pamela und Charles Regnier - hat jetzt das private Archiv der Wedekinds geöffnet und, gestützt auf zum großen Teil unveröffentlichte Briefe und Kalendereintragungen, Erinnerungen sowie den bereits zugänglichen Briefwechsel mit Freunden und Feinden, eine spannende Familienbiographie geschrieben. "Tilly und ihre Töchter" heißt die Unterzeile; doch die beherrschende Figur bleibt Frank Wedekind, von dessen Ruhm die drei Frauen auch nach seinem frühen Tod mehr oder weniger lebten.

Das Theater  - für die Wedekinds war es das Leben schlechthin. In zehn Monaten sechsundzwanzig Rollen, registriert Tilly; und Frank notiert, daß er in zwei Jahren neunzehnmal den Wohnsitz gewechselt habe und zwölf Jahre lang mit Tilly von Stadt zu Stadt gezogen sei. Auf der Bühne und in seinen Stücken waren sich die beiden meist einig; ihr aufreibendes, auch zerstörerisches Ehe-Drama begann, wenn das Rampenlicht erloschen war. Die umschwärmte Tilly ertrug es schwer, daß sie seinetwegen, wie sie meinte, die Chance einer großen Schauspielerkarriere ausgeschlagen hatte und nun von seiner krankhaften Eifersucht verfolgt wurde. Sie war aber auch tief verletzt, wenn sie in seinen Stücken ihr intimes Leben in die Öffentlichkeit gezerrt fand. Ihre zärtlichen, manchmal geradezu flehenden Liebesbriefe beantwortete Frank oft kühl, verschlossen.

Und doch konnte er ohne Tilly nicht leben. Für sie schrieb er, führte Regie und war meistens auch noch ihr Partner auf der Bühne. Seine besessene und quälende Liebe machte ihn abhängig. Sie sehnte sich nach Geborgenheit für sich und ihre beiden Töchter und hatte außerdem mit ihren eigenen, immer wieder auftretenden schweren Depressionen zu kämpfen. Nach zwei Selbstmordversuchen hatte sie sich entschlossen, sich endgültig von ihrem Mann zu trennen. Doch als er schwer erkrankte, hielt sie liebevoll zu ihm bis zu seinem Tod.

Eifersucht quälte Frank Wedekind nicht nur, wenn er an Tilly dachte. Während seine Stücke oft nach wenigen Aufführungen wieder abgesetzt wurden, erntete Gerhart Hauptmann, sein großer Rivale, Erfolg auf Erfolg. Erst nach seinem Tod - und nicht zuletzt dank Tillys Engagement - wurde Wedekind zum meistgespielten  Bühnenautor der zwanziger Jahre. Mit seinen Balladen, mit den Brettl-Liedern und den beißend satirischen Gedichten mußte er jahrelang, meist zusammen mit Tilly, in Kabaretts tingeln, um die Familie zu ernähren.

Tochter Pamela führte die Tingel-Tradition in den zwanziger und dreißiger Jahren bei den "11 Scharfrichtern" und auf anderen Kleinkunstbühnen erfolgreich weiter. Mit Erika und Klaus Mann bildete sie ein frivoles  Dreigestirn der Münchener Bohème, später kam Gustaf Gründgens dazu. Die Verlobung Pamelas mit Klaus war vermutlich kaum weniger ernst gemeint als die Ehe zwischen Erika und Gustaf.

Ende der zwanziger Jahre trennen sich die Wege des skandalumwitterten Quartetts endgültig. Pamela hat als Schauspielerin Erfolg. Doch zum Entsetzen ihrer Mutter, aber auch ihrer intimen Freunde Klaus und Erika Mann fühlt sie sich zu dem  fast dreißig Jahre älteren Carl Sternheim hingezogen. Sie läßt sich von vorwurfsvollen, flehenden oder warnenden Briefen der Freunde nicht beirren.

Anatol Regnier ordnet  als getreuer Chronist die ungeheure Fülle des Materials, das ihm zur Verfügung steht, darunter zahllose Brief einer schreibbesessenen Familie. Er möchte objektiv bleiben. Das Kapitel über seine Mutter und Sternheim überschreibt er "Unvereinbares vereinen". Daß Pamelas Vaterkomplex zu einer zum Scheitern verurteilten kurzen Ehe führte, ist nicht nur Tillys Erklärung. Jedenfalls hält Pamela auch dann noch die Beziehung aufrecht, als Sternheims Geist infolge einer Syphilis-Erkrankung gestört ist und seine Frau ihn zurückerobern will. Ein Familiendrama mit paranoiden Zügen, in dem sich manches wiederholt, was Tilly durchlitt.

Wie weit die jüngere Wedekind-Tochter Kadidja von dem aufsehenerregenden Verhältnis ihrer Schwester betroffen war, wagt Anatol Regnier nur zu vermuten. Kadidja stand nicht nur im Schatten ihrer Eltern, auch gegenüber Pamela blieb sie stets im Hintergrund. Ihre Versuche, mit der Erfolgreichen, Selbstsicheren zu wetteifern, mißlingen. Sie versucht sich im Schreiben, spielt wie ihr Vater Laute, schließt Freundschaft mit Max Reinhardts Söhnen, zeichnet und muß erschrocken feststellen, daß sie "ähnliche Depressionserscheinungen" hat wie ihre Mutter.

Tilly war inzwischen nach Berlin gezogen. Eine komplizierte, intensive Liaison zu Gottfried Benn begann - schönste längst bekannte Briefe bezeugen es -, doch die Hoffnung, daß sie in eine feste Beziehung münden würde, erfüllten sich nicht. Es wurde still um Tilly, wenige kleine Rollen wurden ihr angeboten. An ihrer Stelle trat nun Pamela mit Wedekind-Liedern im "Kabarett der Komiker" auf und knüpfte erste Kontakte zu Werner Fincks "Katakombe". Sie übernahm jetzt auch im Theater Rollen, in denen früher die Mutter glänzte.

Die Wolken am politischen Himmel verdunkelten sich, als Hitler Reichskanzler wurde. Während Pamela und ihre Mutter versuchten sich zu arrangieren, emigrierte Kadidja. Gottfried Reinhardt versprach ihr, beim Anfang in Amerika zu helfen. Vergeblich hoffte sie auch auf Unterstützung der prominenten Freunde ihrer Mutter, Erika und Klaus Mann. Kadidja war in New York ganz allein auf sich gestellt. Mühsam schlug sie sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. In ihren Briefen verschwieg sie ihre Enttäuschungen und Entbehrungen, doch der früh angelegte Zug von Verbitterung einer Zukurzgekommenen und Gescheiterten verhärtete sich. Mutter und Schwester hatten in der Nazizeit Schwierigkeiten. Wedekind stand bald auf keinem Spielplan mehr, obwohl Tilly den Verdacht, er sei "jüdisch versippt", zurückweisen konnte. Als ihr Goebbels vorschlagen ließ, in einem Film den "Marquis von Keith" als jüdischen Schieber darzustellen, gespielt von Werner Krauss, lehnte sie ab und brachte sich damit vollends ins Abseits.

Auf den letzten hundert Seiten der Familienbiographie wird Anatol Regnier ein mitunter kurzatmiger Berichterstatter. Die Ereignisse überstürzen sich, und er ist gelernter Musiker, kein Schriftsteller. Zudem werden die Zeiten immer chaotischer, unmöglich, sie in einem geordneten Verlauf darzustellen. Nur wenige Briefe belegen die Geschichte seiner Eltern. Ein Zufall, ein Engagement im Greifswalder Stadttheater, bringt die beiden zusammen, seinen Vater Charles, einen gutaussehenden Neuling auf der Bühne, und die acht Jahre ältere erfahrene Pamela, die die Marie Antoinette spielen soll. Sie ist fasziniert von dem romantischen Jüngling, der aus dem Französischen übersetzt und sich freimütig zu seiner Homosexualität bekennt. Deshalb und weil er kommunistische Schriften eines Freundes versteckt hat, mußte er neun Monate im KZ Lichtenburg verbringen und ist nach wie vor in Gefahr. Bevor Charles ein Engagement bei Otto Falckenberg in München annimmt, heiraten er und Pamela 1940, ohne daß Tilly etwas weiß. 

Der Sohn schreibt wenig über die Ehe seiner Eltern, die immerhin vier Jahrzehnte hindurch gehalten hat. Knapp, wie in einem Nachtrag, befaßt sich Regnier im letzten Kapitel mit seiner Tante Kadidja. Nach ihrer Rückkehr aus Amerika wirft Kadidja Pamela vor, eine "Nazikarriere" gemacht zu haben. Es kommt zum Bruch. Sie allein fühlt sich berufen, das Erbe ihres Vaters zu verwalten. Mit der Mainzer Akademie streitet Kadidja sieben Jahre lang wegen einer Neuausgabe und verdächtigt renommierte Germanisten, sie auszurauben und Wedekinds Werk zu verfälschen. Mißtrauisch, querulantisch und zeitweise verwirrt endet Kandidja in ihrer verwahrlosten Schwabinger Wohnung. Es scheint, als hätten sich sämtliche neurotischen Belastungen ihrer schwierigen Familie bei ihr konzentriert. 

Anatol Regnier: "Du auf deinem höchsten Dach - Tilly Wedekind und ihre Töchter". Eine Familienbiographie. Verlag Albrecht Knaus, München 2003. 447 S., geb., Abb., 21,90 [Euro].

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"Eine kluge, vergnügliche Revue, ein faszinierendes Psychogramm dreier Frauen." Süddeutsche Zeitung