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Wüsste man nichts von Jan Wagners lyrischem Werk, man würde überhaupt nur noch Essays von ihm lesen wollen. Ob er über Bibliotheken, Buchhandlungen, Lyrik oder Kunst schreibt, ob er literarische Postkarten aus Rom oder Los Angeles sendet oder die Epiphanie eines Rosmarins im schwäbischen Garten feiert - man glaubt diesem charmanten Geschichtenerzähler alles. Es bleibt kaum Zeit, die rhetorische Fingerfertigkeit zu bewundern, mit der da zwischen souveräner Gelehrsamkeit unerwartet die nächste Anekdote aus dem Ärmel gezogen wird, und man kann nicht anders als staunen über die Trouvaillen, die…mehr

Produktbeschreibung
Wüsste man nichts von Jan Wagners lyrischem Werk, man würde überhaupt nur noch Essays von ihm lesen wollen. Ob er über Bibliotheken, Buchhandlungen, Lyrik oder Kunst schreibt, ob er literarische Postkarten aus Rom oder Los Angeles sendet oder die Epiphanie eines Rosmarins im schwäbischen Garten feiert - man glaubt diesem charmanten Geschichtenerzähler alles. Es bleibt kaum Zeit, die rhetorische Fingerfertigkeit zu bewundern, mit der da zwischen souveräner Gelehrsamkeit unerwartet die nächste Anekdote aus dem Ärmel gezogen wird, und man kann nicht anders als staunen über die Trouvaillen, die Jan Wagner von seinen Entdeckungsreisen quer durch Epochen und Kontinente mitbringt.
Autorenporträt
Jan Wagner, 1971 in Hamburg geboren, lebt in Berlin. 2001 erschien sein erster Gedichtband "Probebohrung im Himmel". Es folgten "Guerickes Sperling" (2004), "Achtzehn Pasteten" (2007), "Australien" (2010), "Die Eulenhasser in den Hallenhäusern" (2012) und der Sammelband "Selbstporträt mit Bienenschwarm" (2016) und zuletzt "Die Life Butterfly Show" (2018) sowie die Essaybände "Der verschlossene Raum" (2017) und "Der glückliche Augenblick" (2021). Für seinen Gedichtband "Regentonnenvariationen" (2014) gewann er 2015 den Preis der Leipziger Buchmesse, 2017 wurde er mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2017

Poetische Prosa
Der Lyriker Jan Wagner im Frankfurter Literaturhaus

Er kann auch Prosa. Das bewies Jan Wagner jetzt im Frankfurter Literaturhaus. Dort stellte der Lyriker im Gespräch mit der Literaturkritikerin Beate Tröger seinen Band "beiläufiger Prosa" vor, der unter dem Titel "Der verschlossene Raum" vor kurzem bei Hanser erschienen ist. Vor zwei Jahren hatte Wagner für seinen Gedichtband "regentonnenvariationen" als erster Lyriker den Preis der Leipziger Buchmesse erhalten. Jetzt also trug er kurze Prosa vor: Postkarten aus Rom und Berlin-Neukölln, wo der gebürtige Hamburger zu Hause ist, kurze Geschichten, eine längere Erzählung und einen autobiographischen Rückblick, in dem er auch dem "Winzigen", wenn nicht Verachteten Raum gibt - wie in seinen Gedichten. Statt Giersch diesmal Ameisen, über deren Nest seine Schwester einst eine Decke gebreitet hatte. Was der Fünfjährige unter dem Johannisbeerbusch dann erlebte, war nun zu hören.

Wagner ist im holsteinischen Ahrensburg aufgewachsen: zwischen Buntvieh und Rapsfeldern, schwadronierenden Seefahrern und dem Klappern der Schreibmaschine im Zimmer seines Vaters. Er hat Anglistik studiert, unter anderem am ehrwürdigen Trinity College in Dublin. Noch immer beherrscht er das leicht affektierte Oxford English, wenn er seine Lieblinge zitiert: wie Edgar Allen Poe, dem sich der Titel seines Buchs verdankt. In der Detektivgeschichte "Die Morde in der Rue Morgue" hatte Poe das sogenannte "locked-room-mystery" erfunden. Wagner begreift auch das Gedicht als "verschlossenen Raum". Lyrik und Krimi haben für ihn etwas gemeinsam. Auch Brecht und Benn, die ja sonst gar nichts verbinde, hätten beide gern Krimis gelesen. In seinen "Postkarten" kommt sich Wagner als Lyriker am nächsten, indem er seine Prosa mit "Lyrikbausteinen und Farbanalogien" verdichtet, wie Tröger bemerkte.

Eine Humoreske hat er über die drei Männer verfasst, die über die Bücherborde seiner Jugend "herrschten". Herr M., ein Buchhändler in Ahrensburg, und seine beiden Gehilfen kultivierten neben Hemingway und Faulkner den Suhrkamp-Autor Hans Erich Nossack, was der kleinen Buchhandlung einen Dankesbrief des renommierten Verlags eintrug: für den Verkauf von zwei Dritteln der Gesamtauflage. Zwischen irischem Humor und deutscher Pünktlichkeit befindet sich der autobiographische Ich-Erzähler in der Erzählung "Der Mann, der nach Ecle wollte", aber dann in einer Küsten-Kneipe unterging, weil er seinen Mietwagen nicht rechtzeitig bekam. Ein ergreifendes Nachspiel bei einer Beerdigung in Westport einige Jahre später schildert die zwei Seelen in der Brust der indigenen Bevölkerung zwischen Pub und Kirche und wie sich der Verfasser mit ihnen versöhnt.

Ein autobiographisches "Reisestück" zwischen lauter Auftragswerken. Freiwillig wechselt dieser Dichter offenbar nicht sein Metier. Auch als Beate Tröger den Romancier aus dem letzten längeren Text herauslesen wollte, wehrte er ab. Nein, einen Roman plane er nicht. Das "Reisestück" sei einfach zu lang gewesen, sogar für ein Langgedicht. Und auch Gedichte über Tagespolitik will er nicht schreiben - "sie vergehen zu schnell". Auch der Terroranschlag in Berlin habe nichts an seiner Meinung geändert, wie doch Tröger vermutete. Lieber schreibt Wagner Gemüsegedichte, wie jenes über den "Rettich" oder über die alten "Kapitäne" seiner Jugend - lyrische Kleinode, mit denen er sich verabschiedete.

CLAUDIA SCHÜLKE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2019

NEUE TASCHENBÜCHER
Große
Freiheit
„Edith, der Bienenstich ist wunderbar!“ Lyriker sind mit den kuriosesten Reaktionen auf ihr Tun konfrontiert. Einige der schönsten finden sich nun in Jan Wagners Band mit beiläufiger Prosa, der neben Reden des Büchner-Preisträgers noch Essays, Nachrufe, Reiseimpressionen umfasst und das Gedicht als „größte Freiheit auf engstem Raum“ feiert. Da ist nicht nur die Freundin seiner Großmutter, die ihn mit Schweigen straft und sich ihrem Kuchen zuwendet. Sondern da eröffnet ihm auch eine elegante ältere Dame nach einer Lesung ein Jobangebot: Wenn es mal nicht mehr so gut laufe, solle er doch als erotischer Telefondienstleister bei ihr anfangen, seine Stimme sei ausgezeichnet. Wer also zu Wagners Prosavariationen greift, der darf sich nicht nur auf überaus kluge Lektüre zur Lyrik Mörikes, Ted Hughes oder Seamus Heaney freuen, sondern auf eine ebenso kurzweilig-amüsante. Im titelgebenden Vortrag „Der verschlossene Raum“ macht er sich Gedanken zum Zusammenhang zwischen Dichtung und Krimi. Maßstab für ein gelungenes Gedicht: „Will man es nicht wieder und wieder betreten …, dann waren es nicht Baudelaire oder Benn, dann war es wie immer der Butler.“ FLORIAN WELLE
Jan Wagner: Der verschlossene Raum. Beiläufige Prosa. Fischer Verlag, Frankfurt / M. 2019. 272 Seiten, 12 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Oliver Jungen lernt Jan Wagner mit diesem "anregenden" Band als begnadeten Prosaisten kennen. Wagner, wie soll es anders sein, schreibt übers Dichten und das Gedicht, gibt poetologische Gedanken und praktische Anleitungen zum Dichten zu Besten, philosophiert über Handschriften, Ted Hughes und Großmutters Biberacher Garten. Die Anekdoten haben es Jungen angetan, auch in ihnen, meint er, findet sich Wagners Poetologie (Staunen und Wundern erzeugen). Auch wenn die nicht neu ist, wie Jungen zugibt, ist der Rezensent ganz verliebt in den Autor. Wenn Wagner in einem Vortrag vor Abiturienten den Müßiggang preist oder Postkarten aus Rom oder Neukölln schreibt, kommt Jungen ins Schwärmen über so viel Anschaulichkeit und kitschfreie Lebensfreude.

© Perlentaucher Medien GmbH