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Die Geschichte Morgenthaus und seiner Anhänger erlaubt einen ungewöhnlichen Blick auf die frühen deutschen Nachkriegsjahre und erklärt zum Beispiel, warum auch die Atombombe für das deutsche Wirtschaftswunder verantwortlich ist.
Henry Morgenthau, Jr. habe, so die landläufige Rede, Deutschland in ein »Ackerland« verwandeln und 80 Millionen Menschen dem Hungertod preisgeben oder zur Auswanderung zwingen wollen.
Anhand der umfangreichen Tagebücher des amerikanischen Finanzministers Morgenthau wird klar, dass man bereits in den frühen 1940er Jahren über die enge Verzahnung deutscher
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Produktbeschreibung
Die Geschichte Morgenthaus und seiner Anhänger erlaubt einen ungewöhnlichen Blick auf die frühen deutschen Nachkriegsjahre und erklärt zum Beispiel, warum auch die Atombombe für das deutsche Wirtschaftswunder verantwortlich ist.

Henry Morgenthau, Jr. habe, so die landläufige Rede, Deutschland in ein »Ackerland« verwandeln und 80 Millionen Menschen dem Hungertod preisgeben oder zur Auswanderung zwingen wollen.

Anhand der umfangreichen Tagebücher des amerikanischen Finanzministers Morgenthau wird klar, dass man bereits in den frühen 1940er Jahren über die enge Verzahnung deutscher Großbetriebe mit den Nazis informiert war. Als er seine umstrittenen Gedanken zu Papier brachte, schien es, als würden - von Hitler und seiner engsten Umgebung abgesehen - die für Krieg und Völkermord Verantwortlichen ungestraft davonkommen.
Autorenporträt
Bernd Greiner ist Leiter des Arbeitsbereichs "Theorie und Geschichte der Gewalt" am Hamburger Institut für Sozialforschung und Professor am Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften der Universität Hamburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.09.1995

Roosevelts Racheengel
Das zweite Dänemark des Henry Morgenthau

Bernd Greiner: Die Morgenthau-Legende. Zur Geschichte eines umstrittenen Plans. Hamburger Edition, Hamburg 1995, 441 Seiten, 48,- Mark.

Der groteske Plan stammte von einem amerikanischen Apfelzüchter, der viel unter Migräne litt. Auf seiner Obstplantage in New Jersey kam er im Sommer 1944 auf die Idee, aus dem besiegten Deutschland eine bukolische Idylle zu machen: Es sollte eine Art "zweites Dänemark" werden, mit viel "Weideland" und kaum Industrie. Henry Morgenthau junior glaubte, inmitten von üppigen Wiesen würden die Deutschen endlich friedfertig werden und ihrem ewigen Militarismus abschwören. Er hatte gleichsam eine "grüne" Vision: Alle Hochöfen des Ruhrgebiets sollten verschwinden und die Kohlenzechen für fünfzig Jahre geschlossen bleiben.

Sein engster Freund war Präsident Roosevelt, dem er auch seinen Posten als Finanzminister verdankte. Er verstand zwar nicht viel von monetären Problemen, gehörte aber zum sogenannten "Küchenkabinett", einer Handvoll von Beratern, die jederzeit Zugang zum Weißen Haus hatten. Der leidenschaftliche Deutschenhasser Roosevelt war vom "Morgenthau-Plan" sogleich sehr angetan und gab ihm im September 1944 seinen Segen. Aber kaum hatten er und Winston Churchill bei einem Treffen in Quebec ihre Unterschrift unter das aberwitzige Projekt gesetzt, brach in Amerika ein Proteststurm los. Die "New York Times" entfesselte eine empörte Kampagne gegen die von Morgenthau verlangte komplette Demontage der deutschen Stahlindustrie. Sie sei für den Wiederaufbau ganz Europas von lebenswichtiger Bedeutung. Roosevelt, der mitten im Wahlkampf für seine vierte Präsidentschaftskandidatur stand, ließ seinen Freund sofort fallen. "Henry hat einen Bock geschossen", meinte er mißmutig und behauptete der irritierten Öffentlichkeit gegenüber, er hätte den Morgenthau-Plan nie unterschrieben. Das sei nichts als "faschistische Hetze". Aber sein republikanischer Herausforderer Thomas Dewey, der Roosevelt längst für unfähig hielt, erneut als Präsident anzutreten, ließ nicht locker: Er und Morgenthau seien schuld daran, daß sich der deutsche Widerstand, jetzt, im Herbst 1944, plötzlich versteift habe. Es sei, als stünden den alliierten Truppen "zehn frische Divisionen" gegenüber - so verbissen kämpfe die bereits geschlagene Wehrmacht nun. Wegen des skandalösen und "dekadenten" Morgenthau-Plans müßten noch kurz vor Kriegsende Tausende amerikanischer Soldaten sinnlos sterben.

Goebbels rieb sich die Hände, hatte er doch endlich ein vorzügliches Druckmittel, um die Deutschen zum fanatischen Endkampf auch im Westen anzustacheln. Für ein Achtzig-Millionen-Volk sei es besser, rief er pathetisch, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen, als in Morgenthaus "Ackerland" ohne Industrie zu verhungern. Wäre Präsident Roosevelt nicht im April 1945 gestorben, hätte das Schicksal Deutschlands zweifellos anders ausgesehen als unter seinem pragmatischen Nachfolger Truman. Die sowjetfreundlichen und deutschfeindlichen "Linken" um Morgenthau hatten nun keine Chance mehr, ihren unversöhnlichen Rachefeldzug gegen jenes Volk zu führen, das sie - als riesiges Kollektiv - für Auschwitz büßen lassen wollten. Für Truman und seine Berater John Foster Dulles, George F. Kennan und John McCloy stand sehr bald fest, daß fortan nicht mehr die Bestrafung des geschlagenen Deutschlands, sondern die sich abzeichnende tödliche Bedrohung durch Stalins Sowjetunion Priorität besaß.

Nach einem halben Jahrhundert wirken die Ideen Morgenthaus, der angesichts der Ungeheuerlichkeiten der Judenvernichtung nur vom Gedanken an eine unerbittliche, fast biblisch anmutende Vergeltungsaktion erfüllt war, ebenso tragisch wie weltfremd. Und dem Buch, das die Intentionen dieses Mannes mit deutlicher Sympathie schildert, hätte ein wenig mehr nüchterne Objektivität im Umgang mit der Geschichte gutgetan. Des Verfassers Neigung zur salopp formulierten Polemik stört bei der Lektüre dieser Arbeit erheblich. HENNING SCHLÜTER

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